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Auf das als Beschwerde auszulegende Rechtsmittel der Umgangspflegerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Gelsenkirchen vom 25.08.2023 (101 F 318/22) abgeändert und die an Frau E. Y. für die Tätigkeit als Umgangspflegerin im Zeitraum vom 25.11.2022 bis zum 30.06.2023 zu zahlende Vergütung auf insgesamt 10.140,42 Euro abzüglich des bereits gezahlten Vorschusses in Höhe von 4.000,00 Euro, festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 776,49 Euro festgesetzt.
I.
2Die Umgangspflegerin ist Diplom-Pädagogin und durch Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Gelsenkirchen vom 18.11.2022 (101 F 120/19), in dem die Berufsmäßigkeit festgestellt ist, bestellt worden. Das Amtsgericht hat dabei auch die Begleitung der Umgangskontakte bis zum 14.04.2023, darüber hinaus noch eine Begleitung der Übergaben angeordnet. Zudem wurde die Umgangspflegerin mit der Vor- und Nachbereitung im Rahmen von Elterngesprächen betraut.
3Für den Zeitraum bis zum 30.06.2023 begehrte die Umgangspflegerin eine Vergütung in Höhe von insgesamt 10.325,67 Euro: Mit Schreiben vom 06.04.2023 machte die Umgangspflegerin für den Zeitraum 01.01.2023 bis 31.03.2023 einen Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 5.246,25 Euro geltend, davon 4.552,25 Euro für insgesamt 116,75 Stunden zu je 39,00 Euro zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von 693,00 Euro, sowie für den Monat Dezember 2022 in Höhe von insgesamt 1.254,60 Euro, davon 1.189,50 Euro für insgesamt 30,5 Stunden zu je 39,00 Euro und Fahrtkosten in Höhe von 65,10 Euro. Dabei gab sie in den beigefügten Stundennachweisen den Zeitaufwand jeweils in 15-Minuten-Intervallen an. Zudem gab sie für das Einscannen der Verfahrensakten einen Zeitaufwand von 6,75 Stunden an. Mit weiterem Schreiben vom 03.08.2023 machte die Umgangspflegerin für die Zeit vom 01.04.2023 bis 30.06.2023 einen weiteren Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 3.824,82 Euro geltend, wobei sie den Zeitaufwand nunmehr minutengenau angab.
4Nach einer Abschlagszahlung in Höhe von 4.000,00 Euro hat das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss die Vergütung der Umgangspflegerin für den Zeitraum 25.11.2022 bis 27.06.2023 auf weitere 5.549,18 Euro festgesetzt. Dabei entfällt auf den Zeitaufwand für das Einscannen der Akten eine Stunde. Den danach für den Zeitraum bis zum 31.03.2023 angesetzten Zeitaufwand hat das Amtsgericht pauschal um weitere 10 % gekürzt, weil die Umgangspflegerin nicht minutengenau abgerechnet habe.
5Dagegen wendet sich die Umgangspflegerin mit ihrem als sofortige Beschwerde bezeichneten Rechtsmittel. Zu Begründung führt sie insbesondere aus, dass eine minutengenaue Abrechnung nicht verlangt werden könne. Der Zeitaufwand sei tatsächlich entstanden, zumal kürzere Tätigkeiten nicht dokumentiert und gesondert abgerechnet werden. Auch sei der gesamte Akteninhalt für die Durchführung der Pflegschaft erforderlich gewesen, um genaue Kenntnisse über den elterlichen Konflikt zu erlangen. Der Zeitaufwand von 6,75 Stunden erkläre sich aus dem Umfang der Akten, dem notwendigen Auseinanderheften sowie dem „Enttackern“ von einzelnen Schriftsätzen. Schließlich sei der Anspruch der Umgangspflegerin in Höhe von 5.246,25 Euro und weiteren 1.254,60 Euro ab dem 07.05.2023 sowie in Höhe von weiteren 3.824,82 Euro ab dem 03.09.2023 zu verzinsen, weil er mit dem Beginn der Tätigkeit entstehe.
6Das Amtsgericht hat vor der Übersendung des Rechtsmittels an das Beschwerdegericht eine Nichtabhilfeentscheidung getroffen.
7II.
81.
9Das als sofortige Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel der Umgangspflegerin ist als gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde auszulegen. Denn die Festsetzung der Vergütung der Umgangspflegerin erfolgt richtigerweise gemäß §§ 1684 Abs. 3 Satz 6 BGB, 277 Abs. 4, 292 Abs. 1 FamFG durch einen zu begründenden Beschluss nach § 38 FamFG (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.03.2021, 2 WF 228/20, FamRZ 2022, 555, Juris Rn. 14; Giers, in Sternal, FamFG, 21. Auflage 2023, § 292 FamFG, Rn. 19). Eine Abhilfemöglichkeit des Amtsgerichts besteht daher gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht.
10Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der gemäß § 63 Abs. 1 FamFG einmonatigen Beschwerdefrist eingelegt. Auch übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 Euro, § 61 Abs. 1 FamFG. Denn die Umgangspflegerin begehrt die Festsetzung ihrer Vergütung in Höhe von insgesamt 10.325,67 Euro, während das Amtsgericht die Vergütung auf lediglich 9.549,18 Euro festgesetzt hat. Der Beschwerdegegenstand beträgt damit 776,49 Euro.
112.
12Die Beschwerde ist teilweise begründet. Der Umgangspflegerin steht für die Tätigkeit im Zeitraum 25.11.2022 bis zum 30.06.2023 eine Vergütung in Höhe von insgesamt 10.140,42 Euro zu.
13a)
14Die Vergütung sowie der Anspruch auf Aufwendungsersatz für die vom Umgangspfleger berufsmäßig geführte Umgangspflegschaft richtet sich nach §§ 1684 Abs. 3 S. 6 BGB, 277 FamFG, 3 VBVG, 1835 Abs. 1 BGB a.F.
15Im Grundsatz zutreffend hat das Amtsgericht die Vergütung der Umgangspflegerin gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG nach einem Stundensatz von 39,00 Euro bemessen. Die Vergütung erfolgt für jede Stunde der für die Führung der Vormundschaft aufgewandten und erforderlichen Zeit. Dabei ist der Umgangspfleger grundsätzlich berechtigt, unmittelbar nach der Bestellung sich die für die Durchführung seiner Tätigkeit notwendige Informationen zu verschaffen. Dazu gehört sicherlich in die gerichtlichen Akten Einsicht zu nehmen, diese durchzuarbeiten und auszuwerten (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.12.2003, 9 WF 215/03, zitiert nach juris).
16Vergütet wird dabei der für die Erfüllung der Aufgaben notwendige Zeitaufwand, gemessen daran, was ein sorgfältig arbeitender, gewissenhafter Umgangspfleger zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als notwendig ansehen würde. Nach diesen Maßstäben ist der geltend gemachte (Zeit-)Aufwand einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen (Senat, Beschluss vom 02.01.2014, 6 WF 133/13, Juris Rn. 19; OLG München, Beschluss vom 11.07.2017, 33 WF 559/17, Juris Rn. 6; Posselt, in Erman, BGB, 17. Auflage 2023, § 3 VBVG, Rn. 4).
17aa)
18Nach diesen Maßstäben hat die Umgangspflegerin grundsätzlich einen Anspruch auf Vergütung eines Zeitaufwandes für das Einscannen der Verfahrensakte, soweit sie deren Inhalt für die Durchführung der Umgangspflegschaft für erforderlich halten durfte und sie die Tätigkeit selbst ausgeführt hat (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.01.2021, 1 W 3353/20, Juris Rn. 23 für den Nachlasspfleger). Zu Recht ist das Amtsgericht allerdings davon ausgegangen, dass das Einscannen der gesamten Verfahrensakte von etwa 800 Seiten für die Durchführung der Umgangspflegschaft nicht erforderlich war. Die Darlegungslast für die Erforderlichkeit liegt dabei bei dem Umgangspfleger (OLG Koblenz, Beschluss vom 20.12.2018, 13 WF 914/18, FamRZ 2019, 1437, Juris Rn. 6; Posselt, in Erman, BGB, 17. Auflage 2023, § 3 VBVG, Rn. 3). Dem ist die Umgangspflegerin auch mit der Beschwerde nicht hinreichend nachgekommen. Zwar legt sie plausibel dar, dass die Umgangspflegschaft konkrete Kenntnisse der Familienverhältnisse und des Sach- und Streitstands erforderte, weil das Amtsgericht ihr die Begleitung der Umgänge und die Durchführung von Elterngesprächen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung übertragen hat. Für diesen Zweck hätte es jedoch ausgereicht, das schriftliche Gutachten nebst den ergänzenden Stellungnahmen der Sachverständigen sowie das Terminsprotokoll einzuscannen. Der Senat schätzt den dafür erforderlichen Zeitaufwand gemäß § 287 ZPO auf maximal zwei Stunden.
19Im Ergebnis ist die beantragte Vergütung danach um 4,75 Stunden * 39,00 Euro = 185,25 Euro zu kürzen.
20bb)
21Soweit sich die Umgangspflegerin gegen einen pauschalen Abschlag von 10 % der in Ansatz gebrachten Stunden wendet, weil sie ihre Tätigkeit nicht minutengenau aufgeschlüsselt hat, ist ihre Beschwerde begründet.
22Die Frage, ob § 3 VBVG von dem Vormund oder Pfleger eine minutengenaue Abrechnung verlangt, ist in der Rechtsprechung und Literatur umstritten. Nach einer insbesondere in der Literatur vertretenen Auffassung ist eine minutengenaue Aufschlüsselung erforderlich, weil es andernfalls zu einer nicht vorgesehenen Pauschalierung käme (Posselt, in Erman, BGB, 17. Auflage 2023, § 3 VBVG, Rn. 14; Fröschle, in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2024, § 3 VBVG, Rn. 8; Bohnert, in Beck-OGK, Stand 15.12.2022, § 3 VBVG, Rn. 29; für Nachlasspflegschaften ebenso OLG Celle, Beschluss vom 24.03.2016, 6 W 14/16, FamRZ 2016, 2035, Juris Rn. 4). Nach anderer, zur Vergütung des Nachlasspflegers nach § 3 VBVG entwickelter Auffassung, bedarf es einer minutengenauen Aufschlüsselung nicht; maßgeblich ist danach vielmehr, dass die Angaben in dem Vergütungsantrag die Feststellung einer ungefähren Größenordnung für die entfalteten Tätigkeiten ermöglichen und so zur Grundlage einer Schätzung nach § 287 ZPO gemacht werden können (jeweils zum Nachlasspfleger: BGH, Beschluss vom 14.03.2018, IV ZB 16/17, FamRZ 2018, 958, Juris Rn. 27; OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.03.2023, 20 W 226/21, FamRZ 2023, 1660, Juris Rn. 28; OLG Hamm, Beschluss vom 30.11.2022, 15 W 260/18, NLPrax 2022, 67, Juris Rn. 44; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.11.2019, 3 Wx 189/19, Rpfleger 2020, 275, Juris Rn. 16; OLG Braunschweig, Beschluss vom 01.11.2018, 1 W 144/16, NLPrax 2019, 35, Juris Rn. 49; OLG München, Beschluss vom 16.03.2015, 31 Wx 81/14, Juris Rn. 7).
23Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Die inhaltlichen Voraussetzungen an einen ordnungsgemäßen Vergütungsantrag sind gesetzlich nicht geregelt. Die durch das Gericht durchzuführende Plausibilitätskontrolle erfordert jedoch, dass der Pfleger die zur Abrechnung gestellten Tätigkeiten zumindest stichwortartig angibt und in einem Umfang konkretisiert, der eine überschlägige Prüfung des abgerechneten Zeitraums und so eine sachliche Überprüfung der Abrechnungspositionen erlaubt. Diese Prüfung kann das Gericht dann nicht vornehmen, wenn die Abrechnung lediglich eine Angabe der Stundenzahl ohne konkreten Tätigkeitsnachweis enthält. Umgekehrt bedarf es schon mit Blick auf einen sonst unverhältnismäßig hohen Zeit- und Dokumentationsaufwand keiner minutengenauen Abrechnung, um die Angaben auf Plausibilität überprüfen zu können (BGH, Beschluss vom 14.03.2018, IV ZB 16/17, FamRZ 2018, 958, Juris Rn. 27; OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.03.2023, 20 W 226/21, FamRZ 2023, 1660, Juris Rn. 28; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.11.2019, 3 Wx 189/19, Rpfleger 2020, 275, Juris Rn. 16). Ähnlich wie der Nachlasspfleger handelt der Umgangspfleger im Rahmen seines durch das Gericht festgesetzten Aufgabenkreises zudem selbständig.
24Diesen Anforderungen genügen die Abrechnungen der Umgangspflegerin auch für die Zeiträume vom 25.11.2022 bis zum 31.03.2023. Die Angabe in Viertelstunden-Intervallen lässt die ungefähre Größenordnung der jeweiligen Tätigkeiten als hinreichende Schätzgrundlage erkennen. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil die Umgangspflegerin deutlich gemacht hat, dass sie gerade nicht für jede angefangene Viertelstunde einen Umfang von 15 Minuten abgerechnet hat, sondern sowohl auf- als auch abgerundet hat.
25b)
26Ein Anspruch auf Verzinsung der Vergütung, den die Umgangspflegerin erstmals mit der Beschwerde geltend gemacht und über den das Amtsgericht in dem Nichtabhilfebeschluss vom 31.10.2023 entschieden hat, besteht nicht. Denn der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse wird erst mit der gerichtlichen Festsetzung fällig (OLG Rostock, Beschluss vom 01.03.2007, 3 W 144/05, FamRZ 2007, 1690, Juris Rn. 7; BayObLG, Beschluss vom 19.10.2001, 3Z BR 216/01, FamRZ 2002, 767, Juris Rn. 27; Felix, in Toussaint, Kostenrecht, 53. Auflage 2023, § 2 VBVG, Rn. 99).
273.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.