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Wird eine Person in ihrer Rolle als Fahrerin eines Kraftfahrzeugs und ihrer Rolle als Sorgeverpflichtete verklagt, kann es sich – wie hier – um zwei Streitgegenstände handeln (in Anwendung von BGH, Urteil vom 18.11.2024 – VI ZR 10/24, GRUR-RS 2024, 31967 Rn. 17; BGH, Urteil vom 25.06.2020 – I ZR 96/19, GRUR 2020, 1226 Rn. 23 ff.; BGH, Urteil vom 22.10.2013 – XI ZR 42/12, NJW 2014, 314 Rn. 15).
Wird der Klage gegen eine Person im Hinblick auf ihre Rolle als Sorgeverpflichtete im Wege eines (Teil-)Urteils rechtskräftig stattgegeben, die Klage im Übrigen aber gegenüber dieser Person im Hinblick ihre Rolle als Fahrerin rechtskräftig abgewiesen, da insoweit keine Berufung eingelegt wird, steht dies im Berufungswege geltend gemachten Ansprüchen gegen Halter und Versicherer nach § 124 Abs. 1 VVG entgegen (in Fortschreibung zu BGH, Urteil vom 27.04.2021 – VI ZR 883/20, r+s 2021, 388 Rn. 7; BGH, Urteil vom 13.12.1977 – VI ZR 206/75, BGHZ 71, 339 = juris Rn. 41; BGH, Urteil vom 12.03.2019 – VI ZR 277/18, NJW 2019, 2397 Rn. 23; BGH, Urteil vom 15.01.2008 – VI ZR 131/07, r+s 2008, 167 Rn. 7; BGH, Urteil vom 14.07.1981 – VI ZR 254/79, r+s 1982, 8 = juris Rn. 10, 14).
Eine sorgeverpflichtete Person kann – wie hier – Verantwortliche für den Aussteigevorgang eines Minderjährigen im Sinne des § 14 Abs. 1 StVO sein (im Anschluss an OLG Hamm vom 20.11.1962 – 3 Ss 1035/62, DAR 1963, 306).
Die Sorgfaltsanforderungen beim Aussteigen gelten für die gesamte Dauer eines Aussteigevorgangs, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Aussteigens mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist, was auch – wie hier – der Fall ist, wenn ein Minderjähriger in Richtung eines Fußwegs aussteigt, die Tür schließt und erst anschließend das Fahrzeug umrundet und auf die Straße läuft (in Fortschreibung zu BGH, Urteil vom 06.10.2009 – VI ZR 316/08, r+s 2009, 520 Rn. 11; OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.07.2024 – 3 U 16/24, BeckRS 2024, 16771 Rn. 9 f.).
Betrieb im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG und Gebrauch im Sinne von § 1 PflVG (AKB A.1.1.1 und Art. 3 KfzHPflV-RL 2021/2118) des Aussteigevorgangs wirken nach Beendigung des Aussteigevorgangs in einem solchen Fall unabhängig von einem Verstoß gegen § 14 Abs. 2 StVO nicht haftungsbegründend fort (in Anlehnung an BGH, Urteil vom 16.01.2024 – VI ZR 385/22, r+s 2024, 560 Rn. 17 ff.; BGH, Urteil vom 22.11.2016 – VI ZR 533/15, r+s 2017, 95 Ls.; OLG Hamm, Urteil vom 09.05.2023 – 7 U 17/23, r+s 2023, 1020 Ls. 1 und 3; OLG Hamm, Beschluss vom 10.03.2022 – 7 U 3/22, NJOZ 2022, 1286 Ls. 1).
Ein Halten an engen Stelle im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO, also einer Stelle, an der ein gefahrloses Vorbeifahren unter Berücksichtigung der Sicherheitsabstände und der höchstzulässigen Breite im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 1 StVZO zu beiden Seiten nicht oder nicht mehr ohne ungewöhnliche Schwierigkeiten möglich ist (im Anschluss an OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2021 – 1 U 122/20, r+s 2021, 352 = juris Rn. 29), liegt – wie hier – nicht allein deshalb vor, weil auf einer zweispurigen innerörtlichen Straße nach dem Halten (oder Parken) nur noch eine Fahrspur für beide Richtungen verbleibt.
Ein Halten an unübersichtlicher Stelle im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO, also einer Stelle, an der ein Fahrzeugführer wegen sichtbehindernder Umstände den Verkehrsverlauf nicht so vollständig überblicken kann, dass er bei normaler Aufmerksamkeit alle Hindernisse und Gefahren erkennen und ihnen rechtzeitig begegnen kann, liegt – wie hier – nicht allein deshalb vor, weil ein haltendes (oder parkendes) Fahrzeug den Blick auf Fußgängerquerverkehr einschränkt.
Betrieb im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG und Gebrauch im Sinne von § 1 PflVG (AKB A.1.1.1 und Art. 3 KfzHPflV-RL 2021/2118) des haltenden (oder parkenden) Fahrzeugs wirken sich bei ordnungsgemäßem Halten (oder Parken) nicht haftungsbegründend aus, wenn das haltende (oder parkende) Fahrzeug den Blick auf Fußgängerquerverkehr einschränkt (in Anlehnung an BGH, Urteil vom 16.01.2024 – VI ZR 385/22, r+s 2024, 560 Rn. 17 ff.; BGH, Urteil vom 22.11.2016 – VI ZR 533/15, r+s 2017, 95 Ls.; OLG Hamm, Urteil vom 09.05.2023 – 7 U 17/23, r+s 2023, 1020 Ls. 1 und 3; OLG Hamm, Beschluss vom 10.03.2022 – 7 U 3/22, NJOZ 2022, 1286 Ls. 1).
Eine sorgeverpflichtete Person kann der sorgeberechtigten Person – wie hier – gemäß § 1664 Abs. 1 BGB zur Haftung verpflichtet sein, wenn die verpflichtete Person die berechtigte Person ohne hinreichende Überwachung oder Anleitung eine Straße hinter einem haltenden Fahrzeug überqueren lässt (in Anwendung von BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 210/18, VersR 2021, 452 Rn. 8 ff.).
Legt die sorgeverpflichtete Person einen subjektiven Sorgfaltsmaßstab nach § 1664 Abs. 1, § 277 BGB nicht dar, haftet sie nach allgemeinen Grundsätzen und damit für einfache Fahrlässigkeit (im Anschluss an BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 210/18, VersR 2021, 452 Rn. 14).
Verstöße allein, d. h. ohne Verstoß gegen die StVO, gegen § 1664 Abs. 1, § 1626 Abs. 1, § 1631 Abs. 1 BGB begründen in aller Regel – so auch hier – keinen Betrieb im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG und keinen Gebrauch im Sinne von § 1 PflVG (AKB A.1.1.1 und Art. 3 KfzHPflV-RL 2021/2118), so dass insbesondere eine Haftung des Versicherers aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG ausscheidet.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin auf ihre Kosten gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird der Klägerin Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Auf den Hinweis ist die Berufung zurückgenommen worden.
2G r ü n d e
3I.
4Die Klägerin als Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer begehrt nach einem von ihrer Versicherungsnehmerin beim Betrieb ihres Pkw eingetretenen Unfall mit einem Kind Feststellung der vollständigen Einstandspflicht der Beklagten als weitere Unfallverantwortliche.
5Die Versicherungsnehmerin der Klägerin befuhr mit einer Geschwindigkeit von 10-20 km/h eine innerörtliche Straße, als ihr der sechsjährige Sohn der Beklagten zu 1 vom Gehweg kommend auf dem Weg zu einem Sportplatz seitlich von links in den Pkw lief und sich erheblich verletzte.
6Die Beklagte zu 1 war zuvor mit dem von ihr geführten, vom Beklagten zu 2 gehaltenen und bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversicherten Pkw in entgegengesetzter Fahrtrichtung am rechten Fahrbahnrand hinter anderen geparkten Fahrzeugen ordnungsgemäß zum Stehen gekommen, laut Klageschrift war das Fahrzeug „abgestellt“ worden. Die Beklage zu 1 ließ ihren Sohn sodann auf der rechten hinteren Seite zum Gehweg (kein Fahrradweg) aussteigen. Nach Betreten des Gehwegs und Schließen der Autotür wandte sich der Sohn der Beklagten zu 1, um möglichst noch rechtzeitig zum Beginn eines Fußballtrainings zu kommen, in Eile nach hinten, lief um den Pkw herum und – wie beschrieben – auf die Straße sowie in das Fahrzeug der klägerischen Versicherungsnehmerin hinein. Diese konnte den durch den von seiner Mutter, der Beklagten zu 1, geführten Pkw verdeckten Sechsjährigen nicht wahrnehmen. Der Unfall war für sie räumlich und zeitlich unvermeidbar. Der von der Klägerin mit Nichtwissen bestrittene Ruf der Beklagten zu 1 zu ihrem Sohn „Stopp, da kommt ein Auto“ kam jedenfalls zu spät.
7Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin in ihrer Klage zunächst Ansprüche aus §§ 7, 18 StVG und § 823 BGB jeweils in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG wegen der Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs sowie Verletzung der Pflichten einer Kraftfahrzeugführerin durch die Beklagte zu 1 geltend gemacht. Zudem hafte die Beklagte zu 1 als aufsichtspflichtige Mutter wegen Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflichten nach § 823 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1664 BGB. Es komme insoweit eine „eigene Haftung“ nach § 823 BGB in Betracht.
8Die erstinstanzlich gemeinsam durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beklagten haben Verteidigung gegen die Klage angezeigt, aber bis zur mündlichen Verhandlung in der Sache nicht erwidert. Zur mündlichen Verhandlung ist für die Beklagten niemand erschienen. Die Klägerin hat den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt. Das Landgericht hat Verkündungstermin bestimmt.
9Im nicht nachgelassenen Schriftsatz hat sich die Klägerin erstmals darauf berufen, man könne sich durchaus fragen, ob das Halten der Beklagten zu 1 mit laufendem Motor hier im Hinblick auf die Unübersichtlichkeit der Situation überhaupt zulässig gewesen sei.
10Im Verkündungstermin hat das Landgericht der Klage unter Berücksichtigung eines wegen § 828 Abs. 1 BGB fehlenden Mitverschuldens des Sohnes teilweise gegenüber der Beklagten zu 1 durch Teilversäumnisurteil stattgegeben, die Klage aber im Übrigen im Wege des Teilendurteils abgewiesen.
11Die Beklagte zu 1 hafte wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflichten aus § 823 Abs. 1, § 1664 Abs. 1 BGB, da sie ihren sechsjährigen Sohn nicht ohne hinreichende und frühzeitige Anweisung oder unbegleitet die Straße habe überqueren lassen dürfen. Aus dem klägerischen Vortrag ergebe sich auch nicht, dass dieses Verhalten ihrer eigenüblichen Sorgfalt entspreche.
12Die Beklagte zu 1 hafte aber nicht aus § 18 Abs. 1 StVG, da aufgrund des Vortrags der Klägerin feststehe, dass die Beklagte zu 1 nicht gegen § 14 StVO verstoßen habe. Der neue Vortrag zum verkehrswidrigen Halten bei laufendem Motor sei bereits im Hinblick auf § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht berücksichtigungsfähig, in der Sache aber auch nicht entscheidungserheblich, da sich aus dem konkret geschilderten Umständen kein unzulässiges Halten an einer unübersichtlichen Straßenstelle im Sinne des § 12 StVO ergebe.
13Die Klage sei im Übrigen abzuweisen, da der Unfall aufgrund des ordnungsgemäßen Parkens sowie der Beendigung des Aussteigevorgangs nicht bei Betrieb des vom Beklagten zu 2 gehaltenen Fahrzeugs im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG erfolgt sei und die Beklagte zu 1 mangels Verstoßes gegen § 14 StVO nicht nach § 18 Abs. 1 StVG hafte.
14Bezüglich des weiteren erstinstanzlichen Vortrages, der gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf das Teilversäumnis- und Teilendurteil des Landgerichts (Bl. 201 ff. der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte) verwiesen.
15Die Beklagte zu 1 hat fristgerecht Einspruch gegen das Teilversäumnisurteil eingelegt, diesen aber nicht begründet. In der nachfolgenden mündlichen Verhandlung hat die Klägerin Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils und die Beklagte zu 1 Aufhebung des Versäumnisurteils und Klageabweisung beantragt, ohne in der Sache zu erwidern. Im anschließenden Schlussurteil hat das Landgericht das Teilversäumnisurteil gegen die Beklagte zu 1 aufrechterhalten und über die erstinstanzlichen Kosten auch in Bezug auf die Beklagten zu 2 und zu 3 abschließend entschieden.
16Bezüglich der gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf das Schlussurteil des Landgerichts (Bl. 271 ff. der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte) verwiesen.
17Im vorliegenden Verfahren wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht eingelegten Berufung gegen die Teilklageabweisung gegen die Beklagten zu 2 und zu 3; ausweislich der Berufungsschrift soll sich die Berufung ausdrücklich nicht auf die Beklagte zu 1 erstrecken.
18Mit ihrer frist- und formgerechten Berufungsbegründung rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und verfolgt ihr erstinstanzliches Klagebegehren – unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – weiter. Insbesondere führt sie auch weiter zu Unübersichtlichkeit und einem Verstoß der Beklagten zu 1 gegen § 12 StVO aus und rügt zudem, es sei ein unzulässiges Teilurteil ergangen, da zwischen den unterschiedlichen Urteilsteilen widersprüchliche Entscheidungen drohten.
19Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 34 ff. der zweitinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte) verwiesen.
20Die Klägerin beantragt,
21dass angefochtene Teilendurteil des Landgerichts Essen – wenn auch sie von einem solchen des Landgerichts Köln spricht – betreffend die Beklagten zu 2 und zu 3 [sic!] aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagten zu 2 und zu 3 – mit der vom Landgericht im Teilversäumnisurteil vom 22.08.2023 verurteilten Beklagten zu 1 – gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, die der Klägerin aus dem Unfallereignis des Herrn A. vom 22.08.2019 auf der Straße „Q.-straße“ in L. entstandenen und zukünftig entstehenden Aufwendungen – unabhängig davon, ob sie für das vorgenannte Unfallopfer oder sonstige gegebenenfalls eintrittspflichtige Dritte erbracht werden – in Höhe von zwei Dritteln auszugleichen.
22Hilfsweise beantragt sie,
23das angefochtene Teilendurteil betreffend die Beklagten zu 2 und zu 3 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gem. § 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO an das erstinstanzliche zuständige Gericht zurückzuverweisen.
24Die Beklagten zu 2 und zu 3 haben (noch) nicht erwidert.
25II.
26Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Zutreffend hat das Landgericht die Klage gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 als unbegründet abgewiesen (unter 1. und 2.). Zudem ist die Klage gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 ohnehin auch wegen entgegenstehender Rechtskraft nach § 124 Abs. 1 VVG abzuweisen (unter 3.).
271. Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 aus § 17 Abs. 1 und § 18 Abs. 3 StVG (in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 4, § 116 Abs. 1 Satz 1 VVG) als Spezialregelung gegenüber § 426 Abs. 1 BGB (vgl. Senat Urt. v. 24.8.2021 – 7 U 81/20, NJW-RR 2022, 177 Ls. 3 und juris Rn. 8 m. w. N.; Scholten in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, § 17 StVG Rn. 8, 11; Bollweg/Wächter, NZV 2020, 545, 551 m. w. N.) im Hinblick auf eine straßenverkehrsrechtliche und eine entsprechende deliktische Haftung der Beklagten zu 1 und zu 2 scheiden aus.
28Die Beklagten zu 1, zu 2 und zu 3 sind nicht nach § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, § 229 StGB in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 Satz 1 PflVG im Hinblick auf das Verhalten der Beklagten zu 1 als Fahrzeugführerin eintrittspflichtig.
29a) Ein Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG scheitert daran, dass die Klägerin den notwendigen Zurechnungszusammenhang zwischen dem auch bei ordnungsgemäßen Halten fortdauernden Betrieb des Beklagtenfahrzeugs und der Schädigung des Sohnes der Beklagten zu 1 nicht schlüssig dargelegt hat.
30aa) Das Parken – und damit hier erst recht das Halten – eines Fahrzeugs an einer Straße gehört zum Betrieb des Fahrzeugs. Der Betrieb eines Fahrzeugs dauert fort, solange der Fahrer das Fahrzeug im Verkehr belässt und die dadurch geschaffene Gefahrenlage fortbesteht. Die Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle allein rechtfertigt aber noch nicht die Annahme, ein Schaden sei bei dem Betrieb dieses Fahrzeugs entstanden. Erforderlich ist vielmehr, dass die Fahrweise oder der Betrieb dieses Fahrzeugs zu dem Entstehen des Schadens beigetragen hat (BGH Urt. v. 12.12.2023 – VI ZR 76/23, BeckRS 2023, 41269 Rn. 12 m. w. N. [brennender Pkw]; vgl. zur schlichten, nicht ausreichenden Anwesenheit insbesondere auch BGH Urt. v. 22.11.2016 – VI ZR 533/15, r+s 2017, 95 Rn. 14 m. w. N. [überholende Motorräder]; Senat Urt. v. 9.5.2023 – 7 U 17/23, r+s 2023, 1020 = juris Rn. 25 ff. [herannahendes Kfz]; Senat Beschl. v. 10.3.2022 – 7 U 3/22, NJOZ 2022, 1286 = juris Rn. 19 ff. [vor der Ampel haltendes Kfz]).
31bb) Gemessen daran hat die Klägerin den Zurechnungszusammenhang zwischen dem Betrieb des Beklagtenfahrzeugs und dem Unfall ihrer Versicherungsnehmerin mit dem Sohn der Beklagten zu 1 nicht schlüssig dargelegt. Denn sie hat weder einen (schuldhaften) Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 1 (unter (1)) noch eine von der Beklagten zu 1 geschaffene kritische Verkehrslage (unter (2)) dargelegt.
32(1) Einen (schuldhaften) Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 1 hat die Klägerin nicht darzulegen vermocht. Es liegt kein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO oder – soweit überhaupt noch relevant – gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO vor.
33Hätte die Klägerin einen Verstoß darzulegen vermocht, wäre das Merkmal „beim Betrieb“ im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG ohne Weiteres zu bejahen gewesen, auch wenn die Haftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG gerade nicht davon abhängt, dass sich der Führer des im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs verkehrswidrig verhalten hat (BGH Urt. v. 22.11.2016 – VI ZR 533/15, r+s 2017, 95 Rn. 12 m. w. N.).
34(a) Die Beklagte zu 1 hat nicht gegen § 14 Abs. 1 StVO verstoßen.
35Allerdings war die Beklagte zu 1 als Fahrerin beim Aussteigen eines Sechsjährigen gemäß § 14 Abs. 1 StVO dafür verantwortlich, dass eine Gefährdung anderer am Verkehr Teilnehmenden ausgeschlossen ist (vgl. schon OLG Hamm v. 20.11.1962 – 3 Ss 1035/62, DAR 1963, 306; siehe auch Müther in Freymann/Wellner, jurisPK-StrVR, 2. Aufl., § 14 StVO (Stand: 05.08.2024) Rn. 17; Greger in Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 6. Aufl. 2021, § 14 Rn. 14.73; Jahnke in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 2024, § 14 Rn. 27).
36aa) Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Aussteigevorgangs, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist. Erfasst werden vom Schutzzweck die mit dem Aussteigen sich aus unterschiedlichen Gründen ergebenden erheblichen Gefahren für den fließenden Verkehr (vgl. BGH Urt. v. 6.10.2009 – VI ZR 316/08, r+s 2009, 520 Rn. 11 m. w. N.; siehe zuletzt etwa auch OLG Saarbrücken Urt. v. 5.7.2024 – 3 U 16/24, BeckRS 2024, 16771 Rn. 9 f.).
37bb) Vorliegend war ein Ausschluss anderer am Verkehr Teilnehmenden dadurch gewährleistet, dass die Beklagte zu 1 ihren Sohn nicht auf der linken Seite in Richtung des fließenden Verkehrs, sondern zur rechten hinteren Seite zum sicheren Gehweg ohne Fahrradweg aussteigen und die Tür ordnungsgemäß schließen ließ. Zu einer Gefährdung dort am Verkehr Teilnehmender ist es nicht gekommen, der Aussteigevorgang war sicher beendet. Die Beklagte hatte ihren Pflichten als Fahrzeugführerin genügt. Nach Beendigung des Aussteigevorgangs galten für den Sechsjährigen die Pflichten des § 25 Abs. 3 StVO sowie für die Beklagten ihre elterlichen Pflichten (dazu sogleich).
38Entgegen dem Berufungsvorbringen ergibt sich nichts Anderes daraus, dass der Sechsjährige unmittelbar um das Beklagtenfahrzeug herum und auf die Straße lief. Entgegen ihrer Auffassung ergibt sich insoweit kein Unterschied zu dem Fall, dass der Sechsjährige noch an anderen Fahrzeugen vorbei und erst dann auf die Straße gelaufen wäre. Denn der Aussteigevorgang im Sinne des Schutzzwecks des § 14 StVO war schlicht und ergreifend beendet. Andernfalls müssten in Konsequenz wohl auch etwa Schulbusfahrer dafür Sorge tragen, dass Kinder nach dem Aussteigen nicht unmittelbar vor oder hinter dem Bus auf die Straße treten, um eine Haftung aus Betrieb zu vermeiden.
39Vor diesem Hintergrund besteht auch entgegen dem Berufungsvorbringen kein Raum für die Heranziehung eines Anscheinsbeweises.
40(b) Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO vor.
41Zwar lag ein Halten im Sinne von § 12 Abs. 1 StVO (so im Übrigen auch VwV-StVO zu § 12 StVO), also eine gewollte Fahrtunterbrechung, die nicht durch die Verkehrslage oder eine Anordnung veranlasst war, und kein Parken im Sinne des § 12 Abs. 2 StVO, zu dessen Voraussetzungen nicht vorgetragen wird, vor.
42(aa) Dass eine enge Stelle, also eine solche vorlag, die in gefahrloses Vorbeifahren unter Berücksichtigung der Sicherheitsabstände und der höchstzulässigen Breite im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 1 StVZO zu beiden Seite nicht oder nicht mehr ohne ungewöhnliche Schwierigkeiten ermöglichte (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 20.4.2021 – 1 U 122/20, r+s 2021, 352 = juris Rn. 29 m. w. N.; Müther in Freymann/Wellner, jurisPK-StrVK, 2. Aufl. (Stand: 22.10.2024), § 12 StVO Rn. 32 m. w. N.; Figgener in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 2024, § 12 Rn. 6 f. m. w. N.; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 12 Rn. 22 m. w. N.), ist aber schon rein tatsächlich nicht hinreichend vorgetragen.
43Laut Klageschrift konnten im Hinblick auf die rechtsseitig stehenden Fahrzeuge „lediglich ein Fahrzeug die Unfallörtlichkeit pro Fahrtrichtung passieren“, also neben den stehenden Fahrzeugen offenbar noch jeweils ein Fahrzeug pro Richtung. Sollte der Vortrag jedoch dahin zu verstehen sein, dass nur ein Fahrzeug überhaupt über die verbliebene Fahrbahn fahren konnte, ändert dies nichts. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die verbliebe Fahrbahn ein gefahrloses Vorbeifahren verhinderte.
44(bb) Aber auch eine unübersichtliche Stelle lag nicht vor. Eine unübersichtliche Stelle liegt vor, wenn der Fahrzeugführer wegen sichtbehindernder Umstände den Verkehrsverlauf nicht so vollständig überblicken kann, dass er bei normaler Aufmerksamkeit alle Hindernisse und Gefahren erkennen und ihnen rechtzeitig begegnen kann. Das ist immer der Fall, wenn er nicht sicher beurteilen kann, ob die Fahrbahn vor ihm frei ist (Müther in Freymann/Wellner, jurisPK-StrVK, 2. Aufl. (Stand: 22.10.2024), § 12 StVO Rn. 33 m. w. N.; vgl. Figgener in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 2024, § 12 Rn. 8 m. w. N.; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 12 Rn. 23 m. w. N.).
45Der Blick auf die Fahrbahn war für die Versicherungsnehmerin der Klägerin völlig frei, sie hatte die parkenden und haltenden Fahrzeuge erkannt. Allein der Umstand, dass Personen zwischen haltenden oder parkenden Fahrzeugen auf die Straße treten können, macht die Stelle nicht unübersichtlich. Ansonsten wäre ein innerstädtisches Halten und Parken auf Straße oder gar ausgezeichneten Parkflächen auf dem Bürgersteig nahezu immer unzulässig. Dass das Halten oder Parken hier aber durch eine entsprechende Beschilderung nach Abschnitt 8 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO tatsächlich unzulässig sein sollte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
46(cc) Dies gilt umso mehr unter Berücksichtigung des allein der Klageabweisung zugrundeliegenden Vortrags der Klägerin (§ 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), nachdem sich die Klägerin in der ersten mündlichen Verhandlung statt einen Schriftsatznachlass zu beantragen, dazu entschied, ein Versäumnisurteil zu beantragen. Es ist auch nicht vorgetragen oder ersichtlich, warum der neue Vortrag nunmehr im Hinblick auf § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen werden sollte.
47(2) Steht damit ein Verkehrsverstoß der Beklagten zu 1 nicht fest, ist – wie bereits ausgeführt – zwar nicht ausgeschlossen, dass trotzdem ein Zurechnungszusammenhang zum Betrieb des Beklagtenfahrzeugs besteht. Jedoch hat die Klägerin eine für diese Feststellung notwendige kritische Verkehrslage durch das bloße Halten der Beklagten zu 1 am Straßenrand nicht schlüssig dargelegt.
48Denn das ordnungsgemäße Stehenbleiben des Beklagtenfahrzeugs hat nicht schutzzweckbegründend zu dem Entstehen des Schadens beigetragen. Durch das Stehenbleiben hat die Beklagte zu 1 keine kritische Verkehrslage geschaffen. Das Stehenbleiben ist nicht zu beanstanden und begründete keine von dem Fahrzeug ausgehende Gefahrenlage. Eine kritische Verkehrslage entstand vielmehr erst und allein dadurch, dass der Sohn der Beklagten zu 1, ohne pflichtgemäß auf bevorrechtigten Verkehr zu achten, auf die Straße lief bzw. die Beklagte zu 1 als Obhutsverpflichtete ihren Sohn laufen ließ. Das Beklagtenfahrzeug befand sich nach diesen festzustellenden Umständen sozusagen nur bei Gelegenheit am Unfallort. Ebenso gut hätte der Sohn der Beklagten zu 1 gegen ein aus der anderen Fahrtrichtung kommendes Fahrzeug laufen können und wäre dabei nicht vom Beklagtenfahrzeug, sondern von einem hinter diesem stehenden Fahrzeug verdeckt worden, dessen gedachte Haftungseinheit dann auch nicht zu haften gehabt hätte.
49b) Ein Anspruch aus § 18 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 StVG scheitert nach obigen Ausführungen bereits ebenfalls schon am fehlenden Betrieb im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG.
50Zudem ist der Senat insoweit nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellungen des Landgerichts gebunden, als der Beklagten zu 1 nach dem eigenen Vortrag der Klägerin kein Verschulden im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG zur Last gelegt werden kann. Auf die Ausführungen zu § 14 Abs. 1 StVO und § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO oben wird verwiesen.
51c) Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 229 StGB im Hinblick auf das Verhalten der Beklagten zu 1 als Fahrzeugführerin scheidet nach den insoweit nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindenden Feststellungen des Landgerichts ebenfalls daran, dass die Beklagte zu 1 den Unfall / Schaden im Hinblick auf ihre Sorgfaltsanforderungen als Fahrzeugführerin nicht verschuldet hat.
522. Ebenso scheiden Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 aus § 426 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB (in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 4, § 116 Abs. 1 Satz 1 VVG) im Hinblick auf eine allgemeine (deliktische) Haftung der Beklagten zu 1 wegen Verletzung ihre Sorgfaltsanforderungen als Sorgeverpflichtete aus.
53Die Beklagten zu 1 haftet zwar entsprechend den landgerichtlichen Feststellungen gegenüber ihrem Sohn sowohl nach § 1664 Abs. 1 BGB als auch § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 229 StGB (unter a). Der insoweit entstandene Schaden ist damit jedoch gerade nicht durch den Gebrauch des Beklagtenfahrzeugs im Sinne des § 1 PflVG entstanden, wofür allein der Beklagte zu als Halter über § 7 StVG und die Beklagte zu 3 nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG einzustehen hätten (unter b).
54a) Die Beklagte zu 1 haftet gegenüber ihrem Sohn (ausschließlich) sowohl nach § 1664 Abs. 1 BGB als auch § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 229 StGB (vgl. zu den maßgeblichen Anspruchsgrundlagen etwa BGH Urt. v. 19.1.2021 – VI ZR 210/18, VersR 2021, 452 Rn. 8 f. m. w. N.), wobei hier nur auf § 1664 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage eingegangen werden soll.
55aa) Nach § 1664 Abs. 1 BGB haben die Eltern bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Die Pflicht der Eltern, für das minderjährige Kind zu sorgen (§ 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB), umfasst die Sorge für die Person des Kindes (§ 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB) und insbesondere die Pflicht, das Kind zu beaufsichtigen (§ 1631 Abs. 1 BGB). Daher kann sich bei einer Aufsichtspflichtverletzung der Eltern ein Anspruch des Kindes gegen diese aus § 1664 Abs. 1 BGB ergeben (BGH Urt. 19.1.2021 – VI ZR 210/18, VersR 2021, 452 Rn. 8 m. w. N.).
56Der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige bestimmt sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun müssen, um Schädigungen zu verhindern. Das Maß der geschuldeten Aufsicht erhöht sich mit der Gefahrträchtigkeit der konkreten Situation. Spielen Kinder in der Nähe von Straßen oder in der Nähe gefährlicher Gegenstände, ist mehr Aufsicht angebracht als innerhalb eines abgegrenzten, risikoarmen Bereichs. Kleinkinder bedürfen ständiger Aufsicht, damit sie sich nicht Gefahren in ihrer Umgebung aussetzen, die sie aufgrund ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit noch nicht erkennen und beherrschen können. Diese Gefahren sind für sie allgegenwärtig; sie können schon aus Gegebenheiten erwachsen, die für jeden anderen gänzlich ungefährlich sind. Daher gesteht die Rechtsprechung Kindern erst ab einem Alter von vier Jahren einen Freiraum zu, wobei allerdings eine regelmäßige Kontrolle in kurzen Zeitabständen für erforderlich gehalten wird (BGH Urt. 19.1.2021 – VI ZR 210/18, VersR 2021, 452 Rn. 11 m. w. N.).
57Im Hinblick auf die Teilnahme am Straßenverkehr ist zudem die gesetzgeberische Wertung des § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB zu berücksichtigen.
58bb) Gemessen daran hat die Beklagte zu 1 ihre Obhutspflichten zweifelsfrei verletzt. Sie durfte ihren sechsjährigen Sohn nicht ohne Anleitung und enge Überwachung in zu erwartender Eile über die Straße laufen lassen. Sie hätte ihn vielmehr entweder frühzeitig darauf hinweisen müssen, die Straße nicht im Laufen und erst nach einem Stehenbleiben an der Sichtlinie sowie ausreichenden Blicken in beide Richtungen überqueren zu dürfen, oder ihn begleiten müssen, und zwar insbesondere, weil die Zeit bis zum Beginn des Trainings knapp war.
59cc) Dabei kann es offenbleiben, ob im vorliegenden Einzelfall im Hinblick auf die mittelbare Teilnahme im Straßenverkehr überhaupt Raum für den subjektiven Sorgfaltsmaßstab des § 1664 Abs. 1, § 277 BGB ist (vgl. dazu etwa OLG Hamm Urt. v. 20.1.1992 – 6 U 183/91, NJW 1993, 542 [Eltern als Kfz-Führer]; OLG Bamberg Urt. v. 14.2.2012 – 5 U 149/11, NJW 2012, 1820 [Eltern als Begleiter im Straßenverkehr]; Huber in MüKo-BGB, 9. Aufl. 2024, § 1664 Rn. 10 m. w. N.; Eitzinger in BeckOGK-BGB, Stand 01.10.2024, § 1664 Rn. 46 m. w. N.; siehe auch BGH Urt. 19.1.2021 – VI ZR 210/18, VersR 2021, 452 Rn. 13 m. w. N.), da sich die Beklagte zu 1 bereits nicht darauf berufen bzw. keine konkreten Tatsachen dazu vorgetragen hat, dass ihr Verhalten ihrer eigenüblichen Sorgfalt entsprach.
60Denn die Eltern trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegen. Abzustellen ist auf das generelle Verhalten des Schädigers in dem entsprechenden Pflichtenkreis. Da Eltern sich nicht selbst beaufsichtigen, besteht – entgegen dem Ansatz des Landgerichts, das auf das Verhalten der Beklagten zu 1 selbst beim Überqueren der Straße abgestellt hat – die eigene Angelegenheit im Sinne des § 1664 Abs. 1 BGB in Fallgestaltungen wie der vorliegenden in der Ausübung der Aufsicht über ihr Kind (BGH Urt. 19.1.2021 – VI ZR 210/18, VersR 2021, 452 Rn. 14 m. w. N.).
61dd) Damit kann auch offenbleiben, ob die Beklagte zu 1 hier nicht gar mit dem Ansatz des Landgerichts grob fahrlässig gehandelt und damit den privilegierten Bereich des § 1164 Abs. 1, § 277 BGB ohnehin verlassen hat.
62b) Der insoweit entstandene Schaden ist jedoch nicht durch den Gebrauch des Beklagtenfahrzeugs im Sinne des § 1 PflVG entstanden.
63aa) Allerdings werden von der Pflichthaftpflichtversicherung nicht nur Ansprüche aus §§ 7 ff. StVG, sondern auch Ansprüche aus § 823 Abs. 1 (und Abs. 2) BGB sowie § 831 BGB gedeckt (vgl. BGH Urt. v. 16.1.2024 – VI ZR 385/22, r+s 2024, 560 Rn. 11, 16).
64bb) Es fehlt jedoch – auch bei richtlinienkonformer Auslegung – an einem Gebrauch im Sinne des § 1 PflVG, respektive Art. 3 KfzHPflV-RL 2021/2118 und A.1.1.1 AKB.
65Dabei gilt grundsätzlich, dass Gebrauch eines Kraftfahrzeugs – an sich – mehr als Betrieb im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG ist, umgekehrt aber stets ein Gebrauch im Sinne von § 1 PflVG vorliegt, wenn der Betriebsbegriff nach § 7 Abs. 1 StVG erfüllt ist (vgl. BGH Urt. v. 16.1.2024 – VI ZR 385/22, r+s 2024, 560 Rn. 16; BGH Urt. v. 10.7.1980 – IVa ZR 17/80, BGHZ 78, 52 = juris Rn. 9; BGH Urt. v. 26.6.1979 – VI ZR 122/78, BGHZ 75, 45 = juris Rn. 30 ff.; Klimke in Prölss/Martin, § 1 PflVG Rn. 6, A.1.1 AKB 2015 Rn. 8; siehe zuletzt auch im Rahmen von § 22 StVG: BayObLG Beschl. v. 3.11.2021 – 203 StRR 504/21, VerkMitt 2022 Nr. 1).
66Von der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung soll die typische, vom Gebrauch des Fahrzeugs selbst und unmittelbar ausgehende Gefahr gedeckt sein (BGH Urt. v. 16.1.2024 – VI ZR 385/22, r+s 2024, 560 Rn. 17).
67Zum Gebrauch gehört damit das Aussteigen aus dem Fahrzeug, jedenfalls soweit es – wie hier nicht – den Betrieb begründet, aber auch etwa – je nach den Umständen des Einzelfalls – das Entladen (vgl. mit Beispielen BGH Urt. v. 16.1.2024 – VI ZR 385/22, r+s 2024, 560 Rn. 17 ff.).
68Da aber weitere Voraussetzung für die Annahme eines Direktanspruchs (der Einstandspflicht des Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers) ist, dass dem Geschädigten ein Anspruch gegen den Eigentümer, den Fahrer oder den Halter des Kraftfahrzeugs aus einer Haftungsnorm zusteht (BGH Urt. v. 16.1.2024 – VI ZR 385/22, r+s 2024, 560 Rn. 21 a. E.), muss auch diese Haftungsnorm vom Schutzzweck der § 1 PflVG, Art. 3 KfzHPflV-RL 2021/2118 und A.1.1.1 AKB erfasst werden.
69Das ist bei den hier allein gegen die Beklagte zu 1 bestehenden, im Kern aus der Verletzung der elterlichen Sorge und Obhut im Sinne des § 1664 Abs. 1, § 1631 Abs. 1 BGB hergeleiteten Ansprüche, die nicht in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Führen des versicherten Kraftfahrzeugs stehen, nicht der Fall. Anders wäre dies beispielsweise, würde ein Kind im Zusammenhang mit dem Führen eines versicherten Kraftfahrzeugs verletzt.
703. Ob es sich mit dem Berufungsvorbringen bei dem angefochtenen Urteil entsprechend dem Vortrag der Klägerin um ein unzulässiges Teilurteil handelte, kann dahinstehen.
71Ob und in welchem Umfang ein Teilurteil bei einer Klage gegen Fahrer, Halter und Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer wegen drohender widerstreitender Entscheidungen im Hinblick auf § 301 ZPO oder im Hinblick auf § 124 Abs. 1 VVG zulässig ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Insbesondere kann auch die streitige Frage (vgl. Klimke in Prölss/Martin, VVG, 32. Aufl. 2024, § 124 Rn. 17 m. w. N.; Langheid in Langheid/Rixecker, VVG, 7. Aufl. 2022, § 124 Rn. 5 f. m. w. N.; Lemcke, r+s 1993, 161, 164; Lemcke, r+s 2024, 212), ob und wann bei einer Klage gegen die Haftungseinheit aus Fahrer, Halter und Versicherer im Hinblick auf den Umstand, dass es sich nur um einfache Streitgenossen handelt und der Erlass eines Versäumnisurteils gegen Fahrer und / oder Halter jedenfalls im Fall der Nebenintervention des Versicherers nicht zulässig ist (vgl. BGH Urt. v. 23.7.2019 – VI ZR 337/18, r+s 2019, 602 Rn. 16 m. w. N.; BGH Urt. v. 9.3.1993 – VI ZR 249/92, r+s 1994, 212 = juris Rn. 8; siehe auch BGH Urt. v. 18.1.2022 – VI ZB 36/21, VersR 2022, 396 Rn. 12), ohne Nebenintervention des Versicherers im Hinblick auf § 124 Abs. 1 VVG ein Versäumnisurteil gegen Fahrer und / oder Halter ergehen kann (bejahend BGH Urt. v. 13.12.1977 – VI ZR 206/75, BGHZ 71, 339 = juris Rn. 11), offenbleiben.
72Denn die Klage gegenüber der Beklagten zu 1 ist im Hinblick auf ihre Rolle als Fahrerin bereits im angefochtenen Teilversäumnis- und Teilendurteil abgewiesen worden. Da die Klägerin gegen die insoweit erfolgte Klageabweisung ausdrücklich nur bezüglich der Beklagten zu 2 und zu 3 Berufung eingelegt hat, ist die Teilklageabweisung gegen die Beklagte zu 1 rechtskräftig geworden. Dieses rechtskräftige klageabweisende Urteil gegen die versicherte Person, also die Beklagte zu 1, wirkt entsprechend § 124 Abs. 1 VVG auch zugunsten des Versicherers, also der Beklagten zu 3, und zugunsten des Versicherungsnehmers, also des Beklagten zu 2 (vgl. zur Einbeziehung des Fahrers als versicherte Person BGH Urt. v. 27.4.2021 – VI ZR 883/20, r+s 2021, 388 Rn. 8 m. w. N.).
73Die Klage gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 ist damit (mittlerweile) unzulässig (so BGH Urt. v. 27.4.2021 – VI ZR 883/20, r+s 2021, 388 Rn. 7) oder aber unbegründet (so BGH Urt. v. 13.12.1977 – VI ZR 206/75, BGHZ 71, 339 = juris Rn. 41). Jedenfalls ist eine erneute Überprüfung der Haftungsfrage nicht mehr zulässig (so BGH Urt. v. 12.3.2019 – VI ZR 277/18, NJW 2019, 2397 Rn. 23; BGH Urt. v. 15.1.2008 – VI ZR 131/07, r+s 2008, 167 Rn. 7; siehe auch BGH Urt. v. 14.7.1981 – VI ZR 254/79, r+s 1982, 8 = juris Rn. 10, 14).
74Dass der Klage gegen die Beklagte zu 1 im Hinblick auf ihre Rolle als Sorgeverpflichtete stattgegeben worden ist, steht dem nicht entgegen. Bereits aus der Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung des § 124 VVG in § 3 Nr. 8 PflVersG a. F. lässt sich entnehmen, dass § 124 VVG nicht stets zur Anwendung kommt (BT-Drs. [vom 16.05.1964], IV/2252 Seite 18).
75Das muss erst recht gelten, wenn – wie hier in Bezug auf die maßgebliche Rolle als Sorgeberechtigte – der Anwendungsbereich der §§ 113 bis 124 VVG mangels Gebrauch eines Kraftfahrzeugs im Sinne des § 1 PflVG wie oben dargestellt gar nicht eröffnet ist, nachdem die Klägerin die Beklagten letztlich aus zwei Streitgegenständen – zulässigerweise in eventueller Klagehäufung in erster Linie wegen Ansprüchen im Zusammenhang mit der Rolle der Beklagten zu 1 als Fahrerin und in zweiter Linie wegen Ansprüchen im Zusammenhang mit ihrer Rolle als Sorgeverpflichtete (vgl. BGH Urt. v. 2.7.2024 – VI ZR 211/22, NJW 2024, 3069 Rn. 11; BGH Urt. v. 17.1.2023 – VI ZR 203/22, r+s 2023, 265 Rn. 14 f.; BGH Urt. v. 29.1.2019 – VI ZR 481/17, r+s 2019, 228 Rn. 9 ff.) – in Anspruch nimmt.
76Denn der Streitgegenstand wird bestimmt durch das Rechtsschutzbegehren (Antrag), in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören. Vom Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen (BGH Urt. v. 18.11.2024 – VI ZR 10/24, GRUR-RS 2024, 31967 Rn. 17 m. w. N.; vgl. auch BGH Urt. v. 31.5.2022 – VI ZR 804/20, NJW-RR 2022, 1071 Rn. 10 f.; BGH Urt. v. 22.2.2022 – VI ZR 934/20, VersR 222, 852 Rn. 11 f.; BGH Urt. v. 25.6.2020 – I ZR 96/19, GRUR 2020, 1226 Rn. 23 ff.; BGH Urt. v. 22.10.2013 – XI ZR 42/12, NJW 2014, 314 Rn. 15).
77Vorliegend hat die Klägerin ihre Ansprüche trotz einheitlichen Antrags ausdrücklich auf unterschiedliche Lebenssachverhalte gegründet, einerseits auf die Rolle der Beklagten zu 1 als Fahrerin, deren Pflichten bezüglich des Aussteigenlassens sich – wie zuvor dargelegt hier jedoch nicht – bis auf den Zeitpunkt des Betretens der Fahrbahn erstreckten und für die auch die Beklagten zu 2 und zu 3 als Halter und Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer einzustehen hätten, andererseits auf die Rolle der Beklagten zu 1 als sorgeverpflichtete Mutter, für die die Beklagten zu 2 und zu 3 als Halter und Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer aber tatsächlich nicht einzustehen haben.
78II.
79Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ferner erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Die maßgebenden Fragen sind solche des Einzelfalles.
80Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung verspricht sich der Senat angesichts dessen, dass es keiner weiteren Beweisaufnahme bedarf, keine neuen Erkenntnisse. Auch ansonsten erscheint eine mündliche Verhandlung nach einstimmigem Votum des Senats nicht geboten.
81Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.