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1.
Das Erfordernis einer hinreichenden Erfolgsaussicht darf nicht dazu führen, dass die genaue Beurteilung der Begründetheit in das summarische Verfahren auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vorverlagert wird.
2.
Den Unterhaltspflichtigen trifft eine Obliegenheit, mögliche Steuervorteile in Anspruch zu nehmen, soweit er dadurch nicht eigene Interessen verletzt.
3.
Die Berufstätigkeit der neuen Lebensgefährtin führt nicht zur Berücksichtigung weiterer Einkünfte auf Seiten des Antragstellers, sondern nur zu einer Herabsetzung des ihm zu belassenden Selbstbehaltes.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 30.11.2023 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Lennestad vom 30.11.2023 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Dem Antragsteller wird Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Z. aus H. insoweit bewilligt, als er beantragt, den vor dem Oberlandesgericht Hamm zum Aktenzeichen 4 UF 182/20 geschlossenen Vergleich vom 28.06.2021 dahingehend abzuändern, dass ab dem 01.09.2023 ein monatlicher Unterhalt von 304,81 € und ab dem 01.01.2024 ein monatlicher Unterhalt von noch 223,81 € geschuldet ist.
Das weitergehende Verfahrenskostenhilfegesuch wird zurückgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt. Im Übrigen ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die Abänderung einer Verpflichtung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts aus einem vor dem Senat unter dem 28.06.2021 geschlossenen Vergleich. Das vorliegende Beschwerdeverfahren betrifft die teilweise Zurückweisung eines hierfür vom Antragsteller gestellten Verfahrenskostenhilfegesuchs.
4In dem soeben genannten Vergleich verpflichtete sich der Antragsteller zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 693,- €. Grundlage dafür war ein angenommenes unterhaltsrelevantes Einkommen des Antragstellers von insgesamt 1.714,61 €. Dieses berechnete sich aus einem Nettoeinkommen aus der Haupt-Erwerbstätigkeit von 2.008,36 €, einem Nettoeinkommen aus einer Nebentätigkeit von 100,- € und einer Steuererstattung von 2,02 € abzüglich 110,- € Fahrtkosten und abzüglich eines Erwerbsanreizes von 1/7. Auf Seiten der Antragsgegnerin wurde dem Vergleich eine Erwerbsunfähigkeitsrente von 251,81 € sowie ein Wohngeld von 77,33 € zugrunde gelegt, mithin ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen von 329,15 €.
5Mit seinem Abänderungsantrag begehrt der Antragsteller eine Herabsetzung des Unterhalts auf Null ab dem 01.09.2023 und beantragt hierfür die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
6Zur Begründung führt er aus: Zum 01.09.2023 sei der Antragsteller, was auch unterhaltsrechtlich zu billigen sei, zu seiner neuen Lebensgefährtin nach H. gezogen. Dadurch hätten sich die berufsbedingten Fahrtkosten auf monatlich 770,- € erhöht. Das Nettoeinkommen aus seiner Haupttätigkeit sei praktisch unverändert. Bei dem Einkommen aus Nebentätigkeit und Steuererstattung hätten sich geringfügige Verschiebungen ergeben. Insgesamt betrage sein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen nunmehr 1.358,52 € (Einkommen aus Haupttätigkeit 2.025,68 €, Einkommen aus Nebentätigkeit 59,86 €, Steuererstattung 212,93 €, abzüglich Fahrtkosten 770,- €, abzüglich einer VKH-Rate für das Scheidungsverfahren und abzüglich Erwerbstätigenbonus von 1/10). Damit liege es unterhalb des dem Antragsteller zustehenden Eigenbedarfs von 1.510,- €, so dass schon deshalb eine Unterhaltsverpflichtung nicht mehr bestehe. Umgekehrt habe sich aber auch das Einkommen der Antragsgegnerin erhöht. Zuletzt hat der Antragsteller sich hierzu im Schriftsatz vom 28.11.2023 darauf berufen, dass die Antragsgegnerin inzwischen Rentenleistungen von monatlich 344,69 € sowie ein Wohngeld in Höhe von 454,- € beziehe (GA 104 f.). Ihre Einkünfte hätten sich also auf insgesamt 798,69 € erhöht.
7Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die beantragte Verfahrenskostenhilfe insoweit bewilligt, als der Antragsteller eine Abänderung des Vergleichs dahin begehre, nur noch monatlichen Unterhalt in Höhe von 466,- € zu zahlen. Den weitergehenden Antrag hat es zurückgewiesen. Zur Begründung hat es eine Unterhaltsberechnung angestellt, hinsichtlich derer wegen der Einzelheiten auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen wird (GA 113 ff.). Die geltend gemachten Fahrtkosten von 770,- € hat es berücksichtigt. Insoweit hat es den Antragsteller aber fiktiv so behandelt, als habe er einen Antrag gestellt, hierzu einen Freibetrag für die Einkommensteuer eintragen zu lassen.
8Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. Er macht geltend, das Amtsgericht habe zu Unrecht tatsächlich gar nicht erzielte Einkünfte beim Antragsteller angesetzt. Zudem habe der Antragsteller vorgetragen, dass die Antragsgegnerin weitere Einkünfte habe, insbesondere aus dem inzwischen umgesetzten Versorgungsausgleich und wegen eines Anspruchs auf Grundsicherung. Schließlich habe das Amtsgericht zu Unrecht dem Antragsteller ein Einkommen insoweit zugerechnet, als er einen gemeinsamen Hausstand mit seiner neuen Lebensgefährtin führe.
9Der Senat hat durch Beschluss vom 23.02.2024 auf die beabsichtigte Entscheidung hingewiesen (GA 160 ff.). Dazu hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 13.03.2024 Stellung genommen (GA 177 ff.).
10II.
11Die statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg haben.
12Für den angekündigten Antrag besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO nur insoweit, als eine Herabsetzung des Unterhalts auf monatlich 304,81 € ab dem 01.09.2023 und auf monatlich 223,81 € ab dem 01.01.2024 begehrt wird.
131.
14Eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung im Sinne von § 114 Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass das Gericht den Rechtsstandpunkt der Verfahrenskostenhilfe begehrenden Partei für vertretbar hält und von der Möglichkeit einer Beweisführung überzeugt ist (BGH NJW 1994, 1160).
15Daran fehlt es, wenn die Möglichkeit des Obsiegens nur eine „entfernte“ ist (BVerfG NJW 2015, 2173 Rn. 12). Umgekehrt ist aber keine Erfolgsgewissheit oder auch nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs erforderlich (OLGR Frankfurt 2007, 787). Es genügt vielmehr eine „gewisse“ Erfolgswahrscheinlichkeit (OLG München FamRZ 1989, 199), für deren Vorliegen stets zu berücksichtigen ist, dass das Erfordernis einer hinreichenden Erfolgsaussicht nicht dazu führen darf, dass die genaue Beurteilung der Begründetheit in das summarische Verfahren auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vorverlagert wird (BVerfG BeckRS 2011, 48313).
162.
17Bei Anlegung dieses Maßstabs besteht hier eine hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
18a)
19Zu Unrecht wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde gegen das vom Amtsgericht ihm zugerechnete Einkommen aus der Haupterwerbstätigkeit in Höhe von 2.322,23 €.
20aa)
21Das Beschwerdevorbringen, wonach das Amtsgericht nur die tatsächlich ausgezahlten Nettobeträge hätte berücksichtigen dürfen, ist unzutreffend.
22Es ist anerkannt, dass den Unterhaltspflichtigen, wovon das Amtsgericht völlig zu Recht ausgegangen ist, eine Obliegenheit trifft, mögliche Steuervorteile in Anspruch zu nehmen, soweit er dadurch nicht eigene Interessen verletzt (BGH, Versäumnisurteil vom 06.02.2008 – XII ZR 14/06, FamRZ 2008, 968, juris Rn. 37). Tut der Unterhaltsschuldner das nicht, kann ihm wegen dieser Obliegenheitsverletzung – fiktiv – ein höheres Einkommen zugerechnet werden als dasjenige, welches er tatsächlich erzielt. Das Beschwerdevorbringen, wonach ein tatsächlich ausgezahltes Nettogehalt von insgesamt 24.308,16 € nachgewiesen und deshalb anzusetzen sei, liegt deshalb neben der Sache. Umstände, welche einer Geltendmachung des Freibetrages hier entgegen gestanden hätten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Wie der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 13.03.2024 nunmehr mitgeteilt hat, tritt er dem auch in der Beschwerdeinstanz nicht mehr entgegen.
23bb)
24Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 13.03.2024 ausführt, bei Ansatz eines fiktiven Nettoeinkommens müsse die Steuererstattung entfallen, weil sonst Einkommensteile zum Nachteil des Beschwerdeführer doppelt verwertet würden, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
25Der fiktive Ansatz betrifft das Einkommen ab dem 01.09.2023, denn nur dieser Zeitraum ist Gegenstand des Abänderungsantrages. Davon ist die für den Veranlagungszeitraum 2021 gezahlte Steuererstattung völlig unabhängig. Dass sie dennoch nach dem „In-Prinzip“ in dem Zeitpunkt anzusetzen ist, in dem sie tatsächlich gezahlt wurde, ändert nichts daran, dass sie der Höhe nach unverändert bliebe, auch wenn der Beschwerdeführer für die Zeit ab 2022 den Freibetrag für die Fahrtkosten hätte eintragen lassen.
26b)
27Auch soweit es das Einkommen der Antragsgegnerin betrifft, vermag der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen nicht durchzudringen.
28Das Amtsgericht hat seiner in diesem Punkt völlig richtigen und nachvollziehbaren Berechnung diejenigen Beträge zugrunde gelegt, welche der Antragsteller selbst geltend gemacht hat, nämlich Rentenleistungen von 329,15 € und Wohngeldzahlungen von 454,- €. Das entspricht der eigenen Berechnung des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 28.11.2023 (dort S. 4, GA 105).
29Soweit der Antragsteller nunmehr mit seiner Beschwerde darauf verweist, dass die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Grundsicherung „haben dürfte“, ist sein Vorbringen ebenso wenig hinreichend konkret wie hinsichtlich der vermeintlichen 14 Rentenzahlungen seitens der A.en Rentenversicherung. Im Abänderungsverfahren trägt der Antragsteller die Darlegungs- und Beweislast auch für solche Umstände, die bei der ursprünglichen Geltendmachung des Unterhalts vom Gegner zu beweisen waren.
30Schließlich geht auch der Hinweis auf den umgesetzten Versorgungsausgleich ins Leere. Die Antragsgegnerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie die Regelaltersgrenze erst im Jahr 2042 erreichen wird (GA 85). Danach ist nicht ersichtlich, dass der durchgeführte Versorgungsausgleich bereits gegenwärtig zu höheren Rentenbezügen der Antragsgegnerin führen würde.
31Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Schriftsatz vom 13.03.2024 hat der Senat auch nicht den Antrag nach § 235 FamFG „unberücksichtigt“ gelassen. Er begehrt nun einmal Verfahrenskostenhilfe nicht für einen Auskunfts-, sondern für einen Abänderungsantrag. Ob, wie es der Beschwerdeführer am Ende seines Schriftsatzes vom 13.03.2024 selbst andeutet, zunächst die Geltendmachung eines Auskunfts- und Beleganspruchs prozessual sinnvoll wäre, muss der Senat nicht entscheiden. Denn Gegenstand des hier geführten Beschwerdeverfahrens ist nur die beantragte Verfahrenskostenhilfe für einen Abänderungsantrag.
32c)
33Begründet ist das Beschwerdevorbringen jedoch insoweit, als der Antragsteller rügt, das Amtsgericht habe fehlerhaft ein Einkommen in Höhe von 151,- € wegen des Zusammenlebens mit seiner neuen Lebensgefährtin angesetzt.
34Zwar ist unstreitig, dass die neue Lebensgefährtin selbst berufstätig ist und über eigene Einkünfte verfügt. Das führt aber entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht zur Berücksichtigung weiterer Einkünfte auf Seiten des Antragstellers, sondern nur zu einer Herabsetzung des ihm zu belassenden Selbstbehaltes (BGH FamRZ 2010, 1535; BGH FamRZ 2013, 868).
353.
36Damit ergibt sich insgesamt nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand folgende Unterhaltsberechnung:
37Einkommen des Antragstellers:
38Fiktives Einkommen aus Haupt-Erwerbstätigkeit 2.322,23 €
39Einkommen aus Nebentätigkeit 59,86 €
40Steuererstattung 212,93 €
41Summe: 2.595,02 €
42Abzgl. Fahrtkosten 1.825,02 €
43Erwerbstätigenbonus (1/10 von 1.612,09 €) 161,21 €
44Unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen: 1.663,81 €
45Rechnerisch ergäbe sich damit ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin von 1.642,52 € + 798,69 € = 2.442,21 € / 2 = 1.220,60 € - 798,69 € = 421,91 €.
46Der Antragsteller ist aber nur in Höhe der Differenz zwischen seinem Einkommen (1.663,81 €) und dem reduzierten Selbstbehalt (1.510,- € * 0,9 = 1.359,- €) leistungsfähig, mithin in Höhe von 304,81 €. Ab dem 01.01.2024 beträgt der Selbstbehalt 1.600,- €, reduziert also 1.600,- € * 0,9 = 1.440,- €. Dementsprechend reduziert sich die Leistungsfähigkeit ab diesem Zeitpunkt auf 223,81 €.
474.
48Das Vorstehende bedeutet nicht, dass der Unterhaltsanspruch des Antragstellers letztlich auf diesen Betrag zu reduzieren sein wird. Um dies zu entscheiden, müssen im Hauptsacheverfahren weitere Fragen abschließend geklärt werden, inwieweit etwa der Umzug und die dadurch ausgelösten Fahrtkosten unterhaltsrechtlich zu billigen sind, inwieweit dem Antragsteller die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar wäre und so weiter.
49Es bedeutet vielmehr nur, dass dem Abänderungsantrag in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang jedenfalls die hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne der §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 114 Abs. 1 ZPO nicht abgesprochen werden kann.
505.
51Wegen des Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist eine Entscheidung des Senats nicht veranlasst (§ 242 S. 2 FamFG). Insoweit bleibt das Amtsgericht für eine Änderung zuständig (Sternal/Meyer-Holz, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 242 Rn. 8).
52III.
53Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Gerichtsgebühr auf die Hälfte zu ermäßigen (Nr. 1912 Anl. 1 FamGKG). Im Übrigen ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
54Rechtsbehelfsbelehrung:
55Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
56Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG).