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Elektrokleinstfahrzeuge mit elektrischem Antrieb, einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h und bestimmten, in § 1 eKFV genannten zusätzlichen Merkmalen (E-Scooter), sind gemäß der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (eKFV) als Kraftfahrzeuge einzustufen.
Der Mindestwert für die unwiderlegliche Annahme von absoluter Fahruntüchtigkeit liegt für Führer von Elektrokleinstfahrzeugen in diesem Sinne bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰.
Gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist ein Täter dann regelmäßig als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn als rechtswidrige Tat ein Vergehen der Trunkenheit im Verkehr zugrunde liegt. Die Wirkung der gesetzlichen Vermutung geht dahin, dass für die Feststellung der Ungeeignetheit eine sie explizit begründende Gesamtwürdigung nur erforderlich ist, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Ausnahmefall vorliegen könnte. In einem solchen Fall muss das Gericht erkennen lassen, dass es ihm bewusst war, bei Ausnahmen vom Regelfall von der Entziehung der Fahrerlaubnis absehen zu können. Solche besonderen Umstände können entweder in der Tat, in der Persönlichkeit des Täters oder dem Nachtatverhalten liegen und sind insbesondere dann besonders sorgfältig zu prüfen, wenn die Anlasstat ein Fall der Trunkenheit im Verkehr ist. Die Benutzung eines sog. E-Scooters durch einen alkoholbedingt fahruntüchtigen Fahrer widerlegt für sich genommen nicht die Ungeeignetheit im Sinne des § 69 StGB.
Das Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 17.06.2024 wird mit den zugehörigen Feststellungen insoweit aufgehoben, als ein Fahrverbot von vier Monaten angeordnet und die Entziehung der Fahrerlaubnis sowie die Bestimmung einer Sperrfrist für deren Neuerteilung abgelehnt worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hamm zurückverwiesen.
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht Hamm hat den Angeklagten mit Urteil vom 17.06.2024 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt und ihm für die Dauer von vier Monaten untersagt, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
4Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Angeklagte zunächst einen Leih-E-Scooter gemietet und am 00.02.2024 gegen 2:20 Uhr gemeinsam mit seiner Freundin mit diesem Elektrokleinstfahrzeug mit dem Kennzeichen N01 in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand u.a. die D.-straße in I. befahren, um seine Freundin nach Hause zu bringen. Eine um 03:28 Uhr entnommene Blutprobe hat eine Blutalkoholkonzentration von 1,51 ‰ ergeben. Diese Blutalkoholkonzentration bewirke in jedem Falle Fahruntüchtigkeit. Die Fahruntüchtigkeit habe der Angeklagte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen.
5Gegen das amtsgerichtliche Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Sprungrevision, die sie ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet. Insoweit führt sie aus, dass das Amtsgericht rechtsfehlerhaft neben der Geldstrafe „nur“ ein viermonatiges Fahrverbot angeordnet habe. Der Angeklagte habe jedoch eine Katalogtat im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB begangen, so dass die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen indiziert sei. Von der Entziehung der Fahrerlaubnis dürfe jedoch nur dann abgesehen werden, wenn die Tat Ausnahmecharakter habe. Nach dem objektiven Tatgeschehen handele es sich bei der Tat des Angeklagten um einen Normalfall der Trunkenheit im Verkehr, der nach Art und Begehungsweise nicht aus dem Rahmen der üblichen Trunkenheitsfahrten falle. Ein Ausnahmefall der Regelvermutung könne auch nicht damit begründet werden, dass es sich „nur“ um eine Fahrt mit einem sogenannten „E-Scooter“ anstatt mit einem Auto handele und das Gefährdungspotential dabei geringer sei. Ein erhöhtes Gefährdungspotential habe über die Trunkenheitsfahrt hinaus auch darin gelegen, dass der Angeklagte auf dem E-Scooter verbotswidrig eine weitere Person befördert habe. Außergewöhnliche Gründe in der Persönlichkeit des Angeklagten lägen ebenfalls nicht vor, da die Regelvermutung auch bei Ersttätern greife.
6Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Revision beigetreten.
7II.
8Die statthafte und rechtzeitig eingelegte und begründete (Sprung-)Revision hat zumindest vorläufig Erfolg.
91.
10Die Revision der Staatsanwaltschaft ist zunächst ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch und innerhalb dessen nochmals auf die (bloße) Anordnung des Fahrverbots und die Ablehnung der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB sowie der damit verbundenen Verhängung einer Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 69a StGB beschränkt. Die Staatsanwaltschaft rügt in ihrer Revisionsbegründung die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet dabei ausschließlich, dass das Amtsgericht trotz der Erfüllung des Regelbeispiels gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB dem Angeklagten die Fahrerlaubnis nicht entzogen und keine Sperre gemäß § 69a StGB bestimmt, sondern „nur“ ein viermonatiges Fahrverbot angeordnet hat. Aufgrund der für Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft geltenden besonderen Begründungsanforderungen (Nr. 156 RiStBV) ist damit eine Beschränkung des Rechtsmittels auf den in der Begründung allein angegriffenen Gesichtspunkt verbunden (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2017 – 1 StR 606/16 - juris), sofern eine solche Beschränkung wirksam möglich ist.
11a)
12Der auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hamm gerichtete Antrag der Staatsanwaltschaft ist im Sinne der Revisionsbegründung dahingehend auszulegen, dass (lediglich) die Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugehörigen Feststellungen begehrt wird, soweit ein viermonatiges Fahrverbot angeordnet sowie die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Bestimmung einer Sperrfrist für deren Neuerteilung abgelehnt worden sind. In dem Umfang der Aufhebung wird auch beantragt, die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hamm zurückverwiesen.
13b)
14Vorliegend besteht zunächst keine untrennbare Wechselwirkung zwischen nicht angeordneter Maßregel nach §§ 69, 69a StGB und dem mit der Verhängung einer Geldstrafe verbundenen Strafausspruch, die eine getrennte Anfechtung verbieten würde. Weder ergibt sich aus dem tatrichterlichen Urteil, dass der Strafausspruch insoweit von der Entscheidung über das Absehen von der Maßregel beeinflusst wäre, noch greift die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revisionsbegründung doppelrelevante Tatsachen an, also solche, die für die Entscheidung nach §§ 69, 69a StGB und die Strafzumessung gleichermaßen von Bedeutung sind. Vielmehr geht es zunächst allein um die rechtliche Bewertung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 08.05.2023 – 1 Ss 276/22 - juris).
15c)
16Vom Revisionsangriff ist vorliegend jedoch auch die Verhängung des Fahrverbots nach §§ 44 StGB umfasst. Eine getrennte Anfechtung der unterlassenen Anordnung der Maßregel nach §§ 69, 69a StGB und der erfolgten Verhängung der Nebenstrafe nach § 44 StGB ist wegen einer untrennbaren Wechselwirkung im vorliegenden Fall nicht wirksam möglich. Fahrverbot und Fahrerlaubnisentziehung schließen sich regelmäßig aus, da das Fahrverbot nach § 44 StGB voraussetzt, dass sich der Täter gerade nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Ein Fahrverbot kommt neben einer Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht, wenn das Gericht dem Täter das Fahren mit gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 FeV fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen verbieten oder nach § 69a Abs. 2 StGB bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen von der Sperre ausnehmen will (BGH Beschluss vom 07.08.2018, 3 StR 104/18, juris; BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 - juris). Ausnahmsweise kann daher sowohl die Fahrerlaubnis entzogen als auch ein Fahrverbot angeordnet werden, weil Letzteres gerade auch fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge wie den hier verwendeten E-Scooter erfasst (vgl. BGH, Beschluss vom 07.08.2018 – 3 StR 104/18 - juris). Das Amtsgericht hat vorliegend das Fahrverbot nach § 44 StGB verhängt, statt die Maßregel nach §§ 69, 69a StGB anzuordnen, weil der Angeklagte sich nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe. Damit kommt der dargestellte Ausnahmefall eines Fahrverbots neben der Anordnung der Maßregel gerade nicht in Betracht. Dementsprechend hat die Staatsanwaltschaft die Anordnung des Fahrverbots in der Revisionsbegründung als rechtsfehlerhaft („nur“ ein viermonatiges Fahrverbot) bezeichnet.
172.
18Die Rechtsfolgenbeschränkung ist auch wirksam, weil die Feststellungen des Amtsgerichts den Schuldspruch der Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 StGB tragen. Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e StGB) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, es sei denn, die Tat ist in § 315a oder § 315c StGB mit Strafe bedroht. Nach § 316 Abs. 2 StGB wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht. Die getroffenen Feststellungen belegen, dass der Angeklagte fahrlässig im öffentlichen Straßenverkehr ein Elektrokleinstfahrzeug und damit ein Fahrzeug im Zustand der (absoluten) Fahruntauglichkeit bei einer 68 Minuten nach Fahrtende gemessenen Blutalkoholkonzentration (im Folgenden: BAK) von 1,51 ‰ geführt hat.
19a)
20Bei dem vom Angeklagten zur Tatzeit geführten E-Scooter handelt es sich um ein Fahrzeug im Sinne von § 316 StGB. Fahrzeug im Sinne des § 316 StGB ist grundsätzlich jedes zur Ortsveränderung bestimmte Fortbewegungsmittel zur Beförderung von Personen oder Gütern (BayObLG, Beschluss vom 13.07.2000 – 2 StRR 118/00 - juris). Der Begriff entspricht dem des Straßenverkehrsrechts (König in Leipziger Kommentar StGB, 13. Aufl. § 315c Rn. 7). Zu den Fahrzeugen gehören insbesondere Kraftfahrzeuge im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG i.V.m. § 2 Nr. 1 Fahrzeugzulassungsverordnung (im Folgenden FZV) (BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 – juris m.w.N.).
21Gemäß der seit dem 15. Juni 2019 geltenden Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (im Folgenden eKFV) werden aufgrund ihrer Motorisierung auch Elektrokleinstfahrzeuge mit elektrischem Antrieb, einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h und bestimmten, in § 1 eKFV genannten zusätzlichen Merkmalen als Kraftfahrzeuge im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG eingestuft (vgl. dazu auch BR.-Drs. 158/19 Begründung A. Allgemeiner Teil Ziffer I S. 23 sowie Begründung B. Besonderer Teil zu Art. 1 Abs. 1 S. 31). Hierunter fallen auch die sogenannten E-Scooter im entsprechenden Leistungsbereich (BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 – juris m.w.N.).
22Aus den Urteilsgründen geht (noch) mit der erforderlichen Klarheit hervor, dass der Angeklagte zur Tatzeit einen als Elektrokleinstfahrzeug ohne Sitz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 erster Fall Elektrokleinstfahrzeugeverordnung (eKFV) einzuordnenden sogenannten E-Scooter geführt hat. Die in den getroffenen Feststellungen verwendete (untechnische) Sammelbezeichnung E-Scooter neben der Bezeichnung als Elektrokleinstfahrzeug und die Angaben zum - offenkundig nach Maßgabe von §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 eKFV, 29a Abs. 1 FZV, 1 Satz 1 PflichtVG erteilten - Versicherungskennzeichen des E-Scooters lassen den rechtlichen Schluss zu, dass es sich bei dem vom Angeklagten geführten E-Scooter um ein - nicht selbstbalancierendes - Elektrokleinstfahrzeug nach § 1 Abs. 1 eKFV handelte. Ein solches Fahrzeug ist bereits nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 eKFV ein Kraftfahrzeug (vgl. BT- Drucksache 158/19 Seite 1 “... sind sie Kraftfahrzeuge nach § 1 Abs. 2 StVG.”; BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 – juris; KG, Urteil vom 10.05.2022 – (3) 121 Ss 67/21 (27/21) - juris). Zudem ergibt sich dies zwanglos aus der Legaldefinition von § 1 Abs. 2 StVG, wonach Kraftfahrzeuge im Sinne des StVG Landfahrzeuge sind, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Dies trifft auf E-Scooter zu, die wegen ihres ausschließlichen Maschinenantriebs nicht dem Ausschluss von § 1 Abs. 3 StVG unterliegen. Da der Begriff des (Kraft-)Fahrzeugs im straßenverkehrsrechtlichen und strafrechtlichen Sinne identisch ist (KG, Urteil vom 10.05.2022 – (3) 121 Ss 67/21 (27/21) - juris; Fischer, StGB 71. Aufl., § 316 Rdn. 4; König in Leipziger Kommentar zum StGB 13. Aufl, § 315c StGB Rdn. 7 – jew. m.w.N.), belegen die getroffenen Feststellungen zugleich, dass der Angeklagte ein Fahrzeug im Sinne von § 316 Abs. 1 StGB geführt hat.
23b)
24Zum Tatzeitpunkt war der Angeklagte absolut fahruntüchtig.
25aa)
26Die dem Angeklagten 68 Minuten nach Beendigung der Fahrt entnommene Blutprobe hat eine BAK von 1,51 ‰ ergeben, die auch für die Tatzeit zu Grunde zu legen ist. Da die BAK zur Tatzeit maßgeblich für die strafrechtliche Beurteilung ist, die Blutprobe jedoch zeitlich nach der Tatbegehung entnommen wird, so dass es in der Zwischenzeit zu einem körpereigenen Alkoholabbau gekommen ist, muss grundsätzlich eine Rückrechnung vom Blutentnahmewert auf den Tatzeitwert erfolgen. Bei dieser Rückrechnung handelt es sich um eine Hochrechnung, bei der der Abbauwert zum Entnahmewert addiert wird.
27Allerdings darf eine den Täter belastende Rückrechnung erst nach Abschluss der Anflutungs- oder Resorptionsphase, also des Zeitraumes, innerhalb dessen der aufgenommene Alkohol ins Blut übergeht, erfolgen. Da während der Resorption sowohl im Darm befindlicher Alkohol ins Blut überführt wird als auch der bereits im Blut befindliche Alkohol wieder abgebaut wird, würde eine bloße Addition von Abbauwerten zu einer überhöhten Blutalkoholkonzentration führen. Die tatsächliche Dauer der Resorptionsphase ist von Trinkzeit und Trinkende, Trinkmenge, Getränkeart, etwaiger Nahrungsaufnahme, Tatzeit, Zeitpunkt der Blutentnahme, Körpergewicht und Konstitutionstyp abhängig (BayObLG, Beschluss vom 02.07.2001 – 1 St RR 68/01 = BeckRS 2001, 31155809). Bei einem normalen Trinkverlauf, von dem ausgegangen werden kann, solange eine Alkoholbelastung von 0,5 bis höchstens 0,8 Gramm Alkohol pro Kilogramm Körpergewicht innerhalb einer Stunde nicht überschritten wird, ist – solange nicht aufgrund besonderer Anknüpfungstatsachen eine andere Dauer festgestellt wird – davon auszugehen, dass die Resorption erst zwei Stunden nach Trinkende abgeschlossen ist. Da es jedoch ausreicht, wenn eine Alkoholmenge im Körper vorhanden ist, die nach Abschluss der Resorption zu einer bestimmten BAK führt (grundlegend: BGH, Beschluss vom 11.12.1973 – 4 StR 130/73 = BGH NJW 1974, 246), muss bei einer Blutentnahme innerhalb von zwei Stunden seit Tatbegehung und unbekanntem Trinkende – wie hier – in dubio pro reo zugunsten des Täters unterstellt werden, dass die Alkoholaufnahme erst unmittelbar vor der Tat beendet und dementsprechend die Resorptionsphase zum Zeitpunkt der Blutentnahme noch nicht abgeschlossen war, so dass die Tatzeitalkoholisierung mit derjenigen zum Blutentnahmezeitpunkt identisch ist (vgl. Scholz in: BeckOK StVR, 25. Edition Stand 15.10.2024, 3 316 Rn 46f m.w.N.).
28bb)
29Die Bewertung der Frage der alkoholbedingten absoluten Fahrunsicherheit hat das Amtsgericht rechtlich zutreffend unter Anwendung der für Kraftfahrer geltenden Promillegrenze von 1,1 ‰ vorgenommen.
30Der Bundesgerichtshof hat bislang offengelassen, ob dieser Grenzwert auch für die Fahrzeugklasse der Elektrokleinstfahrzeuge gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 13.04.2023 – 4 StR 439/22 – juris; Beschluss vom 02.03.2021 – 4 StR 366/20 – juris). Der Senat schließt sich der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung an, dass dieser Grenzwert, von dem an eine absolute Fahruntüchtigkeit unwiderleglich indiziert ist, auch für die Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen gilt (vgl. KG, Beschluss vom 31.05.2022 – (3) 121 Ss 40/22 (13/22) - juris, Urteil vom 10.05.2022 – (3) 121 Ss 67/21 (27/21) – juris, OLG Hamburg, Urteil vom 16.03.2022 – 9 Rev 2/22 – juris; BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20, offen gelassen: OLG Braunschweig, Urteil vom 30.11.2023 – 1 ORs 33/23).
31Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass ein Kraftfahrzeugführer ab einer BAK von 1,10 ‰ unwiderleglich (absolut) fahruntauglich ist, weswegen es in so gelagerten Fällen lediglich Feststellungen zur Tatzeit, zum Zeitpunkt der Entnahme einer Blutprobe sowie zur (daraus ermittelten) BAK bedarf, um zutreffend von einer Fahruntauglichkeit des Angeklagten auszugehen. Der Senat sieht keine Veranlassung, diesen Grenzwert für alkoholisierte Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen, namentlich von E-Scootern, anzuheben. Der Wert von 1,1 ‰ gilt auch für E-Scooter.
32Die Entscheidung der Frage, ab welchem Grenzwert alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers im Sinne der §§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, 316 Abs. 1 StGB anzunehmen ist, lässt sich nur unter Heranziehung medizinisch-naturwissenschaftlicher Erkenntnisse treffen. Soweit diese in den maßgebenden Fachkreisen allgemein und zweifelsfrei als richtig anerkannt werden, sind sie für den Richter bindend (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 18.01.1990 – 4 StR 292/89 - juris). Dieser muss sich im Wege der juristischen Bewertung solcher verbindlichen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse seine Überzeugung von dem Blutalkoholwert bilden, ab dem jeder Fahrzeugführer nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen (BGH, Beschluss vom 28.06.1990 – 4 StR 297/90 – juris; KG, Urteil vom 10.05.2022 – (3) 121 Ss 67/21 (27/21) – juris). Ausgehend davon sind Besonderheiten, die eine Heraufsetzung des BAK-Grenzwertes für die Feststellung absoluter Fahruntauglichkeit von E-Scooterfahrern rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich (vgl. dazu grundlegend: KG, Urteil vom 10.05.2022 – (3) 121 Ss 67/21 (27/21) – juris). Insbesondere ergeben sich solche nicht aus der eKFV, nach deren § 9 Führer eines Elektrokleinstfahrzeugs den Vorschriften der StVO unterliegen, zumal die §§ 10 bis 13 eKFV die Frage der Fahrtüchtigkeit eines Fahrzeugführers nicht betreffen; die bautechnische Beschaffenheit von E-Scootern (z.B. geringe stabilisierende Kreiselkräfte wegen kleiner Räder, hoher Schwerpunkt des Fahrzeugs aufgrund stehender Haltung des Fahrers und erzielbare Geschwindigkeit) bedingt zudem ein deutliches Gefährdungs- und Verletzungsrisiko Dritter im Straßenverkehr (vgl. dazu im Einzelnen KG, Urteil vom 10.05.2022 – (3) 121 Ss 67/21 (27/21) – juris). Auch neuere statistische Auswertungen geben - soweit für den Senat ersichtlich - keinen Anlass, die oben genannte BAK-Grenze anzuheben.
33c)
34Die Feststellungen tragen schließlich auch die Annahme des Amtsgerichts, der Angeklagte habe zumindest fahrlässig im Sinne des § 316 Abs. 2 StGB gehandelt, als er sich mit einer BAK von mindestens 1,1 ‰ zur Fahrt mit dem E-Scooter entschloss und diese durchführte.
35d)
36Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht schuldhaft handelte, liegen nicht vor. Insbesondere ist nach den amtsgerichtlichen Feststellungen auch eine alkoholbedingte Schuldunfähigkeit nicht anzunehmen.
373.
38Die Begründung, mit der das Amtsgericht trotz Vorliegens eines Regelfalls nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB von der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB und Anordnung einer Sperre gemäß § 69a StGB abgesehen hat, hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
39Die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 61 Nr. 5 StGB), die ihre Rechtfertigung im Sicherungsbedürfnis der Verkehrsgemeinschaft hat. Dieses ist bedingt durch die hohen Risiken, die der Straßenverkehr infolge seiner Dynamik für Leben, Gesundheit und Eigentum der Verkehrsteilnehmer mit sich bringt. Körperlich, geistig, aber auch charakterlich ungeeignete Kraftfahrer verstärken diese Risiken. Dem soll durch den - zumindest zeitigen - Ausschluss des Betreffenden von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr entgegengewirkt werden (BGH Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 27. April 2005, GSSt 2/04, juris, Rn. 19). Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB ist daher einem Täter die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt worden ist, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, und sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.
40a)
41Auch im Rahmen des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB ist für den Begriff „Kraftfahrzeug“ die verkehrsrechtliche Legaldefinition des § 1 Abs. 2 StVG maßgeblich. Demzufolge sind Kraftfahrzeuge im Sinne von § 69 StGB alle mit Maschinenkraft angetriebenen, nicht an Bahngleise gebundenen Landfahrzeuge. Unerheblich ist, ob es für das Führen des Kraftfahrzeuges nach § 4 Abs. 1 FeV einer Fahrerlaubnis bedarf (BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 – juris; Valerius in: Leipziger Kommentar zum StGB 14. Aufl. § 69 Rn. 49 m.w.N.). Eine vom Gesetzgeber bewusst vorgenommene Ausnahmeregelung besteht gemäß des im Rahmen des § 69 StGB ebenfalls zu beachtenden § 1 Abs. 3 Satz 1 StVG (vgl. Valerius a.a.O. § 69 Rn. 47) für sog. Pedelecs, die mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer Nenndauerleistung von höchstens 0,25 kW ausgestattet sind, deren Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und unterbrochen wird, wenn das Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 25 km/h erreicht oder wenn der Fahrer nicht mehr tritt. Diese werden gemäß § 1 Abs. 3 StVG als Fahrräder eingestuft und fallen daher auch nicht unter den Anwendungsbereich des § 69 StGB. Eine solche Regelung wurde dagegen für E-Scooter nicht getroffen, so dass diese als Kraftfahrzeuge auch im Sinne der Vorschrift des § 69 StGB gelten (BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 – juris).
42b)
43Ungeeignet ist der Täter nach ständiger Rechtsprechung, wenn eine Würdigung seiner körperlichen, geistigen und charakterlichen Voraussetzungen und der sie wesentlich bestimmenden objektiven und subjektiven Umstände ergibt, dass die Teilnahme des Täters am Kraftfahrzeugverkehr zu einer nicht hinnehmbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen würde (BGH, Urteil vom 26. September 2003, Az: 2 StR 161/03 - juris). Maßgeblich für die Feststellung der Ungeeignetheit ist der Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung. Die Feststellung der Ungeeignetheit schließt zugleich die Prognose fortbestehender Ungeeignetheit und damit zukünftiger Gefährlichkeit des Täters für den Fall ein, dass er ein Kraftfahrzeug führt. Ob ein Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände der konkreten Tat unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Täters, soweit sie in der Tat zum Ausdruck gekommen ist, zu bestimmen, sofern nicht ein Fall des § 69 Abs. 2 StGB vorliegt (BGH Urteil vom 12.03.2020, 4 StR 544/19 = BeckRS 2020, 6550; BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 – juris m.w.N.).
44(1)
45Mit dem Zweiten Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 26.11.1964 (BGBl. I 921) wurde in § 42 m Abs. 2 StGB a.F., der inhaltlich § 69 Abs.2 StGB entspricht (vgl. dazu BGH Beschluss vom 16.09.2003, 4 StR 85/03, - juris), ein Katalog rechtswidriger Taten aufgenommen, bei deren Vorliegen das Gesetz in typisierter Weise annimmt, der Täter sei „in der Regel“ als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Nach der amtlichen Begründung des Gesetzesentwurfs geht dieser von der Überlegung aus, dass die aufgeführten Zuwiderhandlungen in der Regel einen solchen Grad des Versagens oder der Verantwortungslosigkeit des Täters offenbarten, dass damit zugleich auch dessen Eignungsmangel feststehe (amtliche Begründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 27.09.1962 BT.-Drs. IV/651 S. 17). Die Einfügung des Regelkatalogs wurde als „bedeutsame Fortentwicklung des geltenden Rechts“ damit begründet, dass es unbestreitbare Erfahrungstatsachen gebe, „dass bestimmte gefährliche Verhaltensweisen schon für sich allein die Feststellung rechtfertigen, der Täter sei für die Teilnahme am Kraftverkehr ungeeignet“. Die abstrakte Umschreibung solchen Verhaltens gebe dem Richter einen Auslegungshinweis für den Begriff der Eignung und damit zugleich eine feste Führung durch das Gesetz (BT.-Drs. IV/651 S. 17). In den aufgelisteten Fällen hat der Gesetzgeber somit die richterliche Bewertung und Prognose der Frage der Eignung vorweggenommen und dem Richter die Feststellung eines Eignungsmangels erleichtert (Kinzing in: Schönke/Schröder StGB, 30. Aufl., § 69 Rn. 34 m.w.N.). Gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist ein Täter dann regelmäßig als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn - wie hier - als rechtswidrige Tat ein Vergehen der Trunkenheit im Verkehr zugrunde liegt (BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 – juris).
46(2)
47Die Wirkung der gesetzlichen Vermutung geht dahin, dass für die Feststellung der Ungeeignetheit eine sie explizit begründende Gesamtwürdigung nur erforderlich ist, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Ausnahmefall vorliegen könnte (Fischer a.a.O. § 69 Rn. 22). In einem solchen Fall muss das Gericht erkennen lassen, dass es ihm bewusst war, bei Ausnahmen vom Regelfall von der Entziehung der Fahrerlaubnis absehen zu können. Solche besonderen Umstände können entweder in der Tat, in der Persönlichkeit des Täters oder dem Nachtatverhalten liegen (Valerius a.a.O. § 69 Rn. 136) und sind insbesondere dann besonders sorgfältig zu prüfen, wenn Anlasstat ein Fall der Trunkenheit im Verkehr ist (BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 – juris ; Valerius a.a.O. § 69 Rn. 194).
48(a)
49Als Fall besonderer Umstände der Tat wird nach der amtlichen Begründung in Betracht gezogen, dass der Täter in einer notstandsähnlichen Lage gehandelt hatte, die sein Verhalten zwar nicht voll entschuldigen, aber immerhin begreiflich erscheinen ließen (BT.-Drs. IV/651 S. 17; Bsp. bei Valerius a.a.O. § 69 Rn. 138). Die Indizwirkung kann der Rechtsprechung nach auch bei sog. Bagatellfahrten entfallen, worunter vor allem folgenlos gebliebene Trunkenheitsfahrten zu verstehen sind, bei denen der alkoholisierte Fahrer das Kraftfahrzeug auf der Straße oder einem öffentlichen Parkplatz lediglich um wenige Meter versetzt, um das Fahrzeug ordnungsgemäß zu parken (vgl. OLG Stuttgart, NJW 1987, 142; OLG Düsseldorf, NZV 1988, 29). Die fahrlässige Begehungsweise der Tat als solches steht der Indizwirkung der Tat, wie aus der unterschiedslosen Aufnahme in die Katalogtaten ersichtlich, dagegen nicht entgegen (insgesamt dazu: BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 – juris Valerius a.a.O., § 69 Rn. 140; Athing/von Heintschel-Heinegg in Münchner Kommentar zum StGB, 4. Aufl., § 69 Rn. 75f).
50(b)
51Besondere Umstände in der Persönlichkeit des Täters sind unter Umständen anzunehmen, wenn die Tat eher persönlichkeitsfremde Züge aufweist, nicht zuletzt situationsbedingt war und demzufolge mit hinreichender Sicherheit erwartet werden darf, dass der Täter gleiche oder ähnliche Taten künftig nicht mehr begehen wird. Dies wäre beispielsweise zu prüfen, wenn der Täter sich bei Tatbegehung in einem emotionalen Ausnahmezustand befunden hätte (BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 – juris; Valerius a.a.O., § 69 Rn. 142, Athing/von Heintschel-Heinegg a.a.O., § 69 Rn. 76).
52(c)
53Im Einzelfall kann die Frage der Eignung des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen auch durch besondere Umstände nach der Tat beeinflusst worden sein. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs ist dabei an den Fall zu denken, dass der Führerschein des Täters vor dem Urteil in Verwahrung genommen worden ist und das Verfahren so lange gedauert hat, dass der Zweck der Maßregel bereits durch die vorläufige Maßnahme erreicht werden konnte (BT.-Drs. IV/651 S. 17; BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 – juris).
54d)
55Danach kommt ein Abweichen von der Regelvermutung nur bei besonderen Umständen des Einzelfalles in Betracht. Die Annahme der Widerlegung der Regelvermutung muss nach dem Willen des Gesetzgebers auf seltene Ausnahmen beschränkt bleiben. Die Ausführungen des Amtsgerichts zum Absehen von der Anordnung der Maßregel nach §§ 69, 69a StGB lassen jedoch besorgen, dass das Amtsgericht Trunkenheitsfahrten mit E-Sootern hinsichtlich der Anwendung der §§ 69, 69a StGB entgegen der Regelvermutung grundsätzlich anders bewerten will als solche mit anderen Kraftfahrzeugen.
56aa)
57Das Amtsgericht hat an tatbezogenen Umständen berücksichtigt, dass die Fahrt mit einem E-Scooter stattfand und damit die Tat bereits positiv vom Durchschnittsfall abweiche, da übliches Tatmittel der PKW sein dürfe. Das Gefährdungspotential für Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer sei als geringer einzuschätzen. Dieses sei auch im Hinblick auf die Tatzeit äußerst gering, da nur wenige Verkehrsteilnehmer unterwegs seien.
58Die Benutzung eines E-Scooters durch einen betrunkenen Fahrer widerlegt jedoch aus den dargelegten Gründen nicht die Regelvermutung der Ungeeignetheit im Sinne des § 69 StGB. Die Annahme eines fehlenden oder jedenfalls geringeren Gefährdungspotentials bei Nutzung eines E-Scooters berücksichtigt überdies nicht hinreichend, dass durch den Sturz eines Fußgängers oder Radfahrers infolge eines Zusammenstoßes mit dem E-Scooter ganz erhebliche, unter Umständen sogar tödliche Verletzungen verursacht werden können. Auch können andere, ggf. stärker motorisierte Verkehrsteilnehmer durch alkoholbedingte Fahrfehler eines E-Scooterfahrers zu Ausweichmanövern, abruptem Bremsen oder Ähnlichem veranlasst werden, was ebenfalls gravierende Folgen haben kann (so auch OLG Frankfurt, Urteil vom 08.05.2023 – 1 Ss 276/22 – juris). Auch die Tatzeit rechtfertigt nicht das Abweichen von der Regelvermutung. Dies insbesondere auch deshalb, weil das vom Amtsgericht letztlich berücksichtigte geringere Verkehrsaufkommen auf eine fehlende oder jedenfalls geringere konkrete Gefährdung abstellt. Der Umstand, dass Leib oder Leben anderer Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert nicht konkret gefährdet wurden, ist jedoch bereits Tatbestandsvoraussetzung des als abstraktem Gefährdungsdelikt ausgestalteten § 316 StGB (vgl. Fischer a.a.O., § 316 Rn. 2,3), im Falle einer konkreten Gefährdung läge die Strafbarkeit im Bereich des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB, gegebenenfalls i.V.m. § 315c Abs. 3 StGB (BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 – juris). Dafür, dass nach den Tatumständen bereits der Umfang der abstrakten Gefährdung der Verkehrssicherheit in ungewöhnlicher Weise vom Normalfall abgewichen wäre, ergeben sich aus den Urteilsfeststellungen dagegen keine Anhaltspunkte.
59bb)
60Auch besondere Umstände in der Persönlichkeit des Täters sind aus den Urteilsgründen nicht ersichtlich. Die Tatsache, dass der Angeklagte strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, so dass es sich bei der Anlasstat um einen erstmaligen Verstoß des Täters gegen ein Delikt im Sinne des § 69 Abs. 2 StGB handelt, vermag die nach § 69 Abs. 2 StGB vermutete Ungeeignetheit in aller Regel nicht zu widerlegen, zumal die Vorschrift in ihrem Anwendungsbereich vom Gesetzgeber nicht auf Wiederholungsfälle beschränkt ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 24.07.2020 – 205 StRR 216/20 – juris m.w.N.; Kinzing in Schönke/Schröder a.a.O., § 69 Rn. 46; Valerius a.a.O., § 69 Rn. 143).
61d)
62Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der neue Tatrichter Feststellungen treffen kann, die geeignet sind, die Regelvermutung tragfähig zu widerlegen. Diese dürfen den rechtskräftigen Feststellungen zum Tathergang jedoch nicht widersprechen. Bei der neuen Entscheidung wird insbesondere die Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis zu berücksichtigen sein.
63Aufgrund der vorliegend bestehenden untrennbaren Wechselwirkung zwischen dem Absehen von der Anordnung der Maßregel nach §§ 69, 69a StGB und der Anordnung des Fahrverbots nach § 44 StGB unterliegt auch die vom Amtsgericht verhängte Nebenstrafe der Aufhebung und neuer Verhandlung.