Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Zur Frage, ob ein Klageerzwingungsverfahren mit dem Ziel der Maßregelanordnung im Sicherungsverfahren zulässigerweise betrieben werden kann.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.
G r ü n d e:
2I.
3Mit dem am 08. April 2024 bei dem Oberlandesgericht Hamm eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom selben Tage wendet sich der Antragsteller, der in der Sache das Ziel verfolgt, die Einleitung eines Sicherungsverfahren gegen den Angezeigten zu erzwingen gegen den ihm am 08. März 2024 zugegangenen Bescheid des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 27. Februar 2024, mit dem seine Beschwerde vom 22. November 2023 gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Münster vom 17. November 2023 zurückgewiesen worden ist.
4Der Generalstaatsanwalt beantragt, den Antrag als unzulässig verwerfen.
5II.
6Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist aus mehreren Gründen unzulässig.
71.
8Der Antrag ist unzulässig, weil er den gemäß § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO an einen Klageerzwingungsantrag zu stellenden Anforderungen nicht genügt.
9Diese Vorschrift wird vom erkennenden Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13. November 2018, 3 Ws 462/18, zit. nach juris) und in Übereinstimmung mit einer gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung dahingehend ausgelegt, dass das Vorbringen in der Antragsschrift so vollständig sein muss, dass der Senat in die Lage versetzt ist, ohne Rückgriff auf die Akten der Staatsanwaltschaft eine Schlüssigkeitsprüfung hinsichtlich der Erfolgsaussicht des Antrags auf Erhebung der öffentlichen Klage in formeller und materieller Hinsicht vorzunehmen (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage 2023, § 172, Rn. 27 ff. mit Rechtsprechungsnachweisen; KK-StPO/Moldenhauer, 9. Auflage 2023, § 172 Rn. 34 ff.). Diese Anforderungen an den Klageerzwingungsantrag sind verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 16.04.1992 – 2 BvR 877/89 in NJW 1993, 382; BVerfG, Beschluss vom 28.11.1999 – 2 BvR 1339/98 in NJW 2000, 1027).
10Danach muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Tatsachen und Beweismittel angeben, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen. Verlangt wird ein substantiierter Vortrag, der nicht nur eine in sich geschlossene und aus sich heraus verständliche Sachverhaltsschilderung zu enthalten, sondern darüber hinaus den Streitgegenstand nach Maßgabe des bisherigen Ermittlungsverfahrens und der von der Staatsanwaltschaft erteilten Bescheide zu erfassen hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom OLG Hamm, Beschluss vom 13. November 2018 – 3 Ws 462/18 –, juris). Die danach erforderliche Darlegung des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes setzt zunächst eine in sich geschlossene Schilderung der vom Antragsteller als strafbar erachteten Handlung voraus. Der Antrag muss das Gericht zudem, wenn auch nur in groben Zügen, darüber ins Bild setzen, was bislang in dem Ermittlungsverfahren geschehen ist, insbesondere, ob und wie sich der/die Beschuldigte zur Sache eingelassen hat, welche Beweise erhoben worden sind, worauf die Staatsanwaltschaft die Ablehnung der Durchführung des Ermittlungsverfahrens gegründet hat und inwieweit die dafür gegebenen Begründungen aus tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen nicht durchgreifen sollen. Eine Bezugnahme auf die Akten, frühere Eingaben oder andere Schriftstücke ist hierbei weder zur Darlegung der Verletzteneigenschaft noch zur Darstellung des Sachverhalts zulässig (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 172 Rn. 30 m.w.N.). Dies gilt auch für Anlagen zum Klageerzwingungsantrag, wenn erst durch die Kenntnisnahme vom Inhalt dieser Anlagen die erforderliche Sachdarstellung erreicht wird (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.).
11Diesen Anforderungen wird der vorliegende Antrag in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
12a)
13Der Antrag gibt das zu Begründung seines Antrages in Bezug genommene psychiatrische Gutachten des Sachverständigengutachten A nur in den von ihm für relevant gehaltenen Passagen wieder. Dem Senat ist auf dieser Grundlage eine eigenständige Überprüfung des Inhalts des Gutachtens und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen nicht möglich.
14b)
15Der Antrag enthält keine Angabe dazu, ob und ggfls. wie sich der Beschuldigte zum Tatvorwurf eingelassen hat. Diese Angabe ist für die Zulässigkeit des Antrages unentbehrlich. Die Darstellung und die Auseinandersetzung mit der Einlassung des Beschuldigten betrifft nämlich regelmäßig den Kernpunkt eines Strafverfahrens, so dass auf ihre Darstellung bei der Prüfung der Erfolgsaussichten eines Antrags auf Klageerzwingung nicht verzichtet werden kann (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24. März 2011 – III, 1 Ws 153/11, zit. nach beck-online). Sollte eine Einlassung nicht abgegeben worden sein, so ist auch dies mitzuteilen (OLG Hamm Beschluss vom 12. April 2011, 1 Ws 174/11, zit. nach beck-online).
16Soweit der Antragsteller diese Angabe zuletzt in Reaktion auf den Inhalt der ihm zugleiteten Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft mit beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz vom 31. Mai 2024 nachgeholt hat, ist dies unbeachtlich, weil zu dieser Zeit die einmonatige Beschwerdefrist des § 172 Abs. 2 S. 1 StPO bereits abgelaufen war.
172.
18Ob der Antrag möglicherweise bereits deshalb unzulässig ist, weil er das angestrebte und ausdrücklich erklärte Ziel des Antrages – die Erzwingung der Einleitung eines Sicherungsverfahrens gemäß der §§ 413 ff. StPO, um die Anordnung der Unterbringung des Angezeigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB zu erreichen – schon grundsätzlich im Rahmen eines Klageerzwingungsverfahrens nicht durchsetzbar ist, muss der Senat vor diesem Hintergrund nicht entscheiden.
19a)
20Dafür, dass ein derartiges Antragsziel im Klageerzwingungsverfahren zulässig ist mag angeführt werden können, dass der mutmaßliche Verletzte sich auch im Sicherungsverfahren als Nebenkläger anschließen kann, er mithin auch in diesem Verfahren gewisse Rechte – auch die in § 406d-406l StPO – geltend machen und insoweit auch auf die Verfahrensgestaltung Einfluss nehmen kann. Wohl vor diesem Hintergrund wird teilweise – allerdings ohne weitergehende Begründung – davon ausgegangen, dass dem Verletzten auch die Möglichkeiten zur Verfügung stehe, im Falle der Weigerung der Staatsanwaltschaft einen Antrag nach § 413 StPO im Sicherungsverfahren zu stellen, das Klageerzwingungsverfahren durchzuführen (so Putzke/Scheinfeld in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Auflage 2019, § 414 Rn. 29 f.).
21Weiter könnte die sinngemäße Anwendbarkeit der Vorschriften über das Strafverfahren auf das Sicherungsverfahren (§ 414 Abs. 1 StPO) für die Zulässigkeit eines Klageerzwingungsverfahren in Konstellationen wie der vorliegenden sprechen.
22Darüber hinaus kann angeführt werden, dass der Gesetzgeber einen Ausschluss des Klageerzwingungsverfahrens, wie er in § 172 Abs. 2 S. 3 StPO vorgesehen ist, für das Sicherungsverfahren nicht ausdrücklich normiert hat.
23b)
24Gegen die Zulässigkeit eines derartigen Antragszieles im Klageerzwingungsverfahren könnten der Wortlaut der Regelungen zum Klageerzwingungsverfahren sowie dessen Sinn und Zweck sprechen.
25aa)
26Vom gesetzlichen Wortlaut der für das Klageerzwingungsverfahren geltenden Vorschriften der §§ 172 ff. StPO ist das vom Gesetzgeber für den Verletzten einer Straftat geschaffene Verfahren – schließlich ist nur er nach § 172 Abs. 1 StPO antragsberechtigt – nicht darauf ausgelegt, ein Sicherungsverfahren trotz ablehnender Haltung der Staatsanwaltschaft zu erzwingen. Insoweit stellt das Gesetz auf Begrifflichkeiten ab, die gesetzlich für eine Anklageerhebung im Sinne der §§ 170 Abs. 1, 199 ff. StPO vorgesehen sind. Sowohl für den Misserfolg des Antrages als auch für den Fall des Erfolges eines Antrages stellt das Gesetz in den §§ 174, 175 StPO wörtlich auf die „Erhebung der öffentlichen Klage“, also auf eine Begrifflichkeit ab, die gerade voraussetzt, dass das Ziel des Klageerzwingungsantrages die Anklageerhebung und nicht die Antragsstellung im Sinne des §§ 414 Abs. 2 StPO ist.
27bb)
28Das Klageerzwingungsverfahren sichert nach allgemeiner Ansicht das Legalitätsprinzip auf Initiative des Verletzten. Der Verletzte einer Straftat soll durch die Vorschriften des Klageerzwingungsverfahrens in die Lage versetzt werden, die Anklageerhebung durch die das Anklagemonopol innehabende Staatsanwaltschaft nach Maßgabe der §§ 171 ff. StPO zu erzwingen, wenn diese sich entgegen des für sie geltenden und in § 152 Abs. 2 gesetzlich verankerten Legalitätsprinzips und trotz genügendem Anlasses im Sinne des § 170 Abs. 1 StPO weigert, Anklage gegen den Beschuldigten zu erheben oder auch nur Ermittlungen gegen ihn aufzunehmen. Aus diesem gesetzlich vorgesehenen Sinn und Zweck der Klageerzwingungsvorschriften könnte man folgern, dass Verfahren, die nicht ebenjenem Legalitätsprinzip unterliegen, grundsätzlich nicht mittels Klageerzwingungsverfahren durchgesetzt werden können (vgl. so auch im Ergebnis: Jens Bülte in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts Band 9, 1. Auflage 2023, § 67 Weitere besondere Verfahrensarten, Rn. 30, zit. nach juris).
29Das Sicherungsverfahren unterliegt nach allgemeiner Ansicht gerade nicht dem Legalitätsprinzip (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - 1 StR 248/07, zit. nach beck-online). Ob die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Einleitung des Sicherungsverfahrens stellt, steht vielmehr in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Maßgebend ist, ob die anzuordnende Maßregel zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist. Die Staatsanwaltschaft kann und muss auch prüfen, ob nicht auf andere, wenn möglich weniger einschneidende Weise derselbe Zweck erreicht werden kann, namentlich durch Unterbringung nach den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, 66. Auflage 2023, § 413 Rn 10; Gaede in Löwe/Rosenberg, 27. Auflage 2022, § 413 Rn. 21 ff.; KK-StPO/Maur, 9. Auflage 2023, § 413 Rn. 14).
30c)
31Letztlich kann die vorstehende Frage nach der Zulässigkeit des Antragszieles aber im vorliegenden Fall, wie bereits einleitend beschrieben, aufgrund der in jedem Fall bestehenden Unzulässigkeit des Antrages aus den unter II.1. bezeichneten Gründen dahinstehen.
323.
33Da der Antrag bereits aus formellen Gründen keinen Erfolg hatte, ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 177 Rdnr. 1 m.w.N.).