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Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Lemgo vom 18.09.2024, Az. 8 F 4/20, wie folgt abgeändert:
Die Ordnungsmittelanträge des Antragstellers werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500,00 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen sie in einem Umgangsverfahren.
4Die Beteiligten sind die getrennt lebenden Eltern der gemeinsamen Kinder Z. J., geb. am 00.00.2013, und C. J., geb. am 00.00.2015. Die Kinder leben im Haushalt der Antragsgegnerin.
5Unter dem 04.02.2020 schlossen die Beteiligten vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Lemgo im Rahmen eines vom Antragsteller eingeleiteten Umgangsverfahrens folgenden Vergleich:
61. Der Kindesvater ist berechtigt, jeden Samstag in der Zeit von 9:00 bis 11:00 Uhr Umgang mit seinen Kindern Z., geboren am 00.00.2013, und C., geboren am 00.00.2015, auszuüben. Die Kindesmutter bringt die Kinder bis 9:00 Uhr zum Kindesvater und holt sie dann wieder um 11:00 Uhr ab.
7Während dieser Umgangstermine ist die Kindesmutter nicht anwesend.
82. Die Kindeseltern verpflichten sich, eine Beratung aufzusuchen, um ihre Probleme in Angriff zu nehmen. Die Kindesmutter wird Kontakt zu einer Beratungsstelle aufnehmen und dem Kindesvater die Termine mitteilen.
93. Die beteiligten Kindeseltern sind sich einig, dass dies eine Minimallösung darstellt und perspektivisch gesehen werden soll, ob eine Erweiterung der Umgangskontakte möglich ist. Dies soll dann im Rahmen der Beratungsgespräche besprochen werden.
10Mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Lemgo vom 04.02.2020, Az. 8 F4/20, wurde der Vergleich gerichtlich gebilligt. Zugleich wies das Amtsgericht die Beteiligten darauf hin, dass es bei schuldhaftem Verstoß gegen die im Vergleich getroffene Umgangsregelung Ordnungsgeld bis zur Höhe von 25.000 € oder für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann oder keinen Erfolg verspricht, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anordnen könne.
11In der Folge kam es zu Differenzen zwischen den Beteiligten im Hinblick auf die Umsetzung der vereinbarten Umgangsregelung.
12Mit Schreiben vom 03.08.2024, 04.08.2024, 13.08.2024, 19.08.2024 und 09.09.2024 hat der Antragsteller die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die Antragsgegnerin beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Beteiligten am 03.07.2024 einen Termin beim Jugendamt wahrgenommen hätten. Hierin hätten sie als nächsten Termin für den Umgang des Antragstellers mit den Kindern Sonntag, den 28.07.2024, festgelegt. Ferner hätten sie vereinbart, abweichend von dem Vergleich vom 04.02.2020 auch alle weiteren Umgänge künftig sonntags durchzuführen. Der Antragsteller solle die Kinder hierzu jeweils um 10:00 Uhr auf dem T.-Parkplatz in Y. abholen. Gleichwohl hätten die Umgänge in der Folge nicht stattgefunden. Die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller jeweils per Q.(*) mitgeteilt, dass die Kinder „nicht möchten“, und sei auch nicht mit ihnen zu dem vereinbarten Treffpunkt gekommen. Die eigentlich für den 28.07.2024, 04.08.2024, 11.08.2024, 18.08.2024 und 08.09.2024 vorgesehenen Umgänge hätten deshalb nicht stattgefunden.
13Die Antragsgegnerin hat zu den Anträgen erstinstanzlich dahingehend Stellung genommen, dass Hintergrund der ausgefallenen Umgänge sei, dass beide Kinder auch auf mehrfache Nachfragen den Kontakt zum Antragsteller nicht hätten wahrnehmen wollen. Die Antragsgegnerin habe daraufhin auf das Wohl und den Willen der Kinder geachtet und deren Entscheidung ernst genommen. Auch das Jugendamt habe ihr geraten, die Kinder „aus dem Kreuzfeuer zu nehmen“. Dies akzeptiere der Antragsteller jedoch nicht. Wenn die Kinder sich gegen ein Treffen mit ihm entscheiden würden, reagiere er verbal aggressiv und schreie die Kinder sowie die Antragsgegnerin an. Z. habe mittlerweile oft Angst vor dem Antragsteller und reagiere hierauf mit psychosomatischen Beschwerden.
14Das Amtsgericht – Familiengericht – hat mit Beschluss vom 18.09.2024, Az. 8 UF 4/20, wie folgt entschieden:
15Auf Antrag des Kindesvaters vom 03.08.2024, 04.08.2024, 13.08.2024 und 19.08.2024 wird gegen die Kindesmutter ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,00 EUR und, falls das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, für je 100,00 EUR eine Ordnungshaft von einem Tag festgesetzt.
16Die Kosten des Verfahrens trägt die Kindesmutter.
17Der Verfahrenswert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
18Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Umgangsvereinbarung vom 04.02.2020 seit ihrem Abschluss nicht abgeändert worden sei. Dem Antrag des Antragstellers auf Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die Antragsgegnerin sei zu entsprechen. Diese könne die Entscheidung, ob Umgänge stattfinden, nicht den Kindern überlassen. Vielmehr sei es ihre Aufgabe, auf die Kinder pädagogisch dahingehend einzuwirken, dass die Umgänge stattfinden können. Sie müsse den Umgang der Kinder mit dem Antragsteller aktiv fördern. Ihre eher gleichgültige Einstellung bezüglich der Umgänge sei nicht zu akzeptieren und entlaste sie nicht.
19Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 01.10.2024 sofortige Beschwerde eingelegt. Begründet hat sie diese damit, dass sie den Umgang der Kinder mit dem Antragsteller sehr wohl aktiv fördere. Beispielsweise habe sie zugestimmt, den Umgang künftig immer sonntags durchzuführen. Außerdem sei sie bereits zuvor wiederholt Wünschen des Antragstellers nach kurzfristigen Änderungen des Umgangs nachgekommen. Dass die Termine nicht hätten stattfinden können, sei unter anderem auf eine verbale Entgleisung seitens des Antragstellers zurückzuführen. Dieser habe sie bei einer vorherigen Übergabe in Anwesenheit der Kinder angeschrien und bedroht. Hierdurch seien die Kinder sehr verunsichert gewesen und hätten geweint. Beide hätten sich daraufhin eine „Pause“ von dem Antragsteller gewünscht. Überdies habe auch der Antragsteller selbst Umgänge mehrfach abgesagt und nicht wahrgenommen. Sie empfinde das gegen sie festgesetzte Ordnungsgeld deshalb als ungerecht.
20Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 29.10.2024 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beschwerdebegründung nicht erkennen lasse, dass ein Fall des § 89 Abs. 4 FamFG vorliege. Ferner sei nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin sich künftig an die weiterhin bestehende Umgangsregelung halten wolle. Dass auch der Antragsteller selbst möglicherweise gegen diese verstoßen habe, sei kein Entschuldigungsgrund für die Antragsgegnerin.
21II.
22Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß § 87 Abs. 4 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
23Die Beschwerde ist darüber hinaus auch in der Sache begründet. Das Amtsgericht hat zu Unrecht Ordnungsgeld gegen die Antragsgegnerin festgesetzt. Der angefochtene Beschluss ist deshalb abzuändern und die Anträge des Antragstellers auf Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die Antragsgegnerin sind zurückzuweisen.
24Gemäß §§ 86 Abs. 1 Nr. 2, 89 Abs. 1 S. 1, 156 Abs. 2 FamFG kann das Gericht bei der Zuwiderhandlung gegen einen gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld bis zur Höhe von 25.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann oder keinen Erfolg verspricht, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anordnen.
25Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
261.
27Zunächst mangelt es bereits an einem gerichtlich gebilligten Vergleich als Vollstreckungstitel im Sinne der §§ 86 Abs. 1 Nr. 2, 156 Abs. 2 FamFG.
28Zwar hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 04.02.2020 den von den Beteiligten geschlossenen Vergleich vom selben Tag gerichtlich gebilligt. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Die Beteiligten haben die damals getroffene Umgangsregelung nämlich zwischenzeitlich einvernehmlich abgeändert. Nach eigener Darstellung des Antragstellers haben sie sich im Rahmen eines gemeinsamen Gesprächs beim Jugendamt am 03.07.2024 darauf geeinigt, dass die Umgänge künftig sonntags statt samstags stattfinden sollen. Ferner soll die Antragsgegnerin die Kinder nicht jeweils um 9:00 Uhr zum Antragsteller bringen, sondern die Übergaben sollen jeweils um 10:00 Uhr auf dem T.-Parkplatz in Y. erfolgen.
29Diese Abänderung der ursprünglichen Umgangsregelung ist wirksam. Insbesondere waren die Beteiligten als Inhaber des Umgangsbestimmungsrechts für ihre Kinder hierzu befugt. Dem steht § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG nicht entgegen. Zwar ergibt sich hieraus, dass Eltern nicht über das Umgangsrecht verfügungsbefugt im Sinne des § 36 Abs. 1 S. 1 FamFG sind (BGH, Beschluss vom 10.7.2019 – XII ZB 507/18, zitiert nach beck-online). Dies bedeutet jedoch lediglich, dass es Eltern in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht möglich ist, auch ohne gerichtliche Billigung eine vollstreckbare Regelung im Sinne der §§ 86 Abs. 1 Nr. 2, 89, 156 Abs. 2 FamFG zu schaffen. Ihre materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis zur Abänderung einer bestehenden Umgangsregelung bleibt hiervon hingegen – soweit nicht Dritte betroffen sind oder den Eltern das Umgangsbestimmungsrecht entzogen worden ist – unberührt (OLG Karlsruhe – Beschluss vom 06.02.2024 – 5 WF 166/23, zitiert nach beck-online).
30Infolge der einvernehmlichen Abänderung der gerichtlich gebilligten Umgangsregelung vom 04.02.2020 ist deren Vollstreckbarkeit entfallen (vgl. OLG Karlsruhe – Beschluss vom 06.02.2024 – 5 WF 166/23; OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.06.2020 – 13 WF 100/20; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 01.03.2019 – 4 WF 22/19; OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.08.2017 – 7 WF 881/17, jeweils zitiert nach beck-online). Sie kann deshalb auch keine Grundlage für die Festsetzung von Ordnungsmitteln mehr darstellen.
312.
32Darüber hinaus fehlt es auch an einer Zuwiderhandlung im Sinne des § 89 Abs. 1 S. 1 FamFG. Erforderlich ist insoweit eine Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel, vorliegend in Form eines gerichtlich gebilligten Vergleichs.
33Der Antragsteller stützt seine Ordnungsmittelanträge allerdings nicht auf eine Zuwiderhandlung gegen den Umgangsvergleich vom 04.02.2020. Vielmehr macht er ausschließlich Verstöße gegen die von den Beteiligten im Gespräch beim Jugendamt am 03.07.2024 getroffene (abgeänderte) Umgangsregelung geltend. Wie oben unter Ziffer II.1. ausgeführt, ist diese abgeänderte Umgangsregelung jedoch mangels gerichtlicher Billigung nicht vollstreckbar und kann deshalb ebenfalls keine Grundlage für die Festsetzung von Ordnungsmitteln darstellen. Ob der Antragsgegnerin tatsächlich Verstöße gegen die Vereinbarung vom 03.07.2024 vorzuwerfen sind, kann daher dahinstehen.
343.
35Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 81 FamFG.
364.
37Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 87 Abs. 4 FamFG i.V.m. § 574 Abs. 2, 3 ZPO).
38Rechtsbehelfsbelehrung:
39Diese Entscheidung ist unanfechtbar.