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Wird ein Bagger auf einem offen zugänglichen Betriebsgelände, ohne dass andere Nutzer des Betriebsgeländes (z. B. Arbeiter, Fußgänger, Radfahrer und Kraftfahrzeugführer) von den von Betriebsfahrzeugen ausgehenden Gefahren ausgeschlossen sind, rückwärts gefahren, sind als spezifische Ausprägung des allgemeinen Rücksichtnahmegebots die Kardinalpflichten des § 9 Abs. 5 StVO zu beachten (in Fortschreibung zu Parkplatzunfällen nach BGH, Urteil vom 17.01.2023 – VI ZR 203/22, r+s 2023, 265 Rn. 25, 30; BGH, Urteil vom 15.12.2015 – VI ZR 6/15, NJW 2016, 1098 Rn. 11 m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 09.02.2023 – I-7 U 3/23, BeckRS 2023, 7637 = juris Rn. 9).
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 03.11.2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 21. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (Az. 21 O 431/21) unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten zu 1.) und 2.) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 9.805,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2022 (Beklagte zu 1.) bzw. seit dem 20.02.2022 (Beklagter zu 2.) sowie weitere 1.021,00 EUR vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz verteilen sich wie folgt: Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin zu 64 % und die Beklagten zu 1.) und zu 2.) gesamtschuldnerisch zu 36 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) haben die Klägerin zu 46 % und die Beklagte zu 1.) zu 54 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2.) haben die Klägerin zu 46 % und der Beklagte zu 2.) zu 54 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3.) hat die Klägerin zu tragen.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Klägerin zu 46 % und die Beklagten zu 1.) und 2.) gesamtschuldnerisch zu 54 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
2(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)
3I.
4Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Der Klägerin steht unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 30 % und abzüglich der unstreitig vorgerichtlich geleisteten Zahlung gegen die Beklagten ein Anspruch auf Ersatz des unfallbedingten Fahrzeugschadens in Höhe von noch 9.805,99 EUR aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 831 BGB zu. Im Einzelnen:
51. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG kommt, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nicht in Betracht, da der beteiligte Bagger der Beklagten zu 1.) gemäß § 8 Nr. 1 StVG privilegiert ist. Damit kann entgegen dem Vortrag der Klägerin auch § 17 Abs. 3 StVG nicht zur Anwendung kommen, abgesehen davon, dass angesichts des Fahrverhaltens des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs aus den nachfolgenden Gründen nicht von einer Unabwendbarkeit ausgegangen werden kann.
62. Der Beklagte zu 2.) haftet der Klägerin dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB.
7a) Nunmehr unstreitig ist durch die Beschädigung des streitgegenständlichen Anhängers eine Rechtsgutverletzung an dem Eigentum der Klägerin eingetreten. Die Rechtswidrigkeit wird dadurch indiziert.
8b) Der Beklagte zu 2.) hat diese Rechtsgutverletzung jedenfalls fahrlässig, d. h. unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, § 276 Abs. 2 BGB, herbeigeführt, indem er den von ihm geführten Bagger der Beklagten zu 1.) nach dem Anhalten aus einer Kurvenfahrt heraus unmittelbar zurücksetzte. Insoweit liegt unabhängig davon, ob der Unfall nach dem Vortrag der Beklagten – entsprechend den nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindenden Feststellungen des Landgerichts – auf dem Betriebsgelände stattgefunden hat und dort die StVO aufgrund der entsprechenden Beschilderung der Beklagten oder jedenfalls sinngemäß im Rahmen von § 276 Abs. 2 BGB mittelbar zur Anwendung kommen kann oder der Unfall nach dem Vortrag der Klägerin außerhalb des Betriebsgeländes stattgefunden hat und die StVO unmittelbar zur Anwendung kommt, ein Verstoß gegen die Kardinalpflicht des § 9 Abs. 5 StVO vor (vgl. zur spezifischen Ausprägung des allgemeinen Rücksichtnahmegebots etwa BGH Urt. v. 17.1.2023 – VI ZR 203/22, r+s 2023, 265 Rn. 25, 30; BGH Urt. v. 15.12.2015 – VI ZR 6/15, NJW 2016, 1098 Rn. 11 m. w. N.; Senat Beschl. v. 9.2.2023 – I-7 U 3/23, BeckRS 2023, 7637 = juris Rn. 9).
9Die gleichzeitige, nicht § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO entsprechende Anordnung eines generellen Vorrangrechts von Betriebsfahrzeugen – zumal noch widersprüchlich beschildert, da es einmal nur für Schienenfahrzeuge angeordnet worden ist – hat entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur Folge, dass diesbezüglich die genannte Pflicht zum Gefährdungsausschluss beim Rückwärtsfahren zurücktritt, da auf dem offen zugänglichen Gelände in keiner Weise sichergestellt war, dass andere Nutzer des Betriebsgeländes (z. B. Arbeiter, Fußgänger, Radfahrer und Kraftfahrzeugführer) von den von den Betriebsfahrzeugen ausgehenden Gefahren ausgeschlossen waren.
10Der Beklagte zu 2.) war deshalb verpflichtet, sein beabsichtigtes Rangiermanöver nach dem mangels hinreichenden Raums missglückten Abbiegevorgang erst nach ausreichender Umschau, erforderlichenfalls Einweisung einzuleiten. Der Beklagte zu 2.) als Führer des nach eigenem Vortrag massiven, schweren und unübersichtlichen Baggers, der nur über eine den direkt rückwärtigen Bereich erfassende Kamera sowie einen linksseitigen Außenspiegel verfügte, konnte sich, da er nicht im Bereich einer gesicherten Arbeitsstelle, sondern gerade im freigegebenen Zufahrtsverkehr unterwegs war, nicht darauf verlassen, dass der Bereich hinter ihm zu jeder Zeit frei sein würde. Dies gilt umso mehr, wenn er, wie vorgetragen, die Fahrspur hinter ihm nicht einsehen konnte.
11Hinzu kommt, was der Senat nach eigener Inaugenscheinnahme der zur Akte gereichten Videosequenz des Unfallhergangs erkennen kann, dass zwischen dem Anhalten des Baggers und dessen Zurückfedern nach dem bremsbedingten Eintauchen und dem Beginn des Zurücksetzens lediglich zwei Sekunden liegen. Insoweit ist nicht im Ansatz ersichtlich, dass und welche Vorsichtsmaßnahmen der Beklagte zu 2.) vor dem Zurücksetzen getroffen hat. Dass umgekehrt bereits diese kurze Zeitspanne ausgereicht hat, um die sich dann realisierende Gefahr zu begründen, zeigt sich in der nahezu sofortigen Annäherung des Lkw der Klägerin.
123. Die Haftung des Beklagten zu 2.) begründet einen gleichgerichteten Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1.) aus § 831 BGB. Die Beklagten haben nichts vorgetragen, was die Beklagte zu 1.) in dieser Hinsicht entlasten könnte.
134. Die Beklagten haften der Klägerin gesamtschuldnerisch auf noch 9.805,99 EUR.
14a) Die Klägerin muss sich auf ihren Anspruch einen Mitverschuldensanteil von 30 % anrechnen lassen, § 254 Abs. 1 BGB.
15Im Falle eines festgestellten Mitverschuldens ist die Abwägung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB aufgrund aller festgestellten, d. h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; ein Faktor bei der Abwägung ist dabei das beiderseitige Verschulden (vgl. BGH Urt. v. 17.1.2023 – VI ZR 203/22, r+s 2023, 265 Rn. 29 m. w. N.).
16aa) Der Klägerin ist ein Verstoß ihres Fahrers gegen § 1 Abs. 2 StVO in unmittelbarer oder mittelbarer Anwendung zuzurechnen, weil dieser trotz des vor ihm befindlichen Baggers seine Fahrt an diesem vorbei fortgesetzt hat.
17Dieser Verstoß erfährt indes entgegen der Würdigung des Landgerichts keine spezifische Ausprägung durch § 5 Abs. 3 StVO, denn es liegt kein Überholen vor. Ein Überholen ist begrifflich gegeben, wenn ein Verkehrsteilnehmer von hinten an einem anderen vorbeifährt, der sich auf derselben Fahrbahn in derselben Richtung bewegt oder nur mit Rücksicht auf die Verkehrslage anhält (Freymann in: Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl. 2024, StVO § 5 Rn. 156; vgl. BGH Beschl. v. 15.9.2016 – 4 StR 90/16, NJW 2016, 3462). Das Beklagtenfahrzeug hatte im vorliegenden Fall – für sich genommen auch unstreitig – die Richtungsfahrbahn der Ausfahrt vom Betriebsgelände bereits dahingehend verlassen, dass der Abbiegevorgang nach rechts in den anderen Geländeteil eingeleitet war, aber lediglich wegen des nicht ausreichenden Abbiegewinkels unterbrochen werden musste. Eine Bewegung in derselben Richtung wie der klägerische Lkw war aber bereits zu dem Zeitpunkt, als der Fahrer des Lkw den Bagger zu passieren begann, nicht mehr gegeben.
18Gleichwohl hätte sich der Fahrer des klägerischen Lkw aufgrund der Gesamtsituation gemäß § 1 Abs. 2 StVO veranlasst sehen müssen, seine Annäherung zu verlangsamen, das Fahrverhalten des vor ihm befindlichen Baggers abzuwarten und seine eigene Fahrt ggf. zu unterbrechen. Im Kern zutreffend hat das Landgericht diesbezüglich ausgeführt, dass sich – auch dem Fahrer des Klägerfahrzeugs als seinerseits beruflich im Umgang mit großen Fahrzeugen vertraut – hätte offenbaren können, dass der Beklagte zu 2.) den eingeleiteten Abbiegevorgang nicht in einem Zug vollenden werde, da es sich gerade nicht um eine abzweigende Straße oder breite Grundstückseinfahrt handelte, in die der Bagger abbog, sondern um eine verengte Einfahrt, die an sich primär für Schienenverkehr gedacht war.
19bb) Ohne kausale Auswirkung bleibt in diesem Zusammenhang entgegen dem Vorwurf der Beklagten eine gegenüber der Anordnung einer Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h bzw. Schrittgeschwindigkeit (je nach Schild) auf dem Betriebsgelände – mutmaßlich – überhöhte Geschwindigkeit des klägerischen Lkw, so dass es auch insoweit nicht darauf ankommt, ob der Unfall auf dem Betriebsgelände stattgefunden hat.
20Ein späterer Unfall kann einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht allein schon deshalb zugerechnet werden, weil das Fahrzeug bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit erst später an die Unfallstelle gelangt wäre, vielmehr muss sich in dem Unfall gerade die auf das zu schnelle Fahren zurückzuführende erhöhte Gefahrenlage aktualisieren. Der rechtliche Ursachenzusammenhang zwischen Geschwindigkeitsüberschreitung und Unfall ist zu bejahen, wenn bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation der Unfall vermeidbar gewesen wäre. Vermeidbarkeit ist auch bei geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitungen dann anzunehmen, wenn der Unfall bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zwar nicht räumlich, wohl aber zeitlich vermeidbar gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn es dem Fahrer bei einer verkehrsordnungsgemäßen Fahrweise zwar nicht gelungen wäre, das Fahrzeug noch vor der späteren Unfallstelle zum Stehen zu bringen, wenn er den PKW aber so stark hätte abbremsen können, dass dem Verletzten Zeit geblieben wäre, den Gefahrenbereich noch rechtzeitig zu verlassen. Entsprechendes gilt auch dann, wenn es dabei zumindest zu einer deutlichen Abmilderung des Unfallverlaufes und der erlittenen Verletzungen gekommen wäre (BGH Urt. v. 26.4.2005 – VI ZR 228/03, r+s 2005, 477 = juris Rn. 22 m. w. N.; siehe zuletzt auch Senat Beschl. v. 5.8.2024 – I-7 U 57/24, BeckRS 2024, 26517 = juris Rn. 23 m. w. N.).
21Die kritische Verkehrslage beginnt für einen Verkehrsteilnehmer dann, wenn die ihm erkennbare Verkehrssituation konkreten Anhalt dafür bietet, dass eine Gefahrensituation unmittelbar entstehen kann. Für einen vorfahrtsberechtigten Verkehrsteilnehmer ist dies in Bezug auf seinen Vorrang zwar nicht bereits der Fall, wenn nur die abstrakte, stets gegebene Gefahr eines Fehlverhaltens anderer besteht, vielmehr müssen erkennbare Umstände eine bevorstehende Verletzung seines Vorrechts nahelegen. Von Bedeutung sind hierbei neben der Fahrweise des Wartepflichtigen alle Umstände, die sich auf dessen Fahrweise auswirken können, also auch die Fahrweise des Bevorrechtigten selbst. Gibt er dem Wartepflichtigen durch einen Verkehrsverstoß Anlass, die Wartepflicht – namentlich infolge einer Fehleinschätzung der Verkehrslage – zu verletzen, so kann die kritische Verkehrslage bereits vor der eigentlichen Vorfahrtsverletzung eintreten (BGH Urt. v. 25.3.2003 – VI ZR 161/02, r+s 2003, 256 = juris Rn. 12 m. w. N.; siehe dazu zuletzt auch BGH Urt. v. 22.11.2016 – VI ZR 533/15, r+s 2017, 95 Rn. 17 m. w. N.; Senat Beschl. v. 5.8.2024 – I-7 U 57/24, BeckRS 2024, 26517 = juris Rn. 24).
22Gemessen daran war der Unfall für den Fahrer des Klägerfahrzeugs zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation weder räumlich noch zeitlich vermeidbar noch hätten sich die Personen- und Sachschäden erheblich anders dargestellt. Die kritische Verkehrssituation trat hier frühestens ein, als der Beklagte zu 2.) den Bagger aus der ursprünglichen Vorwärtsfahrt endgültig zum Stehen gebracht, spätestens, als er die Rückwärtsbewegung eingeleitet hatte. Aus der Inaugenscheinnahme der Videosequenz des Unfallablaufs ergibt sich aber insoweit zur Überzeugung des Senats, dass sich das Klägerfahrzeug bereits im Zeitpunkt des frühestmöglichen Eintritts der kritischen Verkehrssituation mit der Spitze des Führerhauses etwa mittig hinter dem Heck des Baggers befand. Da sich der Lkw – augenscheinlich zügig – weiterbewegte, ist der Bagger und damit die sich anschließende Einleitung der Rückwärtsbewegung aus dem Sichtfeld des Lkw-Fahrers geraten. Eine – zudem noch kollisionsvermeidende – Reaktion des Lkw-Fahrers war unter diesen Umständen nicht mehr möglich. Ein Ausweichen nach links hätte zudem eine unmittelbare Kollision mit dem Einfahrtstor zur Folge gehabt, ein Abbremsen lediglich die Verschiebung der Kollisionsstelle vom Tankanhänger auf den Tankaufbau des Zugfahrzeugs. Denn wäre die Geschwindigkeit des klägerischen Lkw von vornherein oder durch Abbremsung geringer gewesen, hätte sich der Aufprall lediglich nach vorne verlagert. Diese Rückschlüsse kann der Senat wie im Senatstermin erörtert als Fachsenat für Verkehrsunfallsachen aufgrund langjähriger Erfahrung in eigener Überzeugung ziehen, so dass es ausnahmsweise keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf (vgl. § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, vor §§ 402 ff. Rn. 12). Insoweit hätten sich auch die eingetretenen Sachschäden nicht erheblich anders dargestellt, denn die Aufbaustruktur des Zugfahrzugs ist augenscheinlich weitgehend mit der des Anhängers identisch.
23cc) Der Mitverschuldensbeitrag ist dem Verschulden der Beklagten entgegenzusetzen, wobei auch der nur mittelbaren Verletzung der Pflichten aus § 9 Abs. 5 StVO im Rahmen des § 1 Abs. 2 StVO ein entsprechendes Gewicht zukommt (vgl. BGH Urt. v. 15.12.2015 – VI ZR 6/15, NJW 2016, 1098 Rn. 11 m. w. N.).
24Danach ist eine Gewichtung des Verschuldensanteils der Klägerseite mit 30 % und der Beklagtenseite mit 70 % angemessen.
25Dem für sich genommen ganz erheblich wiegenden Verstoß des Beklagten zu 2.) gegen die Kardinalpflicht des Gefährdungsausschlusses bei Rückwärtsfahrt steht ein deutlich geringer zu gewichtender Verstoß des Fahrers des klägerischen Lkw gegen allgemeine und auch in der konkreten Situation einleuchtende Sorgfaltspflichten gegenüber.
26Kein besonderes Gewicht misst der Senat dem von den Beklagten aufgegriffenen Umstand bei, dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs nicht befugt gewesen sei, das Betriebsgelände überhaupt zu befahren, da die Beschilderung insoweit nicht hinreichend einfach erfassbar war und sich dieser Umstand, wenn auch kausal, so doch im Hinblick auf die Fortgeltung der hier zur Anwendung zu bringenden Regelung der StVO nicht maßgeblich ausgewirkt hat. Die (beiderseitige) Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist insoweit unabhängig von der etwaigen Frage eines einseitigen Hausrechts zu beurteilen.
27b) Unter Berücksichtigung der vorstehend ermittelten Mitverschuldensanteil beläuft sich der ersatzfähige Schadensbetrag der Klägerin auf 17.601,40 EUR.
28Der ungekürzte Gesamtschaden der Klägerin beträgt, nachdem die Darlegung nunmehr zweitinstanzlich durch die Vorlage der entsprechenden Dekra-Schadensgutachten vom 10.01.2021 und vom 03.05.2024 belegt worden ist, 23.476,28 EUR an Reparaturkosten sowie 1.668,57 EUR an Kosten für die Erstellung des Schadensgutachtens.
29Der Senat ist von der Richtigkeit der vorgelegten Schadensermittlung überzeugt, wenn diese nicht gar unstreitig ist, nachdem die Beklagte nach dem ergänzenden Vortrag der Klägerin in zweiter Instanz auch auf die Hinweise des Senats vom 02.05.2024 (eGA II-110 f.) und 31.05.2024 (eGA II-129) sowie nach der Erörterung im Senatstermin an ihrem erstinstanzlichen Bestreiten nicht mehr festgehalten hat.
30Soweit die Beklagten bestritten hatten, dass der Ersatz von Schaltverstärker, zwei Gaspendelschläuchen, Schlauchrohr und Armaturenschrank sowie eine Nachlackierung erforderlich gewesen seien, ergibt sich diese Notwendigkeit zwanglos aus dem Gutachten. Eine Zuordnung der beschädigten Teile ist anhand der Lichtbilder und jedenfalls unter Berücksichtigung der ergänzenden Erklärung des Schadensgutachters vom 03.05.2024 (eGA I-120 ff.) für den Senat entsprechend dem Hinweis vom 02.05.2023 (eGA II-110 f.) möglich. Ein weitergehendes Bestreiten der Beklagten ist nach Vorlage der vorgerichtlichen Gutachten auch insoweit nicht mehr erfolgt. An der Erforderlichkeit der Gutachterkosten hat der Senat aus den im Hinweis vom 31.05.2024 (eGA II-129) genannten Gründen ebenfalls keine Zweifel. Es sind auch keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorgetragen.
31c) Von dem ersatzfähigen Betrag ist die unstreitige vorgerichtliche Zahlung der Beklagten in Höhe von 7.795,41 EUR in Abzug zu bringen. In dieser Höhe ist Erfüllung eingetreten, § 362 Abs. 1 BGB. Damit verbleibt der Klägerin ein Anspruch in Höhe der ausgeurteilten 9.805,99 EUR.
325. Die Zinsforderung der Klägerin ist hinsichtlich des berechtigten ersatzfähigen Betrages aus § 288 Abs. 1, § 291Satz 1 Hs. 1, Satz 2 BGB begründet. Rechtshängigkeit ist am 22.02.2022 nach Zustellung der Klage an die Beklagte zu 1.) und am 20.02.2022 nach Zustellung der Klage an den Beklagten zu 2.) eingetreten. Soweit die Klägerin darüber hinaus Zinsen seit dem 19.11.2021 begehrt, hat sie erst- wie zweitinstanzlich nichts dazu vorgetragen.
336. Unter Zugrundelegung des begründeten, verringerten Gegenstandswerts kann die Klägerin 1.021,00 EUR netto als Ersatz für aufgewandte vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten verlangen.
34II.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 1 und Satz 2, § 713 ZPO i. V. m. § 542 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
36III.
37Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Rechtssache weist weder grundsätzliche Bedeutung auf noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.