Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Senat beabsichtigt, ohne erneute mündliche Verhandlung zu entscheiden, § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG. Die Beschwerde dürfte nach derzeitigem Sach- und Streitstand zurückzuweisen sein.
Der Antragsteller sollte eine Rücknahme seines Rechtsmittels in Erwägung ziehen und seine Entscheidung binnen zwei Wochen mitteilen.
Auf diesen Hinweis ist die Berufung zurückgenommen worden.
2Gründe:
3Ein Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung von September 2023 bis April 2024 besteht nicht. Denn die Beteiligten haben nach der Trennung eine (undatierte) privatschriftliche Vereinbarung getroffen, wonach die Antragsgegnerin auf die Zahlung von Trennungsunterhalt verzichtet und ihr im Gegenzug dafür keine Miete für die Haushälfte berechnet wird, in welcher sie seit der Trennung mietfrei mit den beiden gemeinsamen Kindern wohnt. Daran ist der Antragsteller gebunden.
41.)
5Der Nutzungsentschädigungsanspruch nach § 1361b Abs. 3 BGB wird durch die ehelichen Lebensverhältnisse und die über die Trennung der Eheleute hinausgehende Pflicht zur ehelichen Solidarität überlagert. Der in der im gemeinsamen Miteigentum stehenden Ehewohnung verbleibende Ehegatte ist zur Leistung einer Nutzungsentschädigung an den anderen Ehegatten nach dieser Vorschrift daher nur verpflichtet, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht. Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn die mit der Benutzung der gemeinschaftlichen Wohnung verbundenen Vorteile bereits auf andere Weise ausgeglichen sind. Ein solcher Ausgleich kann auch darin zu sehen sein, dass die Ehegatten die fortdauernde Nutzung der bisherigen Ehewohnung durch die Ehefrau bereits bei der Ermittlung eines etwaigen Unterhaltsanspruchs für sie als einkommenserhöhenden Wohnvorteil berücksichtigt haben, durch welchen ihre Bedürftigkeit entfallen ist (vgl. OLG Naumburg, Urteil v. 23.4.2009, Az. 8 U 17/08, FamRZ 2009, 2090, zit. n. juris, Rn. 33 f.; KG, Beschluss vom 25.2.2015, 3 UF 55/14, zit. n. juris, Rn. 14 f.; OLG Frankfurt Beschluss vom 9.5.2012, Az. 4 UF 14/12, zit. n. juris, Rn. 31; Staudinger/Voppel, BGB (2024) BGB, § 1361b, Rn. 71). Das gilt auch in den Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte auf die Geltendmachung eines entsprechenden Unterhaltsanspruchs in Ansehung des ihm zuzurechnenden Wohnwerts für die mietfreie Nutzung der Ehewohnung verzichtet hat, wobei es auf die tatsächliche Höhe des Unterhaltsanspruchs nicht entscheidend ankommt, weil die im Unterhaltsverfahren zu klärenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen im Ehewohnungsverfahren nach § 1361b BGB schon wegen der unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Grundsätze – die Ehewohnungssache ist ein reines FamFG-Verfahren, für das die §§ 2 ff. FamFG gelten, hingegen handelt es sich bei Unterhaltssachen nach § 112 Nr. 1, Alt. 1 FamFG um Familienstreitsachen für die nach § 113 Abs. 1 FamFG weitgehend die Vorschriften der ZPO gelten - nicht zu entscheiden sind (vgl. KG, Beschluss vom 25.2.2015, Az. 3 UF 55/14, a. a. O., Rn. 16). So liegen die Dinge hier.
6Ohne Berücksichtigung des Wohnvorteils durch das mietfreie Wohnen hätte der Antragsgegnerin ein Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt gegen den Antragsteller gem. § 1361 BGB zugestanden. Das folgt bereits aus der Einkommensdifferenz zugunsten des Antragstellers in den Jahren 2023 und 2024.
7Im Zeitraum von September bis Dezember 2023 bezog der Antragsteller ein Einkommen (incl. Rentenzahlungen) von insgesamt 3.448 €. Nach Abzug der Belastungen (anteiliger Immobilienkredit mit 252,10 € und Kindesunterhalt mit 581 € monatlich) und des auf das Arbeitseinkommen beschränkten Erwerbstätigenbonus (222,39 €) verblieben ihm rund 2.393 €. Die Antragsgegnerin verfügte demgegenüber ab September 2023 – ausweislich der von ihr für diesen Zeitraum eingereichten Lohnabrechnungen – über ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen aus Haupt- und Nebentätigkeit von rund 1.656 € (Nettoeinkommen 1.745,42 € zzgl. 375,05 € Nebeneinkünfte, abzgl. 252,10 € anteiliger Immobilienkredit, abzgl. 212,05 € Erwerbstätigenbonus).
8Ab Januar 2024 verfügt die Antragsgegnerin – ausweislich der von ihr eingereichten Lohnabrechnungen aus ihrer Haupttätigkeit und aus ihrer Nebentätigkeit bis Juli 2024 – aus Haupt- und Nebentätigkeit monatlich über netto 2.365 €. Abzgl. Immobiliendarlehen und Erwerbsbonus verbleiben ihr rund 1.876 €, und damit weniger als dem Antragsteller, dem von seiner Rente (von 1.224,92 €) und seinem Krankengeld (von 1.760,40 €) abzgl. Darlehen (252,10 €) und Kindesunterhalt von 649 € monatlich rund 2.084 € verbleiben.
9Diesem Umstand haben die Beteiligten aus Anlass ihrer Trennung dadurch Rechnung getragen, dass sie hinsichtlich des in ihrem Miteigentum stehenden Hausgrundstücks eine Nutzungsregelung i. S. d. § 745 Abs. 2 BGB getroffen haben, nach der die Antragsgegnerin zur alleinigen Nutzung der Ehewohnung in der Trennungszeit berechtigt sein sollte ohne hierfür eine Nutzungsentschädigung an den Antragsteller entrichten zu müssen. Im Gegenzug dafür hat sie von der Geltendmachung von Trennungsunterhalt abgesehen, wobei die Beteiligten davon ausgegangen sind, dass ihr eheangemessener Bedarf durch ihr eigenes Einkommen und den Wohnwertvorteil gedeckt ist. Von dieser Vereinbarung konnte sich der Antragsteller nicht einseitig durch das Verlangen einer Nutzungsentschädigung für die Zurverfügungstellung des Wohnraums lösen.
102.)
11Der Antragsgegnerin kann auch nicht vorgeworfen werden, es versäumt zu haben, ihren Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt rechtzeitig nach Kenntniserlangung vom Zahlungsverlangen des Antragstellers auf Nutzungsentschädigung geltend zu machen. Die Antragsgegnerin war, wie auch der Antragsteller selbst, an die Vereinbarung zwischen den Beteiligten über die Nichtgeltendmachung von Trennungsunterhalt gegen Gewährung mietfreien Wohnens gebunden. Insoweit kann sich Antragsteller kann nicht zu seinen Gunsten darauf berufen, dass die Vereinbarung wegen eines Verstoßes gegen §§ 1360a Abs.3, 1361 Abs. 4 Satz 3, 1614 Abs. 1 BGB unwirksam und daher nach § 134 BGB nichtig sei, denn für einen Verzicht auf Trennungsunterhalt bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte, nachdem die Beteiligten in ihrer – undatierten – Vereinbarung zum Trennungsunterhalt offensichtlich davon ausgegangen sind, dass der Bedarf der Antragsgegnerin durch den ihr zur Verfügung gestellten Wohnwert gedeckt ist.
12Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsverzicht i. S. v. § 1614 Abs. 1 BGB von generell zulässigen Vereinbarungen über die konkrete Ausgestaltung des angemessenen Unterhalts abzugrenzen ist. Möglich ist es dabei, sowohl Regelungen zur Art der Unterhaltsgewährung als auch zur Höhe der Unterhaltsleistungen sowie zu (Auszahlungs-)Modalitäten zu treffen (beckOGK-Hamberger, BGB, Stand 1.8.2024, § 1614, Rn. 63, vgl. auch BGH, Beschluss vom 18.5.2022, XII ZB 325/20, Juris Rn. 38). § 1361 Abs. 4 Satz 1 BGB, wonach der Trennungsunterhalt durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren ist, ist disponibel und somit einer abweichenden Vereinbarung unter den Ehegatten zugänglich (BGH, Urteil vom 13.11.1996, XII ZR 125/95, Juris, Rn. 11; Grüneberg/v. Pückler, BGB, 83, Aufl., § 1361, Rn. 69). Die Beteiligten durften daher eine Leistung in natura – hier durch „mietfreies“ Wohnen – vereinbaren.
13Da es keinen gesetzlich exakt bestimmten Unterhalt gibt, besteht für die Bemessung des Unterhalts ein „Angemessenheitsrahmen“, den die Beteiligten nach unten ausschöpfen können, ohne dass die Vereinbarung unwirksam ist (BeckOGK-Hamberger, a.a.O., Rn. 64ff.). Überwiegend werden Unterschreitungen des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs in der Größenordnung von bis zu 20% als unproblematisch angesehen, während Verkürzungen um mehr als ⅓ nicht mehr hingenommen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 30.9.2015, XII ZB 1/15; OLG Hamm Beschluss vom 15.2.2006, 11 WF 47/06; Urteil vom 1.12.1999, 12 UF 38/99; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.6.2000, 5 WF 114/00; MünchKomm-Weber-Monecke, BGB, 9. Aufl., § 1361, Rn. 51; Bömelburg in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 4, Rn. 85).
14Dass diese Grenze im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung überschritten war, kann nicht festgestellt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Antragsgegnerin für die Nutzung des Hauses ein nach Ansicht des Antragsstellers marktüblicher Wohnwert von 1.100 € zuzurechnen ist.
15Stellt man das im Zeitraum von September bis Dezember 2023 vom Antragsteller bezogene bereinigte Einkommen von 2.393 € dem bereinigten Einkommen der Antragsgegnerin von 1.656 € gegenüber, verbleibt unter Berücksichtigung Wohnwertes von 1.100 € kein Unterhaltsanspruch. Bei einem Wohnwert von lediglich 650 € verbleibt ein geringer Unterhaltsanspruch, auf den wirksam verzichtet werden kann.
162024 betrug das bereinigte Einkommen die Antragsgegnerin aus Haupt- und Nebentätigkeit 1.876 €, während dem Antragsteller 2.084 € verbleiben (s. o.). Ein Verzicht auf Trennungsunterhalt liegt weder bei einem Wohnwert von 1.100 € noch bei einem Wohnwert von 650 € vor.
173.)
18Selbst wenn die Vereinbarung wegen des Verstoßes gegen §§ 1360a Abs.3, 1361 Abs. 4 Satz 3, 1614 Abs. 1 BGB unwirksam wäre – etwa weil die Antragsgegnerin 2022 weniger verdient und somit auf einen Unterhaltsanspruch jenseits des „Angemessenheitsrahmens“ verzichtet hätte -, wäre aus Billigkeitserwägungen keine Nutzungsentschädigung zu zahlen. Denn in Höhe eines fiktiven Unterhaltsanspruchs entspricht eine Nutzungsentschädigung regelmäßig nicht der Billigkeit (KG, Beschluss vom 25.2.2015, Az. 3 UF 55/14, a. a. O.; OLG Frankfurt Beschluss vom 9.5.2012, Az. 4 UF 14/12, a. a. O.; Staudinger/Voppel, a. a. O.). Bis Ende 2023 hätte die Antragsgegnerin – wie dargelegt - einen Unterhaltsanspruch gegen den Antragsteller gehabt.
19Für die Zeit von Januar bis April 2024 wäre – unabhängig davon, dass dem Antragsteller von seinem Einkommen deutlich weniger verblieben ist, als der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung des ihr zuzurechnenden Wohnwertes zustand – ebenfalls aus Billigkeitsgründen keine Nutzungsentschädigung zu zahlen. Das Verbot, auf Trennungsunterhalt zu verzichten, dient dem Schutz des unterhaltsberechtigten Ehepartners, hier also der Antragsgegnerin. Der Antragsteller hätte in der ersten Zeit nach der Trennung von der getroffenen Regelung in hohem Maße profitiert. Es wäre unbillig, wenn er für die letzte Zeitspanne der Trennung von Januar bis April 2024 eine Nutzungsentschädigung erhält, weil die getroffene Vereinbarung unwirksam ist, während die Antragsgegnerin für die Zeit davor (von Januar 2022 bis April 2024) im Vertrauen auf die für sie ungünstige Regelung keinen Unterhaltsanspruch geltend gemacht hat und diesen nun nicht mehr durchsetzen kann.