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Der auf der Postzustellungsurkunde aufgebrachte Vermerk des Bediensteten des Postunternehmens hat die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 418 ZPO (§ 195 Abs. 2 Satz 3 ZPO), begründet also den vollen Beweis der in der Urkunde bezeichneten Tatsachen. Der Beweis kann nur durch Gegenbeweis entkräftet werden (§ 418 Abs. 2 ZPO).
Eine Partei muss für die Zeit vorübergehender Abwesenheit von der Wohnung wegen einer Auslandsreise grundsätzlich keine besonderen Vorkehrungen hinsichtlich möglicher Zustellungen treffen. Etwas anderes kann anzunehmen sein, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass ein gerichtliches Verfahren gegen sie beginnen wird und während ihrer Abwesenheit Fristen in Lauf gesetzt werden.
Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Brilon vom 23.01.2025 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.
Gründe:
2I.
3Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke Gemarkung U. Flur N01 Flurstück N02, Flurstück N03 und Flurstück N04. Diese hatte der Beklagte mit Landpachtvertrag vom 04.07.2017 gepachtet. Der Pachtvertrag endete vertragsgemäß am 31.10.2022.
4Der Beklagte ließ nach dem Ende der Pachtzeit auf den Pachtflächen insgesamt 118 in Folien eingeschweißte Heuballen zurück. Der Kläger forderte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 15.08.2023 unter Fristsetzung zum 15.09.2023 ohne Erfolg zur Entfernung der Heuballen auf. Mit Klageschrift vom 21.08.2024 verlangte der Kläger die Räumung der Pachtsache, hilfsweise Ersatz der durch die Entfernung der Heuballen verursachten Kosten. Ausweislich der Postzustellungsurkunde ist die Klageschrift am 13.09.2024 im Wege der Ersatzzustellung unter der Adresse P.-straße N05 in N. zugestellt worden. Am 30.09.2024 hat das Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht - antragsgemäß ein Versäumnisurteil erlassen, das dem Beklagten am 02.10.2024 zugestellt worden ist.
5Mit Schriftsatz vom 11.11.2024, beim Amtsgericht am 12.11.2024 eingegangen, hat der Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt und zur Begründung ausgeführt, er habe weder eine Klageschrift noch ein Versäumnisurteil erhalten. Ihn habe lediglich am 04.11.2024 ein Kostenfestsetzungsantrag zur Stellungnahme erreicht. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, der diesen auch im Rahmen des vorprozessualen Verfahrens vertreten habe, habe mit Datum vom 21.08.2024 eine Klageschrift von den Klägervertretern erhalten. Darin sei die Adresse fehlerhaft mit "P.-straße N06" in N. bezeichnet gewesen.
6Durch die angefochtene Entscheidung, die dem Beklagtenvertreter am 27.01.2025 und dem Klägervertreter am 28.01.2025 zugestellt worden ist, hat das Amtsgericht den Einspruch mit der Begründung, der Beklagte habe die Unrichtigkeit der Postzustellungsurkunde nicht bewiesen, als unzulässig verworfen. Die vorgelegte Erklärung des Beklagten reiche nicht aus.
7Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der seinen erstinstanzlichen Vortrag, eine Klageschrift sei ihm nicht zugestellt worden, wiederholt. Es sei in seinem Postkasten auch kein Schriftstück hinterlegt worden, aus dem sich ergeben habe, dass sich eine Klageschrift zur Abholung bei der Poststelle befinde. Es sei auch kein Versäumnisurteil zugestellt worden. Es sei offensichtlich in der Postzustellungsurkunde eine unrichtige Anschrift angeführt. Im Übrigen habe er sich zum Zeitpunkt der Zustellung des Versäumnisurteils nicht in Deutschland aufgehalten. Vorprozessual habe sich der Beklagte gegenüber den mit der Klage geltend gemachten Ansprüchen auf Verjährung berufen. Die Schadensschätzung in der Klageschrift sei unzutreffend. Es werde zudem mit Nichtwissen bestritten, dass 118 Heuballen vorhanden seien. Die Ballen hätten auch nicht in seinem Eigentum gestanden. Seit der Kündigung des Pachtvertrages habe er die Grundstücke nicht mehr bewirtschaftet und die Ballen dort nicht abgelagert.
8Dem tritt der Kläger entgegen. Er verteidigt das amtsgerichtliche Urteil und trägt ergänzend vor, die Behauptung, der Beklagte habe weder die Klage noch das Versäumnisurteil erhalten, sei völlig unglaubhaft und nicht geeignet, die Beweiswirkung der Postzustellungsurkunden zu entkräften. Zudem habe der Beklagte keinen tauglichen Beweis angetreten. Auch in der Sache habe die Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg. Der Beklagte habe die Heuballen selbst hergestellt. Die Einrede der Verjährung greife nicht. Der Anspruch auf ordnungsgemäße Rückgabe der Pachtsache unterliege nicht der kurzen Verjährungsfrist.
9II.
10Die Berufung des Beklagten, über die der Senat gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 LwVfG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter entscheidet, ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
11Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keine Aussicht auf Erfolg. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, beabsichtigt der Senat, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
12Die angefochtene Entscheidung ist zu Recht ergangen. Gemäß § 341 Abs. 1 ZPO hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob der Einspruch an sich statthaft und ob er in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen. Vorliegend ist der Einspruch nicht fristgerecht erhoben worden.
13Die Einspruchsfrist beträgt gemäß § 339 Abs. 1 ZPO zwei Wochen und beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils. Das Versäumnisurteil ist dem Beklagten ausweislich der Postzustellungsurkunde am 02.10.2024 im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gemäß § 180 ZPO zugestellt worden. Die Zustellung ist auch unter der richtigen Adresse des Beklagten, P.-straße N05 in N., erfolgt. Der Einspruch hätte daher spätestens am 16.10.2024 beim Amtsgericht eingehen müssen. Der Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 11.11.2024, der den Einspruch gegen das Versäumnisurteil enthält, ist aber erst am 12.11.2024, mithin nach Fristablauf bei Gericht eingegangen.
14Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Einspruchsfrist hat das Amtsgericht zu Recht nicht gewährt. Ein ausdrücklicher Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 236 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor. Ein solcher Antrag braucht allerdings nicht ausdrücklich gestellt zu werden, sondern kann auch konkludent in einem Schriftsatz enthalten sein, wenn Ausführungen zu Wiedereinsetzungsgründen gemacht werden (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2006 – XI ZB 4/05 –, juris; BGH, Beschluss vom 16. Januar 2018 – VIII ZB 61/17 –, juris).
15Das ist hier der Fall, denn der Beklagte hat in der Einspruchsschrift erklärt, er habe das Versäumnisurteil nicht erhalten.
16Ein Wiedereinsetzungsgrund besteht indessen nicht, denn Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur zu gewähren, wenn die Fristversäumung nicht auf einem Verschulden der Partei oder ihres Vertreters beruht. Das dies hier der Fall war, lässt sich dem Vorbringen des Beklagten jedoch nicht entnehmen.
17Das Versäumnisurteil gilt als wirksam zugestellt, § 180 S. 2 ZPO, in dem es nach einem vergeblichen Übergabeversuch von dem Postzusteller in den zur Wohnung des Beklagten gehörenden Briefkasten eingelegt worden ist, so wie es auf der Postzustellungsurkunde vermerkt ist. Dass das Versäumnisurteil, das mit der zutreffenden Adresse des Beklagten versehen war, tatsächlich in dessen Briefkasten gelangt ist, steht aufgrund dieser Urkunde fest.
18Der Postzusteller hat in der über die Zustellung aufgenommenen Urkunde bezeugt, die zuzustellende Entscheidung in den Briefkasten eingelegt zu haben. Dieser Vermerk hat auch dann, wenn er von einem Bediensteten (*) (*des Zustellungsunternehmens, Anmerkung der Redaktion) ausgestellt wird, die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 418 ZPO (§ 195 Abs. 2 Satz 3 ZPO), begründet also den vollen Beweis der in der Urkunde bezeichneten Tatsachen. Der Beweis kann nur durch Gegenbeweis entkräftet werden (§ 418 Abs. 2 ZPO). Die bloße Versicherung, das Schriftstück nicht erhalten zu haben, genügt hingegen dafür nicht. Die Unrichtigkeit der in der Urkunde bezeugten Tatsachen muss zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2004 – AnwZ (B) 92/03 –, juris). Der Beklagte hat aber weder Gründe dargelegt, die den Schluss zulassen, dass das Schriftstück tatsächlich nicht in seinen Briefkasten gelangt ist, noch hat er einen tauglichen Beweis für seine Behauptung angetreten.
19Weiterhin kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, er habe die Einspruchsfrist versäumt, weil er sich zum Zeitpunkt der Zustellung des Versäumnisurteils nicht in Deutschland aufgehalten habe. Der Beklagte hat die Zeit seiner Abwesenheit nicht dargelegt, so dass es für die Annahme schuldloser Fristversäumung nicht ausreichend ist, wenn er möglicherweise tatsächlich zum Zeitpunkt der Zustellung am 02.10.2024 ortsabwesend gewesen ist. Denn nach diesem undifferenzierten Vortrag ist nicht ausgeschlossen, dass er noch innerhalb des Laufs der Einspruchsfrist in seine Wohnung zurückgekehrt ist und deshalb den Einspruch rechtzeitig hätte einlegen können.
20Unabhängig davon hätte der Beklagte bei längerer Abwesenheit auch Vorkehrungen treffen müssen für den Fall, dass gerichtliche Schriftstücke zugestellt werden. Zwar muss eine Partei für die Zeit vorübergehender Abwesenheit von der Wohnung grundsätzlich keine besonderen Vorkehrungen hinsichtlich möglicher Zustellungen treffen. Etwas anderes ist jedoch anzunehmen, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass ein gerichtliches Verfahren gegen sie beginnen wird und während ihrer Abwesenheit Fristen in Lauf gesetzt werden. Dann obliegt es ihr, ihren Posteingang zu kontrollieren und für eine rechtzeitige Erledigung fristwahrender Handlungen zu sorgen (BGH, Beschluss vom 22. November 2018 – IX ZA 14/18 –, juris).
21So liegt der Fall auch hier. Dem Beklagten war das anwaltliche Schreiben des Klägers vom 15.08.2023 zugegangen, in dem er unter Fristsetzung zum 15.09.2023 zur Entfernung der Heuballen aufgefordert worden war. Für den fruchtlosen Fristablauf hatte der Kläger die Entsorgung der Heuballen im Wege der Ersatzvornahme angekündigt. Der Beklagte musste also damit rechnen, dass der Kläger die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen würde, wenn er nichts unternimmt. Vor diesem Hintergrund hatte der Beklagte auch seinen Prozessbevollmächtigten beauftragt, der ihn, wie aus dem Einspruchsschriftsatz hervorgeht, auch schon vorprozessual vertreten hatte und dem bereits eine Klageschrift von den Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandt worden war. Da der Prozessbevollmächtigte des Beklagten auch darauf hingewiesen hatte, dass Zustellungen nicht an ihn, sondern den Beklagten persönlich erfolgen werden, hätte der Beklagte seinen Prozessbevollmächtigten von dem Antritt der Reise unterrichten müssen, damit dieser entsprechende Veranlassung treffen konnte, damit Zustellungen an ihn bewirkt werden. Bleibt die Partei aber in einer solchen Situation untätig, trifft sie ein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden, weil sie nicht die Sorgfalt aufgewendet hat, die man verständigerweise von ihr erwarten konnte (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 – IV ZR 193/07 –, juris; BGH, Beschluss vom 24. Juli 2000 – II ZB 22/99 –, juris).
22Auf das weitere Vorbringen des Beklagten zur Verjährung etwaiger Ansprüche des Klägers kommt es nach alledem nicht an.