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Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer muss den Anforderungen nach § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG i. V. m. § 267 StPO entsprechen und daher die entscheidungserheblichen Tatsachen und die tragenden rechtlichen Erwägungen wiedergeben. Die Regelung des § 115 Abs. 1 S. 2 StVollzG bestimmt deshalb, dass der Sach- und Streitstand im Beschluss jedenfalls seinem wesentlichen Inhalt nach in gedrängter Form darzustellen ist, wobei gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 StVollzG die Verweisung auf bei den Akten befindliche Schriftstücke (lediglich) wegen der Einzelheiten erfolgen darf.
Nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe der Maßnahme oder ihrer Ablehnung muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung grundsätzlich auch innerhalb der Frist des § 112 Abs. 1 StVollzG begründet werden.
Die Bestimmungen über den Vollzugsplan begründen eigenständige Rechte und Pflichten, die gegenüber den einzelnen Vollzugsmaßnahmen betreffenden Rechten und Pflichten verselbständigt sind. Es handelt sich um prozessual voneinander verschiedene Verfahrensgegenstände, die als Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten im Sinne vom § 109 StVollzG gesondert voneinander anfechtbar sind. Die Frage, ob lockerungsbezogene Lücken oder positive Inhalte des Vollzugsplans Rechte des Gefangenen verletzen, ist daher von der Frage einer Rechtsverletzung durch konkrete Entscheidungen über die Ausgestaltung des Vollzuges zu trennen. Vollzugsplan und Einzelmaßnahme des Vollzuges stehen zueinander im Verhältnis von Grundsatz und Einzelakt.
Zwar ist das Gericht bei Mängeln der Antragstellung aufgrund seiner prozessualen Fürsorgepflicht grundsätzlich gehalten, dem Antragsteller sachdienliche Hinweise zu erteilen. Diese Grundsätze gelten aber nicht für Antragsschriften, die von Rechtsanwälten verfasst sind.
Eine positiv festzustellende Missbrauchsgefahr im Sinne des § 12 Abs. 1 StVollzG NRW muss die auf konkreten Tatsachen beruhende Befürchtung ergeben, dass der Gefangene auch unter den im offenen Vollzug bestehenden Einschränkungen und Kontrollen diesen zur Begehung von Straftaten nutzen werde. Es reichen weder pauschale Wertungen oder abstrakte Hinweise noch genügt es, wenn die Missbrauchsgefahr nicht sicher auszuschließen ist .
§ 13 Abs. 1 StVollzG NRW enthält einen Rechtsanspruch auf Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung bei Vorliegen der Voraussetzungen.
Die Rechtsbeschwerde wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, soweit mit dem angefochtenen Beschluss die Anträge des Betroffenen auf Aufhebung der Regelungen aus den Vollzugsplanfortschreibungen vom 05.07.2023 und 20.03.2024, wonach der Betroffene im geschlossenen Vollzug untergebracht wird und keine Indikation für eine sozialtherapeutische Behandlung besteht, als unbegründet zurückgewiesen worden sind.
Der angefochtene Beschluss wird im Umfang der Zulassung - mit Ausnahme des Gegenstandswertes - aufgehoben.
Die Regelungen der Antragsgegnerin über die Unterbringung des Betroffenen im geschlossenen Vollzug und die fehlende Indikation für eine sozialtherapeutische Behandlung in den Vollzugsplanfortschreibungen vom 05.07.2023 und 20.03.2024 werden aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird angewiesen, die Erstellung der Vollzugsplanfortschreibungen in Bezug auf die vorgenannten Punkte unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut vorzunehmen.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Verfahrens I. Instanz und des Rechtsbeschwerdeverfahrens jeweils einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Landeskasse (§ 121 Abs. 4 StVollzG i.V.m. §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 4 StPO entsprechend).
Gründe:
2I.
3Der 55-jährige, aufgrund orthopädischer Beschwerden und Diabetes gesundheitlich eingeschränkte (GdB 70%, vollständige Erwerbsunfähigkeit) Betroffene verbüßt derzeit eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten wegen Förderung sexueller Handlungen von Minderjährigen in 10 Fällen, davon in 9 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen. Das Haftende ist für den 16.06.2025 notiert. Vor der Anlassverurteilung war der Betroffene strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.
4Nachdem er sich zunächst auf Grundlage der Einweisungsentschließung der JVA R. seit dem 04.05.2021 in der Sozialtherapeutischen Anstalt F. befunden hatte, wurde er am 22.02.2022 in die als Ersatzanstalt bestimmte JVA C. verlegt, wo er sich derzeit im geschlossenen Vollzug befindet. Hintergrund der Verlegung war die von dem Betroffenen beantragte Verlegung in eine Anstalt mit spezialisiertem Vollzug für lebensältere Gefangene (JVA H.), welche seitens der JVA F. als Therapieabbruch gewertet wurde, und die der Betroffene auch in der JVA C. (im Weiteren: Antragsgegnerin) weiterverfolgte.
5Nach dem Vollzugsplan der Antragsgegnerin für den Betroffenen vom 15.06.2022 lag eine Indikation für eine sozialtherapeutische Maßnahme gem. § 13 StVollzG NRW vor; vollzugsöffnende Maßnahmen waren nicht vorgesehen. Dieser war Gegenstand des vor dem Senat geführten Verfahrens zum Aktenzeichen III-1 Vollz (Ws) 516, 524-526/22, das mit Senatsbeschluss vom 06.03.2022 endete.
6Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 14.09.2022 hat der Betroffene begehrt, die ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin, den Betroffenen in eine Anstalt zu verlegen, in der dessen gesundheits- und behinderungsbezogenen Bedürfnissen entsprochen wird, aufzuheben und über seinen Antrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (055 StVK 825/22).
7Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 22.12.2022 hat der Betroffene begehrt, den ihm am 08.12.2022 zugegangenen, die beantragte Verlegung des Betroffenen in den offenen Vollzug ablehnenden Bescheid der Antragsgegnerin vom 05.12.2022 aufzuheben und diese zu verpflichten über die Verlegung des Betroffenen in den offenen Vollzug und ihm zu gewährende vollzugsöffnende Maßnahmen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (055 StVK 1132/22).
8Die Antragsgegnerin beschloss nach der Entscheidung des Senats vom 06.03.2023, III-1 Vollz (Ws) 516, 524-526/22, in der Vollzugskonferenz vom 26.04.2023 eine „korrigierte Fassung“ des Vollzugsplans vom 15.06.2022. Danach lag nunmehr keine Indikation für eine sozialtherapeutische Maßnahme gem. § 13 StVollzG NRW vor; eine Verlegung in den offenen Vollzug und selbstständige vollzugsöffnende Maßnahmen waren weiter nicht vorgesehen.
9Am 06.06.2023 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Antragsteller, seiner Verfahrensbevollmächtigten und Herrn J. von der Antragsgegnerin. Gegenstand des Gesprächs und des nachfolgenden E-Mail-Verkehrs zwischen der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen und Herrn J. war, ob im Rahmen eines Kompromisses eine Verlegung des Betroffenen in den offenen Vollzug der SothA D. oder der Beginn einer Therapie in der JVA C., die nach Verlegung des Betroffenen im offenen Vollzug einer anderen Justizvollzugsanstalt fortzusetzen sei, in Betracht komme.
10Nach der Vollzugsplanfortschreibung der Antragsgegnerin für den Betroffenen vom 05.07.2023 lag weiter keine Indikation für eine sozialtherapeutische Maßnahme gem. § 13 StVollzG NRW vor; der Betroffene sollte weiterhin im geschlossenen Vollzug untergebracht werden und selbstständige vollzugsöffnende Maßnahmen waren nicht vorgesehen.
11Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 20.07.2023 hat der Betroffene u.a. begehrt, die Regelungen im Vollzugsplan vom 05.07.2023 wonach dieser im geschlossenen Vollzug untergebracht wird, keine sozialtherapeutische Behandlung und keine vollzugsöffnenden Maßnahmen ohne Prüfung ihrer unterschiedlichen Formen erhält, aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn in einer Anstalt des offenen Vollzugs (Sozialtherapie oder Regelvollzug) unterzubringen (055 StVK 36/23).
12Die weitere Vollzugsplanfortschreibung der Antragsgegnerin für den Betroffenen vom 20.03.2024 stimmte in den hier verfahrensgegenständlichen Regelungen mit der Vollzugsplanfortschreibung vom 05.07.2023 überein. Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 30.05.2024 hat der Betroffene auch diese Vollzugsplanfortschreibung mit gleichen Anträgen wie in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 20.07.2023 angegriffen.
13Die kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf (im Weiteren: Strafvollstreckungskammer) hat den Betroffenen in Anwesenheit seiner Verfahrensbevollmächtigten und des Herrn J. von der Antragsgegnerin im Wege der Bild-und-Ton-Übertragung persönlich angehört und Beweis durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Psych. A. erhoben. Sodann hat sie mit dem angefochtenen Beschluss den Beschluss der Antragsgegnerin vom 20.03.2024, soweit hierin vollzugsöffnende Maßnahmen abgelehnt werden, aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, den Betroffenen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer neu zu bescheiden. Im Übrigen hat sie die Anträge des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Relevanz - im Wesentlichen ausgeführt, die Vollzugsplanfortschreibungen vom 05.07.2023 und vom 20.03.2024 seien in Bezug auf die Ablehnung des offenen Vollzugs und der Versagung einer Unterbringung des Betroffenen in einer sozialtherapeutischen Einrichtung im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin habe die Unterbringung des Betroffenen im offenen Vollzug im Ergebnis zu Recht wegen einer bestehenden Missbrauchsgefahr abgelehnt. Wenngleich die Begründung im Vollzugsplan knapp ausfalle, könne aufgrund der im Übrigen zur Akte gelangten Dokumente - insbesondere der Stellungnahme des psychologischen Dienstes vom 26.10.2022, auf die der Vollzugsplan vom 20.03.2024 explizit verweise, - ersehen werden, dass die Antragsgegnerin von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei, ein zutreffendes Verständnis des Missbrauchsbegriffs zugrunde gelegt und die Grenzen des Beurteilungsspielraums eingehalten habe. Das Gutachten A. bestätige das Vorliegen einer Missbrauchsgefahr.
14Zur Versagung einer Unterbringung des Betroffenen in einer sozialtherapeutischen Einrichtung gemäß § 13 Abs. 1 StVollzG NRW fehle im Vollzugsplan selbst eine Begründung. Eine solche finde sich aber in dem Fachbeitrag des psychologischen Dienstes vom 21.06.2023, auf dem die Entscheidung beruhe. Auch aufgrund der übrigen Ausführungen im Vollzugsplan und der Stellungnahme vom 26.10.2022 lasse sich feststellen, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin insoweit nicht zu beanstanden sei. Eine sozialtherapeutische Behandlung des Betroffenen sei nicht erfolgversprechend; es sei nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin von einer tatsächlich nicht bestehenden Therapiemotivation des Betroffenen ausgehe.
15Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene mit anwaltlichem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 04.10.2024, eingegangen beim Landgericht Arnsberg per beA am selben Tag, Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er unter näheren Ausführungen u.a. in Bezug auf die Regelungen in den Vollzugsplanfortschreibungen vom 05.07.2023 und vom 20.03.2024 zur Unterbringung im geschlossenen Vollzug und zur fehlenden Indikation einer sozialtherapeutischen Behandlung die Verletzung materiellen Rechts sowie Verstöße gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht und gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs rügt.
16Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen hat beantragt, die Rechtsbeschwerde mangels Vorliegen eines Zulassungsgrundes als unzulässig zu verwerfen. Der Betroffene bzw. seine Verfahrensbevollmächtigten hatten Gelegenheit zur Gegenäußerung.
17II.
181.
19Die in Bezug auf die im Tenor genannten Regelungen im Sinne des § 118 StVollzG zulässige Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, soweit mit dem angefochtenen Beschluss die Anträge des Betroffenen auf Aufhebung der Regelungen in den Vollzugsplanfortschreibungen vom 05.07.2023 und vom 20.03.2024 zu den Punkten Unterbringung im geschlossenen Vollzug und fehlende Indikation einer sozialtherapeutischen Behandlung als unbegründet zurückgewiesen worden sind. Die angefochtene Entscheidung lässt besorgen, dass die Strafvollstreckungskammer die gefestigte Rechtsprechung des Senats zur Feststellung einer Missbrauchsgefahr bei der Überprüfung der behördlichen Entscheidung, ob der Betroffene in den offenen Vollzug verlegt werden kann, die Anforderungen für eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung gem. § 13 StVollzG NRW sowie zu den Anforderungen an die Abfassung eines Beschlusses nach § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG iVm § 267 StPO verkannt hat. Diese Umstände bergen angesichts der erheblichen Bedeutung der Sache für den Betroffenen die Gefahr einer schwer erträglichen Abweichung innerhalb der Rechtsprechung.
20Daher kann dahinstehen, ob der Betroffene die geltend gemachten Verfahrensrügen ordnungsgemäß erhoben hat.
212.
22Die weitergehende Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
23a.
24Soweit Gegenstand der Rechtsbeschwerde die in dem Verfahren 055 StVK 1132/22 begehrte Verpflichtung zur Neuentscheidung über die Verlegung in den offenen Vollzug ist, ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, weil es bereits an einem zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 109 ff. StVollzG mangelt, was der Senat auf die zulässig erhobene Sachrüge von Amts wegen zu prüfen hat. Der Betroffene hat den Antrag hier nicht innerhalb der Frist des § 112 Abs. 1 VollzG gestellt. Der Antrag muss binnen zwei Wochen nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe der Maßnahme oder ihrer Ablehnung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts gestellt werden. Der Antrag muss zudem eine Begründung enthalten, die ebenfalls fristgerecht erfolgen muss. Eine Nachholung der Begründung kann nur ausnahmsweise in Betracht kommen (BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 27. Ed. 1.2.2025, StVollzG § 112 Rn. 5/6, beck-online). Hier enthielt der fristgerecht am 22.12.2022 eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung keine Begründung. Vielmehr führte die Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen aus, eine Begründung werde bis zum 10.01.2023 nachgereicht, da sie nicht ohne vorherige Rücksprache mit dem Betroffenen, die während der Feiertage und zwischen den Jahren nicht möglich sei, nicht habe erfolgen können. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich aus welchen Gründen die Rücksprache nicht innerhalb der ab dem 08.12.2022 laufenden Antragsfrist erfolgt ist. Unabhängig davon erfolgte eine Begründung nicht bis zum 10.01.2023, sondern erst nach gerichtlicher Anfrage vom 03.02.2023, ob an dem Antrag festgehalten werde, mit Schreiben vom 15.02.2023. Eine ausnahmsweise zulässige Nachholung der Begründung vermag der Senat unter diesen Umständen nicht zu erkennen. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Betroffene nicht gestellt.
25b.
26Auch soweit Gegenstand der Rechtsbeschwerde die in dem Verfahren 055 StVK 36/23 begehrte (unmittelbare) Verpflichtung zur Verlegung des Betroffenen in den offenen Vollzug ist, ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, weil die diesbezüglichen Anträge auf gerichtliche Entscheidung aus den Antragsschrift vom 20.07.2023 und vom 30.05.2024 bereits unzulässig waren. Es fehlte an einem Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen für seine diesbezüglichen Anträge auf gerichtliche Entscheidung.
27Ein Verpflichtungsantrag gem. § 109 Abs. 1 S. 2 StVollzG setzt voraus, dass der Antragsteller sein Anliegen der Vollzugsbehörde in geeigneter Weise vorgetragen hat, bevor er den Weg zum Gericht beschreitet (sog. Vorbefassung), da nur insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist (BVerfG Beschl. v. 1.7.1998 – 2 BvR 1758/97, BeckRS 1998, 21996 Rn. 14, beck-online; KG Beschl. v. 14.3.2007 – 2-5 Ws 325/05, BeckRS 2007, 5885, beck-online; OLG Karlsruhe Beschl. v. 23.10.2007 – 2 Ws 404/06, BeckRS 2007, 32856, beck-online; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 26. Ed. 1.8.2024, StVollzG § 109 Rn. 10, 12, beck-online; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 109 Rn. 11, beck-online).
28Daran fehlt es hier in Bezug auf die konkret beantragten Maßnahmen der unmittelbaren Verlegung in den offenen Vollzug. Der u.a. gegen die Ablehnung seines Antrags auf Verlegung in den offenen Vollzug gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 22.12.2022 (055 StVK 1132/22) gegen den Bescheid vom 05.12.2022 war verfristet (s.o.), der Bescheid damit bestandskräftig. Der Antragsteller trägt selbst nicht vor, vor Stellung der Anträge vom 20.07.2023 und 30.05.2024 nach § 109 StVollzG bei der Antragsgegnerin (erneut) die hier geltend gemachten unmittelbaren Verpflichtungsanträge gestellt zu haben. Das Gespräch bzw. die E-Mail-Korrespondenz zwischen der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen und Herrn J. von der Antragsgegnerin betraf lediglich einen etwaigen Kompromiss und dessen Voraussetzungen zur Erledigung der anhängigen Rechtsstreitigkeiten. So setzte nach einer in Betracht gezogenen Alternative die Verlegung in die SoThA D. u.a. eine Aufnahmezusage und einen freien Platz voraus, § 13 Abs. 3 StVollzG NRW. Nach der weiteren Alternative stand die unmittelbare Verlegung des Betroffenen in den offenen Vollzug nicht im Raum, sondern lediglich die Verlegung des Betroffenen nach sechs Monaten bei Fortsetzung einer zu beginnenden Psychotherapie.
29Es reicht auch nicht aus, dass die streitgegenständlichen Vollzugsplanfortschreibungen die Unterbringung des Betroffenen im geschlossenen Vollzug vorsahen. Die Bestimmungen über den Vollzugsplan begründen eigenständige Rechte und Pflichten, die gegenüber den einzelne Vollzugsmaßnahmen betreffenden Rechten und Pflichten verselbständigt sind. Es handelt sich um prozessual voneinander verschiedene Verfahrensgegenstände, die als Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten im Sinne vom § 109 StVollzG gesondert voneinander anfechtbar sind. Die Frage, ob lockerungsbezogene Lücken oder positive Inhalte des Vollzugsplans (hier § 10 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG NRW) Rechte des Gefangenen verletzen, ist daher von der Frage einer Rechtsverletzung durch konkrete Entscheidungen über die Ausgestaltung des Vollzuges (hier §§ 11, 12 StVollzG NRW) zu trennen. Vollzugsplan und Einzelmaßnahme des Vollzuges stehen zueinander im Verhältnis von Grundsatz und Einzelakt. Trotz der eine Maßnahme grundsätzlich befürwortenden oder ablehnenden Planung vermag im Einzelfall eine Maßnahme gleichwohl verweigert oder gewährt werden. Die Existenz des Vollzugsplans beeinflusst insoweit die Begründungslast dahin, dass Abweichungen von der generellen Planung im Einzelfall gesondert zu begründen sind (BVerfG Beschl. v. 3.7.2006 – 2 BvR 1383/03, BeckRS 2006, 25333, beck-online; KG Beschl. v. 22.12.2009 – 2 Ws 560/09, BeckRS 2010, 23518, beck-online; Beier/Laubentahl, Kap. 2 C Rn. 42).
30Zwar ist das Gericht bei Mängeln der Antragstellung aufgrund seiner prozessualen Fürsorgepflicht grundsätzlich gehalten, dem Antragsteller sachdienliche Hinweise zu erteilen (Senat, Beschluss vom 27.11.2012 – III-1 Vollz (Ws) 533/12 –, Rn. 12, juris; Senat, Beschl. v. 23.3.2017 – 1 Vollz (Ws) 23/17, BeckRS 2017, 122492 Rn. 8, beck-online). Diese Grundsätze gelten aber nicht für Antragsschriften, die von Rechtsanwälten verfasst sind (Senat, Beschluss vom 17. Mai 2018 – III-1 Vollz (Ws) 153/18 –, Rn. 17 - 20, juris).
31III.
32Die Rechtsbeschwerde ist im Umfang der Zulassung auch begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und der betroffenen Regelungen in den Vollzugsplanfortschreibungen vom 05.07.2023 und vom 20.03.2024 sowie zur Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Neuerstellung der Vollzugsplanfortschreibungen insoweit.
331.
34Zwar legt die Strafvollstreckungskammer die Grundsätze der Rechtsprechung des Senats zu einer Missbrauchsgefahr nach § 12 Abs. 1 StVollZG NRW zutreffend dar. Sofern sie jedoch zu dem Ergebnis gelangt ist, die Antragsgegnerin habe an einer Unterbringung des Betroffenen im geschlossenen Vollzug unter Hinweis auf eine bestehende Missbrauchsgefahr ermessensfehlerfrei festgehalten, hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
35Vielmehr hat die Strafvollstreckungskammer bei ihrer Überprüfung der Regelung in den Vollzugsplänen über die Unterbringung des Betroffenen im geschlossenen Vollzug die von der Rechtsprechung aufgestellten Maßstäbe nicht beachtet. Unter Anwendung dieser Maßstäbe ergibt sich nämlich, dass weder nach den streitgegenständlichen Vollzugsplänen noch nach der in beiden Vollzugsplänen in Bezug genommenen Stellungnahme des psychologischen Dienstes vom 26.10.2022 eine Missbrauchsgefahr festzustellen ist. Eine positiv festzustellende Missbrauchsgefahr, muss die auf konkreten Tatsachen beruhende Befürchtung ergeben, dass der Gefangene auch unter den im offenen Vollzug bestehenden Einschränkungen und Kontrollen diesen zur Begehung von Straftaten nutzen werde. Es reichen weder pauschale Wertungen oder abstrakte Hinweise (st. Rspr. des Senats; vgl. z.B. Beschluss vom 03.03.2020 zu III-1 Vollz (Ws) 5/20 – Rn 15, juris m.w.N.) noch genügt es, wenn die Missbrauchsgefahr nicht sicher auszuschließen ist (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Senat, Beschluss vom 29.09.2015 zu III-1 Vollz (Ws) 411/15 – Rn. 26, juris). Soweit die Strafvollstreckungskammer ausführt, es bestünden „keine Anhaltspunkte“, dass sich die zur Zeit der Erstellung der Vollzugplanfortschreibungen zwischenzeitlich volljährige Tochter des Betroffenen nunmehr besser gegen Übergriffe des Betroffenen zur Wehr setzen könnte, genügt dies ersichtlich nicht. Allein die Verwendung der Worte „bester Papa“ in einer Karte der Tochter zum Vatertag 2022 an den Betroffenen „legt“ auch nicht „nahe“, dass die deliktrelevante Beziehungskonstellation zwischen Vater und Tochter aus den Jahren 2018 und 2019 fortbesteht. So heißt es in der Stellungnahme des psychologischen Dienstes vom 26.10.2022 (S. 35) lediglich, die Aussagen der Geschädigten im Ermittlungsverfahren und aktuelle Briefe ließen „die Annahme“ zu, dass bei der Tochter trotz ihrer Volljährigkeit eine „psychische Vulnerabilität“ für erneutes strafrechtliches relevantes Verhalten zu ihren Lasten vorliege und es sei „nicht mit der notwendigen Sicherheit auszuschließen“, dass der Betroffene im Rahmen von vollzugsöffnenden Maßnahmen den Kontakt zur Tochter suche, so dass deren Gefährdung „anzunehmen“ sei. Dementsprechend führt die Strafvollstreckungskammer auch lediglich aus, es erscheine „denkbar“, dass der Betroffene die Tochter nötige, ihn erneut beim „Anlocken“ von Sexualpartnern zu unterstützen.
36Soweit es in der psychologischen Stellungnahme heißt, es bestehe „die Gefahr, dass Herr M. andere Opfer findet, um seine narzisstischen Defizite zu regulieren“, ist dort weder ausgeführt noch ist es ersichtlich, auf welche konkrete Tatsachen sich diese Gefahr gründen soll. Zu einem Kreis etwaiger Opfer oder in Betracht kommender Straftatbestände ist nichts ausgeführt. So spricht die Strafvollstreckungskammer auch nur von der „Möglichkeit anderer Geschädigter“.
37Soweit die Strafvollstreckungskammer ausführt, das Vorliegen der Missbrauchsgefahr sei durch das Gutachten A. bestätigt worden, entspricht der Beschluss schon nicht den Anforderungen nach § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG i.V.m. § 267 StPO, ohne dass es nach den vorstehenden Erwägungen noch darauf ankommt. Der Beschluss verhält sich weder zum Gutachtenauftrag noch zu dem wesentlichen Inhalt des Gutachtens. Für die Abfassung der schriftlichen Entscheidungsgründe gilt, dass der Beschluss der Strafvollstreckungskammer den Anforderungen nach § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG i.V.m. § 267 StPO entsprechen und daher die entscheidungserheblichen Tatsachen und die tragenden rechtlichen Erwägungen wiedergeben muss. Damit soll auch dem Rechtsbeschwerdegericht in dem revisionsähnlich ausgestalteten Rechtsbeschwerdeverfahren eine hinreichende Überprüfung ermöglicht werden. § 115 Abs. 1 S. 2 StVollzG bestimmt deshalb, dass der Sach- und Streitstand im Beschluss jedenfalls seinem wesentlichen Inhalt nach in gedrängter Form darzustellen ist, wobei gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 StVollzG die Verweisung auf bei den Akten befindliche Schriftstücke (lediglich) wegen der Einzelheiten erfolgen darf (Senat, Beschluss vom 26. Juni 2023 – 1 Vollz 239/23 –, Rn. 22, juris; Senat, Beschl. v. 20.3.2018 – 1 Vollz (Ws) 85/18, BeckRS 2018, 12296 Rn. 9, beck-online; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 115 Rn. 6a m.w.N., beck-online). Davon unabhängig rügt die Rechtsbeschwerde weiter zu Recht, dass es an jeglicher Beweiswürdigung in Bezug auf das eingeholte Sachverständigengutachten fehlt (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 20.12.2012 – 1 Vollz (Ws) 566/12, BeckRS 2013, 1735, beck-online; KG Beschl. v. 11.1.2016 – 2 Ws 303/15 Vollz, BeckRS 2016, 5034 Rn. 8, 16/17, beck-online).
382.
39Auch sofern die Strafvollstreckungskammer zu dem Ergebnis gelangt ist, die Antragsgegnerin habe eine fehlende Indikation für eine sozialtherapeutische Behandlung des Betroffenen in den streitgegenständlichen Vollzugsplänen in nicht zu beanstandender Weise bejaht, § 13 Abs. 1 StVollzG NRW, hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
40Nach § 13 Abs. 1 StVollzG NRW werden Gefangene, die - wie der Betroffene hier - wegen erheblicher Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden sind, in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt, wenn eine sozialtherapeutische Behandlung zur Eingliederung der Gefangenen angezeigt und erfolgversprechend ist.
41§ 13 Abs. 1 StVollzG NRW enthält einen Rechtsanspruch auf Verlegung bei Vorliegen der Voraussetzungen. Die Verlegung ist im Falle des § 13 Abs. 1 StVollzG NRW auch ohne Zustimmung des Gefangenen möglich. Die Kriterien dafür, wann eine sozialtherapeutische Behandlung angezeigt ist, entsprechen denjenigen zu § 9 Abs. 1 StVollzG. Dem im Gesetz zusätzlich genannten Kriterium „erfolgversprechend“ kommt dabei keine gesonderte Bedeutung zu (vgl. LT-Drs. 16/5413, 97, wo knapp auch nur auf die Behandlungsbedürftigkeit und -fähigkeit abgestellt wird; vgl. Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG NRW § 13 Rn. 2, Rn. 4, beck-online). Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Tatbestandsvoraussetzungen jedenfalls im Falle des § 13 Abs. 1 StVollzG als Behandlungsbedürftigkeit und Behandlungsfähigkeit zusammengefasst werden können. Die Behandlungsbereitschaft oder Therapiemotivation ist nach der Konzeption des § 13 Abs. 1 StVollzG NRW nicht erforderlich. Allerdings ist eine Behandlung in der Sozialtherapie nicht angezeigt, wenn der Gefangene ebenso gut oder sogar besser im „Normalvollzug“, z.B. durch externe Therapeuten, behandelt werden kann. Auch sind Täter, die ihre Tat rundweg leugnen oder sogar ideologisch überhöhen („bekennende Pädophile“), nicht zu verlegen. Solche Gefangene sind mit den Mitteln der Sozialtherapie nicht sinnvoll zu behandeln. Hier fehlt schon jeder Ansatzpunkt für eine therapievorbereitende Motivationsarbeit in einer sozialtherapeutischen Einrichtung (Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 9 Rn. 9, 11, beck-online; BeckOK Strafvollzug NRW/Hettenbach/Hofmann, 22. Ed. 1.1.2025, StVollzG NRW § 13, beck-online; Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier/Neubacher, 13. Aufl. 2024, Kap. J Rn. 20, beck-online).
42Diesen Grundsätzen wird die Regelung in den streitgegenständlichen Vollzugsplanfortschreibungen zur fehlenden Indikation einer sozialtherapeutischen Behandlung nicht gerecht. Es kommt - entgegen dem Fachbeitrag des psychologischen Dienstes vom 21.06.2023 (Bl. 33R d.A. 055 StVK 36/23) – nach den o.g. Grundsätzen nicht darauf an, ob bei dem Betroffenen eine „tragfähige […], intrinsische […] Therapiemotivation“ vorliegt. In dem auszugsweise wiedergegebenen Fachbeitrag ist – entgegen den Ausführungen der Strafvollstreckungskammer – auch nicht ausgeführt, dass eine sozialtherapeutische Behandlung bei dem Betroffenen nicht erfolgversprechend sei; dort wird ausgeführt, es sei ein Behandlungsbedarf zu erkennen, eine Verlegung in den offenen Vollzug setze eine erfolgreich abgeschlossene Psychotherapie voraus. Unabhängig davon ist schon nicht ersichtlich, ob der vorgenannte Fachbeitrag überhaupt die Grundlage für die Regelung der Antragsgegnerin zur fehlenden Indikation einer sozialtherapeutischen Behandlung in den streitgegenständlichen Vollzugsplänen war. Die Antragsgegnerin führt in ihrer Stellungnahme vom 22.08.2023 im gerichtlichen Verfahren lediglich aus, eine Begründung für die fehlende Indikation „dürfte sich aus dem nachfolgend in Auszügen zitierten Fachbeitrag […] ergeben“, nicht aber, dass die Antragsgegnerin die Regelung in den Vollzugsplanfortschreibungen damals mit den Erwägungen des auszugsweise wiedergegebenen Fachbeitrags begründet hat. Im gerichtlichen Verfahren nachgeschobene Gründe sind nicht zu berücksichtigen. Die Vollzugsplanfortschreibungen selbst enthalten zu dieser Regelung jeweils keine Begründung.
433.
44Der angefochtene Beschluss war daher in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang aufzuheben. Auf eine Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer im Umfang der Aufhebung war nicht zu erkennen, da die Sache in Ansehung der von ihr zu treffenden Entscheidung gemäß § 119 Abs. 4 S. 2 StVollzG spruchreif ist. Die streitgegenständlichen Vollzugsplanfortschreibungen sind in Bezug auf die Unterbringung im geschlossenen Vollzug und in Bezug auf die fehlende Indikation einer sozialtherapeutischen Behandlung aus den aufgezeigten Gründen fehlerhaft, weshalb sie insoweit aufzuheben waren. Gleichzeitig war die Antragsgegnerin diesbezüglich zur Neuerstellung der Vollzugsplanfortschreibungen zu verpflichten.