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Ein Werkunternehmerpfandrecht lässt einen Vermögensschaden i. S. d. § 263 Abs. 1 StGB allenfalls entfallen, wenn es werthaltig ist. Dies setzt jedoch voraus, dass der Anspruch aus dem Werkunternehmerpfandrecht eine jederzeit und ohne Zeit- und Kostenaufwand zu erreichende Zahlung erwarten lässt und nicht minderwertig ist.
Ein Werkunternehmerpfandrecht kann für den Fall eines Kfz-Reparaturauftrags nur dann werthaltig sein, wenn dem Werkunternehmer die Zulassungsbescheinigung Teil II (früher Kfz-Brief) bei der Inbesitznahme des Pkw übergeben wurde. Denn nur in solch einem Fall kann die Verwertung des Werkunternehmerpfandrechts im Rahmen des Pfandverkaufs ohne nennenswerte Schwierigkeiten erfolgen.
Die Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht – Strafrichter – Steinfurt hat den Angeklagten am 21.08.2024 (23 Cs-71 Js 1380/23-288/23) vom Vorwurf des Betruges freigesprochen.
4Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft Münster hat die 13. kleine Strafkammer des Landgerichts Münster mit Urteil vom 26.11.2024 das angefochtene Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und den Angeklagten wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu jeweils 30 Euro verurteilt. Zudem hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.350,73 € angeordnet.
5In der Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
6„Am 05.03.2021 erteilte der Angeklagte der Firma A. & X. GmbH & Co. KG den Auftrag, Reparaturarbeiten an seinem Pkw vorzunehmen. Zuvor war ihm ein Kostenvoranschlag mit einer voraussichtlichen Reparatursumme in Höhe von ca. 2.000 Euro übermittelt worden. Der Angeklagte wusste, dass er diese Summe zum Zeitpunkt der Auftragserteilung nicht zahlen konnte. Er war zu dieser Zeit selbstständig als (..) tätig und erzielte äußerst unregelmäßige Einkünfte in monatlich lediglich dreistelliger Höhe. Das Konto, welches er mit seiner Frau führte, wies ebenfalls kein Guthaben auf. Mehrere Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Angeklagten wurden zu dieser Zeit erfolglos betrieben. Erst im Januar 2021 hatte er die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Gleichwohl hatte der Angeklagte die vage Hoffnung, seine Vermögenslage werde sich kurzfristig bessern. Dem Zeugen A. gegenüber legte er seine finanziellen Verhältnisse nicht offen, da ihm bewusst war, dass die Firma die Reparatur sonst ablehnen würde. Ihm kam es darauf an, sein Auto repariert zu bekommen, obwohl er wusste, dass er die Rechnung nicht würde bezahlen können. Als dem Angeklagten am 28.05.2021 die Schlussrechnung über 2.350,73 Euro zugesandt wurde, fragte er nach, ob ihm Ratenzahlung bewilligt werde, was das Unternehmen jedoch ablehnte. Tatsächlich hat der Angeklagte bis zum heutigen Tage nichts auf die Rechnung bezahlt.“
7Ausgehend von diesen Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten des Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB für schuldig befunden.
8Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte Revision eingelegt und diese mit der Verletzung materiellen Rechts begründet. Der Angeklagte ist der Ansicht, dass der Firma A. & X. GmbH & Co. KG ein kompensierender Vermögensvorteil zugewachsen sei, da sie ein Werkunternehmerpfandrecht nach § 647 BGB an dem reparierten Fahrzeug erlangt habe.
9Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
10II.
11Die Revision bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, jedoch nicht begründet.
121.
13Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB.
14Der Vermögensschaden i. S. d. § 263 StGB ist durch einen Vermögensvergleich zu ermitteln (vgl. nur Beukelmann in v. Heintschel-Heinegg/Kudlich, BeckOK StGB, 64. Edition, Stand 01.02.2025, § 263 Rn. 51). Ein Schaden tritt dann ein, wenn die Verfügung unmittelbar zu einer nicht durch gleichzeitigen Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwertes des Vermögens führt (vgl. Fischer, StGB, 72. Aufl. 2025, § 263 Rn. 111). Bei einem Eingehungsbetrug – wie er hier vorliegt – entsteht ein Gefährdungsschaden bereits durch betrügerischen Abschluss eines Vertrages und die Begründung einer wirtschaftlich minderwertigen Verbindlichkeit (s. Fischer, a.a.O., § 263 Rn. 176).
15Das Werkunternehmerpfandrecht gem. § 647 BGB stellt eine Sicherung dar und ist ein Ausgleich dafür, dass der Unternehmer das Risiko für das Gelingen des Werkes trägt und deshalb mit der Herstellung vorleistungspflichtig ist (vgl. nur Grüneberg, BGB, 84. Aufl. 2025, § 647 Rn. 1). Es kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob ein solches Werkunternehmerpfandrecht bei der Prüfung eines Gefährdungsschadens grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist (so BayObLG, Urteil vom 17.12.1973, RReg. 7 St 233/73, JR 1974, 336). Denn das Werkunternehmerpfandrecht kann der Entstehung eines Schadens jedenfalls nur dann entgegenstehen oder diesen einschränken, wenn und soweit es werthaltig ist (vgl. Fischer, a.a.O., § 263 Rn. 112a). Dies erfordert, dass der Gläubiger trotz der Täuschung über werthaltige Sicherheiten verfügt, die sein Ausfallrisiko abdecken und ohne erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand realisierbar sind, ohne dass der Schuldner dies vereiteln kann (so Fischer, a.a.O., § 263 Rn. 174; Beukelmann in v. Heintschel-Heinegg/Kudlich, a.a.O., § 263 Rn. 58). Als vollständiger Ausgleich für den Minderwert des Zahlungsanspruchs ist eine solche Sicherheit nur dann anzusehen, wenn sie – gemessen an ihrem Wert zur Zeit des Geschäftsabschlusses – nach dem Urteil eines unbeteiligten, sachkundigen und unterrichteten Beobachters im Hinblick auf die Gesamtumstände zur Deckung des vollen Betrags ausreicht und ohne nennenswerte Schwierigkeiten verwertbar ist (vgl. Hefendehl in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 263 Rn. 789). Denn ein kompensationsfähiger Anspruch aus einem Werkunternehmerpfandrecht muss eine jederzeit und ohne Zeit- und Kostenaufwand zu erreichende Zahlung erwarten lassen und darf nicht minderwertig sein (vgl. auch Lackner/Kühl, StGB, 30. Aufl. 2023, § 263 Rn. 36a).
16Aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten ist auf Seiten der Firma A. & X. GmbH & Co. KG ein Vermögensnachteil in Höhe von 2.350,73 € entstanden Soweit der Angeklagte meint, dass der Firma durch das Werkunternehmerpfandrecht ein kompensierender Vermögensvorteil entstanden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass das Werkunternehmerpfandrecht hier gerade nicht als werthaltig im vorbeschriebenen Sinne angesehen werden kann.
17Nach §§ 1257, 1228 Abs. 1 BGB erfolgt die Befriedigung des Pfandgläubigers aus dem Pfande durch Verkauf. Dabei ist der Pfandgläubiger zum Verkauf berechtigt, sobald die Forderung ganz oder zum Teil fällig ist (§§ 1257, 1228 Abs. 2 Satz 1 BGB). Bei einem Werkvertrag ist die Vergütung bei der Abnahme des Werkes zu entrichten, sodass die Vergütung auch erst in diesem Zeitpunkt fällig ist (§ 641 Abs. 1 S. 1 BGB). Insoweit ist der Werkunternehmer mit der Reparatur des Kfz vorleistungspflichtig. Der Verkauf des Pfandes ist im Wege öffentlicher Versteigerung zu bewirken (§§ 1257, 1233 Abs. 1, 1235 Abs. 1 BGB). Die Übereignung erfolgt durch Rechtsgeschäft nach den §§ 929 ff. BGB. Der Verkauf erfolgt im Namen des Pfandgläubigers, welcher durch den Versteigerer vertreten wird, und für Rechnung des Verpfänders (vgl. Grüneberg, a.a.O., § 1233 Rn. 1). Dabei ist die Zulassungsbescheinigung Teil II (früher Kfz-Brief) an den Käufer herauszugeben, da diese zum Beweis des Eigentums dient. Dies setzt voraus, dass der Verkäufer zum Zeitpunkt des Kaufvertrags im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II ist (s. Grüneberg, a.a.O., § 433 Rn. 26). Insbesondere begründet allein der Besitz des Fahrzeugs nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht den für einen etwaigen Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 23.09.2022, V ZR 148/21, Rn. 16; BGH, Urteil vom 18.09.2020, V ZR 8/19, Rn. 29; BGH, Urteil vom 01.03.2013, V ZR 92/12, Rn. 13).
18Im Rahmen eines Kfz-Reparaturauftrages wird die Zulassungsbescheinigung Teil II jedoch in der Werkstatt regelmäßig nicht vorgelegt oder gar für die Dauer der Reparatur übergeben. Hiervon – also von einer Vorlage bzw. Übergabe der Zulassungsbescheinigung Teil II – ist nach den getroffenen Feststellungen auch für den vorliegenden Fall nicht auszugehen. Zwar hat der Pfandgläubiger nach §§ 1257, 1227, 985 BGB i. V. m. § 952 Abs. 2 BGB analog einen Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II. Jedoch müsste der Pfandgläubiger die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II zunächst – ggfs. gerichtlich – erwirken, was eine alsbaldige und ohne nennenswerte Schwierigkeiten zu erlangende Verwertung des Sicherungsmittels ausschließt. Denn die Geltendmachung des Anspruchs auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II bringt einen nicht unerheblichen Zeitaufwand sowie möglicherweise anfallende Gerichts- und Anwaltskosten mit sich, wobei der Pfandgläubiger erst weitere Zwischenschritte absolvieren muss, bevor er das Kfz letztlich verwerten kann. Der Pfandgläubiger verfügt aufgrund dieser Umstände mit dem Werkunternehmerpfandrecht gerade nicht über eine werthaltige Sicherheit, die ohne erheblichen zeitlichen Aufwand realisierbar ist. Insoweit stellt das Werkunternehmerpfandrecht aufgrund seiner Minderwertigkeit kein gleichwertiges Äquivalent dar, weshalb der Vermögensnachteil hierdurch nicht kompensiert werden kann.
192.
20Die Strafzumessungserwägungen lassen ebenfalls Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen. Auch die Anordnung betreffend die Einziehung des Wertes von Taterträgen, welche aus § 73c StGB folgt, ist nicht zu beanstanden.
21III.
22Da die Überprüfung des angefochtenen Urteils damit insgesamt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, war die Revision auf seine Kosten, § 473 Abs. 1 StPO, als unbegründet zu verwerfen.