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Haben die geschiedenen Ehegatten einander wieder geheiratet, kann der Anspruch auf Familienunterhalt zu einer Anpassung nach § 33 VersAusglG führen.
Voraussetzung ist, dass ohne die Kürzung der Versorgung der Beitrag des Ausgleichspflichtigen zum Familienunterhalt höher wäre als der des Berechtigten.
Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 21.08.2023 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Blomberg vom 08.08.2023 abgeändert und wie folgt gefasst:
Die Kürzung der laufenden Versorgung des Antragstellers bei der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Präsidentin der U., PersNr. N01, wird in Höhe von 273,89 € im Monat mit Wirkung ab dem 01.07.2023 ausgesetzt.
Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Der Verfahrenswert wird auf 1.261,00 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die am 00.00.2004 geschlossene Ehe des Antragstellers und der Beteiligten A. (im Folgenden: Ehefrau) wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Blomberg vom 10.04.2019 zum Az. 3 F 130/18 rechtskräftig geschieden. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wurde unter anderem geregelt, dass im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der U. Versorgung zugunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 258,32 EUR monatlich, bezogen auf den 30.06.2018, übertragen wird.
4Der am 00.00.1958 geborene Antragsteller erhält von der U. Rente in Form eines Besoldungsbezuges in Höhe von 2.088,62 EUR brutto. Aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs werden hiervon grundsätzlich monatlich 276,43 EUR in Abzug gebracht. Die U. hat bereits mit Bescheid vom 16.12.2021 die Kürzung i.H.v. 2,54 EUR nach den §§ 35, 36 VersAusglG ausgesetzt, weshalb die Kürzung derzeit lediglich noch 273,89 EUR beträgt.
5Die am 00.00.1973 geborene Ehefrau erzielt als Reinigungskraft in einem Kindergarten auf Basis eines sog. Minijobs ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 446,00 EUR.
6Am 00.00.2023 haben der Antragsteller und seine Ehefrau zum zweiten Mal geheiratet.
7Mit Schreiben vom 15.06.2023 hat der Antragsteller persönlich die Eheschließung beim Amtsgericht – Familiengericht – angezeigt und darauf hingewiesen, dass damit der Versorgungsausgleich „entfallen dürfte“. Er komme seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Ehefrau selbstverständlich nach.
8Auf den Hinweis des Familiengerichts, dass das Ziel seines Schreibens nicht nachvollzogen werden könne, hat der nunmehr anwaltlich vertretene Antragsteller einen Anpassungsantrag nach § 33 VersAusglG gestellt und (sinngemäß) beantragt, die Kürzung seiner anpassungsfähigen Anrechte bei der U. Versorgung in Höhe von derzeit 274,00 EUR mit Wirkung ab dem ersten Tag des Monats nach Antragstellung auszusetzen (Bl. 56 f. GA).
9Er hat hierzu vorgetragen, dass seine Ehefrau keine laufende Versorgung erhalten könne und dass sie nicht in der Lage sei, durch eigene Einkünfte ihren unterhaltsrechtlichen Mindestbedarf beim Zusammenleben mit einem Ehegatten sicherzustellen. Sein – des Ausgleichspflichtigen – Beitrag zum Familienunterhalt unter Berücksichtigung der ungekürzten Rente oder Versorgung sei höher als der seiner ausgleichsberechtigten Ehefrau.
10Mit dem angefochtenen Beschluss vom 08.08.2023 hat das Amtsgericht – Familiengericht – den Anpassungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung (unter Verweis auf die Literaturmeinung BeckOKG/Maaß, 01.05.2023, VersAusglG § 33 Rn. 33 ff.) ausgeführt, beim Familienunterhalt nach § 1360 BGB handele es sich nicht um einen Anspruch auf Unterhalt im Sinne der Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB. Da die Vorschrift keinen Anspruch des einen Ehegatten gegen den anderen auf eine unabhängig vom beiderseitigen Einvernehmen bestimmbare Leistung gewähre, fehle es an der von § 33 Abs. 1 VersAusglG vorausgesetzten Situation, die von der Verpflichtung einer ohne die Kürzung zu zahlenden Geldrente ausgehe. Zudem müsse die Ehefrau darlegen, warum sie nur einer zeitweisen Tätigkeit nachgehe und wie sie ihren Lebensunterhalt zwischen Scheidung und zweiter Eheschließung bestritten habe. Denn auch die Ehefrau sei zu Familienunterhalt verpflichtet, der konkret zu beziffern sei.
11Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Er vertritt die Auffassung, dass es sich bei § 1360 BGB sehr wohl um einen Anspruch im Sinne der Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB handele. Zwar sei der Familienunterhalt auf Naturalunterhalt und nicht auf Zahlung einer Geldrente gerichtet. Es sei aber durchaus möglich, den Familienunterhalt in Geldbeträgen auszudrücken. Der Antragsteller verweist insofern auf den sog. Taschengeldanspruch und auf den Anspruch auf Zahlung einer Geldrente für den Fall der Pflegebedürftigkeit und Heimunterbringung eines Ehegatten.
12II.
13Die gem. §§ 58, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde des Antragstellers ist in der Sache begründet.
14Die vom Amtsgericht zur Durchführung des gesetzlichen Versorgungsausgleichs mit Beschluss vom 10.04.2009 zum Aktenzeichen 3 F 138/18 getroffenen Anordnungen im Hinblick auf das Anrecht bei der U. Versorgung werden antragsgemäß dahin abgeändert, dass die Kürzung mit Wirkung ab dem 01.07.2023 ausgesetzt wird.
151.
16Nach § 33 Abs. 1 VersAusglG wird die Kürzung der laufenden Versorgung der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag ausgesetzt, solange die ausgleichsberechtigte Person aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine laufende Versorgung erhalten kann und sie gegen die ausgleichspflichtige Person ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte.
17Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.
18Bei dem Anrecht des Antragstellers bei der U. Versorgung zur Vers.-Nr. N02 handelt es sich um ein Anrecht gem. § 32 Nr. 2 VersAusglG. Der Antragsteller bezieht Rente, während seine frühere und jetzige Ehefrau altersbedingt noch keine laufende Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten kann. Auch die weitere Voraussetzung dafür, die Kürzung des Anrechts auszusetzen, ist gegeben. Die Ehefrau hätte ohne den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen den Antragsteller.
19Zwar besteht kein nachehelicher Unterhaltsanspruch. Die Ehefrau hat allerdings einen Anspruch auf Familienunterhalt gem. § 1360 BGB, der eine Aussetzung der Kürzung rechtfertigt.
20a.
21Haben die geschiedenen Ehegatten einander wieder geheiratet, kann nach h.M. auch ein Unterhaltsanspruch nach § 1360 BGB zu einer Anpassung nach § 33 VersAusglG bzw. der Vorgängervorschrift § 5 VAHRG führen (OVG Münster, Urteil vom 09.04.2008 – 1 A 2307/07, BeckRS 2008, 34762 Rn. 23 ff., beck-online, mit ausführlicher Begründung; BGH, Urteil vom 09.02.1983 – IVb ZR 361/81, juris Rn. 23, FamRZ 1983, 461; BVerwG, Urteil vom 13.09.1990 – 2 C 20/89, juris Rn. 10; VG Bayreuth, Urteil vom 28.5.1999 – B 5 K 97.863, BeckRS 1999, 14065 Rn. 28, beck-online; Holzwarth in: Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, § 33 VersAusglG Rn. 9; Heilemann, Erneute Eheschließung mit dem früheren Ehegatten und § 5 VAHRG, FamRZ 1999, 1039; Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Aufl., § 33 Rn. 16; Borth, Versorgungsausgleich in anwaltlicher und familiengerichtlicher Praxis, 8. Aufl. 2017, Kap. 8 Rn. 20; Wick, Der Versorgungsausgleich, 5. Aufl. 2023, Rn. 1327; Erman/Norpoth/Sasse, BGB, 17. Aufl., § 33 VersAusglG Rn. 5; Grüneberg/Siede, BGB, 82. Aufl., § 33 Rn. 3). Dies soll nach Auffassung des OVG Münster jedenfalls dann der Fall sein, wenn der Ausgleichspflichtige deutlich mehr zum Familieneinkommen beiträgt als der Ausgleichsberechtigte (OVG Münster, a.a.O., Rn. 23, 50; Götsche/Rehbein/Breuers, a.a.O., § 33 Rn. 16; Grüneberg/Siede a.a.O., Rn. 3).
22Die vorgenannte Einschränkung erscheint folgerichtig. Auch im Falle eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs nach §§ 1569 ff. BGB gilt, dass der Unterhalt mit Wirkung der Anpassung tatsächlich gezahlt werden muss. Denn über unterbliebene Zahlungen hätte der Ausgleichspflichtige den Versorgungsträger nach § 34 Abs. 5 VersAusglG zu unterrichten mit der Folge, dass dieser die Aussetzung beenden könnte, § 34 Abs. 6 VersAusglG (vgl. Holzwarth in: Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, § 33 VersAusglG Rn. 9). Der Familienunterhalt kann folglich nur dann zu einer Aussetzung der Kürzung führen, wenn – ohne Kürzung der Versorgung – der Beitrag des Ausgleichspflichtigen zum Familienunterhalt höher wäre als der des Berechtigten. Nur in diesem Fall entspricht die Situation nämlich der Doppelbelastung des Ausgleichspflichtigen, die der Gesetzgeber bei Fassung der Härteregelungen § 5 VAHRG bzw. § 33 VersAusglG im Blick hatte.
23b.
24Soweit das Amtsgericht davon ausgegangen ist, dass der Familienunterhalt nach § 1360 BGB nicht zu einer Anpassung nach § 33 VersAusglG führen kann (so auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.08.2004 – 4 S 399/03, juris Rn. 24; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 31.03.2003 – 10 A 11884/02 –, Rn. 7, juris; BeckOGK/Maaß, 1.11.2023, VersAusglG § 33 Rn. 34.1), folgt der Senat dem nicht.
25Die Gegenauffassung meint, dass Anspruch auf Unterhalt im Sinne von § 5 Abs. 1 VAHRG nur ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch nach Maßgabe der Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den nachehelichen Unterhalt (§§ 1569 ff. BGB) oder ein Anspruch sei, der auf einer vertraglichen Konkretisierung bzw. Ausgestaltung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs beruhe. Die Beschränkung auf gesetzliche Unterhaltsansprüche im Sinne der §§ 1569 ff. BGB lasse sich zwar dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 VAHRG nicht entnehmen, ergebe sich aber aus dem objektiven Zweck des Gesetzes, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.02.1980 umzusetzen. Regelungsbedürftige Härten bestanden, wie sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergebe, aber nur in den Fällen, in denen der aus dem Versorgungsausgleich Berechtigte gegenüber dem Verpflichteten auf Unterhalt „angewiesen“ war (OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O., juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, a.a.O., juris Rn. 23).
26Eine einschränkende Auslegung des § 5 Abs. 1 VAHRG (bzw. der Nachfolgevorschrift § 33 VersAusglG) dahingehend, dass dieser bei Auslegung nach Maßgabe des Urteils des BVerfG aus dem Jahr 1980 nur die Fälle erfasst, in denen der Ausgleichsberechtigte auf Unterhaltsleistungen des Ausgleichspflichtigen angewiesen ist, kommt indessen nicht in Betracht. Gleiches gilt für den am 01.09.2009 in Kraft getretenen § 33 VersAusglG, der das zuvor in § 5 VAHRG a.F. geregelte „Unterhaltsprivileg“ in modifizierter Form in das Versorgungsausgleichsgesetz überträgt. Der BGH hat zu § 33 VersAusglG klargestellt, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht im Wege einer teleologischen Reduktion auf solche Fälle zu beschränken sei, in denen sich durch die Kürzung im Wege des Versorgungsausgleichs bei gleichzeitiger Unterhaltspflicht eine unzumutbare Härte für den ausgleichspflichtigen Ehegatten ergebe. Zwar möge die Vermeidung unzumutbarer Härten – im Anschluss an die (oben zitierte) Rechtsprechung des BVerfG – das Grundmotiv für die Regelungen der §§ 5, 6 VAHRG und jetzt des § 33 VersAusglG dargestellt haben (vgl. BT-Dr 9/562, S. 7). Bei der Ausformung des § 33 VersAusglG habe der Gesetzgeber jedoch die durch gleichzeitige Unterhaltsbelastung und Rentenkürzung eintretende Doppelbeanspruchung für sich genommen als Härte eingestuft und die Frage der Unzumutbarkeit (nur) daran angeknüpft, dass bestimmte Wertgrenzen überschritten werden müssen (§ 33 Abs. 2 VersAusglG). Dass darüber hinaus eine Abwägung der Interessen des Ausgleichspflichtigen mit denen der Solidargemeinschaft vorgenommen werden müsste, entspreche nicht der Intention des Gesetzes (BGH, Beschluss vom 27.06.2013 − XII ZB 91/13, NJW-RR 2013, 1155 Rn. 14, beck-online). Das Kriterium des „Angewiesenseins“ kann folglich auch für die Frage, ob bzw. in welchem Fall der Familienunterhalt im Rahmen des § 33 VersAusglG zur Aussetzung der Kürzung führen kann, keine Rolle spielen.
27Auch die Argumentation des Amtsgerichts, das sich insoweit auf die Kommentierung von BeckOGK/Maaß, 1.11.2023, VersAusglG § 33 Rn. 34.1 stützt, überzeugt nicht. Danach soll es sich bei § 1360 BGB nicht um einen Anspruch im Sinne der Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB handeln. Die Vorschrift behandele vielmehr die Frage, welcher Ehegatte (im Zweifel) die für die Familie monatlich erforderlichen finanziellen Mittel aufzubringen hat. Einen Anspruch des einen Ehegatten gegen den anderen auf eine unabhängig vom beiderseitigen Einvernehmen bestimmbare Leistung - ohne die ein Anspruch im Rechtssinne nicht denkbar sei - begründe § 1360 BGB (außerhalb des vom BGH zum Elternunterhalt anerkannten Anspruches auf Taschengeld oder im besonderen Fall der Heimunterbringung eines Ehegatten) nicht. Vor diesem Hintergrund sei der ausgleichspflichtige Ehegatte, der nach dem Versorgungsausgleich den ausgleichsberechtigten Ehegatten geheiratet hat, zwar möglicherweise in ähnlicher Weise belastet wie der Ehegatte, der Barunterhalt zu zahlen hat. Gleichwohl fehle es an der von § 33 Abs. 1 VersAusglG vorausgesetzten Situation, die von der Verpflichtung einer ohne die Kürzung zu zahlenden Geldrente ausgehe.
28Gegen diese Auffassung spricht, dass weder § 5 VAHRG noch § 33 VersAusglG nach Art oder Grund des erforderlichen Unterhaltsanspruchs differenzieren. Auch der Anspruch auf Familienunterhalt ist nach der Terminologie des Bürgerlichen Gesetzbuches ein „Anspruch auf Unterhalt“. Gem. § 1360 S. 1 BGB sind die Ehegatten einander wechselseitig zum Unterhalt verpflichtet, wobei sich der vom einzelnen Ehegatten zum Unterhalt beizusteuernde Anteil nach dem Verhältnis bestimmt, in dem seine Arbeitskraft und sein Vermögen zu Arbeitskraft und Vermögen seines Partners stehen (OVG Münster, Urteil vom 09.04.2008 – 1 A 2307/07, BeckRS 2008, 34762 Rn. 24, beck-online).
29Zudem sprechen Sinn und Zweck des § 33 VersAusglG dafür, auch den Familienunterhalt unter den Begriff des „Unterhalts“ zu subsumieren. Nach der Entscheidung des BVerfG vom 28.02.1980, die Hintergrund der Vorgängervorschrift § 5 VAHRG a.F. war, konnte die Beeinträchtigung eines Unterhaltsanspruches aufgrund des Versorgungsausgleiches zu einer mit den Art. 6 und 3 Abs. 2 GG nicht zu vereinbarenden Härte führen. Dabei hat das BVerfG sowohl die durch den Versorgungsausgleich begründete weitere Belastung des zum Unterhalt verpflichteten Ausgleichspflichtigen als auch drohende Versorgungslücken auf Seiten des unterhalts- und ausgleichsberechtigten Ehegatten als verfassungswidriges Ergebnis, das einen gesetzgeberischen Eingriff erfordere, bezeichnet. Die vom BVerfG geforderte Härteregelung, die mit § 5 VAHRG bzw. § 33 VersAusglG umgesetzt worden ist, dient also einerseits dem Schutz des Unterhaltsverpflichteten, der trotz der Kürzung seiner Rente aufgrund des Versorgungsausgleichs noch zu Unterhaltsleistungen an den geschiedenen Ehegatten verpflichtet sein kann und so in der Freiheit seiner Lebensführung weiter eingeschränkt wird. Andererseits dient sie auch dem Schutz des Unterhaltsberechtigten, dessen Unterhaltsanspruch durch die Kürzung der Rente des Unterhaltsverpflichteten aufgrund des Versorgungsausgleichs geschmälert wird, während ihm die übertragenen Werteinheiten mangels Vorliegens eines Versicherungsfalles noch nicht zugutekommen (BVerfG, Urteil vom 28.02.1980 – 1 BvL 17/77, NJW 1980, 692 (696); BeckOGK/Maaß, 1.11.2023, VersAusglG § 33 Rn. 2). § 5 VAHRG sollte daher als Härteregelung eine Doppelbelastung des ausgleichspflichtigen Ehegatten aufgrund Unterhaltspflicht und gleichzeitiger Kürzung der Versorgungsbezüge während eines Zeitraums vermeiden, innerhalb dessen der durch den Versorgungsausgleich Begünstigte aus der zu seinen Gunsten begründeten Anwartschaft noch nicht leistungsberechtigt ist (BVerwG, Urteil vom 22.07.1999 – 2 C 25.98, BVerwGE 109, 231, 234).
30Auch der ausgleichspflichtige Ehegatte, der den geschiedenen Ehepartner erneut geheiratet hat und diesem im Rahmen des § 1360 BGB unterhaltspflichtig ist, ist aber grundsätzlich einer solchen Doppelbelastung ausgesetzt (vgl. OVG Münster, Urteil vom 09.04.2008 – 1 A 2307/07, BeckRS 2008, 34762 Rn. 32, beck-online). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Beitrag des Verpflichteten zum Familienunterhalt unter Berücksichtigung seiner ungekürzten Rente oder Versorgung den Beitrag des Berechtigten übersteigt. Dies ist hier der Fall. Die Rente des Antragstellers beläuft sich ohne die Kürzung infolge des Versorgungsausgleichs auf 2.088,62 €. Die frühere und jetzige Ehefrau erzielt als Reinigungskraft in einem Kindergarten auf Basis eines sog. Minijobs ein durchschnittliches Einkommen von 446,00 €. Angesichts dieser Zahlen ergibt sich ohne Weiteres, dass der Beitrag des Antragstellers zum Familienunterhalt aufgrund von dessen höherer Leistungsfähigkeit denjenigen seiner Ehefrau übersteigt. Näherer Darlegungen dazu, wie die Ehefrau vor der Wiederheirat ihren Lebensunterhalt bestritten hat und warum sie lediglich einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht, bedarf es entgegen der Rechtsauffassung des Familiengerichts nicht. Es genügt, dass der Beitrag des Antragstellers zum Familienunterhalt nach der einvernehmlichen Lebensgestaltung der Ehegatten den Beitrag der Ehefrau übersteigt.
31An dem aufgezeigten Sinn und Zweck der Härtefallregelungen § 5 VAHRG bzw. § 33 VersAusglG ändert der Beschluss des BVerfG vom 06.05.2014 nichts. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit diesem Beschluss klargestellt, dass die Härtefallregelung des § 33 VersAusglG verfassungsrechtlich nicht geboten sei. Beziehe die ausgleichspflichtige Person zu einem früheren Zeitpunkt eine Versorgung als die ausgleichsberechtigte Person, sei die Rente der pflichtigen Person zwar bereits versorgungsausgleichsbedingt gekürzt, bevor die berechtigte Person Leistungen aus dem ihr übergegangenen Anrecht beziehe, so dass sich die Kürzung bei der verpflichteten Person vorübergehend noch nicht in der Auszahlung von Versicherungsleistungen an die berechtigte Person niederschlage. Dies beruhe jedoch wiederum auf der Verselbständigung der Versorgungsanrechte, die infolge der ausgleichsbedingten Teilung je eigenständigen, voneinander unabhängigen Versicherungsverläufen folgen. Eine von Verfassungs wegen zur Anpassung zwingende Beeinträchtigung des Eigentums der ausgleichspflichtigen Person bestehe nicht deshalb, weil sie infolge des Versorgungsausgleichs eine Kürzung ihrer Versorgungen hinnehmen müsse und gleichzeitig gegenüber der ausgleichsberechtigten Person zur Leistung von Unterhalt verpflichtet sei. Sei die ausgleichspflichtige Person trotz ihrer gekürzten Rente zu Unterhaltsleistungen in der Lage und verpflichtet, werde sie zwar durch das Zusammentreffen der Kürzung und der Unterhaltsverpflichtung in ihrer Lebensführung weiter eingeschränkt, da sie den Unterhalt aus insgesamt geringeren Einkünften bestreiten müsse. Dies unterscheide sie jedoch nicht von sonstigen Unterhaltsverpflichteten, die trotz Minderung ihrer Einkünfte, aber fortbestehender Leistungsfähigkeit zur Unterhaltszahlung verpflichtet bleiben. Eine verfassungsrechtliche Garantie, infolge einer Scheidung keine spürbaren Einschränkungen der Lebensführung hinnehmen zu müssen, bestehe nicht. Das geltende Unterhaltsrecht schütze die ausgleichspflichtige Person insofern vor Härten, als es die Leistungspflicht an deren Leistungsfähigkeit ausrichte und dabei insbesondere einen - über dem zur Existenzsicherung Notwendigen liegenden - Selbstbehalt des Unterhaltsverpflichteten vorsehe (vgl. § 1581 BGB). Ein verfassungsrechtliches Erfordernis, darüberhinausgehend die versorgungsausgleichsbedingte Kürzung der Versorgungsanrechte auszusetzen, lasse sich aus Art. 14 GG nicht ableiten (BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 1 BvL 9/12 –, BVerfGE 136, 152-190, Rn. 59 ff.). Damit hat das BVerfG seine Rechtsauffassung aus dem Jahr 1980 ausdrücklich aufgegeben.
32Dass eine Härteregelung (auch) im vorliegenden Fall, in dem es um eine Beamtenversorgung nach § 32 Nr. 2 VersAusglG geht, verfassungsrechtlich nicht geboten ist, hindert den Gesetzgeber aber nicht daran, gleichwohl eine Möglichkeit zur Kürzung der laufenden Versorgung des Ausgleichspflichtigen vorzusehen, wie es mit § 33 VersAusglG geschehen ist. Von der Normierung weiterer, diesen Fall gegebenenfalls einschränkend regelnder Tatbestandsvoraussetzungen hat der Gesetzgeber gerade abgesehen.
332.
34Die Kürzung kann ausgesetzt werden, da sie die zum Ehezeitende am 30.06.2018 maßgebliche Geringfügigkeitsgrenze des § 33 Abs. 2 VersAusglG überstiegen hat. Die Kürzung des Rentenbetrags des Antragstellers bei der U. Versorgung betrug am Ende der Ehezeit 258,32 EUR monatlich, damit mehr als 2 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Letztere lag für das Jahr 2018 bei 60,90 €.
353.
36Die Kürzung der Versorgung des Antragstellers ist in Höhe von 273,89 € auszusetzen.
37Die Aussetzung der Kürzung ist nach § 33 Abs. 3 Hs. 1 VersAusglG einerseits in Höhe des (fiktiven) Unterhaltsanspruchs und andererseits nach § 33 Abs. 3 Hs. 2 VersAusglG auf die Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte begrenzt (Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Aufl., § 33 Rn. 28).
38a.
39Der – auf der Grundlage des Bruttobetrages der verfahrensgegenständlichen Versorgung zu ermittelnde (Götsche/Rehbein/Breuers, a.a.O., § 33 Rn. 28) – fiktive Unterhaltsanspruch der Ehefrau beläuft sich auf 821,31 €.
40Die ungekürzte Rente des Antragstellers beläuft sich auf 2.088,62 €. Das Einkommen der Ehefrau beträgt durchschnittlich 446,00 € (Minijob, daher netto wie brutto), so dass sich eine Differenz von 1.642,62 € und ein (fiktiver) Anspruch der Ehefrau auf Familienunterhalt in Höhe von 821,31 € ergibt. Der (fiktive) Unterhaltsbetrag übersteigt damit den Kürzungsbetrag aufgrund des Versorgungsausgleichs deutlich, eine Begrenzung nach § 33 Abs. 3 Hs. 2 VersAusglG findet damit nicht statt.
41b.
42Da die U. Versorgung bereits mit Bescheid vom 16.12.2021 die Kürzung i.H.v. 2,54 EUR nach den §§ 35, 36 VersAusglG ausgesetzt hat, beläuft sich der Betrag, um den sie aktuell die Versorgung kürzt, auf 273,89 EUR. Um diesen Betrag ist die Kürzung der Versorgung des Antragstellers folglich auszusetzen.
434.
44Die Anpassung war gem. § 34 Abs. 3 VersAusglG ab dem ersten Tag des auf die Antragstellung folgenden Monats vorzunehmen, mithin ab dem 01.07.2023. Bei verständiger Auslegung lässt das Schreiben des Antragstellers vom 15.06.2023 erkennen, dass dieser die Aussetzung der Kürzung seiner Rente begehrt.
455.
46Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen, § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
476.
48Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Der Senat hat seine Entscheidung auf der Grundlage der ganz überwiegenden Auffassung in der einschlägigen Kommentierung und der zur Vorgängervorschrift ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung getroffen. Soweit ersichtlich, existiert zu § 32 VersAusglG keine höchst- oder obergerichtliche Entscheidung, der zufolge beim Bestehen eines Unterhaltsanspruchs nach § 1360 BGB eine Aussetzung der Kürzung ausgeschlossen ist. Deshalb erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.