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Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
Bitte beachten Sie: Nach diesem Hinweis ist die Berufung zurückgenommen worden.
2Gründe:
3I.
4Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
5Weder beruht die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
6Vielmehr hat das Landgericht den Beklagten zu Recht über den Umfang der von ihm vorgerichtlich abgegebenen Unterlassungserklärung hinaus zur Unterlassung verurteilt.
71.
8Der – verschuldensunabhängige – Anspruch des insoweit unstreitig aktivlegitimierten Klägers folgt (jedenfalls) aus § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, Abs. 2 Hs. 1, § 8 Abs. 1 UWG.
9Danach kann derjenige unlauter handelnde Marktteilnehmer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der eine unzulässige – weil irreführende – geschäftliche Handlung vornimmt, was wiederum dann der Fall ist, wenn die geschäftliche Handlung unwahre Angaben enthält und geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
10So liegt der Fall hier.
11Der Kläger hat das Präparat „W. Kapseln“, bei dem es sich zum Zeitpunkt des gerügten Wettbewerbsverstoßes unstreitig nicht mehr um ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke oder eine bilanzierte Diät handelte auf dem von ihm unterhaltenen Onlineshop als solches beworben. Damit enthielt die vom Beklagten zu verantwortende Werbung eine objektiv unwahre Angabe in Bezug auf das von ihm beworbene Produkt, so dass es nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht weiter darauf ankommt, ob diese Angabe darüber hinaus auch zur Täuschung geeignet gewesen ist (vgl. BeckOK UWG/Rehart/Ruhl/Isele, 26. Ed. 1.10.2024, UWG § 5 Rn. 64, beck-online).
12Die beanstandete geschäftliche Handlung besitzt auch die von § 5 Abs. 1 UWG geforderte geschäftliche Relevanz, da sie geeignet (gewesen) ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach Auffassung des Senats kann kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei der Einordnung eines Präparats als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, bilanzierte Diät oder (bloßes) Nahrungsergänzungsmittel um ein Produktmerkmal bzw. ein positives Leistungsmerkmal von zentraler Bedeutung handelt, mit der Folge, dass aus der Feststellung der Irreführung (s. o.) auf die wettbewerbliche Relevanz geschlossen werden kann, weil derartige Eigenschaften stets geeignet sind, die Kaufentscheidung zu beeinflussen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 42. Aufl. 2024, UWG § 5 Rn. 1.182, beck-online mwN).
132.
14Der Unterlassungsanspruch des Klägers erschöpft sich – entgegen der Sichtweise des Beklagten – nicht darin, dem Beklagten lediglich die Werbung für das hier in Rede stehende Nahrungsergänzungsmittel „W. Kapseln“ mit der objektiv unwahren Angabe, es handele sich um ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und/oder eine bilanzierte Diät, untersagen zu lassen.
15Denn die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr erstreckt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BGH grundsätzlich auch auf alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, wobei ein Verhalten im Kern gleichartig ist, das – ohne identisch zu sein – von der Verletzungshandlung nur unbedeutend abweicht. Entscheidend aber auch ausreichend ist vielmehr, dass sich in ihm das Charakteristische der konkreten Verletzungshandlung wiederfindet (vgl. statt vieler: Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, 42. Aufl. 2024, UWG § 8 Rn. 1.46 f., beck-online, unter Verweis auf BGH GRUR 1989, 445 (446) – Professorenbezeichnung in der Ärztewerbung II; GRUR 1991, 672 (674) – Anzeigenrubrik I; GRUR 1993, 579 (581) – Römer-GmbH; GRUR 1996, 199 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; GRUR 1996, 800 (802) – EDV-Geräte; GRUR 1997, 379 (380) – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; GRUR 1999, 509 (511) – Vorratslücken; GRUR 2000, 337 (338) – Preisknaller; GRUR 2000, 907 (909) – Filialleiterfehler; GRUR 2008, 702 Rn. 55 – Internet-Versteigerung III; Teplitzky Wettbewerbsrechtliche Ansprüche/Feddersen Kap. 57 Rn. 12).
16Danach kann der Kläger von dem Beklagten infolge der unstreitig begangenen Verletzungshandlung auch verlangen, andere, nicht näher bezeichnete Nahrungsergänzungsmittel nicht mit der objektiv unwahren Angabe zu bewerben, es handele sich um ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und/oder eine bilanzierte Diät. Denn genau hierin kommt das Charakteristische des konkret begangenen Lauterkeitsverstoßes zum Ausdruck. Hingegen kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend darauf an, aufgrund welcher konkreten Umstände (eigenes Verschulden, fehlende Unterrichtung durch den Produkthersteller, etc.) es zu den wahrheitswidrigen Werbeaussagen des Beklagten gekommen ist und/oder, ob es sich bei dem beworbenen Produkt zu irgendeinem Zeitpunkt um ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und/oder eine bilanzierte Diät gehandelt hat. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann sich der Beklagte daher in Bezug auf den verschuldenunabhängigen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG nicht mit dem Vortrag entlasten, er sei seitens des Herstellers und/oder des Dienstleisters, der ihn regelmäßig über die zu beachtenden Produktinformationen in Kenntnis setze, nicht über die veränderte Produktkategorie des beworben Präparats unterrichtet worden.
173.
18Weiter bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit des Klageantrags und/oder des Tenors der angefochtenen Entscheidung.
19Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Ausgehend hiervon ist eine hinreichende Bestimmtheit für gewöhnlich gegeben, wenn – wie hier – eine Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung erfolgt oder die konkret angegriffene Verletzungsform antragsgegenständlich ist und der Klageantrag – auch dies ist vorliegend der Fall – zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens die Grundlage und der Anknüpfungspunkt für den Wettbewerbsverstoß und damit das Unterlassungsgebot liegen soll. Daher sind selbst Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, hinzunehmen, wenn entweder bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret gefasst oder der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist sowie auch dann, wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert. Zudem kann eine auslegungsbedürftige Antragsformulierung im Übrigen hinzunehmen sein, wenn eine weitergehende Konkretisierung nicht möglich und die gewählte Antragsformulierung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist (st. Rspr., vgl. statt vieler: BGH, Urteil vom 08.11.2018 – I ZR 108/17 – Deutschland-Kombi, GRUR 2019, 627 Rn. 15, 16, beck-online mwN).
20Nach diesen Maßstäben begegnet der vom Kläger formulierte – und vom Landgericht zuerkannte – Unterlassungsantrag keinen Bestimmtheitsbedenken. Denn er nimmt hinreichend Bezug auf die konkret begangene Verletzungshandlung und ist deutlich genug gefasst, um den tatgerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsumfang zu bestimmen.
21Soweit der Beklagte hiergegen einwendet, dass im Rahmen eines sich evtl. anschließenden Vollstreckungsverfahrens die mitunter schwierig zu beantwortende Frage zu klären sei, welcher Produktkategorie (Nahrungsergänzungsmittel, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke oder bilanzierte Diät) ein anderes beworbenes Produkt zuzuordnen ist, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Denn es ist durchaus nicht unüblich, dass im Rahmen eines Ordnungsmittelverfahrens komplexe rechtliche und auch tatsächliche Fragen zu beantworten bzw. aufzuklären sind, um zu entscheiden, ob der Unterlassungsschuldner gegen einen vorausgegangenen Unterlassungstitel schuldhaft verstoßen hat (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 15.07.2024 – 4 W 25/23 –, im Rahmen dessen darüber zu entscheiden war, ob es sich bei einer an Bord eines Kreuzfahrtschiffs erhobenen, jedoch frei stornierbaren Trinkgeldpauschale in Anbetracht der konkreten Umstände des Einzelfalls um ein obligatorisches Serviceentgelt handelt, das als Preisbestandteil in den nach § 3 Abs. 1 PAngV anzugebenden Gesamtpreis einer beworbenen Schiffsreise einzubeziehen war).
224.
23Nach alldem war die vom Beklagten unter dem 12.01.2024 abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht geeignet, die durch den Wettbewerbsverstoß auch in Bezug auf kerngleiche Verstöße (s. o.) begründete Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Folglich hat der Beklagte auch Anlass zur Klageerhebung gegeben, so dass er aus dem von ihm erklärten (Teil-)Anerkenntnis kostenrechtlich nichts für sich herleiten kann (§ 93 ZPO).
24II.
25Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
26III.
27Mit Blick auf die von dem Beklagten in Aussicht gestellte – hier jedoch noch nicht angefallene – Streitwertbeschwerde weist der Senat überdies darauf hin, dass die Festsetzung des Streitwerts auf 30.000,00 € der ständigen und gefestigten Wertfestsetzungspraxis des Senats in Wettbewerbsstreitsachen entspricht.