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Ist im Berufungsurteil aufgrund einer Gesetzesänderung ein milderer Strafrahmen zu Grunde zu legen als im erstinstanzlichen Urteil, ist die Verhängung gleich hoher oder annähernd gleich hoher Strafen im Berufungsurteil jedenfalls dann erörterungsbedürftig, wenn sich beide Gerichte am unteren Rand des Strafrahmens orientiert haben. Die Grundsätze der diesbezüglichen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die eine Änderung des anwendbaren Strafrahmens infolge einer anderen rechtlichen Bewertung von Tatfragen betrifft, finden auch im Falle eines durch Gesetzesänderung veränderten Strafrahmens Anwendung.
Das angefochtene Urteil wird im Strafausspruch zu allen Einzelstrafen und der Gesamstrafe mit den jeweils zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
G r ü n d e:
2I.
3Das Amtsgericht – Schöffengericht – Gütersloh hat den Angeklagten mit Urteil vom 20. Februar 2024 wegen Besitzverschaffens kinderpornographischer Inhalte in sechs Fällen (Taten 1-6) sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit dem Besitz jugendpornographischer Inhalte in Tateinheit mit dem Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild (Tat 7) verurteilt. Es hat dabei folgende Einzelfreiheitsstrafen verhängt
4Tat 1: 1 Jahr und 2 Monate
Tat 2: 1 Jahr
Tat 3: 1 Jahr und 4 Monate
Tat 4: 1 Jahr und 2 Monate
Tat 5: 1 Jahr
Tat 6: 1 Jahr und 1 Monat
Tat 7: 1 Jahr und 10 Monate
und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten gebildet.
13Auf das als Berufung behandelte Rechtsmittel des Angeklagten hat das Landgericht Bielefeld das amtsgerichtliche Urteil mit Urteil vom 27. September 2024 unter Verwerfung der Berufung im Übrigen im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt wurde. Es hat dabei folgende Einzelfreiheitstrafen verhängt:
14Tat 1: 1 Jahr und 2 Monate
Tat 2: 1 Jahr
Tat 3: 1 Jahr und 3 Monate
Tat 4: 1 Jahr und 2 Monate
Tat 5: 10 Monate
Tat 6: 10 Monate
Tat 7: 1 Jahr und 8 Monate
Gegen dieses in Anwesenheit des Verteidigers sowie des Angeklagten verkündete Urteil hat der Angeklagte mit am 2. Oktober 2024 per beA beim Landgericht Bielefeld eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage Revision eingelegt, welche er – nachdem ihm am 30. Oktober 2024 die schriftlichen Urteilsgründe zugestellt worden waren – mit beim Landgericht Bielefeld per beA am 29. November 2024 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag mit der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.
23Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
24II.
251.
26Die gemäß § 333 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge hin gemäß §§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO im tenorierten Umfang zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld.
27Der Strafausspruch ist hinsichtlich aller Einzelstrafen nicht frei von Rechtsfehlern und kann daher keinen Bestand haben. Damit entfällt auch die Grundlage für den Gesamtstrafenausspruch.
28a)
29Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts; ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (BGH, Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, juris; Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, juris; Urteil vom 24. Juni 2021 – 5 StR 545/20, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 18. November 2002 – 2 Ss 768/02, juris; Beschluss vom 1. März 2018 – III-5 RVs 129/17, juris). Dabei muss die Begründung des Urteils erkennen lassen, dass die wesentlichen Gesichtspunkte gesehen und in ihrer Bedeutung und ihrem Zusammenwirken vertretbar gewürdigt wurden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. September 2016 – III-5 RVs 68/16, juris).
30b)
31Das Landgericht hat alle Taten gem. § 2 Abs. 3 StGB zutreffend nach § 184b StGB in der seit dem 28. Juni 2024 geltenden Fassung (fortan: n.F.) abgeurteilt und nicht mehr die zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Verurteilung und zur Tatzeit noch geltende Fassung vom 16. Juni 2021 (fortan: a.F.) angewandt. Dabei hat das Landgericht zutreffend gesehen, dass der der Strafrahmen für alle Taten nicht mehr – wie noch beim Amtsgericht – eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren, sondern für die Taten 1 bis 6 nur noch eine solche von 6 Monaten bis zu 10 Jahren und für die Tat 7 eine solchen von 3 Monaten bis zu 10 Jahren vorsieht.
32Bei dieser Sachlage hätte jedoch, was die Revision zutreffend rügt, die Verhängung gleich hoher Strafen (Taten 1, 2 und 4) bzw. annähernd gleich hoher Strafen (Taten 3, 5, 6 und 7) einer eingehenden Begründung bedurft (vgl. Senat, Beschluss vom 16. April 2021, 3 RVs 20/21; BGH, Beschluss vom 28. April 2015 – 3 StR 92/15, NStZ-RR 2015, 207, beck-online; BGH, Beschluss vom 27. November 2012 – 3 StR 439/12, NStZ-RR 2013, 113 m.w.N.). Zwar sind die ursprüngliche Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der vorangegangenen Entscheidung kein Maßstab für die neue Strafzumessung, jedoch hat der Angeklagte einen Anspruch darauf, zu erfahren, warum er für ein wesentlich geringeres Vergehen dennoch gleich hoch bestraft wird (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2015 – 3 StR 92/15, NStZ-RR 2015, 207, beck-online; BGH, Beschluss vom 27. November 2012 – 3 StR 439/12, NStZ-RR 2013, 113 m.w.N., beck-online). Die angegriffene Entscheidung enthält zu dieser Beibehaltung der Strafhöhen trotz niedrigerem Strafrahmen keine Ausführung.
33Dabei spielt es keine Rolle, dass die vorangehend zitierte Rechtsprechung Fälle betraf, bei denen der Unterschied im anwendbaren Strafrahmen zwischen der ersten und der zweiten Verurteilung in einer anderen rechtlichen Bewertung von Tatfragen begründet lag, die zur Annahme oder Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung führte, und vorliegend demgegenüber eine Gesetzesänderung Anlass zur Anwendung eines anderen Strafrahmens gibt. Denn ungeachtet des Anlasses des Gesetzgebers für diese Gesetzesänderung ist der gesetzliche Strafrahmen Grundlage und Ausgangspunkt der Strafzumessung (vgl. von Heintschel-Heinegg, in: ders./Kudlich, BeckOK StGB, § 46 Rn. 10 ). Der Strafrahmen bringt die gesetzgeberische Wertung, wie schwer das Unrecht der Tat zu bemessen ist, zum Ausdruck. Das Ergebnis der nach § 46 Abs. 2 StGB vorzunehmende Abwägung ist notwendigerweise abhängig von dem konkret anwendbaren Strafrahmen (vgl. BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 10. September 2024 – 2 BvR 618/24, Rn. 23, juris).
34Jedenfalls in einem Fall wie hier, in dem sich beide Gerichte erkennbar am unteren Rand des zur Verfügung stehenden Strafrahmens orientiert haben (und das Amtsgericht zu den Taten 2 und 5 sogar nur die Mindeststrafe verhängt hatte), ist die Verhängung gleich oder annähnernd gleich hoher Strafen zwar möglich, aber erörterungsbedürftig. Die Begründung kann beispielsweise darin liegen, dass der frühere Tatrichter strafschärfende Umstände nicht hinreichend gewürdigt hat, so dass trotz des milderen Strafrahmens eine gleich hohe Strafe angemessen ist oder die frühere Strafe schon unvertretbar milde war.
35Der Senat kann trotz der – insbesondere vor dem Hintergrund der Rückfälligkeit –relativ milde erscheinenden Strafen nicht gänzlich ausschließen, dass das Landgericht bei näherer Erörterung zu noch niedrigeren Einzelstrafen gekommen wäre.
36c)
37Um dem Landgericht bei der neuerlichen Verhandlung die Möglichkeit zu einer ausreichend begründeten und widerspruchsfreien Strafzumessung zu geben, hebt der Senat die zugrunde liegenden Feststellungen in Gänze auf, § 353 Abs. 2 StPO. Die auch die Schuldfrage betreffenden, von der Aufhebung unberührt bleibenden Feststellungen können, soweit dies für die Bestimmung des Schuldumfangs erforderlich ist (vgl. hierzu insbesondere nachfolgend), durch weitere, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen ergänzt werden.
38d)
39Im Hinblick auf die Tat 7 unterliegt der Strafausspruch auch wegen mangelnder Feststellungen der Aufhebung. Für die als kinderpornographisch eingeordneten Videos zu den Berichtsnummern 3, 7, 11, 16, 17, 19, 21, 23, 24, 28, 30, 35, 37, und 44 fehlt es an näheren Feststellungen dazu, woraus sich das unter 14 Jahren liegende Alter der abgebildeten Person ergibt. Bei den als jugendpornographisch eingeordneten Videos zu den Berichtsnummern 1, 4, 12, 13 und 14 fehlt es an Feststellungen zu deren pornographischem Inhalt.
40Anders als zu den Fotos hat das Landgericht die zu den Videos bei den Akten befindlichen Screenshots auch nicht nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Bezug genommen, so dass es dem Senat verwehrt ist, sich anhand dieser Screenshots ein eigenes Bild zu machen. Soweit die Fundstellen dieser Screenshots im Urteil genannt werden, liegt darin vorliegend keine deutliche und zweifelsfreie Bezugnahme auf diese Bilder (vgl. zur Möglichkeit einer solchen Bezugnahme durch Nennung der Fundstellen BGH, Urteil vom 18. Januar 2016 – 3 StR 425/15, juris Rn. 15 f.), denn diese Fundstellenangaben stehen lediglich im Zusammenhang mit der Würdigung des Geständnisses des Angeklagten und nicht im Zusammenhang mit einer Beschreibung der Abbildungen.
41Dieser Mangel berührt den Schuldspruch angesichts der Feststellungen zu den weiteren Fotos und Videos im Rahmen der einheitlich durch alle Fotos und Videos verwirklichten Tat 7 weder zu § 184b Abs. 3 StGB noch zu § 184c Abs. 3 StGB. Der bei der Strafzumessung erkennbar zu Grunde gelegte Schuldumfang beruht insoweit aber angesichts der Menge der betroffenen Videos (rund die Hälfte) nicht mehr auf ausreichenden Feststellungen.
422.
43Die weitergehende Revision ist als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils insoweit auch auf Grundlage der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten ergeben hat, § 349 Abs. 2 StPO.
443.
45Die Entscheidung über die Kosten der Revision bleibt angesichts der Teilaufhebung dem weiteren Verfahren vorbehalten.