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Eine Entscheidung nach § 346 Abs. 1 StPO darf erst getroffen werden, wenn die Revisionsbegründungsfrist abgelaufen ist. Erst dann steht nämlich fest, welche Erklärungen, die auf Einhaltung der Form und Frist zu prüfen sind, abgegeben wurden, zumal jeder Beschwerdeführer die Frist zur Begründung seines Rechtsmittels bis zuletzt ausschöpfen oder auch innerhalb der Frist mehrere Erklärungen abgeben darf. Eine verfrühte Entscheidung wäre nur dann unschädlich, wenn sie im Ergebnis zu Recht ergangen und nicht zu besorgen ist, dass der Revisionsführer durch sie von einer möglichen Heilung des Formfehlers oder einer rechtzeitigen Nachholung der Revisionseinlegung oder Revisionsbegründung abgehalten worden ist. Dies ist nur dann auszuschließen, wenn die Verwerfungsentscheidung dem Revisionsführer erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zugestellt worden ist
Wird eine Revision zu Unrecht als unzulässig verworfen und der Verwerfungsbeschluss zu einem Zeitpunkt zugestellt, in dem die Begründungsfrist noch nicht abgelaufen ist, so beginnt letztere erst mit der Zustellung der den Verwerfungsbeschluss aufhebenden Entscheidung des Revisionsgerichts.
Der Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 14.01.2025 wird aufgehoben.
Die Angeklagte wird darauf hingewiesen, dass die Monatsfrist zu Begründung ihrer Revision mit Zustellung dieses Beschlusses zu laufen beginnt.
Die Sache wird dem Landgericht Dortmund – 40. kleine Strafkammer – zur Entgegennahme einer eventuellen Revisionsbegründung zurückgegeben.
Gründe:
2I.
3Das Landgericht – kleine Strafkammer – Dortmund (im Folgenden: Landgericht) hat die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Castrop-Rauxel vom 01.07.2024 gemäß § 329 Abs. 1 S. 1 StPO durch Urteil vom 21.11.2024 verworfen, weil die Angeklagte zur Hauptverhandlung ohne Entschuldigung nicht erschienen und auch nicht durch einen mit Vertretungsvollmacht ausgestatteten Verteidiger vertreten war.
4Mit ihrer am 19.12.2024 eingegangenen Eingabe, in der sie verschiedene Beleidigungen äußerte, übersandte die Angeklagte dem Landgericht die in Einzelteile zerrissene Ausfertigung des ihr am 13.12.2024 zugestellten Urteils. Das Landgericht hat die als Revision ausgelegte Eingabe der Angeklagten mit Beschluss vom 14.01.2025 mangels fristgerechter Begründung als unzulässig verworfen. Mit ihrer am 24.01.2025 bei dem Landgericht eingegangenen Eingabe äußerte die Angeklagte erneut Beleidigungen. Zugleich übersandte sie die in Einzelteile zerrissene beglaubigte Abschrift des ihr am 17.01.2025 zugestellten Beschlusses vom 14.01.2025.
5Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 28.02.2025 beantragt, den Beschluss des Landgerichts vom 14.01.2025 aufzuheben. Die Angeklagte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, wovon sie mit am 17.03.2025 eingegangenem Schreiben Gebrauch gemacht hat.
6II.
7Die am 24.01.2025 bei dem Landgericht eingegangene Eingabe der Angeklagten ist gemäß § 300 StPO als insofern einzig statthafter Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts auszulegen (§ 346 Abs. 2 StPO).
8Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg. Er führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Fortsetzung des Revisionsverfahrens (§ 347 StPO) bei dem Landgericht Dortmund.
91.
10Das Landgericht hat die Revision der Angeklagten gegen das Urteil vom 21.11.2024 zu Unrecht als unzulässig verworfen, denn die auf § 346 Abs. 1 StPO gestützte Verwerfungsentscheidung ist verfrüht ergangen, worauf bereits die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer der Angeklagten bekannt gemachten Zuschrift vom 28.02.2025 zutreffend hingewiesen hat. Eine Entscheidung nach § 346 Abs. 1 StPO darf erst getroffen werden, wenn die Revisionsbegründungsfrist abgelaufen ist. Erst dann steht nämlich fest, welche Erklärungen, die auf Einhaltung der Form und Frist zu prüfen sind, abgegeben wurden, zumal jeder Beschwerdeführer die Frist zur Begründung seines Rechtsmittels bis zuletzt ausschöpfen oder auch innerhalb der Frist mehrere Erklärungen abgeben darf (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06.04.1995 zu 4 Ss OWi 341/95 –, juris; OLG Jena, Beschluss vom 01.10.2008 zu 1 Ss 196/08; OLG Bamberg, BeckRS 2018, 11529, Rn. 3).
11Die Revisionsbegründungsfrist nach § 345 Abs. 1 S. 2 StPO war noch nicht abgelaufen, als das Landgericht den angefochtenen Verwerfungsbeschluss vom 14.01.2025 erlassen hat. Das in Abwesenheit der Angeklagten verkündete Urteil des Landgerichts vom 21.11.2024 wurde der Angeklagten am 13.12.2024 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Revision lief gemäß § 341 Abs. 1 StPO am 20.12.2024 ab. Die Frist zur Anbringung der Revisionsanträge und ihrer Begründung begann am Folgetag und endete mit Ablauf des 21.01.2025 (§ 345 Abs. 1 S. 1 StPO).
122.
13Die verfrüht getroffene Verwerfungsentscheidung zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
14Eine verfrühte Entscheidung wäre nur dann unschädlich, wenn sie im Ergebnis zu Recht ergangen und nicht zu besorgen ist, dass der Revisionsführer durch sie von einer möglichen Heilung des Formfehlers oder einer rechtzeitigen Nachholung der Revisionseinlegung oder Revisionsbegründung abgehalten worden ist. Dies ist nur dann auszuschließen, wenn die Verwerfungsentscheidung dem Revisionsführer erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zugestellt worden ist (OLG Bamberg, Beschluss vom 24.03.2017 zu 2 Ss OWi 329/17, Rn. 8,– juris; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2003, 204 [205]; OLG Jena, Beschluss vom 11.12.2006 zu 1 Ss 329/06, Rn. 9 ,– juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 20.11.2007 zu 1 Ss 311/07 ,– juris; Frisch, in: SK-StPO, 5. Aufl. 2018, Rn. 23a).
15Wird – wie hier – eine Revision zu Unrecht als unzulässig verworfen und der Verwerfungsbeschluss zu einem Zeitpunkt zugestellt, in dem die Begründungsfrist noch nicht abgelaufen ist, so beginnt letztere erst mit der Zustellung der den Verwerfungsbeschluss aufhebenden Entscheidung des Revisionsgerichts. Denn dem Revisionsführer kann nicht zugemutet werden, die Revisionsbegründung in Kenntnis der negativen Entscheidung des Tatgerichts vorsorglich innerhalb der noch verbleibenden Frist einzureichen. Ihm ist vielmehr Gelegenheit zu geben, binnen eines Monats nach Zustellung der Aufhebungsentscheidung seine Revision zu begründen (BGH, Beschluss vom 11.08.2021 zu 3 StR 118/21, Rn. 7,– juris; Beschluss vom 06.03.2014, NJW 2014, 1686, [1687]; OLG Bamberg, BeckRS 2018, 11529, Rn. 8; OLG Köln, BeckRS 2018, 39186, Rn. 4; Frisch, in: SK-StPO, 5. Aufl. 2018, Rn. 23a).
16Die Sache ist deshalb zur Fortsetzung des Revisionsverfahren (§ 347 StPO) an das Landgericht zurückzugeben.
173.
18Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (BGH, Beschluss vom 11.08.2021 zu 3 StR 118/21, Rn. 9, juris; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl. 2024, Rn. 12).