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1. Einem minderjährigen Kind kann gegenüber dem Elternteil in analoger Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB als Teil der gesetzlichen Unterhaltspflicht ein Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses zustehen.
2. Auf einen solchen Anspruch kann der Unterhaltsberechtigte verwiesen werden, wenn der Beteiligte den Anspruch alsbald realisieren kann.
3. Auf einen unsicheren Prozess um den Vorschuss darf der Hilfsbedürftige nicht verwiesen werden.
I.
Die Sache wird auf den Senat übertragen (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 568 ZPO).
II.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 06.06.2024 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Dortmund vom 13.05.2024 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfegesuch der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin begehrt als minderjährige Tochter des Antragsgegners im Wege des Stufenantrages zunächst Auskunft über das Einkommen des Antragsgegners. Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sie sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für diesen Stufenantrag.
4Im Antrag vom 02.04.2024 hat die Antragstellerin hierzu mitgeteilt, die Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nachzureichen.
5Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss – ohne der Antragstellerin für die Einreichung der Unterlagen eine Frist zu setzen – das Verfahrenskostenhilfegesuch zurückgewiesen. Zur Begründung hat es auf die fehlende Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen verwiesen. Der Beschluss ist der Antragstellerin am 16.05.2024 zugestellt worden.
6Mit am 06.06.2024 eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin dagegen sofortige Beschwerde eingelegt.
7Unter dem 27.06.2024 hat sie eine ausgefüllte Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingereicht.
8Ohne vorherigen Hinweis darauf, dass zu einem etwaigen Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses noch näher vorzutragen sei, hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 07.07.2024 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss sei vorrangig gegenüber staatlicher Unterstützung. Ein solcher Anspruch entfalle auch nicht automatisch deshalb, weil sich der Antragsgegner weigere, Unterhalt in der begehrten Höhe zu zahlen. Sonst käme eine Verweisung auf den Prozesskostenvorschuss niemals zum Tragen.
9II.
10Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt.
11In der Sache hat sie einen vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
121.
13Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass auch einem minderjährigen Kind gegenüber dem Elternteil in analoger Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB als Teil der gesetzlichen Unterhaltspflicht ein Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses zustehen kann (BGH, Beschluss vom 03.08.2004 – XII ZA 6/04, FamRZ 2004, 1633).
142.
15Die Verweisung auf einen solchen Anspruch im Rahmen der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe setzt jedoch nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass der Beteiligte den Anspruch alsbald realisieren kann.
16Daran fehlt es zwar nicht schon deshalb, weil die Gegenseite zu einer freiwilligen Zahlung nicht bereit ist und der Anspruch deshalb gerichtlich durchgesetzt werden müsste. Denn auch in einem solchen Fall kann es zumutbar sein, den Anspruch auf Zahlung des Prozesskostenvorschusses im Wege der einstweiligen Anordnung geltend zu machen.
17Dies wiederum ist dem Verfahrenskostenhilfe begehrenden Beteiligten aber in der Regel nur zumutbar, wenn der Anspruch auf Zahlung des Prozesskostenvorschusses unzweifelhaft besteht (OLG Celle, Beschluss vom 05.05.2006 – 17 WF 60/06, FamRZ 2007, 762). Auf einen unsicheren Prozess um den Vorschuss darf der Hilfsbedürftige demgegenüber nicht verwiesen werden (BAG, Beschluss vom 05.04.2006 – 3 AZB 61/04, FamRZ 2006, 1117).
183.
19Hier wäre ein Verfahren gerichtet auf Durchsetzung des Prozesskostenvorschusses mit Unsicherheiten belastet.
20Ob die Vorschusspflicht besteht, muss im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung entschieden werden. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die persönlichen Beziehungen und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten (Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl. 2023, § 115 Rn. 63).
21In seinem letzten außergerichtlichen Schriftsatz vom 27.11.2023 (Anl. 6 zur Antragsschrift, Bl. 36 f. der elektronischen Gerichtsakte erster Instanz) hat der Antragsgegner vortragen lassen, er halte sich allenfalls zur Zahlung „von 100 % bis 105 % des Mindestkindesunterhaltes“ für verpflichtet. Zwar mutmaßt die Antragstellerin, dass hierbei nicht alle relevanten Einkünfte offen gelegt werden; sicher beurteilen lässt sich dies aber erst nach erfolgter Auskunft und ggf. eidesstattlicher Versicherung, was die Antragstellerin aber mit dem vorliegenden Verfahren gerade erst durchsetzen will. Angesichts all dessen ist das Bestehen eines Anspruchs auf Prozesskostenvorschuss nicht derart sicher, dass sich die Antragstellerin auf dessen Durchsetzung im Wege der einstweiligen Anordnung verweisen lassen müsste.
22Es bedurfte in dem hier zu beurteilenden Einzelfall auch keines ausdrücklichen Vortrages dahingehend, dass der Antragsgegner erfolglos zur Zahlung eines Prozesskostenvorschusses aufgefordert worden wäre. Denn angesichts des Umstandes, dass er wie ausgeführt nur zur Zahlung von 100 % bis 105 % des Mindestunterhaltes bereit ist, wäre eine solche Aufforderung eine bloße Förmelei.
234.
24Der Senat hat von der Möglichkeit des § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch gemacht.
25Dies erschien hier insbesondere deshalb sachgerecht, weil der außergerichtlich für den Antragsgegner tätige Rechtsbeistand vom Amtsgericht nicht über das Verfahren informiert worden ist, obwohl sich aus den mit der Antragsschrift überreichten Anlagen ergab, dass auch für den Antragsgegner vorprozessual ein Rechtsanwalt tätig war. Das bedeutet zwar nicht, dass für diesen auch eine Prozessvollmacht in der vorliegenden Sache besteht. Dennoch wäre es im Hinblick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens jedenfalls zweckmäßig, wenn nicht gar geboten gewesen, ihn über die Übersendung des gegnerischen Antrags an seinen Mandanten zumindest zu informieren und sich hinsichtlich einer möglichen Vertretung auch in der vorliegenden Sache zu erkundigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.04.1987 – 1 BvR 162/84, NJW 1987, 2003).
26Einer Anhörung des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren bedurfte es nicht, weil der Senat nur über einen Einzelaspekt der wirtschaftlichen Bedürftigkeit der Antragstellerin entschieden hat und die endgültige Entscheidung, insbesondere auch über die hinreichenden Erfolgsaussichten in der Sache, noch vom Amtsgericht zu treffen ist.
27III.
28Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen wegen des Erfolgs der sofortigen Beschwerde nicht an, außergerichtliche Kosten werden kraft Gesetzes nicht erstattet (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
29Rechtsbehelfsbelehrung:
30Diese Entscheidung ist unanfechtbar.