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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
2I.
3Der Kläger macht Leistungen aus einer bei der Beklagten genommenen Hausratversicherung geltend, nachdem sein von ihm kurz zuvor erworbenes Haus (M.-straße 00, Q.) in der Nacht von Karfreitag (19.04.2019) auf Samstag (20.04.2019) bei einem Brand erheblich beschädigt und darin befindliche Gegenstände zerstört worden waren.
4Der Kläger erwarb Ende 2018/Anfang 2019 das später brandgeschädigte Objekt zu einem Kaufpreis von 79.000,00 €. Bei dem Objekt handelt es sich um eine ehemalige Gaststätte mit Wohnung im ersten Obergeschoss. Der Kläger betreibt ein Unternehmen, das sich mit Innenausbau (Trocken- und Akustikbau) beschäftigt. Er beabsichtigte nach seinen Angaben im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung, nach der im Februar/März begonnenen Renovierung dort selbst zu wohnen; später habe dort auch seine Mutter einziehen sollen; zudem seien Möbel für seine Geschwister vorhanden gewesen (vgl. Berichterstattervermerk zum Termin vom 07.06.2024, Seite 3, Bl. 153 der elektronischen Gerichtsakte der zweiten Instanz, im Folgenden: eGA-II bzw. eGA-I für die Akte der ersten Instanz. Zuvor hatte der Kläger nach seinen Angaben gegenüber einem von der Beklagten eingeschalteten Privatermittler mit seiner Mutter und seinem (jüngeren) Bruder P. in einer 110m² großen Wohnung in G. (U.-straße 00) gewohnt (Bl. 293 f.). Für diese Wohnung bestand bereits eine Hausratversicherung bei der Beklagten.
5Für das vom Kläger neu erworbene Haus nahm er bei der Beklagten zunächst ab dem 15.02.2019 eine Hausratversicherung mit einer Versicherungssumme von 149.500,00 €, ausgehend von einer Wohnfläche von 230m² (eGA-I 194). Die Prämien hierfür zahlte der Kläger zunächst nicht. Mit Nachtrag vom 08.04.2019 policierte die Beklagte sodann mit Beginn zum 19.02.2019 eine Hausratversicherung mit einer Versicherungssumme von 240.500,00 €, ausgehend von einer Wohnfläche von 370m² (Versicherungsschein: eGA-I 209). Vereinbart ist eine Hausratversicherung zum Neuwert mit Unterversicherungsverzicht. Versicherungsschutz besteht u.a. gegen Feuer. Vertragsgrundlagen sind die VHB 2014 – Stand 02.2018 (eGA-I 216 ff.).
6Darin heißt es unter B § 8 Nr. 2 a):
7„Der Versicherer hat bei und nach Eintritt des Versicherungsfalls
8(…)
9hh) soweit möglich dem Versicherer unverzüglich jede Auskunft – auf Verlangen in Textform (z. B. E-Mail, Telefax oder Brief) – zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist sowie jede Untersuchung über Ursache und Höhe des Schadens und über den Umfang der Entschädigungspflicht zu gestatten,
10ii) vom Versicherer angeforderte Belege beizubringen, deren Beschaffung ihm billigerweise zugemutet werden kann,
11(…).“
12In B § 8 Nr. 3 ist bestimmt:
13„a) Verletzt der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit nach Nr. 1 oder 2 vorsätzlich, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei. Bei grob fahrlässiger Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in dem Verhältnis zu kürzen, das der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entspricht. Das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit hat der Versicherungsnehmer zu beweisen.
14b) Außer im Falle einer arglistigen Obliegenheitsverletzung ist der Versicherer jedoch zur Leistung verpflichtet, soweit der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist.
15c) Verletzt der Versicherungsnehmer eine nach Eintritt des Versicherungsfalls bestehende Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit, ist der Versicherer nur dann vollständig oder teilweise leistungsfrei, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform (z. B. E-Mail, Telefax oder Brief) auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.“
16Die umgehende Zahlung des Erstbeitrages durch den Kläger auf den Nachtrag vom 08.04.2019 ist nicht streitig.
17In der Nacht von Karfreitag, dem 19.04.2019, auf Samstag kam es in dem Haus zu einem Brand, bei dem die im Haus befindlichen Gegenstände entweder durch Brandeinwirkung oder durch Rußaufschlag zerstört wurden. Der Kläger konnte von den Einsatzkräften zunächst nicht erreicht werden. Am 23.04.2019 meldete er den Versicherungsfall über die ihn betreuende Agentur der Beklagten. Der Kläger legte über die Agentur zunächst eine Liste mit beschädigtem Hausrat im Wert von 178.038,08 € vor (eGA-I 33 ff.), behielt sich am Ende der Bezifferung aber die Auflistung weiteren Hausrats vor. Im Laufe des Rechtsstreits legte der Kläger eine weitere Liste vor, die mit einer Schadenssumme von 354.426,54 € abschließt (eGA-I 449 ff.). In dieser Liste enthalten sind allein 17 – ganz überwiegend hochwertige – Sofas (einschließlich „Longchairs“ und Recamieren; insbesondere der Marke V.). Den Anstieg des Schadens begründet der Kläger im Schriftsatz vom 25.01.2022 insbesondere mit der Aufnahme der Gegenstände, die sich in dem großen Saal im Erdgeschoss befunden haben sollen, in dem der Brand ausbrach (eGA-I 447).
18Die Beklagte ließ durch den von ihr beauftragten Gutachter F. den Hausratschaden schätzen, der einen Neuwert von mehr als 240.500,00 € annahm und – nach der unwidersprochenen Darlegung des Klägers – eine entsprechende Regulierung empfahl. Mit E-Mail vom 30.04.2019 (Beiakte 31 UJs 241/19 StA Detmold, dort Bl. 55) wandte sich der Sachbearbeiter des Gebäudeversicherers an den zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten und wies auf Ungereimtheiten hin, die den Gebäudeversicherer mit einer Regulierung zögern ließen. Der Gebäudeversicherer leistete dann aber eine Entschädigung von 366.753,69 €. Die Klage des Klägers gegen den Gebäudeversicherer auf Zahlung weiterer 944.905,49 € ist erfolglos geblieben (Senat, Urteil vom 24.01.2025, 20 U 23/23).
19Die Beklagte beauftragte einen privaten Ermittler, den früheren Polizeibeamten L., ein Gespräch mit dem Kläger zu führen, das am 13.05.2019 stattfand (eGA-I 183); die Ergebnisse fasste der private Ermittler in einem von ihm und dem Kläger Protokoll (eGA-I 292) zusammen. Eingangs des Protokolls befindet sich eine fettgedruckte und umrahmte Belehrung über die Folgen falscher Angaben, die der Kläger am rechten unteren Rand des Rahmens unterschrieb. Während des Gesprächs (siehe Seite 8 des Protokolls) übergab der Ermittler dem Kläger weitere Formulare mit Fragen, die der Kläger jedoch nicht beantwortete (Fragebögen Anlagen B8 und B9, eGA-I 304 ff. und 312).
20Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 27.06.2019 gegenüber den jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers auf diese Fragebögen und teilte mit, dass sie die ausgefüllten und unterschriebenen Bögen vor einer weiteren Prüfung benötige. Mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 01.07.2019 forderte der Kläger die Beklagte „zur Prüfung und Regulierung der geltend gemachten Schäden“ bis zum 31.07.2019 auf und verlangte die Zahlung eines „angemessenen Abschlages“ bis zum 10.07.2019 (eGA-I 123 f.). Mit weiterem Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 06.11.2019 fragte der Kläger, „welche ganz konkreten notwendigen Erhebungen und Auskünfte [die Beklagte] denn noch von unserem Mandanten bezüglich 1) der Feststellung des Versicherungsfalls und 2) Feststellung des Versicherungsumfangs“ noch benötige.
21Das gegen unbekannt geführte Ermittlungsverfahren wegen des Brandereignisses hat die Staatsanwaltschaft nach Einholung eines Gutachtens eigestellt, weil die Brandursache nicht hat geklärt werden können.
22Der Kläger hat behauptet, die Erhöhung der Versicherungssumme beruhe darauf, dass der Agent der Beklagten anlässlich der Besichtigungen vor Ort eine höhere Versicherungssumme angeregt habe. Bei der Beantragung der ursprünglichen Versicherungssumme habe es sich um ein Versehen des Agenten gehandelt. Dieser habe mit Blick auf den in Aussicht gestellten Nachtrag darum gebeten, den zunächst kalkulierten Erstbeitrag nicht zu zahlen. Der Agent habe im Vorfeld der Antragstellung umfassend Fotos von den im Haus befindlichen Gegenständen gefertigt, sei selbst von der Hausrateigenschaft der Gegenstände ausgegangen und habe schließlich den Antrag für die höhere Versicherungssumme gestellt. Alle auf den Fotos (eGA-I 275 ff.) abgebildeten und vom Kläger aufgelisteten Gegenstände seien auch nach Einschätzung des Agenten Hausrat gewesen und durch den Brand zerstört worden. Während des Brandes habe sich der Kläger mit seinem Bruder A. und dessen Familie (Ehefrau und zwei Kinder, eGA-I 297) über seinen (des Klägers) Geburtstag am 00.00. an der (..)see befunden. Während des Urlaubs sei sein Mobiltelefon kaputtgegangen (eGA-I 5, 297 „heruntergefallen“ – lt. Berufungserwiderung soll es verloren gegangen sein, eGA-II 115).
23Die Beklagte hat behauptet, der Brand sei auf eine vorsätzlich herbeigeführte Eigenbrandstiftung durch den Kläger oder in dessen Auftrag zurückzuführen. Seine Freundin, Frau D., habe ihrerseits kurz vor einem Brand in ihrer Wohnung die Versicherungssumme erhöht. Der Kläger habe außerdem verschwiegen, dass Frau D. ihn während des Kurzurlaubs an der (..)see begleitet habe. Die Beklagte hat sich auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen berufen. Der Kläger habe berechtigte Fragen in den vom privaten Ermittler übergebenen Fragebögen nicht beantwortet. Außerdem habe der Kläger telefonisch am 09.05.2019 gegenüber dem Privatgutachter der Beklagten die Übergabe aller Schlüssel zugesagt, im Termin wenige Tage später aber mitgeteilt, den Schlüssel zur Eingangstür weggeworfen zu haben (eGA-I 185).
24Das Landgericht hat nach Einholung eines Gutachtens zum Neuwert der im Haus befindlichen Gegenstände der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen stattgegeben und den Kläger weitestgehend antragsgemäß zur Zahlung von 240.500,00 € sowie außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.509,19 €, jeweils nebst Rechtshängigkeitszinsen seit dem 16.02.2021, verurteilt. Eine Eigenbrandstiftung könne nicht nachgewiesen werden. Die Beklagte sei zur Leistung verpflichtet, obwohl der Kläger die Fragebögen nicht ausgefüllt habe. Die darin verlangten Informationen seien nicht mehr erforderlich gewesen. Der Kläger habe alle Fragen des privaten Ermittlers beantwortet. Außerdem habe die Beklagte den Kläger nicht gesondert über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung belehrt und auch nicht dargelegt, wie sich die Nichtbeantwortung der Fragen auf die Regulierung ausgewirkt habe. Es hat die Hausrateigenschaft der vom Kläger aufgelisteten Gegenstände festgestellt und ist mit dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von einem die Versicherungssumme übersteigenden Schaden ausgegangen.
25Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz, der dortigen Anträge und der Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf das Urteil (eGA-I 773 ff.) Bezug genommen.
26Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie bestreitet weiterhin ein „versichertes Ereignis“ – trotz, wie es in der Berufungsbegründung heißt, insoweit „nachvollziehbarer“ Urteilsbegründung – und rügt, dass das Landgericht die von der Beklagten benannte Zeugin D., die der Kläger aus dem Prozess habe heraushalten wollen, nicht vernommen habe. Sie bestreitet weiterhin die Hausrateigenschaft der im Haus befindlichen Gegenstände. Deren „Masse“ und die „Art ihrer Lagerung“ ließen nicht den Schluss zu, dass sie für Wohnzwecke bestimmt waren. Außerdem sei die Beklagte wegen einer Obliegenheitsverletzung durch den Kläger leistungsfrei, weil er die vom privaten Ermittler übergebenen Fragebögen der Beklagten nicht ausgefüllt habe. Das Landgericht habe selbst ausgeführt, dass die Vorlage von Anschaffungsbelegen für die Prüfung der Leistungspflicht relevant gewesen sei. Außerdem könnten sich aus den Zeitpunkten der Anschaffung und den Preisen weitere Indizien für einen vorgetäuschten Versicherungsfall ergeben. Auf weitere etwaige Obliegenheitsverletzungen (Schlüssel) beruft sich die Beklagte nicht mehr.
27Die Beklagte beantragt,
28das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
29Der Kläger beantragt,
30die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
31Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages. Zur Anschlussberufung macht er geltend, die Beklagte habe sich seit dem 01.08.2019 in Verzug befunden, weil er die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 01.07.2019 unter Fristsetzung bis zum 31.07.2019 „zur abschließenden Prüfung und Schadensregulierung“ aufgefordert habe.
32Im Wege der Anschlussberufung beantragt der Kläger,
33das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn über das im angefochtenen Urteil hinaus zugesprochene Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die zuerkannten Beträge seit dem 01.08.2019 zu zahlen.
34Die Beklagte beantragt insoweit,
35die Anschlussberufung zurückzuweisen.
36Sie tritt der Anschlussberufung entgegen.
37Wegen der Einzelheiten des Vortrags in dieser Instanz wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
38Der Senat hat den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen X. H. und S. (geb. H.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Berichterstattervermerke zu den Senatsterminen vom 07.06.2024 (eGA-II 151 ff.), vom 27.11.2024 (eGA-II 268 ff.) und vom 05.02.2025 (eGA-II 294 ff.) Bezug genommen.
39II.
40Die zulässige Berufung ist begründet und führt insgesamt zur Abweisung der Klage. Die Beklagte ist jedenfalls wegen einer Obliegenheitsverletzung leistungsfrei. Deshalb stehen dem Kläger auch die mit der Anschlussberufung geltend gemachten (weiteren) Zinsen nicht zu.
411.
42Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich allerdings nicht feststellen, dass eine Eigenbrandstiftung vorliegt.
43Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass durch einen Brand im Haus des Klägers in der Nach vom 19. auf den 20. März 2019 zahlreiche Gegenstände verbrannt oder durch Ruß und Rauchgase zerstört worden sind. Soweit das Landgericht eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls und damit eine Leistungsfreiheit nach § 81 Abs. 1 VVG, Abschnitt B § 16 Nr. 1a VHB 2014 – eine Kürzung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung gemäß § 81 Abs. 2 VVG steht nicht im Raum – verneint hat, zeigt die Berufungsbegründung keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellung begründen, §§ 520 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
44Das Landgericht hat die von der Beklagten dargelegten Indizien umfassend gewürdigt und keinen Nachweis einer vorsätzlichen Herbeiführung angenommen. Gegen diese – von ihr selbst in der Berufungsbegründung als nachvollziehbar bezeichnete – Beweiswürdigung wendet die Beklagte lediglich ein, dass die Zeugin D. hätte vernommen werden müssen. Damit dringt die Beklagte jedoch nicht durch.
45Zwar hat der Kläger in erster Instanz ein ausdrückliches Bestreiten der Anwesenheit seiner Freundin in T. vermieden. So hat der Kläger ausgeführt, dass Frau D. nicht mit im Auto angereist sei (eGA-I 493) und auch nur die Familie in die Ferienwohnung eingecheckt habe (eGA-I 494), was nicht ausschließt, dass die Freundin des Klägers eigenständig angereist und separat untergebracht war. Aber selbst wenn der Kläger tatsächlich versucht haben sollte, Frau D. – aus welchen Gründen auch immer – aus dem Verfahren „herauszuhalten“, verbleiben zwei Punkte, die selbst bei einer wahrheitswidrig verleugneten Anwesenheit von Frau D. im Kurzurlaub gegen den Nachweis einer vorsätzlichen Herbeiführung des Brandes sprechen: Sollte die Beklagte den Nachweis führen, dass die Freundin des Klägers ebenfalls in T. war, würde dies nur das Alibi des Klägers bestätigen, was die Beklagte aber doch zu erschüttern sucht.
46Ohnehin spricht entscheidend gegen die Annahme einer vorsätzlichen Eigenbrandstiftung, dass das Ermittlungsverfahren, insbesondere das dort eingeholte Gutachten, keine Hinweise auf eine vorsätzliche Brandstiftung erhärtet hat.
472.
48Es kann offenbleiben, ob und ggf. in welchem Umfang durch das Brandereignis Gegenstände zerstört wurden, die als Hausrat versichert waren.
49Die Anzahl der vom Kläger in der späteren Liste aufgeführten Gegenstände, deren Art und die Umstände ihrer Aufbewahrung mögen daran zweifeln lassen, dass sie sämtlich dem Haushalt des Klägers zur privaten Nutzung dienten, Abschnitt A § 7 Nr. 2 a) VHB 2014. Die Nutzung einer so großen Anzahl an Polstermöbeln in Kombination mit teilweise alten Stilmöbeln und deren Lagerung auf Paletten könnten gegen die Hausratseigenschaft von Gegenständen sprechen. Auch drei alte, noch mit Etikett versehene Lederranzen und insgesamt fünf Fahrräder zeichnen ein ungewöhnliches Bild von der Einrichtung des Klägers. Andererseits war die Beklagte hierüber aufgrund der von ihren Agenten vor Abschluss des Vertrages eingeholten Fotos zumindest grundsätzlich im Bilde.
50Diese Fragen und die Bewertung der Schadenshöhe bedürfen aber angesichts der sogleich darzulegenden Leistungsfreiheit der Beklagten keiner näheren Feststellungen des Senats.
513.
52Die Beklagte ist wegen einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheiten durch den Kläger gemäß § 28 Abs. 2, 31 Abs. 1 S. 1 VVG, Abschnitt B § 8 Nr. 2 hh), ii), Nr. 3a) VHB 2014 von der Leistungspflicht frei geworden. Denn der Kläger hat vorsätzlich und – zudem – arglistig die ihm von der Beklagten vorgelegten Fragebögen B8 und B9 nicht beantwortet.
53a)
54Nach Abschnitt B § 8 Nr. 2 hh) VHB 2014 muss der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalls „soweit möglich dem Versicherer unverzüglich jede Auskunft – auf Verlangen in Textform (z. B. E-Mail, Telefax oder Brief) – […] erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist.“ Nach lit. ii) sind „vom Versicherer angeforderte Belege beizubringen, deren Beschaffung ihm billigerweise zugemutet werden kann“.
55Abschnitt B § 8 Nr. 3 VHB 2014 sieht bei vorsätzlicher Verletzung von Obliegenheiten Leistungsfreiheit vor, es sei denn, der Versicherungsnehmer beweist, dass die Obliegenheitsverletzung weder für Eintritt oder Feststellung des Versicherungsfalls noch für Feststellung oder Umfang der Leistungspflicht ursächlich war; diese Einschränkung gilt nicht bei Arglist.
56b)
57Die Beklagte hat die so umrissene Aufklärungsobliegenheit durch die Übergabe der Fragebögen B8 (eGA-I 304 ff.) und B9 (eGA-I 312 ff.) konkretisiert. Die in den Fragebögen B8 und B9 angeführten Punkte waren für die Feststellung des Versicherungsfalls oder für den Eintritt und den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers relevant.
58Es ist grundsätzlich Sache des Versicherers, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können. Es kommt auch nicht darauf an, ob sich die Angaben nach dem Ergebnis der Prüfung als für die Frage der Leistungspflicht tatsächlich wesentlich erweisen, da die Frage der Erforderlichkeit ex ante zu beurteilen ist (BGH, Urteil vom 22.02.2017, IV ZR 289/14, VersR 2017, 469 ff., Rn. 32). Insbesondere sind auch solche Fragen des Versicherers zulässig, aus deren Beantwortung sich für den Versicherer Hinweise darauf ergeben können, dass der Eintritt des Versicherungsfalls und die damit einhergehende Entschädigungsleistung der finanziellen Interessenlage des Versicherungsnehmers entsprach (BGH, Beschluss vom 13.04.2016, IV ZR 152/14, VersR 2015, 793 ff., Rn. 15). Daher sind – entgegen der Ansicht des Klägers – insbesondere auch Fragen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherungsnehmers oder gar seiner Angehörigen zulässig und im Rahmen der Aufklärungsobliegenheiten zu beantworten (vgl. hierzu ausdrücklich BGH, Beschluss vom 13.04.2016, IV ZR 152/14, VersR 2015, 793 ff., Rn. 15).
59Ausgehend von diesen Grundsätzen bezogen sich jedenfalls die allermeisten Fragen in den Fragebögen B8 und B9 auf Aspekte, die für den Eintritt und den Umfang der Leistungspflicht relevant sein konnten:
60Fragebogen B8
61Die Fragen 3 bis 6 betreffen die Hausrateigenschaft von Gegenständen. Im Gespräch mit dem privaten Ermittler hatte der Kläger mitgeteilt, vor seinem eigentlichen Einzug Möbel im Erdgeschoss gelagert zu haben, die „vorher in verschiedenen Örtlichkeiten teilweise gelagert“ worden waren (eGA-I 294 Mitte); diese Örtlichkeiten habe der Kläger zum Ende des Jahres 2018 gekündigt.
62Auf den vor dem Brand gefertigten Fotos (eGA-I 275 ff.) sind insbesondere im Erdgeschoss eng gestellte Möbel, Haushaltsgeräte, ein Fahrrad und auch eine Registrierkasse zu erkennen. Das können Hausratsgegenstände sein, also Sachen, „die dem Haushalt des Versicherungsnehmers zur privaten Nutzung (Gebrauch bzw. Verbrauch) dienen“ (Abschnitt A § 7 Nr. 2a VHB 2014). Die „private Nutzung“ muss auch nicht dem ursprünglichen Verwendungszweck der Gegenstände entsprechen, sondern kann – wie bei einer Sammlung – auch darin bestehen, dem Versicherungsnehmer schlicht Freude zu bereiten (vgl. Prölss/Martin-Klimke, VVG, 32. Auflage 2024, VHB A. § 6 Rn. 2). Es ist also nicht erforderlich, dass der Kläger das Klavier spielt, mit den Malsachen malt, mit der Kasse kassiert oder die drei neuen Lederranzen zur Aufbewahrung oder zum Transport von Gegenständen nutzt. Die Gegenstände können aber auch zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt sein oder von Dritten untergestellt worden sein. Auf manchen Bildern (eGA-I 275) sind sogar noch die Europaletten zu erkennen, auf denen die Möbel stehen. Zur Beurteilung der Hausrateigenschaft lag es daher in keiner Weise fern zu fragen, unter welchen Bedingungen die Sachen früher lagerten, bevor sie in das Haus des Klägers gelangten. Konkrete und überprüfbare Informationen hierzu hatte der Kläger im Gespräch mit dem Privatermittler nicht geliefert („in verschiedenen Örtlichkeiten teilweise gelagert“). Wenn der Kläger die Sachen vor dem Umzug extern lagerte, fragt sich in der Tat, warum nunmehr mehrere antike Schränke und zwei Sekretäre (vgl. die Positionen 1.9 und 1.17 der Liste eGA-I 449) dem Haushalt des Klägers dienten.
63Soweit die Beklagte in den Fragen 8 bis 11, 22 und 23 nach Einzelheiten und Belegen zum Umzug fragt, können sich daraus Indizien für einen nur vorgespiegelten Einzug des Klägers in das Brandobjekt ergeben. Das spräche gegen die Hausratseigenschaft und möglicherweise für eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls.
64Frage 12 (Mietzahlungen) und Frage 25 (Verbindlichkeiten) beziehen sich auf die wirtschaftliche Situation des Klägers, die jedenfalls für ein Interesse am Eintritt des Versicherungsfalls sprechen kann.
65Fragen 13 und 14 betreffen die weiteren Personen in der früheren Wohnung des Klägers. Wenn er zuvor mit mehreren Personen auf 110m² wohnte und die jetzigen 370m² so vollgestellt sind, wie dies auf den Lichtbildern zu erkennen ist und wie es sich aus dem Umfang der Schadensliste ergibt, wäre zu ermitteln, warum der Hausrat des Klägers seit dem Umzug so enorm angewachsen ist. Dazu passt auch die Frage 21 (Beschreibung und Skizze alte Wohnung).
66Fragen 15 und 16 beziehen sich auf Anschaffungsrechnungen und Zahlungsnachweise. Die Bedeutung der Antworten auf diese Frage für den Umfang der Entschädigung drängt sich auf. Auch wenn die Gegenstände zum Neupreis versichert sind, können sich aus Preisen für Gebrauchtgegenstände und den Zeitpunkten der Anschaffung weitere Hinweise auf den Neuwert ergeben. In seiner Schadensliste gibt der Kläger ganz überwiegend solche Beträge als Werte an, die erkennbar keine Schätzung darstellen, sondern an Anschaffungs- oder Angebotspreise erinnern. Dann liegt es nahe, nach Belegen für etwaige Anschaffungen zu fragen, um die Wertangaben zu objektivieren
67Fragen 17 bis 20 beziehen sich auf (etwaige) Gegenstände der Mutter. Die können in der vom Kläger genommenen Versicherung mitversichert sein. Der Kläger müsste dann aber vielleicht Zahlung an seine Mutter verlangen. Kein Hausrat wären die Gegenstände, wenn die Mutter Mieterin war oder werden sollte, Abschnitt A § 7 Nr. 4 ff) VHB 2014. Außerdem ist es für die Hausratseigenschaft interessant, warum die Sachen vor dem eigentlich erst geplanten Einzug der Mutter schon im Haus des Klägers standen. Schließlich könnte für die Hausratsgegenstände der Mutter ein eigener Vertrag bestehen (Frage 18). Jedenfalls durfte sich die Beklagte veranlasst sehen, nach Gegenständen des Klägers und seiner Mutter zu differenzieren.
68Die Fragen 26 bis 35 (Kurzurlaub), die Fragen 36 bis 38 (Kenntnis vom Brand) und die Fragen 39 bis 42 (Mobiltelefon) können Informationen zum Alibi und damit zur vorsätzlichen Herbeiführung liefern.
69Fragen 47 bis 50 beziehen sich auf den vom Kläger am 14.04.2019 bemerkten Wasserschaden im Keller und können für die Brandursache (Defekt technischer Geräte) und auch für die Plausibilität einer Abwesenheit des Klägers relevant werden.
70Die Relevanz der Fragen 51 und 52 zu Schlüsseln drängt sich ebenfalls auf, wenn es um einen Brand aus ungeklärten Gründen geht.
71Fragebogen B9:
72Alle Fragen im Fragebogen B9 beziehen sich auf Gegenstände des vom Kläger betriebenen Unternehmens. In der Aufstellung der zerstörten „Hausratsgegenstände“ finden sich unter Position 2 (Lagerhalle) zahlreiche Gegenstände, die jedenfalls dem ersten Anschein nach nicht dem Haushalt dienten, sondern für betriebliche Zwecke genutzt wurden (z. B. Heizkörper [Pos. 2.30 bis 2.32], Baumaterial [Pos. 2.49 bis 2.67]). Außerdem ist in der Liste das Büroinventar der „Fa. I.“ aufgelistet (Pos. 3.1 bis 3.39). Zwar waren Arbeitsgeräte und Einrichtungsgegenstände, die der Kläger beruflich nutzte, möglicherweise auch versichert (Abschnitt A § 7 Nr. 2c hh VHB 2014). Aber das gilt nicht für Vorräte (Baumaterialien?). Außerdem bestand möglicherweise Mehrfachversicherung, wenn der Kläger für den Betrieb eine gesonderte Versicherung genommen hatte (Frage 9). Frage 8 (betriebswirtschaftliche Auswertungen) zielt wieder auf die wirtschaftliche Situation des Klägers ab, zu der er sich entgegen seiner immer wieder geäußerten Ansicht hätte erklären müssen. Denn Angaben zur wirtschaftlichen Situation des Klägers, die nicht von der Situation seines Unternehmens getrennt werden kann, können sowohl für die Plausibilität der Schadenshöhe als auch für ein etwaiges Interesse am Eintritt des Versicherungsfalls relevant sein.
73Angesichts des schon angesprochenen, dem Versicherer zustehenden Beurteilungsspielraums war jedenfalls die ganz überwiegende Mehrzahl der in den Fragebögen gestellten Fragen relevant für die Ermittlung der Eintrittspflicht der Beklagten und des Umfangs der Leistungspflicht.
74c)
75Bei den Fragebögen handelt es sich um gestellte Aufklärungsfragen des Versicherers.
76Der private Ermittler L. mag – worauf der Kläger immer wieder hinweist – kein „Mitarbeiter“ der Beklagten gewesen sein. Er mag sich sogar bewusst oder unbewusst irreführend als Mitarbeiter der Beklagten ausgegeben haben. Er war aber jedenfalls unstreitig, und für den Kläger erkennbar, von der Beklagten mit der Beschaffung von Informationen im Rahmen der Prüfung der Einstandspflicht beauftragt worden. Die von dem privaten Ermittler übergebenen, in seinem Gesprächsprotokoll ausdrücklich zitierten Fragebögen sind dem Kläger daher im Auftrag der Beklagten unterbreitet worden, auch wenn die Fragebögen mit Ausnahme der offenbar zur Systematik der Beklagten passenden Schadensnummer keinen weiteren Rückschluss auf ihren Ursprung zuließen. Im Übrigen wäre es widersprüchlich, wenn sich der Kläger zur Erfüllung seiner Aufklärungsobliegenheiten einerseits auf die im Gespräch mit dem Privatermittler offenbarten Informationen berufen wollte, er aber andererseits die von diesem zur Beantwortung übergebenen Fragebögen nicht der Beklagten zurechnen wollte.
77Ohne dass es hierauf noch ankäme hat die Beklagte mit Schreiben vom 27.06.2019 auf die Fragebögen verwiesen und unmissverständlich erklärt, vor einer weiteren Prüfung und Bearbeitung auf die Beantwortung der dem Kläger gestellten Fragen zu warten.
78d)
79Der Kläger hat objektiv seine Aufklärungsobliegenheit verletzt, indem er die Fragenbögen B8 und B9 gänzlich unbearbeitet gelassen hat.
80Entgegen der Ansicht des Landgerichts hatte der Kläger die in den Fragebögen abgefragten Informationen nicht bereits anderweitig geliefert. Insbesondere konkrete Angaben zur Anschaffung und früheren Aufbewahrung der zahlreichen Gegenstände konnte die Beklagte weder dem Protokoll des Gesprächs mit dem Privatermittler noch den vom Kläger vorgelegten Listen oder der Ermittlungsakte entnehmen. Deshalb reichen entgegen der Ansicht des Klägers (eGA-II 124 unter b) auch nicht die Liste mit den zerstörten Gegenständen und die von den Agenten gefertigten Fotos aus. Daraus konnte die Beklagte in Verbindung mit der Ortsbegehung nach dem Brand (vielleicht) den Schadensumfang abschließend prüfen, nicht aber die Hausratseigenschaft. Gerade angesichts der schon ungewöhnlichen Zusammenstellung der Gegenstände, die sich im Zeitpunkt des Brandes im Haus befanden, und wegen der Art der Aufbewahrung, die im Erdgeschoss eher an eine Lagerhaltung denn an eine Einrichtung erinnert, durfte sich die Beklagte veranlasst sehen, die Hausratseigenschaft der gemeldeten Gegenstände und auch ein mögliches Interesse am Eintritt des Versicherungsfalls besonders sorgfältig zu prüfen.
81Gegen die Erforderlichkeit der in den Fragebögen angesprochenen Informationen spricht auch nicht, dass der von der Beklagten beauftragte Gutachter – nach der unwidersprochen gebliebenen Behauptung des Klägers – die Auszahlung der Versicherungssumme angeregt (“freigegeben“, so der Kläger) habe. Dass der Gutachter aus seiner Sicht von einem die Versicherungssumme übersteigenden Neuwert der zerstörten Gegenstände ausging, besagt noch nicht, dass für alle bewerteten Gegenstände die Hausrateigenschaft feststand. Selbst wenn nicht der eingeschaltete Regulierer, sondern tatsächlich ein Mitarbeiter der Beklagten der Generalagentur eine Beendigung der Ermittlungen mitgeteilt haben sollte (eGA-II 122), war es der Beklagten nicht verwehrt, bei aufgekommenen Zweifeln weitere Ermittlungen anzustellen.
82Gegen die Erforderlichkeit der Informationen kann schließlich auch nicht eingewendet werden, dass der Kläger – wie mit der Berufungserwiderung vorgetragen (eGA-II 125 f.) – geraume Zeit später, nämlich mit Schreiben vom 06.11.2019 erfolglos nachfragte, welche Angaben die Beklagte konkret noch benötige. Die Beklagte, die eben über einen Beurteilungsspielraum verfügt, hatte durch die von ihr veranlasste Übergabe der Fragebögen an den Kläger unmissverständlich ausgeführt, welche Informationen sie noch benötigte. Hierauf wies die Beklagte mit Schreiben vom 27.06.2019 ergänzend hin (eGA-I 315). Der Kläger hatte bei Erhalt des Schreibens vom 27.06.2019 die Fragebögen bereits seit mehr als einem Monat nicht beantwortet. Trotz des erneuten Hinweises auf seine Pflicht zur Beantwortung im Schreiben vom 27.06.2019 beantwortete er die Fragen weiterhin nicht. Die dadurch eingetretene Leistungsfreiheit – zu deren weiteren Voraussetzungen sogleich – würde auch nicht dadurch entfallen, dass der Versicherer weitere Nachfragen aufgibt oder der Versicherungsnehmer durch Nachfragen den Umfang der zuvor konkretisierten Aufklärungsobliegenheit einzugrenzen versucht (vgl. Senat, Urteil vom 09.08.2017, 20 U 184/15, VersR 2017, 1332 ff., Rn. 55). Letzteres würde dem weiten Ermessensspielraum des Versicherers bei der Frage der Erforderlichkeit von Aufklärungsfragen zuwiderlaufen. Dies schließt nicht etwa aus, dass ein Versicherungsnehmer seine Obliegenheit auch dann erfüllen kann, wenn er für einzelne Aufklärungsfragen zunächst noch konkrete Rückfragen zum Verständnis oder zum Umfang der erfragten Informationen stellt. Im Streitfall hat sich der Kläger aber mit den Fragebögen in keiner Weise inhaltlich auseinandergesetzt und – berechtigte – Rückfragen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen bewusst zurückgewiesen.
83e)
84Der Kläger hat die Aufklärungsobliegenheit vorsätzlich verletzt.
85Vorsatz erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm (BGH, Urteil vom 02.06.1993, IV ZR 72/92, BGHZ 122, 388 ff., Rn. 8; Prölss/Martin-Armbrüster, VVG, 32. Auflage 2024, § 28 Rn. 188).
86Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger ist ausweislich des Protokolls über das Gespräch mit dem Privatermittler L. über die Aufklärungsobliegenheit und die möglichen Folgen ihrer Verletzung belehrt worden, was er durch seine Unterschrift neben dem Belehrungstext bestätigt hat (eGA-I 292). Anhaltspunkte dafür, dass sich aus den Gesprächen mit den Agenten, den Zeugen X. H. und S. (geb. H.), beim Kläger die Vorstellung gebildet haben könnte, er müsse die Fragebögen nicht beantworten, haben sich aus der Vernehmung der Zeugen nicht ansatzweise ergeben. Aufgrund der eindeutigen tatsächlichen Lage – die Fragebögen sind zur Beantwortung übergeben worden, was der Kläger sogar noch durch Unterschrift bestätigte – schließt der Senat eine solche Vorstellung beim Kläger aus. Beide Zeugen haben freilich vom Kläger ein durchaus positives Bild gezeichnet. Insbesondere habe sich der Kläger, soweit sie beteiligt gewesen seien, nach ihrem Eindruck um eine Mitwirkung bemüht. Sie haben es aber für den Senat glaubhaft und überzeugend ausgeschlossen, dem Kläger in irgendeiner Weise den Eindruck vermittelt zu haben, er müsse die Fragebögen nicht beantworten. Auch sonst gab es (erst recht bis November 2019, dazu sogleich) keinen Grund dafür, dass der Kläger eine solche Vorstellung entwickelt haben könnte.
87Gegen den Vorsatz kann der Kläger auch nicht mit Erfolg einwenden, dass seine Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 06.11.2019 (eGA-II 129 ff.) die Beklagte zur Mitteilung aufgefordert hätten, welche Informationen konkret noch erforderlich seien; weil die Beklagte hierauf nicht reagiert habe, sei ihm nicht bewusst gewesen, „dass noch irgendetwas im Rahmen des Versicherungsfalles notwendig zu erheben und aufzuklären war“ (eGA-II 126). Zum einen ist diese Schlussfolgerung des Klägers nicht plausibel. Die Beklagte hatte mit Schreiben vom 27.06.2019 bekräftigt, die in den Fragebögen B8 und B9 abgefragten Informationen für die weitere Prüfung zu benötigen. Warum die Beklagte wegen der Verweigerung der Beantwortung durch den Kläger und wegen der Rückfrage der Prozessbevollmächtigten von ihrem Informationsbegehren abrücken sollte, ist nicht ersichtlich. Außerdem sagt auch das Schreiben vom 06.11.2019 nicht, dass der Kläger zu weiteren Auskünften nicht gehalten war. Auf S. 4 f. (eGA-II 132 f.) bieten die Anwälte sogar an, sich um weitere Informationen zu „bemühen“. Das spricht dafür, dass dem Kläger auch von seinen Prozessbevollmächtigten nicht vermittelt wurde, dass er die gestellten Fragen nicht beantworten müsse. Solches ist im Übrigen zu keiner Zeit vorgetragen worden. Außerdem war im November 2019 nach mehrmonatiger Untätigkeit des Klägers in Bezug auf die Fragebögen bereits Leistungsfreiheit eingetreten.
88f)
89Der Kläger verletzte die Aufklärungsobliegenheit sogar arglistig.
90Eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt und weiß, dass sein Verhalten die Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 21.11.2012, IV ZR 97/11, VersR 2013, 175 ff., Rn. 29). Eine Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich (Senat, Beschluss vom 13.07.2023, r+s 2023, 1045, 1047 f. m.w.N.).
91Diese Voraussetzungen sind zur Überzeugung des Senats erfüllt. Der Kläger wusste aus den genannten Gründen um den Informationsbedarf der Beklagten. Er hat zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und zu Herkunft und Anschaffung der als zerstört gemeldeten Gegenstände über die – zum Teil erst im Rechtsstreit vorgenommene – Auflistung hinaus nicht einmal rudimentär die in den Bögen gestellten Fragen beantwortet. Das Informationsinteresse der Beklagten lag angesichts der Zusammensetzung der vom Brand betroffenen Gegenstände auf der Hand. Dies lässt zur Überzeugung des Senats nur den Schluss zu, dass der Kläger der Beklagten eine Prüfung u.a. dazu verkürzen wollte, ob die Hausratseigenschaft der Gegenstände plausibel ist.
92g)
93Im Übrigen aber führte schon die vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit zur Leistungsfreiheit der Beklagten. Denn der Kläger hat den Kausalitätsgegenbeweis nicht angetreten, geschweige denn geführt.
94Die Relevanz der in den Fragebögen verlangten Informationen für die Prüfung der Einstandspflicht der Beklagten ist vorstehend dargelegt worden; sie lag auf der Hand. Der Kläger hat demgegenüber nicht aufgezeigt, dass die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfall der Leistungspflicht ursächlich war.
95Entgegen der Ansicht des Landgerichts (Seite 13 f. der Entscheidungsgründe) muss in einer solchen Situation wie der vorliegenden, bei welcher das Informationsinteresse des Versicherers auf der Hand liegt, der Versicherer nichts (Näheres) zum Ursachenzusammenhang vortragen, um wegen Obliegenheitsverletzung zur Leistungsfreiheit zu gelangen.
96Dass die fehlende Beantwortung der Fragebögen keine Auswirkungen auf die Regulierungsentscheidung der Beklagten hatte, steht nicht fest. Es ist zumindest denkbar, dass Informationen des Klägers zu der Frage, wann er die einzelnen Gegenstände anschaffte und wo er sie vor dem Verbringen in das erworbene Objekt aufbewahrte, den Verdacht bei der Beklagten begründet oder erhärtet haben könnten, dass jedenfalls ein signifikanter Anteil der Gegenstände nicht dem privaten Gebrauch diente. Denn bei konkreten und überprüfbaren Angaben zur Anschaffung und früheren Aufbewahrung der Gegenstände hätte die Beklagte die Hausrateigenschaft der einzelnen Gegenstände substantiierter in Zweifel ziehen können, als ihr dies nach weitgehender Zerstörung und ohne Anknüpfungstatsachen für weitere Ermittlungen möglich war. Durchaus möglich (nicht etwa nur ganz fernliegend, nur „theoretisch“) ist auch, dass die Beklagte aus den erfragten Informationen Anhaltpunkte dafür hätte gewinnen können, dass doch eine Eigenbrandstiftung vorliegt, bei welcher die Versicherungssumme durch die Vielzahl der Gegenstände möglichst ausgefüllt werden sollte.
97h)
98Der Kläger ist – entgegen der nicht näher begründeten Ansicht des Landgerichts (Seite 15 f. der Entscheidungsgründe) – gemäß § 28 Abs. 4 VVG ordnungsgemäß belehrt worden.
99Die Belehrung findet sich eingangs des Gesprächsprotokolls vom 13.05.2019 (eGA-I 292).
100(1) Die Belehrung ist inhaltlich klar, unmissverständlich, richtig und vollständig (vgl. dazu Langheid/Rixecker-Rixecker, VVG, 7. Auflage 2022, § 28 Rn. 113). Sie weist auf die mögliche Leistungsfreiheit bei vorsätzlich unwahren (…) Angaben und auf eine mögliche Kürzung je nach Grad des Verschuldens bei grob fahrlässig falschen (…) Angaben hin. Der Kausalitätsgegenbeweis wird ebenfalls erläutert. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit zeigt der Kläger nicht auf. Sie sind auch nach den landgerichtlichen Feststellungen nicht ersichtlich.
101(2) Es liegt auch eine „gesonderte“ Belehrung vor. Hierfür reicht eine ausreichende Hervorhebung (Prölss/Martin-Armbrüster, VVG 32. Auflage 2024, § 19 Rn. 127). Die Belehrung ist eingerahmt und springt dem Leser auf Seite 1 des Gesprächsprotokolls sofort ins Auge. Der Kläger hat die Belehrung auch gesondert unterschrieben, so dass die von §§ 28 Abs. 4 VVG, 126b BGB geforderte Textform gewahrt ist (vgl. Grüneberg-Ellenberger, BGB, 84. Auflage 2025, § 126b Rn. 2: Schriftform erfüllt immer Textform).
102i)
103Es ist der Beklagten schließlich auch nicht verwehrt, sich nach Treu und Glauben auf die Leistungsfreiheit wegen der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit zu berufen.
104Es kann dahinstehen, ob es einem Versicherer verwehrt wäre, sich auf die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit zu berufen, wenn er oder seine Vertreter, deren Verhalten ihm zuzurechnen wäre, den Versicherungsnehmer bei der Erfüllung seiner Obliegenheiten nicht in gebotener Weise unterstützte, wie dies der Kläger offenbar zuletzt hat geltend machen wollen (Schriftsatz vom 25.09.2024, eGA-II 252 ff.). Von einer solchen Unterlassung einer gebotenen Unterstützung durch die Agenten der Beklagten, die Zeugen X. H. und S., kann nicht ansatzweise die Rede sein.
105Der Kläger teilt schon nicht konkret mit, in welcher Situation er sich konkret mit welchem Unterstützungsbedarf im Hinblick auf die Fragebögen an die Agenten gewendet haben will. Ein Unterstützungsbedarf ist auch nicht ersichtlich. Die Fragebögen sind zwar umfangreich, aber leicht verständlich formuliert. Der Kläger ist nach dem Eindruck, den der Senat von ihm hat gewinnen können, der deutschen Sprache fließend und akzentfrei mächtig. Intellektuelle Beeinträchtigungen, die einem Verständnis der Fragen und der Möglichkeit einer Beantwortung entgegenstehen könnten, sind in keiner Weise zutage getreten.
106Soweit der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Termin vom 07.06.2024 (Seite 11 unten des Berichterstattervermerks, eGA-II 161) vorgetragen hat, der Zeuge X. H. habe gegenüber der Beklagten mitgeteilt, es abgelehnt zu haben, „den Fragebogen mit dem Kläger „durchzugehen“, folgt daraus nichts anderes. Gleiches gilt für den dortigen Vortrag der Beklagten, die Zeugen H. und S. hätten „eine Hilfe bei der Beantwortung der Fragen abgelehnt“.
107Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass die Zeugen nicht etwa eine konkrete Bitte des Klägers um Hilfe ablehnten; die Zeugen haben nicht eine gebotene Unterstützung unterlassen. Es mag sein, dass sie dem Kläger sinngemäß erklärten, es sei in diesem Fall seine Sache, die Fragebögen auszufüllen; damit haben sie aber nicht eine gebotene Unterstützung unterlassen.
108Beide Zeugen haben bekundet, sich nicht an Rückfragen des Klägers zu den Fragebögen zu erinnern. Beide haben indes übereinstimmend bekundet, was sie nach ihrer geübten beruflichen Praxis im Falle von Nachfragen zu einem solchen Fragebogen geantwortet haben würden. So hat der Zeuge X. H. bekundet, bei einzelnen Fragen, die aus seiner Sicht nicht beantwortet werden müssten, dem Versicherungsnehmer zu raten, anstelle einer Antwort einen Strich einzutragen (Seite 7 des Berichterstattervermerks vom 27.11.2024, eGA-II 271). Weiter hat der Zeuge bekundet, dass er einen solchen Fragebogen mit einem Kunden allenfalls durchgehen und einzelne Fragen erläutern, den Fragebogen aber niemals selbst ausfüllen würde (Seite 8 des Berichterstattervermerks vom 27.11.2024, eGA-II 272). Auch hat der Zeuge bekundet, dem Kläger trotz seiner (des Zeugen) Bedenken gegen die Relevanz der Frage nach Bilanzen darauf hingewiesen zu haben, dass „die auf jeden Fall nicht zahlen werden, wenn sie diese Informationen nicht haben“ (Seite 3 des Berichterstattervermerks vom 27.11.2024, eGA-II 270). Die Zeugin S. (geb. H.) hat insoweit ebenfalls bekundet, die Kunden regelmäßig dazu anzuhalten, derartige Fragebögen nach bestem Wissen und Gewissen auszufüllen; sie habe aber den Kläger sicherlich an seinen Anwalt verwiesen (Seite 2 f. des Berichterstattervermerks vom 05.02.2025, eGA-II 295 f.). Sie dürfe Kunden beim Ausfüllen unterstützen, die Fragebögen aber nicht selbst ausfüllen (Seite 3 unten des Berichterstattervermerks vom 05.02.2025, eGA-II 296).
109Insgesamt kann der Senat hiernach mit sicherer Überzeugung ausschließen, dass die Agenten eine gebotene Hilfe bei der Bearbeitung der Fragebögen verweigerten, weshalb es der Beklagten verwehrt wäre, sich auf eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit zu berufen. Beide Zeugen haben übereinstimmend und für den Senat glaubhaft bekundet, dass sie für konkreten Erläuterungsbedarf – den der Kläger selbst nicht behauptet hat und für den auch nichts ersichtlich ist – zur Verfügung gestanden hätten. Insgesamt gibt es nach den Bekundungen der Zeugen H. und S. keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Agenten eine gebotene Unterstützung des Klägers in irgendeiner Weise unterlassen haben könnten.
1104.
111Wegen der Leistungsfreiheit der Beklagten stehen dem Kläger die vom Landgericht zuerkannten Leistungen aus dem Versicherungsvertrag nicht zu. Die als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen und außergerichtlichen Anwaltskosten teilen das Schicksal der Hauptforderung. Deshalb ist auch die auf Zahlung weiterer Zinsen gerichtete Anschlussberufung des Klägers – wie geschehen – zurückzuweisen.
112III.
113Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1, § 708 Nr. 10 Satz 2, § 711 ZPO.