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Im Verfahren auf Anpassung des Versorgungsausgleichs wegen Unterhalts ist bei der Berechnung des fiktiven gesetzlichen Unterhaltsanspruchs nach § 33 Abs. 1 VersAusglG die Bruttorente des Unterhaltspflichtigen aus Anrechten i. S. v. § 32 VersAusglG ohne Kürzung aufgrund des Versorgungsausgleichs maßgebend.
Bei der Ermittlung des auszusetzenden Kürzungsbetrages ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen.
Auf die Beschwerde des weiteren Beteiligten wird der am 09.12.2023 erlassene Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Recklinghausen abgeändert.
Die durch Beschluss des Amtsgerichts Recklinghausen vom 20.08.2012 – 42 F 339/09 VA – erfolgte Kürzung des Anrechts des Beschwerdeführers bei der Antragsgegnerin (Vers.-Nr. N01) wird ab dem 01.11.2023 i.H.v. 353 € monatlich brutto, ab dem 01.01.2024 i.H.v. 407,00 € monatlich brutto und ab dem 01.01.2025 i.H.v. 396,00 € monatlich brutto ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.143 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin und der Beschwerdeführer waren verheiratet. Ihre am 00.00.1978 geschlossene Ehe, aus der zwei in den Jahren 1980 und 1982 geborene Kinder hervorgegangen sind, wurde durch Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Recklinghausen vom 07.04.2011 geschieden (Az. 42 F 339/09). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer aufgegeben, an die Antragstellerin ab Rechtskraft der Scheidung einen nachehelichen Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von monatlich insgesamt 407 € zu zahlen. Das Amtsgericht ging damals von einem Nettoeinkommen des vollschichtig erwerbstätigen Beschwerdeführers nach Bereinigung um Aufwendungen für Fahrtkosten und eine sekundäre Altersvorsorge i.H.v. 2.219 € aus. Auf Seiten der damals halbschichtig erwerbstätigen Antragstellerin setzte es fiktiv ein Einkommen aus einer Vollzeittätigkeit an, um die die Antragstellerin sich spätestens im Jahr 2009 hätte bemühen müssen. Ausgehend von einem Bruttostundenlohn von 12,86 € und nach Abzug von 5 % fiktiver berufsbedingter Aufwendungen nahm es ein Nettoeinkommen von 1.380 € an. Eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin wurde mit Blick auf die Ehedauer von 31 Jahren nicht vorgenommen.
4Durch am 20.08.2012 erlassenen Beschluss wurde der Versorgungsausgleich dahingehend durchgeführt, dass im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Beschwerdeführers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers.-Nr. N01) zu Gunsten der Antragstellerin ein Anrecht i.H.v. 23,9325 Entgeltpunkten sowie im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers.-Nr. N02) zugunsten des Beschwerdeführers ein Anrecht i.H.v. 5,5271 Entgeltpunkten, jeweils bezogen auf den 31.10.2009, übertragen wurde (Az. 42 F 339/09 VA).
5Erstinstanzlich hat die Antragstellerin mit ihrem der Antragsgegnerin am 30.10.2023 zugestellten Antrag beantragt, den mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Recklinghausen, Az. 42 F 339/09, durchgeführten Versorgungsausgleich gemäß den §§ 33, 34 VersAusglG hinsichtlich des Anrechts des Beschwerdeführers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund aufgrund der Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers ihr gegenüber anzupassen. Der Beschwerdeführer beziehe seit dem 01.05.2023 eine Erwerbsminderungsrente, sie selbst sei in Teilzeit erwerbstätig und habe das Renteneintrittsalter noch nicht erreicht. Der Beschwerdeführer habe sie aufgefordert, im Hinblick auf seinen Rentenbezug auf ihre nachehelichen Unterhaltsansprüche zu verzichten. Sie erziele bei einem Bruttostundenlohn von 16,68 € bei halbschichtiger Tätigkeit mit 19,5 Stunden/Woche durchschnittlich monatlich ein Einkommen von 1.559,03 € netto. Bei Hochrechnung auf eine Vollzeittätigkeit ergebe sich ein monatlicher Bruttolohn von 2.900,19 €, was einem Nettolohn nach Abzug von pauschal 5 % berufsbedingte Aufwendungen von 1.864,87 € entspreche. Ohne die Kürzung des Anrechts des Beschwerdeführers durch den Versorgungsausgleich sei der Beschwerdeführer finanziell nicht mehr in der Lage, seiner Verpflichtung zur Zahlung des nachehelichen Unterhalts i.H.v. 407 € monatlich nachzukommen, weshalb gemäß § 33 VersAusglG eine Anpassung bis zu ihrem eigenen Renteneintritt vorzunehmen sei.
6Die Antragsgegnerin hat Auskunft über die dem Beschwerdeführer zustehende Brutto- und Nettorente, jeweils mit und ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs, erteilt; eine Anpassung sei maximal im Umfang von 597,46 € – der Differenz zwischen der Bruttorente ohne und mit Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs – zulässig.
7Der Beschwerdeführer hat erstinstanzlich beantragt, zu entscheiden, was rechtens ist. Er hat darauf verwiesen, dass von der Bruttorente von 2.276,15 €, die er ab dem 01.08.2023 beziehe, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Steuern abzuziehen seien, die er für das Jahr 2023 auf monatlich 149,50 € beziffert. Ihm verbleibe eine Nettorente von 1.862,62 €. Auf Seiten der Antragstellerin gehe er von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.487,11 € aus. Angesichts der vorgelegten Gehaltsabrechnung der Antragstellerin für Dezember 2022 sei nicht davon auszugehen, dass sich der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin weiterhin auf 407 € monatlich belaufe und er nach Anpassung gemäß § 33 VersAusglG in der Lage sei, den Unterhalt in dieser Höhe zu zahlen.
8Das Amtsgericht hat durch den am 19.12.2023 erlassenen Beschluss die durch Beschluss vom 20.08.2012 im Verfahren 42 F 339/09 VA erfolgte Kürzung des Anrechts des Beschwerdeführers bei der Antragsgegnerin (Vers.-Nr. N01) ab dem 01.11.2023 in Höhe von 329 € ausgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Antragstellerin gegenüber dem Beschwerdeführer ein monatlicher Unterhaltsanspruch i.H.v. 329 € zustehe. Bei der Antragstellerin sei ausweislich der Gehaltsabrechnung Dezember 2022 von einem Einkommen von 1.963,02 € auszugehen, insoweit sei nicht ersichtlich, dass sich die Einkommensverhältnisse geändert hätten, weil sie weiter beim gleichen Arbeitgeber im gleichen Beruf arbeitete. Beim Beschwerdeführer sei von einer ungekürzten Nettorente – nach Abzug der Zahlungen an die Kranken- und Pflegeversicherung – i.H.v. 2.540,28 € auszugehen. Es errechne sich ein Anspruch der Antragstellerin auf Elementarunterhalt i.H.v. 248 € und ein Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. 81 €, mithin insgesamt 329 €, den der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seines Selbstbehalts zu leisten imstande sei. Der Anspruch auf Aussetzung der Rentenkürzung sei der Höhe nach auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch bei ungekürzter Versorgung begrenzt und wirke nach § 34 Abs. 3 VersAusglG ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folge. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
9Gegen den Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit der fristgerecht eingelegten Beschwerde. Er wendet ein, dass das Amtsgericht zu Unrecht von ungekürzten Versorgungsbezügen i.H.v. 2.540,28 € ausgegangen sei und dabei Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht hinreichend und Steuern, die er mit monatlich 174,42 € beziffert, überhaupt nicht berücksichtigt habe.
10Die Antragstellerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Aussetzung der Kürzung gemäß § 33 Abs. 1 VersAusglG habe auf der Grundlage der Bruttobeträge der betroffenen Versorgung zu erfolgen. Das Amtsgericht habe die von der Deutschen Rentenversicherung Bund mitgeteilten Beträge seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt.
11Die Antragsgegnerin hat mitgeteilt, dass es bei seiner erstinstanzlich erteilten Auskunft über die Höhe der Altersrente mit und ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs verbleibe.
12Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
13Der Senat hat durch seinen am 05.03.2025 erlassenen Beschluss darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, über die Beschwerde des Beschwerdeführers ohne erneute mündliche Verhandlung wie tenoriert zu entscheiden. Die Antragstellerin und der Beschwerdeführer haben sich mit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt und im Übrigen in der Sache nicht Stellung genommen, die Antragsgegnerin hat keine Stellungnahme abgegeben.
14II.
15Die Beschwerde des weiteren Beteiligten ist zulässig und führt zu der tenorierten Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
161.
17Der Beschwerdeführer ist als beteiligter vormaliger Ehegatte beschwerdebefugt, § 59 FamFG. Zwar möchte er mit der Beschwerde erreichen, dass die Kürzung seiner Bruttoversorgung um einen geringeren Betrag als vom Amtsgericht errechnet ausgesetzt wird – ihm in der Sache also eine geringere Versorgung zusteht, als vom Amtsgericht angenommen. Dennoch greift die Entscheidung des Amtsgerichts in eine materielle Rechtsposition des Beschwerdeführers ein, da die Berechnung des Aussetzungsbetrags die Höhe seines unterhaltsrelevanten Einkommens im nachfolgenden Unterhaltsprozess bestimmt. Für die Beschwerdeberechtigung kann nach Auffassung des Senats dahinstehen, ob sich die vom Beschwerdeführer für richtig erachtete Berechnung des Kürzungsbetrags für die Berechnung seines unterhaltsrelevanten Einkommens und des Unterhaltsanspruchs letztendlich tatsächlich positiv auswirkt. Im erstinstanzlichen Verfahren hat das Gericht die Aussetzung der Kürzung ohne Bindung an Anträge von Amts wegen zu berechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 12.02.2014 – XII ZB 706/12 – FamRZ 2014, 827 ff. Rn. 11). Deshalb kann im Beschwerdeverfahren, in dem der beteiligte Ehegatte die Überprüfung der erstinstanzlichen Berechnung erstrebt, nichts Anderes gelten.
182.
19Die Voraussetzungen des § 33 VersAusglG für eine Anpassung des Versorgungsausgleichs wegen des Bestehens eines Unterhaltsanspruchs ab dem 01.11.2023 liegen vor. Die Antragstellerin kann als ausgleichsberechtigte Person zum 01.11.2023 aus dem ihr im Wege der internen Teilung übertragenen Anrecht bei der Deutschen Rentenversicherung Bund keine laufende Versorgung erhalten und hat gegenüber dem vormaligen Ehemann und Beschwerdeführer ohne die Kürzung des Versorgungsausgleichs dem Grunde nach einen gesetzlichen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB. Die Kürzung der Versorgung infolge des Versorgungsausgleichs übersteigt die Geringfügigkeitsgrenze aus § 33 Abs. 2 VersAusglG.
20Das Amtsgericht weist ferner zutreffend darauf hin, dass sich die beteiligten vormaligen Ehegatten im hiesigen Verfahren grundsätzlich darüber einig sind, dass der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin weiterhin besteht und sich der Beschwerdeführer lediglich aufgrund des Rentenbezugs für nicht mehr leistungsfähig hält. Dies greift der Beschwerdeführer mit der Beschwerde nicht an.
213.
22Die Aussetzung der Kürzung knüpft an den gesetzlichen Unterhaltsanspruch an, den das Familiengericht von Amts wegen inzidenter festzustellen hat (vgl. Wick, Der Versorgungsausgleich, 5. Aufl., J. Anpassung nach Rechtskraft Rn. 1330 mit Verweis auf BGH, Beschluss vom 21.03.2012 – XII ZB 234/11 – FamRZ 2012, 853 ff. Rn. 25; Beschluss vom 15.06.2016 – XII ZB 89/16 – FamRZ 2016, 1438 f. Rn. 9). Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Unterhaltsberechnung, die dem titulierten Unterhalt von 407 € monatlich laut dem am 07.04.2011 verkündeten Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts Recklinghausen (Az. 42 F 339/09) zugrunde lag, nicht mehr aktuell ist. Da der Beschwerdeführer nach Renteneintritt ein geringeres Nettoeinkommen bezieht, sind die Abänderungsvoraussetzungen nach § 238 FamFG gegeben. Der gesetzliche Unterhaltsanspruch ist daher auf der Grundlage der aktuellen Einkommensverhältnisse der beteiligten vormaligen Ehegatten zu errechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2012, a. a. O.; Beschluss vom 02.08.2017 – XII ZB 170/16 – FamRZ 2017, 1662 ff. Rn. 20).
234.
24Das Amtsgericht hat seiner Berechnung ein Bruttoeinkommen der Antragstellerin aus einer fiktiven Vollzeiterwerbstätigkeit i.H.v. monatlich 2.900,19 € zugrunde gelegt und hieraus ein Nettoeinkommen von monatlich 1.963,02 € aus einer fiktiven vollschichtigen Beschäftigung errechnet.
25Dem ist im Ausgangspunkt zu folgen. Allerdings geht der Senat davon aus, dass das Amtsgericht das fiktive Nettoeinkommen der Antragstellerin im Ausgangspunkt zu niedrig bemessen hat. Da das Amtsgericht außerdem übersehen hat, dass Einkünfte aus fiktiver Beschäftigung gem. Ziff.10.2.1 der Leitlinien NRW pauschal um 5 % berufsbedingte Aufwendungen zu bereinigen sind, ist im Ergebnis ein geringeres Einkommen der Antragstellerin in die Unterhaltsberechnung einzustellen, als vom Amtsgericht angenommen:
26Die Antragstellerin hat ausweislich der Gehaltsabrechnung für den Monat Dezember 2022 aus ihrer halbschichtigen Tätigkeit im (..) (19,5 von 39,0 Wochenstunden) im Jahr 2022 ein Bruttoeinkommen i.H.v. insgesamt 23.133,01 € erzielt. Schichtzulagen, Feiertags- und Sonntagszuschläge dürften bei der Berechnung zu berücksichtigen sein, da diese berufstypisch sind und auch bei einer Vollzeittätigkeit anfallen würden. Allenfalls die Mehrarbeitsvergütungen (jeweils 914 € brutto für 50 Std. Mehrarbeit im Januar und Februar 2022 und 929 € im März 2022) sowie der im Oktober 2022 gezahlte Corona-Pflegebonus von 275 €, insgesamt 3.032 €, sind herauszurechnen, da dieses zusätzliche Einkommen im Jahr 2023 bei einer Vollzeittätigkeit nicht unterstellt werden kann.
27Rechnet man das Bruttoeinkommen von (23.133,01 € - 3.032 € =) 20.101,01 € auf eine Vollzeitstelle hoch, ergibt sich folgendes fiktives Nettoeinkommen:
28Steuerjahr 2023
29Bruttolohn: 40.202,02 Euro
30LSt-Klasse 1
Zusatzbeitrag zu KV (%) 1,6
33Lohnsteuer: -5.118,00 Euro
34Rentenversicherung (18,6 % / 2) -3.738,79 Euro
35Arbeitslosenversicherung (2,6 % / 2) -522,63 Euro
36Krankenversicherung: (14,6%/2 + 1,6%/2) -3.256,36 Euro
37Pflegeversicherung (AN-Anteil 1,525 %) -613,08 Euro
38––––––––––––––––––
39Nettolohn: 26.953,16 Euro
4026953,16 / 12 = 2.246,10 Euro
41Steuerjahr 2024
42Bruttolohn: 40.202,02 Euro
43LSt-Klasse 1
Zusatzbeitrag zu KV (%) 1,7
46Lohnsteuer: -4.838,00 Euro
47Rentenversicherung (18,6 % / 2) -3.738,79 Euro
48Arbeitslosenversicherung (2,6 % / 2) -522,63 Euro
49Krankenversicherung: (14,6%/2 + 1,7%/2) -3.276,46 Euro
50Pflegeversicherung (AN-Anteil 1,7 %) -683,43 Euro
51––––––––––––––––––
52Nettolohn: 27.142,71 Euro
5327142,71 / 12 = 2.261,89 Euro
54Steuerjahr 2025
55Bruttolohn: 40.202,02 Euro
56LSt-Klasse 1
Zusatzbeitrag zu KV (%) 2,5
59Lohnsteuer: -4.025,00 Euro
60Rentenversicherung (18,6 % / 2) -3.738,79 Euro
61Arbeitslosenversicherung (2,6 % / 2) -522,63 Euro
62Krankenversicherung: (14,6%/2 + 1,7%/2) -3.437,44 Euro
63Pflegeversicherung (AN-Anteil 1,8 %) -964,85 Euro
64––––––––––––––––––
65Nettolohn: 27.513,481 Euro
6627142,71 / 12 = 2.292,79 Euro
67Nach Abzug der berufsbedingten Aufwendungen ergibt sich das Einkommen der Antragstellerin wie folgt:
682023 2.133,79 €,
692024 2.148,89 €,
702025 2.178,15 €.
715.
72Auf Seiten des Beschwerdeführers ist für die Berechnung des fiktiven gesetzlichen Unterhaltsanspruchs nach Auffassung des Senats die ungekürzte Bruttorente aus Anrechten i.S.v. § 32 VersAusglG ohne Kürzung aufgrund des Versorgungsausgleichs maßgebend. D.h., für die Berechnung des Aussetzungsbetrags ist keine Bereinigung des Einkommens durch den Abzug von Steuern und Sozialabgaben vorzunehmen (so auch Breuers in jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 33 Rn.55; Borth, Versorgungsausgleich, 10. Aufl., Kap. 8, Rn. 43; Wick, Versorgungsausgleich, 4. Aufl., Rn. 872; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.11.2016, 13 UF 530/16; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.06.2018, 2 UF 362/15; OLG Bamberg v. 22.01.2019, 2 UF 41/17; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.06.2016, 1 UF 34/16, Rn.10; vgl. auch BT Drs 16/10144, 72).
73Dazu ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass im Verfahren nach § 33 VersAusglG nicht der letztendlich geschuldete Unterhalt errechnet wird, sondern lediglich die Aussetzung der Versorgungskürzung. Durch das Aussetzen der Versorgungskürzung erhöht sich das für den nachfolgenden Unterhaltsprozess maßgebliche unterhaltsrelevante Bruttoeinkommen des Beschwerdeführers, das dann im Unterhaltsprozess um Steuern und Sozialabgaben zu bereinigen ist. Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gegen den Beschwerdeführer erhöht sich daher nicht (zwingend) entsprechend der Höhe der Aussetzung der versorgungsausgleichsbedingten Kürzung der Rente. Ebenso wenig muss die Aussetzung der Kürzung mit dem Betrag übereinstimmen, der sich nach Durchführung der Anpassung als höhere Rentenzahlung für den im Versorgungsausgleich ausgleichspflichtigen Unterhaltsschuldner ergibt (Breuers in jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 33 Rn.62 f; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.11.2026, 13 UF 530/16).
74Der Senat übersieht nicht, dass die Frage, ob der Aussetzungsbetrag unter Ansatz der ungekürzten Brutto- oder Nettorente zu errechnen ist, in Literatur und Rechtsprechung streitig behandelt wird (für den Ansatz der Nettorente etwa: Grüneberg-Siede, BGB, 83. Aufl., § 33 VersAusglG Rn. 5; OLG Schleswig, Beschluss vom 19.06.2020 ,15 UF 151/19, Rn. 13.; OLG Hamm, Beschluss vom 01.03.2016, 4 UF 93/15, Rn. 27; Erman-Norpoth/Sasse, 17. Aufl., § 33 VersAusglG Rn. 8, MüKoBGB-Ackermann/Sprenger, 9. Aufl., § 33 VersAusglG Rn. 33). Begründet wird diese Auffassung damit, dass § 33 Abs. 1 VersAusglG auf den „gesetzlichen Unterhaltsanspruch“ abstellt. Der Senat hält es demgegenüber für angezeigt, im Rahmen des § 33 VersAusglG auf die Besonderheiten der Rentenberechnung abzustellen, die von Bruttobeträgen ausgeht. Denn nach § 33 VersAusglG ist der auszusetzende Kürzungsbetrag, aber nicht der Unterhaltsanspruch zu ermitteln. Für die Höhe des Aussetzungsbetrags sind die Bruttobeträge maßgeblich, weil sowohl die Bestimmung des Wertausgleichsbetrags als auch die Kürzung des ausgeglichenen Anrechts nach vollzogenem Wertausgleich mit den jeweiligen Bruttobeträgen vorgenommen wird (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.06.2016, 1 UF 34/16, Rn.10; Borth, Versorgungsausgleich, 10. Aufl., Kap. 8 Rn.43).
75Zwar ist nicht zu übersehen, dass diese Berechnungsweise zu Verwerfungen führt, wenn Brutto- und Nettobeträge bei der Berechnung zusammentreffen (vgl. auch Borth, Versorgungsausgleich, 10. Aufl., Kap. 8 Rn.43). Dies gilt aber auch für die Berechnung mit den Nettobeträgen der gekürzten Versorgung. Denn bei einer Bestimmung des Unterhalts nach Nettowerten würden die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Steuerlasten im Verfahren nach § 33 VersAusglG abgezogen und im Unterhaltsverfahren erneut von dem Aussetzungsbetrag in Abzug gebracht (Borth a.a.O.). Letztendlich betrifft die Ermittlung des Kürzungsbetrags das öffentlich-rechtliche Verhältnis der Versorgungsträger in der gesetzlichen Rentenversicherung zu seinem Versicherten, während der Unterhaltsanspruch zwischen den ehemaligen Ehegatten privatrechtlich geregelt ist. Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen ist es nicht systemwidrig, in dem Verhältnis des Versorgungsträgers auf Bruttobeträge und im Verhältnis der Privatpersonen auf Nettobeträge abzustellen.
766.
77Damit errechnet sich der gesetzliche Unterhaltsanspruch i.S.d. § 33 VersAusglG vorläufig wie folgt:
7811/23-12/23 |
1/24-12/24 |
ab 1/25 |
|||
Antragstellerin |
|||||
Nettoeinkommen fiktiv |
2.246,10 € |
2.261,89 € |
2.292,79 € |
||
abzgl. 5 % berufsbedingte Aufwendungen |
- 112,31 € |
- 113,09 € |
- 114,64 € |
||
Zwischensumme |
2.133,80 € |
2.148,80 € |
2.178,15 € |
||
abzgl. 1/10 Erwerbstätigenbonus |
- 213,38 € |
- 214,88 € |
- 217,82 € |
||
bereinigtes Einkommen |
1.920,42 € |
1.933,92 € |
1.960,34 € |
||
Beschwerdeführer |
|||||
Rente brutto |
2.752,86 € |
2.873,61 € |
2.873,61 € |
||
AV-Unterhalt |
|||||
bereinigtes Ek Antragstellerin fiktiv |
1.920,42 € |
1.933,92 € |
1.960,34 € |
||
Brutto-Rente Beschwerdeführer |
2.752,86 € |
2.873,61 € |
2.873,61 € |
||
Anspruch Elementarunterhalt (1/2 der Differenz) |
416,22 € |
469,85 € |
456,64 € |
||
Elementarunterhalt vorläufig |
416,22 € |
469,85 € |
456,64 € |
||
Zuschlag Bremer Tabelle |
13% |
13% |
13% |
||
fiktives Brutto |
470,33 € |
530,93 € |
516,00 € |
||
RV-Beitragssatz |
18,60% |
18,60% |
18,60% |
||
AV-Unterhalt |
87,48 € |
98,75 € |
95,98 € |
||
gerundet |
87,00 € |
99,00 € |
96,00 € |
||
Elementarunterhalt |
|||||
Brutto-Rente Beschwerdeführer |
2.752,86 € |
2.873,61 € |
2.873,61 € |
||
abzgl. AV-Unterhalt |
- 87,00 € |
- 99,00 € |
- 96,00 € |
||
bereinigtes Einkommen |
2.665,86 € |
2.774,61 € |
2.777,61 € |
||
bereinigtes Ek Beschwerdeführer |
2.665,86 € |
2.774,61 € |
2.777,61 € |
||
bereinigtes Ek Antragstellerin |
1.920,42 € |
1.933,92 € |
1.960,34 € |
||
Elementarunterhalt (1/2 der Differenz) |
372,72 € |
420,35 € |
408,64 € |
||
gerundet |
373,00 € |
420,00 € |
409,00 € |
||
7.
80Da auch bei der Ermittlung des auszusetzenden Kürzungsbetrags die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen zu berücksichtigen ist (MüKoBGB-Ackermann/Sprenger, 9. Aufl., § 33 VersAusglG Rn. 24), ist entsprechend der Entscheidung des Amtsgerichts eine Korrektur der Berechnung unter Berücksichtigung des Halbteilungsgrundsatzes vorzunehmen. Denn dem Beschwerdeführer muss nach dem Halbteilungsgrundsatz ebenso viel verbleiben, wie die unterhaltsberechtigte Antragstellerin mit dem Unterhalt zur Verfügung hat (vgl. Grüneberg-v. Pückler, BGB, 83. Aufl., § 1581 Rn. 1 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 07.12.2011 – XII ZR 151/09 – FamRZ 2012, 281 Tz. 33).
81Damit errechnet sich der gesetzliche Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gegenüber dem Beschwerdeführer wie folgt:
822023 |
2024 |
2025 |
|||
Ek Antragstellerin ohne Erwerbstätigenbonus |
2.133,80 € |
2.148,80 € |
2.178,15 € |
||
Brutto-Rente Beschwerdeführer |
2.752,86 € |
2.873,61 € |
2.873,61 € |
||
Abzug Altersvorsorgeunterhalt |
- 87,00 € |
- 99,00 € |
- 96,00 € |
||
Gesamteinkommen ohne AVU |
4.799,66 € |
4.923,41 € |
4.955,76 € |
||
Bedarf Bf. nach Halbteilung |
2.399,83 € |
2.461,70 € |
2.477,88 € |
||
Einkommen Beschwerdeführer |
2.752,86 € |
2.873,61 € |
2.873,61 € |
||
abzgl. individueller Selbstbehalt |
- 2.399,83 € |
- 2.461,70 € |
- 2.477,88 € |
||
verbleibende Leistungsfähigkeit |
353,03 € |
411,91 € |
395,73 € |
||
gerundet |
353,00 € |
412,00 € |
396,00 € |
8.
84Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der neu ermittelte Unterhaltsbetrag nicht über den ursprünglich titulierten Unterhalt hinausgehen kann. Denn Abänderungsgrund nach § 238 FamFG ist der Renteneintritt des Beschwerdeführers und damit das Absinken seines unterhaltsrelevanten Nettoeinkommens. Aus diesem Grunde ist sicher davon auszugehen, dass der sich nach Vollzug der Aussetzung der Kürzung des Versorgungsausgleichs auf der Grundlage der dann zu ermittelnden Nettoeinkünfte ergebende Unterhalt der Antragstellerin geringer ist, als der im Scheidungsverbundbeschluss titulierte Unterhalt von insgesamt 407 € monatlich. Die Aussetzung der Kürzung ist für das Jahr 2024 demzufolge auf 407 € monatlich zu begrenzen.
859.
86Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 50 FamGKG.
8710.
88Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Die entscheidungserhebliche Frage, ob bei der Berechnung des Aussetzungsbetrages auf Seiten des Unterhaltspflichtigen die ungekürzte Brutto- oder Nettoversorgung in Ansatz zu bringen ist, ist höchstrichterlich nicht geklärt.
89Rechtsbehelfsbelehrung:
90Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statthaft. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe einzulegen. Diese muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind. Wegen der weiteren Details wird auf § 10 Abs. 4 Satz 2 FamFG (für Familienstreitsachen i.S.v. § 112 FamFG auf § 114 Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 2 FamFG) Bezug genommen.
91Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beträgt ebenfalls einen Monat und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses.
92Die weiteren Einzelheiten zu den zwingenden Förmlichkeiten und Fristen von Rechtsbeschwerdeschrift und Begründung ergeben sich aus §§ 71 und 72 FamFG.