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1.Die Möglichkeit zur Beantragung von Verfahrenskostenhilfe steht jedem formell Beteiligten unabhängig davon zu, ob er durch das Verfahren auch in materiellen Rechten beeinträchtigt werden kann.
2.Gleiches hat dann auch für die Frage der Berechtigung zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe zu gelten.
I.
Die Sache wird auf den Senat übertragen (§ 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 568 ZPO).
II.
Auf die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten vom 23.01.2024 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Lennenstadt vom 02.01.2024 abgeändert.
Der weiteren Beteiligten M. wird für die erste Instanz ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihr wird Rechtsanwalt J. aus F. zur Wahrnehmung ihrer Rechte in jener Instanz beigeordnet.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,- € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3In dem vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 27.10.2023 der Kindesmutter, die unter gesetzlicher Betreuung steht, das Sorgerecht für ihre Tochter N. entzogen.
4Eingeleitet worden ist das Verfahren im August 2022 durch eine Anregung des Betreuers B., für das Kind eine Vormundschaft einzurichten.
5Mit Schriftsatz vom 09.09.2022 meldete sich die Schwester der Kindesmutter, die weitere Beteiligte T. M., über einen Verfahrensbevollmächtigten zum Verfahren. Sie zeigte an, dass sie derzeit das Kind versorge und auch bereit wäre, das Kind in Verwandtenpflege zu nehmen.
6Das Amtsgericht ordnete die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter und des Vorliegens einer Kindeswohlgefährdung an. Nachdem dieses Gutachten eingegangen war, bestimmte das Amtsgericht unter dem 08.09.2023 Termin und lud hierzu auch die weitere Beteiligte (GA 47 f.).
7In dem Termin hat der Verfahrensbevollmächtigte der weiteren Beteiligten M. beantragt, seiner Mandantin Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen; die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen werde er nachreichen (GA 73). Hierfür hat ihm das Amtsgericht eine Frist von 2 Wochen gesetzt.
8Die entsprechende Erklärung ist – verspätet – mit Datum vom 26.10.2023 eingereicht worden.
9Das Amtsgericht hat daraufhin durch Verfügung vom 30.11.2023 darauf hingewiesen, dass die Erklärung Unstimmigkeiten aufweise (Bl. 16 des VKH-Heftes). Insbesondere habe die weitere Beteiligte die Frage nach Einkommen verneint, gleichzeitig aber eine Verdienstbescheinigung zur Akte gereicht. Das Amtsgericht gab ihr deshalb auf, die Verdienstabrechnungen der letzten 6 Monate vorzulegen.
10Da die weitere Beteiligte dem nicht nachkam, hat das Amtsgericht das Verfahrenskostenhilfegesuch durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.
11Dagegen wendet sich die weitere Beteiligte mit ihrer sofortigen Beschwerde, in der sie darauf verwiesen hat, das vollständige Formular zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen werde „schnellstmöglich nachgereicht“.
12Weil das Formular aber bis zum 12.02.2024 weiterhin nicht eingegangen war, hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.
13Unter dem 16.02.2024 ist sodann eine ergänzte Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zur Akte gereicht worden.
14II.
15Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.
161.
17Sie ist gemäß § 76 Abs. 2 ZPO statthaft.
18Insbesondere ist die weitere Beteiligte beschwerdeberechtigt.
19Dies ergibt sich vorliegend aus der formellen Beteiligtenstellung der Beschwerdeführerin im Sinne von § 7 FamFG.
20a)
21Soweit § 59 Abs. 1 FamFG für die Beschwerdeberechtigung auf die Beeinträchtigung in materiellen Rechten abstellt, betrifft dies eine andere Konstellation. Denn dort geht es um die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung in der Sache. Hier hingegen geht es nicht um ein Rechtsmittel gegen den Entzug der elterlichen Sorge als solche, sondern um die Frage der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Die Möglichkeit zur Beantragung von Verfahrenskostenhilfe muss aber jedem formell Beteiligten offen stehen unabhängig davon, ob er durch das Verfahren auch in materiellen Rechten beeinträchtigt werden kann. Gleiches hat dann auch für die Frage der Berechtigung zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe zu gelten.
22b)
23Die Beschwerdeführerin ist formelle Beteiligte.
24Ihr Schriftsatz vom 09.09.2022 ist als Hinzuziehungsantrag im Sinne von § 7 Abs. 3 und 4 FamFG anzusehen. Ein solcher Antrag muss nicht ausdrücklich gestellt werden. Es genügt vielmehr, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass jemand am Verfahren mitwirken will (Sternal, in: Sternal, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 7 Rn. 33). Dies ergibt sich hier im Wege der Auslegung aus dem Vorbringen in dem erwähnten Schriftsatz. Denn dort wird mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin als Verwandtenpflegerin und Vormünderin in Betracht zu ziehen sei, woraus sich ergibt, dass sie in dieser Hinsicht am Verfahren teilnehmen möchte.
25Die Hinzuziehungsentscheidung des Amtsgerichts kann ebenso konkludent erfolgen, ein förmlicher Beschluss im Sinne von § 38 FamFG ist nicht erforderlich (Sternal, a.a.O., § 7 Rn. 39). Vielmehr kann eine solche Hinzuziehung auch konkludent erfolgen, was regelmäßig anzunehmen ist, wenn das Gericht einen Dritten zu einem Termin lädt (vgl. BGH, Beschluss vom 09.04.2014 – XII ZB 595/13, FamRZ 2014, 1099). So liegt es auch hier, weil das Amtsgericht die Beschwerdeführerin durch Verfügung vom 08.09.2023 zu dem auf den 10.10.2023 angesetzten Termin geladen hat (GA 47 f.).
262.
27Die Beschwerde ist auch begründet.
28Zwar hat das Amtsgericht nach dem seinerzeitigen Sach- und Streitstand die Verfahrenskostenhilfe zu Recht abgelehnt.
29Zwischenzeitlich ist jedoch eine weitere Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zur Akte gereicht worden, aus der sich die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin ergibt. Diese ist unabhängig davon zu berücksichtigen, dass sie nicht mehr innerhalb der vom Amtsgericht gesetzten Frist vorgelegt wurde (§ 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO). Nach diesen Vorschriften kann insbesondere auch ein Beteiligter, dem Verfahrenskostenhilfe wegen einer fehlenden oder unzureichenden Erklärung zu den wirtschaftlichen Verhältnissen versagt wurde, diese Erklärung im Beschwerdeverfahren noch nachholen (Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2023, § 127 Rn. 35).
30Der Senat sieht auch keine Veranlassung, von der Beschwerdeführerin eine weitere Glaubhaftmachung zu verlangen. Soweit das Amtsgericht der Beschwerdeführerin aufgegeben hatte, die Verdienstabrechnungen für die letzten 6 Monate vorzulegen, ist das aus Sicht des Senats nach dem nunmehrigen Sach- und Streitstand entbehrlich. Denn es liegen die Gehaltsabrechnungen aus April 2023 (Bl. 13 des VKH-Heftes) und inzwischen auch aus Januar 2024 (Anlage zur VKH-Erklärung vom 09.02.2024) vor, die ein vergleichbares Nettoeinkommen dokumentieren. Angesichts dieses Nettoeinkommens und unter Berücksichtigung der vorhandenen Belastungen bestehen für den Senat keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Beschwerdeführerin bedürftig im Sinne der §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 ZPO ist. Das gilt unabhängig davon, ob die im Abschnitt D aufgeführten Unterhaltszahlungen an die Mutter und die Neffen zu berücksichtigen sind oder nicht.
31III.
32Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
33Rechtsbehelfsbelehrung:
34Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
35Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG).