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Bei der Wertberechnung der Ehesache gem. § 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG, bei der als weiterer wertbildender Faktor das Vermögen der Beteiligten zu berücksichtigen ist, ist das Grundstück (auch das selbst genutzte Hausgrundstück) mit seinem Verkehrswert anzusetzen. Auf dem Vermögen lastende Schulden (z.B. Grundpfandrechte) sind in ihrer tatsächlichen Höhe abzuziehen.
Die sofortige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 21.09.2024 gegen den Beschluss des Amtsgerichts –Familiengericht– Beckum vom 10.09.2024 (5 F 8/24) wird zurückgewiesen.
Gründe:
2Die gem. §§ 32 Abs.2 RVG, 59 Abs.1 FamGKG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Das Amtsgericht hat den Verfahrenswert für die Ehesache zurecht auf 38.950 € festgesetzt. Es wird zunächst Bezug genommen auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses und des Nichtabhilfebeschlusses vom 14.10.2024.
4Das Amtsgericht hat den Verfahrenswert für die Ehesache in Höhe von 38.950 € gem. § 43 FamGKG wie folgt berechnet: 3-faches monatliches Nettoeinkommen der Beteiligten zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags (20.700 €) zuzüglich 5% des bereinigten Vermögenswerts (Wert der Immobilie abzüglich valutierender Darlehen: 425.000 € abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 60.000 €), also zuzüglich 18.250 €.
5Mit ihrer Beschwerde macht die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin geltend, dass sich der Verfahrenswert der Ehesache 60.200 € belaufe. Denn die Beteiligten verfügten über ein Vermögen in Höhe von 850.000 €. Das sei der Verkehrswert ihrer Immobilie, von dem die Schulden nicht abzuziehen seien. Es sei deshalb wie folgt zu rechnen: 3-faches monatliches Nettoeinkommen der Beteiligten zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags (20.700 €) zuzüglich 5% des bereinigten Vermögenswerts (Wert der Immobilie: 850.000 € abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 60.000 €), also zuzüglich 39.500 €.
6Die Auffassung der Beschwerdeführerin wird von dem Bezirksrevisor bei dem Landgericht Münster geteilt, der in seiner Stellungnahme vom 10.10.2024 ausgeführt hat:
7„Nach den Beschlüssen des OLG Hamm vom 02.11.2017 (AZ.: II-4 WF 207/17; veröffentlicht in juris) und des OLG Hamm vom 23.12.2022 (AZ.: II-13 WF 145/22; veröffentlicht in juris) sind Schulden und Verbindlichkeiten der Eheleute ohne Rücksicht auf ihre Höhe, ihren Entstehungsgrund oder einen vorhandenen Gegenwert beim Verfahrenswert für Scheidung und Versorgungsausgleich unbeachtlich. Die in der Streitwertbeschwerde vom 21.09.2024 enthaltene Berechnung ist daher zutreffend.“
8Dieser Betrachtungsweise vermag der Senat ebenso wenig zu folgen wie das Amtsgericht.
9Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es in den beiden zitierten Beschlüssen des 13. Senats und des 4. Senats für Familiensachen des OLG Hamm vom 23.12.2022 (13 WF 145/22) und vom 02.11.2017 (4 WF 207/17) jeweils nicht um die Berechnung des Vermögens im Rahmen von § 43 Abs.1 S.1 FamGKG ging, sondern um die Feststellung der Höhe des einzusetzenden Nettoeinkommens der Beteiligten (§ 43 Abs. 2 FamGKG).
10Das Vermögen der Beteiligten ist bei der Wertberechnung der Ehesache gem. § 43 Abs.1 S.1 FamGKG – verfassungsgemäß - als weiterer wertbildender Faktor zu berücksichtigen (vgl. etwa: BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 12. Oktober 2009 – 1 BvR 735/09 –, BVerfGK 16, 294-298). Grundvermögen ist mit seinem Verkehrswert zu bewerten. Das gilt auch bei einem selbst genutzten Hausgrundstück. Auf dem Vermögen lastende Schulden (z.B. Grundpfandrechte) sind in ihrer tatsächlichen Höhe abzuziehen (vgl. Dörndorfer in: Binz/Dörndorfer/ Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Auflage 2021, § 43 FamGKG Rn 5 m.w.N., Neumann im BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/Wendtland/ Gerlach/Diehn, 47. Edition (Stand: 01.10.2024), § 43 FamGKG Rn 52, 64 m.w.N., Türck-Brocker in: Schneider/Volpert/Fölsch, Familiengerichtskostengesetz, 4. Auflage 2023, § 43 Rn 34 m.w.N.).
11Die Fallgestaltung und der Abzug von Schulden beim Vermögen sind nicht deckungsgleich mit der Anknüpfung bei dem Einkommen. Es soll im Rahmen des § 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG eine unkomplizierte, zügige und praktikable Handhabung des Wertfestsetzungsverfahrens gewährleistet werden. Die Wertfestsetzung soll möglichst pauschalisiert erfolgen und nicht mit der Aufklärung von Verbindlichkeiten nach Art und Höhe belastet werden (s.a. OLG Hamm, Beschluss vom 02.11.2017, 4 WF 207/17, a.a.O.). Eine solche Belastung des Wertfestsetzungsverfahrens mit übermäßigem Aufklärungsaufwand kann beim (Grund-) Vermögen nicht allgemein angenommen werden, zumal vorhandene Kreditbelastungen im Einzelfall und gerade auch im Streitfall dem Grundstückswert ohne Weiteres gegenübergestellt werden können. Hinzu kommt, wie auch bereits das Amtsgericht betont hat, dass bei anderer Betrachtung der Vermögenswert gegebenenfalls völlig unrealistisch und unzutreffend abgebildet würde, wie es deutlich wird etwa bei einer 100%igen Immobilienfinanzierung, bei der dann die tatsächlichen Vermögensverhältnisse in keiner Weise widergespiegelt würden.
12Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht als Ausgangswert für das Vermögen der Beteiligten also zurecht nur den Betrag 425.000 € (Wert der Immobilie abzüglich valutierender Darlehen) angesetzt und den Verfahrenswert für die Ehesache zutreffend auf 38.950 € festgesetzt.
13Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar.