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Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Detmold vom 23.02.2024 wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
2I.
3Verfahrensgegenständlich sind die Kosten des Gerichtsvollziehers für eine Zustellung im elektronischen Weg.
4Der Beteiligte zu 1. wurde mit der Zustellung eines vorläufigen Zahlungsverbots gemäß § 845 ZPO (Bl. 41 ff. der landgerichtlichen Akte, im Folgenden LG) beauftragt. Diese bewirkte er gegenüber der Drittschuldnerin, der G.bank F., im elektronischen Weg und gegenüber der Schuldnerin per Postzustellung. Im Rahmen des Kostenansatzes vom 14.11.2023 (Bl. 53 LG) rechnete er u. a. für die Zustellung im elektronischen Weg eine Gebühr für eine persönliche Zustellung nach KV 100 GvKostG (11,00 EUR) ab.
5Gegen den Kostenansatz legte der Beteiligte zu 2. mit Schreiben vom 17.11.2023 (Bl. 2 f. der amtsgerichtlichen Akte, im Folgenden AG) Erinnerung ein mit dem Ziel einer Änderung dahingehend, dass für die Zustellung im elektronischen Weg eine Gebühr KV 101 GvKostG für eine sonstige Zustellung (3,30 EUR) abgerechnet wird. Diese Vorschrift erfasse als Auffangvorschrift alle Zustellungen, die nicht persönlich bewirkt würden. KV 100 GvKostG setze zumindest den Versuch einer unmittelbaren, tatsächlichen Übergabe des Schriftstücks voraus. Für eine elektronische Zustellung werde jedoch eine elektronische Anwendung in Anspruch genommen.
6Der Beteiligte zu 1. ist der Erinnerung unter Hinweis auf verschiedene amtsgerichtliche Entscheidungen entgegengetreten (Bl. 9 f. AG).
7Das Amtsgericht wies die Erinnerung durch Beschluss vom 13.12.2023 (Bl. 11 ff. AG) zurück und ließ die Beschwerde zu. Bezüglich der Kosten einer elektronischen Zustellung bestehe eine Regelungslücke, die durch ein Reformvorhaben des BMJ dahingehend geschlossen werden solle, dass die elektronische Zustellung als sonstige Zustellung zu behandeln sei. Diese Einordnung werde von Teilen der Rechtsprechung und Literatur, zu denen das Amtsgericht näher ausführt, geteilt. Die ebenfalls dargestellte Gegenmeinung bewerte elektronische Zustellungen als persönliche Zustellungen. Das Amtsgericht schloss sich der letztgenannten Meinung an, da bei der elektronischen Zustellung wie bei der persönlichen Zustellung allein der Gerichtsvollzieher Sorge für die Zustellung der Schriftstücke trage. Der Telekommunikationsdienstleister übernehme anders als ein Postdienstleister nicht von sich aus und in eigener Verantwortung die elektronische Zustellung. Vielmehr sei der gesamte Zustellungsvorgang allein vom Gerichtsvollzieher anzustoßen, der zudem die Zulässigkeit der Vornahme einer elektronischen Zustellung zu prüfen habe. Auch sei die elektronische Zustellung nicht weniger aufwändig als die persönliche. Gerade in der aktuellen Umstellungsphase sei der Aufwand hoch, wofür notwendige Digitalisierungen von Papierdokumenten und häufige Störungen im EGVP-Bereich genannt werden. Demgegenüber könne der Aufwand für persönliche Zustellungen durch die Kombination der Fahrten zu Zustelladressaten mit anderen Dienstfahrten kombiniert werden. § 17 GVGA bzw. § 16 GVO regelten lediglich das auf persönliche Zustellungen anzuwendende Recht bzw. die örtliche Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers für Zustellungen ohne Intention bzw. Befugnis einer kostenrechtlichen Einordnung der Zustellungen.
8Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 2. mit Schreiben vom 03.01.2024 (Bl. 18 ff. AG) Beschwerde ein, der das Amtsgericht im Beschluss vom 04.01.2024 (Bl. 24 f. AG) aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abhalf und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorlegte.
9Die Kammer hat – nachdem die Einzelrichterin mit Beschluss vom 19.02.2024 (Bl. 50 f. LG) den Rechtsstreit zur Entscheidung auf diese übertragen hat – durch Beschluss vom 23.02.2024 (Bl. 59 ff. LG) die Beschwerde zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen. Der Ansatz der Gebühr KV 100 GvKostG für die bewirkte elektronische Zustellung sei zutreffend. Die Kammer schließe sich nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens den ausführlichen Gründen der angefochtenen Entscheidung sowie des Beschlusses des OLG Celle vom 14.12.2023 an. Maßgeblich sei auch nach Auffassung der Kammer, dass die elektronische Zustellung allein durch die Ausführung der nach § 193a Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 3, S. 4 ZPO erforderlichen Handlungen des Gerichtsvollziehers bewirkt und verantwortet werde. Der Telekommunikationsdienstleister stelle lediglich die digitale Infrastruktur quasi als Transportmittel zur Verfügung, erfülle aber – anders als bei der Zustellung über den Postweg – keine eigenen Aufgaben im Hinblick auf die Zustellung selbst. Die elektronische Zustellung sei damit – anders als die Zustellung per Post – eine persönliche Leistung des Gerichtsvollziehers, was den Ansatz der Gebühr KV 100 GvKostG für persönliche Zustellung des Gerichtsvollziehers rechtfertige.
10Mit der gegen diesen Beschluss eingelegten weiteren Beschwerde vom 26.02.2024 (Bl. 67 ff. LG) verfolgt der Beteiligte zu 2. unter Wiederholung seiner Argumentation sein Begehren weiter.
11Die Kammer hat der weiteren Beschwerde im Beschluss vom 27.02.2024 (Bl. 71 f. LG) nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Nach Auffassung der Kammer werde die Zustellung eines elektronischen Dokumentes gemäß § 193a ZPO persönlich durch den Gerichtsvollzieher bewirkt. Dass dies ohne Mithilfe eines Dienstleisters zu geschehen habe und eine persönliche Übergabe des Dokuments zumindest versucht werden müsse, vermöge die Kammer nicht zu erkennen. Ansonsten wäre auch die Zustellung unter Inanspruchnahme eines Taxiunternehmens zur Bewältigung der Wegstrecke zum Adressaten als sonstige Zustellung zu bewerten.
12II.
13Die zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet.
141.
15Die weitere Beschwerde ist gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 S. 1 GKG statthaft. Das Landgericht hat als Beschwerdegericht entschieden und die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen in dem Beschluss zugelassen.
162.
17Allerdings ist die weitere Beschwerde nicht begründet, da der angefochtene Beschluss nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 5 Abs. 2 S. 2. GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 S. 1, 1. Hs. GKG. Die Auffassung, dass die elektronische Zustellung als persönliche Zustellung i.S.v. KV 100 GvKostG anzusehen ist, verletzt das Recht nicht, weil sie sich als Ergebnis richtiger Rechtsanwendung darstellt, § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 S. 1, 2. Hs. GKG, § 546 ZPO.
18a)
19Ob die elektronische Zustellung eine persönliche Zustellung i.S.v. KV 100 GvKostG darstellt, ist umstritten.
20aa)
21Die Gegner argumentieren wie folgt:
22(1)
23Eine persönliche Zustellung erfordere die Anwesenheit des Gerichtsvollziehers an Ort und Stelle.
24Hierfür sprächen die Zustellungsregelungen: Die Zustellung i.S.v. § 166 Abs. 1 ZPO beschränke sich nicht auf die Bekanntgabe eines Dokuments, vielmehr sei die Bekanntgabe das Ergebnis des Zustellungsaktes nach einem der nachfolgend beschriebenen Modi, wobei gesetzlicher Grundfall nach § 177 ZPO die Übergabe an den Zustellungsempfänger an dem Ort sei, wo er angetroffen werde (AG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.2023, 668 M 873/23, BeckRS 2023, 41001 Rn 13 ff.).
25Der Zustellungsvorgang erfolge unter Inanspruchnahme eines Telekommunikationsdienstleisters, so dass es – wie bei Zustellung durch einen Postdienstleister – am Tatbestandsmerkmal der persönlichen Vornahme fehle (Eggers, in: Schröder-Kay, Das Kostenwesen der Gerichtsvollzieher, 15. Aufl. 2023, Nr. 100-102 KV Rn 30; LG Krefeld, Beschluss vom 11.09.2023, 7 T 110/23, DGVZ 2023, 250, 251). Das Aufsuchen des Schuldners sei bei der elektronischen Zustellung denklogisch ausgeschlossen, weshalb sie der Zustellung durch ein Zustellunternehmen entspreche (AG Lüneburg, Beschluss vom 30.05.2022, 24 M 1458/22, DGVZ 2022, 202; Eggers, in: Schröder-Kay, Nr. 100-102 KV Rn 31).
26Persönlich werde die Zustellung nicht schon dadurch, dass der Gerichtsvollzieher bei der Bedienung der Versandschaltfläche auf dem Bildschirm seiner EDV-Anlage persönlich den Zustellvorgang auslöse (LG Krefeld, Beschluss vom 11.09.2023, 7 T 110/23, DGVZ 2023, 250, 251/252; Eggers, in: Schröder-Kay, Nr. 100-102 KV Rn 31).
27Die persönliche Verantwortlichkeit des Gerichtsvollziehers gleiche dies nicht aus. Auch bei der Beauftragung des Postdienstleisters oder nach Rücklauf der Zustellungsurkunde bestünden Prüfungserfordernisse, insbesondere im Hinblick auf eine vorgenommene Ersatzzustellung; demgegenüber sei die Eröffnung der elektronischen Zustellung nur an die Eröffnung des sicheren Übermittlungsweges und die Eigenschaft der Adressaten nach § 173 ZPO gebunden und das bei der elektronischen Zustellung automatisch generierte Dokument als Zustellnachweis nicht zu hinterfragen (AG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.2023, 668 M 873/23, BeckRS 2023, 41001 Rn 23 ff.)
28Des Weiteren wird argumentiert, dass auch die Übergabe an den Zusteller ausreichen würde, wenn man es für maßgeblich halten würde, dass der Gerichtsvollzieher persönlich dafür sorgt, dass Dokument in Machtbereich des Empfängers gelangt (AG Lüneburg, Beschluss vom 30.05.2022, 24 M 1458/22, DGVZ 2022, 202).
29(2)
30Mangels Aufsuchen des Schuldners bestehe auch keine ausreichende Ähnlichkeit mit dem von den Befürwortern einer persönlichen Zustellung herangezogenen § 180 ZPO, der die Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten regelt (AG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.2023, 668 M 873/23, BeckRS 2023, 41001 Rn 23 ff.).
31(3)
32Auch der Aufwand rechtfertige keine Vergütung als persönliche Zustellung.
33Die persönliche Übergabe werde höher vergütet, weil in diesen Fällen die Möglichkeit einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem Schuldner bestehe und der Aufwand des Aufsuchens des Schuldners hinzukomme (AG Lüneburg, Beschluss vom 30.05.2022, 24 M 1458/22, DGVZ 2022, 202; LG Krefeld, Beschluss vom 11.09.2023, 7 T 110/23, DGVZ 2023, 250, 251). Während der Gerichtsvollzieher sich bei der persönlichen Zustellung an Ort und Stelle begeben müsse und ggf. noch die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort aufzuklären habe, könne er die elektronische Zustellung vom Büro aus mit einigen Mausklicks durchführen, womit sie deutlich näher an der postalischen Zustellung liege (AG Hannover, Beschluss vom 05.10.2023, 760 M 107586/23, DGVZ 2023, 254).
34Der Arbeitsaufwand wird teilweise bei elektronischer Zustellung für geringer gehalten (Riedel, in: BeckOK-ZPO, 52. Ed., Stand: 01.03.2024, § 829 Rn 86a.1; Eggers, in: Schröder-Kay, Das Kostenwesen der Gerichtsvollzieher, 15. Aufl. 2023, Nr. 100-102 KV Rn 33). Die Ermittlung der elektronischen Adresse – zudem für viele Unternehmen auch nur einmal erforderlich – stelle eine Vorbereitungsmaßnahme von zeitlich geringfügigem Gewicht da; die Erstellung von Scans bzw. versandgerechten Dateien seien bloße Vorbereitungsarbeiten, die mit vergleichbarem Aufwand auch bei sonstigen Zustellungen anfielen; demgegenüber entfielen Eintüten und Übergabe an den Dienstleister wie bei der Zustellung durch die Post (AG Lüneburg, Beschluss vom 30.05.2022, 24 M 1458/22, DGVZ 2022, 202; AG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.2023, 668 M 873/23, BeckRS 2023, 41001 Rn 18 ff.; LG Krefeld, Beschluss vom 11.09.2023, 7 T 110/23, DGVZ 2023, 250, 251). Anfänglicher Mehraufwand für die Einarbeitung werde mit der Zeit abnehmen (AG Lüneburg, Beschluss vom 30.05.2022, 24 M 1458/22, DGVZ 2022, 202; LG Krefeld, Beschluss vom 11.09.2023, 7 T 110/23, DGVZ 2023, 250, 251).
35Das AG Krefeld (Beschluss vom 28.07.2023, 111 M 659/23, DGVZ 2023, 225 Rn 54) meint, der Aufwand könne dahingestellt bleiben, denn diesbezügliche Überlegungen gehörten in die ggf. in den gesetzgebenden Organen zu führenden politischen Diskussionen darüber, ob eine Veranlassung zur Überarbeitung der kostenrechtlichen Bestimmungen bestehe.
36(4)
37Zudem wird auf verschiedene Verwaltungsbestimmungen hingewiesen, in denen persönliche und elektronische Zustellung nicht gleichgesetzt werden, wie § 16 GVO, § 17 GvGA und der Erlass des JM NRW vom 17.12.2021 (2344-Z.124/ab 2022) (AG Krefeld, Beschluss vom 28.07.2023, 111 M 659/23, DGVZ 2023, 225 Rn 47 f.; AG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.2023, 668 M 873/23, BeckRS 2023, 41001 Rn 29 ff; Eggers, in: Schröder-Kay, Nr. 100-102 KV Rn 32).
38(5)
39Soweit der Gerichtsvollzieher bei der Zustellung durch Übergabe Wegegeld erhalte, solle dies nur die unterschiedlichen Entfernungen angemessen ausgleichen, nicht aber den zeitlichen Mehraufwand abbilden (AG Lüneburg, Beschluss vom 30.05.2022, 24 M 1458/22, DGVZ 2022, 202; LG Krefeld, Beschluss vom 11.09.2023, 7 T 110/23, DGVZ 2023, 250, 251)
40(6)
41Teilweise wird angenommen, das Analogieverbot verbiete die Anwendung von KV 100 auf elektronische Zustellungen (AG Krefeld, Beschluss vom 28.07.2023, 111 M 659/23, DGVZ 2023, 225 Rn 50).
42(7)
43In Form von KV 101 GvKostG stehe schließlich ein Auffangtatbestand zur Verfügung. Dieser betreffe nicht nur die Zustellung durch die Post, sondern ganz allgemein eine sonstige Zustellung. Von daher habe keine Notwendigkeit der Anpassung für den Gesetzgeber bestanden, und aus der unterbliebenen Anpassung könne nicht geschlossen werden, dass KV 100 keinen Ortswechsel voraussetze (AG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.2023, 668 M 873/23, BeckRS 2023, 41001 Rn 32 ff.).
44bb)
45Demgegenüber argumentieren die Befürworter des Gebührentatbestandes des KV 100 GvKostG wie folgt:
46(1)
47Entscheidend für die persönliche Zustellung sei, dass die Zustellung in eigener Person bewirkt werde.
48Nach Schaffung der Gebührentatbestände habe sich ein verändertes Zustellungsverständnis ergeben. Während § 170 ZPO a. F. noch eine Zustellung durch Übergabe vorgesehen habe, sei nach Neuregelung des Zustellungsrechts nach § 166 ZPO unter der Zustellung die Bekanntgabe des Dokuments zu verstehen (Herrfurth DGVZ 2022, 202; Herrfurth, in: BeckOK-KostR, 44. Ed., Stand: 01.01.2024, KV 100 Rn 5.1; AG Kempen, Beschluss vom 28.06.2023, 16 M 232/23, DGVZ 2023, 230, 231 Rn 7; ähnlich Uhl, in: Toussaint, KostR, 53. Aufl. 2023, KV 100 Rn 6: auch elektronische Zustellung fällt unter KV 100, da auch diese nach § 166 ZPO erfolgt). Das Erfordernis eines Ortswechsels sei im Gebührentatbestand nicht zu erblicken; die Bekanntgabe erfordere nicht zwingend, dass das Zustellorgan sich irgendwohin begebe (Herrfurth DGVZ 2022, 202; Herrfurth, in: BeckOK-KostR, 44. Ed., Stand: 01.01.2024, KV 100 Rn 5.1). Das Kostenrecht als Folgerecht erfordere ein verändertes Verständnis dahingehend, dass der Ortswechsel kein gebührenauslösendes Kriterium (Herrfurth DGVZ 2022, 202; Herrfurth, in: BeckOK-KostR, 44. Ed., Stand: 01.01.2024, KV 100 Rn 5.1). Im Übrigen sei schon vor dem 01.01.2022 eine persönliche Zustellung auch im Büro des Gerichtsvollziehers möglich gewesen (Goergen DGVZ 2023, 45, 49).
49Entscheidend sei, dass das bekanntzugebende Dokument durch Wirken des Gerichtsvollziehers persönlich in den Machtbereich seines Empfängers gelange (Goergen, DGVZ 2023, 45, 49; Herrfurth, in: BeckOK-KostenR, 44. Ed., Stand: 01.01.2024, KV 100 Rn 5.1; AG Kempen, Beschluss vom 28.06.2023, 16 M 232/23, DGVZ 2023, 230, 231 Rn 8; AG Emmerich, Beschluss vom 25.08.2023, 60 M 202/23, DGVZ 2023, 229, 230; AG Kempen, Beschluss vom 28.06.2023, 16 M 232/23, DGVZ 2023, 230, 231 Rn 7).
50Der Gerichtsvollzieher müsse persönlich aus seinem Postfach in das Postfach des Adressaten zustellen, den Adressaten persönlich feststellen und an diesen persönlich das Schriftstück zustellen (Goergen, DGVZ 2022, 32; 2023, 45, 49; AG Kempen, Beschluss vom 28.06.2023, 16 M 232/23, DGVZ 2023, 230, 231 Rn 8; AG Emmerich, Beschluss vom 25.08.2023, 60 M 202/23, DGVZ 2023, 229, 230; AG Gütersloh, Beschluss vom 20.09.2023, 15a M 2384/23, BeckRS 2023, 26678 Rn 6). Überwachung des Zugangs und Fertigung der Zustellungsurkunde verblieben bei ihm (Herrfurth, in: BeckOK-KostenR, 44. Ed., Stand: 01.01.2024, KV 100 Rn 5.1; AG Kempen, Beschluss vom 28.06.2023, 16 M 232/23, DGVZ 2023, 230, 231 Rn 8; AG Emmerich, Beschluss vom 25.08.2023, 60 M 202/23, DGVZ 2023, 229, 230; AG Gütersloh, Beschluss vom 20.09.2023, 15a M 2384/23, BeckRS 2023, 26678 Rn 6). Im Gegensatz zur Übergabe an einen Zusteller setze der Gerichtsvollzieher nicht nur den Zustellungsprozess in Gang, sondern bewirke ihn selbst (Herrfurth, in: BeckOK-KostenR, 44. Ed., Stand: 01.01.2024, KV 100 Rn 5.1; Herrfurth DGVZ 2022, 202).
51Der Gerichtsvollzieher stehe dabei persönlich für den Zustellvorgang in der Verantwortung: Gemäß § 193a Abs. 1 S. 2 ZPO übertrage er das vom Auftraggeber übermittelte Schriftstück in ein elektronisches Dokument, nach § 193a Abs. 2 S. 3 ZPO sei es mit der automatisierten Eingangsbestätigung zu verbinden. Die Authentizität des übermittelten Dokuments werde dem Empfänger allein dadurch garantiert, dass der Transfer in die elektronische Form und die Verwendung des sicheren Übertragungsweges in einer Hand lägen; die Zusammenführung von Dokument mit automatisierter Eingangsbestätigung in einem sog. Container müsse vom Gerichtsvollzieher mit einer qualifizierten Signatur versehen werden, wodurch der Tätigkeit des Gerichtsvollziehers eine die Richtigkeit und Sicherheit des Zustellungsvorganges kontrollierende und schützende Funktion zukomme (OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2023, 2 W 159/23, DGVZ 2024, 56, 57).
52(2)
53Es bestehe eine Ähnlichkeit zwischen der elektronischen Zustellung und der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten, § 180 ZPO, bzw. weniger mit Zustellung durch die Post im Auftrag des Gerichtsvollziehers als mit persönlicher Zustellung.
54(a)
55Wie bei der Ersatzzustellung nach § 180 ZPO sorge der Gerichtsvollzieher persönlich dafür, dass das elektronische Dokument in den Machtbereich des Empfängers gelange (Herrfurth, in: BeckOK-KostenR, 44. Ed., Stand: 01.01.2024, KV 100 Rn 5.1; AG Duisburg-Hamborn, Beschluss vom 10.08.2023, 20 M 1778/23, DGVZ 2023, 223, 224). Er lege bei elektronischer Zustellung das Dokument in das Postfach eines Zustellungsempfängers genauso wie bei der papiernen Zustellung in den Briefkasten eines Zustellungsempfängers (AG Emmerich, Beschluss vom 25.08.2023, 60 M 202/23, DGVZ 2023, 229, 230). Er bewirke die Zustellung über eine Empfangsvorrichtung, ohne den Empfänger persönlich anzutreffen oder mit ihm in ein Gespräch zu geraten (AG Kempen, Beschluss vom 28.06.2023, 16 M 232/23, DGVZ 2023, 230, 231 Rn 10). Wie bei persönlichem Einwerfen gewährleiste der Gerichtsvollzieher, dass der richtige Adressat das zuzustellende Schriftstück erhalte (OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2023, 2 W 159/23, DGVZ 2024, 56, 57). Lediglich das Aufsuchen des Adressaten vor Ort falle aufgrund der Erschaffung der elektronischen Parteizustellung weg (Goergen DGVZ 2022, 32; 2023, 45, 49).
56(b)
57Bei der Zustellung durch die Post gemäß § 194 ZPO beschränke sich die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers auf die Erteilung des Zustellungsauftrages, die tatsächliche Ausführung übernehme dann ein beliehener Postdienstleister gemäß §§ 177-182 ZPO in eigener Verantwortlichkeit (LG Bückeburg, 10.10.2023, 4 T 44/23, DGVZ 2023, 249, 250). Die Ausführung der Zustellung werde an das Postdienstleistungsunternehmen delegiert (Goergen DGVZ 2022, 32).
58Bei der elektronischen Zustellung hingegen werde kein Auftrag an eine dritte Person erteilt; eine Delegation an Dritte sei nicht möglich (AG Emmerich, Beschluss vom 25.08.2023, 60 M 202/23, DGVZ 2023, 229, 230; AG Gütersloh, Beschluss vom 20.09.2023, 15a M 2384/23, BeckRS 2023, 26678 Rn 6; Goergen DGVZ 2023, 45, 49; AG Kempen, Beschluss vom 28.06.2023, 16 M 232/23, DGVZ 2023, 230, 231 Rn 8).
59Der einzige Unterschied liege darin, dass der Gerichtsvollzieher seinen Dienstort nicht mehr verlassen müsse, was die Nichtanwendung des Tatbestandes nicht rechtfertige (Herrfurth DGVZ 2022, 202; AG Gütersloh, Beschluss vom 20.09.2023, 15a M 2384/23, BeckRS 2023, 26678 Rn 6).
60(3)
61Zur Frage des Aufwandes wird teilweise vertreten, dass dieser die Anwendung des Tatbestandes rechtfertige (Goergen DGVZ 2023, 45; 2022, 32); die Prüfung der Voraussetzungen für die elektronische Zustellung, die Überwachung des Zugangs und die Fertigung der Zustellungsurkunde verblieben mit vergleichbar hohem Arbeitsaufwand beim Gerichtsvollzieher (AG Duisburg-Hamborn, Beschluss vom 10.08.2023, 20 M 1778/23, DGVZ 2023, 223, 224).
62Andere Vertreter meinen, das Argument des geringeren Aufwandes sei nicht tragfähig.
63Auch für § 180 ZPO sei nur der „Augenblicksmoment“ des Einwurfs erforderlich, das Begeben zur Empfangsvorrichtung werde durch das Wegegeld abgegolten (AG Kempen, Beschluss vom 28.06.2023, 16 M 232/23, DGVZ 2023, 230, 231 Rn 12).
64Die gegenteilige Argumentation wird für rechtsfolgenorientiert gehalten (Herrfurth, in: BeckOK-KostenR, 44. Ed., Stand: 01.01.2024, KV 100 Rn 5.1; Herrfurth, DGVZ 2022, 203).
65Teilweise wird der Aufwand für nicht abschätzbar erachtet (Herrfurth, in: BeckOK-KostenR, 44. Ed., Stand: 01.01.2024, KV 100 Rn 5.2; Herrfurth DGVZ 2022, 203) bzw. nach dem Wortlaut für irrelevant (Anm. Herrfurth DGVZ 2023, 252 und Herrfurth, in: BeckOK-KostenR, 44. Ed., Stand: 01.01.2024, KV 100 Rn 5.2) oder nur von untergeordneter Bedeutung (Herrfurth, in: BeckOK-KostenR, 44. Ed., Stand: 01.01.2024, KV 100 Rn 5.1).
66(4)
67Soweit die Gegenauffassung Verwaltungsvorschriften bemühe, vermöchten diese keine gesetzliche Regelung zu ersetzen (AG Wesel, Beschluss vom 21.09.2023, 24 M 2066/23, DGVZ 2023, 254, 257). § 16 GVO regele zudem ersichtlich nur die örtliche Zuständigkeit und bezwecke nicht die Abgrenzung der persönlichen zur sonstigen Zustellung; dies ergebe sich aus Systematik (2. Abschnitt GVO zur Regelung der Zuständigkeit) und Regelungszweck (örtliche Zuständigkeitsregelung entsprechend eindeutigen und pragmatischen Bedürfnissen) (AG Kempen, Beschluss vom 28.06.2023, 16 M 232/23, DGVZ 2023, 230, 232 Rn 14-17). Ein Widerspruch zwischen § 16 Abs. 2 S. 1 und 3 GVO sei nicht zwingend, die Regelung sei teleologisch nicht zur Abgrenzung zwischen persönlicher und sonstiger Zustellung tauglich (AG Bückeburg, Beschluss vom 06.09.2023, 41 M 199/23, DGVZ 2023, 252, 254). Der Verordnungsgeber habe weder die Absicht noch die Befugnis, Begriffe des Kostengesetzes zu definieren, er habe lediglich Zustellinseln verhindern wollen (Herrfurth, DGVZ 2023, 229; Herrfurth, in: BeckOK-KostenR, 44. Ed., Stand: 01.01.2024, KV 100 Rn 5.2)
68(5)
69Der Aufwand bei der Zustellung nach § 193 ZPO, den Empfänger vor Ort aufzusuchen, werde durch den Auslagentatbestand des KV 711 GvKostG erfasst (Goergen DGVZ 2022, 32; AG Emmerich, Beschluss vom 25.08.2023, 60 M 202/23, DGVZ 2023, 229, 230).
70(6)
71Ein Verstoß gegen das Analogieverbot liege nicht vor; die elektronische Zustellung sei vom Gesetzgeber geregelt, sie erfülle die Voraussetzungen für die persönliche Zustellung (AG Kempen, Beschluss vom 28.06.2023, 16 M 232/23, DGVZ 2023, 230, 231 Rn 11).
72b)
73Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Die Auslegung der Norm des KV 100 GvKostG ergibt, dass die elektronische Zustellung als persönliche Zustellung i.S. dieser Kostenbestimmung anzusehen ist.
74aa)
75Hierfür spricht zunächst der Wortlaut.
76Das Gesetz honoriert in KV 100 die „persönliche“ Zustellung. „Persönlich“ ist kein juristischer Begriff, so dass der allgemeine Sprachgebrauch maßgeblich ist. Im gegebenen Kontext ist das Adjektiv im Sinn von „in eigener Person, selbst“ zu verstehen (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 5, 1980). Dieses Adjektiv ist als Attribut auf „Zustellung“ bezogen. Bei der Zustellung handelt es sich um einen juristischen Begriff, der in § 166 Abs. 1 ZPO legaldefiniert ist als Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person in der im zweiten Titel (Verfahren bei Zustellungen = §§ 166-195 ZPO) bestimmten Form. Im Ergebnis bedeutet deshalb die Wendung „persönliche Zustellung“ die Bekanntgabe des Dokuments in der gesetzlichen Form durch den Gerichtsvollzieher in eigener Person.
77Dass – auch – auf der Seite des Adressaten eine persönliche Beteiligung erforderlich ist, wird durch den Wortlaut nicht gedeckt. Zum einen passt dies nicht dazu, dass sich „persönlich“ auf die Zustellung als Tätigkeit des Gerichtsvollziehers bezieht, zum anderen hätte es nähergelegen, dies durch die Formulierung „Zustellung an den Adressaten persönlich“ zum Ausdruck zu bringen. Abgesehen davon wäre es wenig überzeugend und wurde soweit ersichtlich bislang auch in der Vergangenheit nicht so gesehen, dass die Vergütung der Zustellung davon abhängig gemacht wurde, ob der Adressat mehr oder weniger zufällig in eigener Person das zuzustellende Dokument in Empfang nimmt.
78Rein semantisch nicht abgedeckt wird auch das teilweise zusätzlich aufgestellte Erfordernis, dass der Gerichtsvollzieher eine Übergabe des zuzustellen Schriftstücks vornimmt bzw. zumindest vorzunehmen versucht, ggf. sogar zusätzlich einen Ortswechsel durchführt. Verlangt wird vom Gesetz lediglich eine Zustellung ohne nähere Erfordernisse.
79Gemessen an den sich aus dem Wortlaut ergebenden Anforderungen lässt sich zunächst sagen, dass die elektronische Zustellung vom Gerichtsvollzieher vollständig in eigener Person vorgenommen wird. Das Argument der Gegenauffassung, dass er sich eines Telekommunikationsdienstleisters bediene, ist nicht stichhaltig. Die Situation ist nicht vergleichbar mit der Beauftragung eines Postdienstleisters, bei der der Gerichtsvollzieher einen Teil seiner Tätigkeit an einen Dritten delegiert, nämlich den eigentlichen Zustellvorgang. Diesen übernimmt der Postdienstleister mit eigenen Prüfungs- und Entscheidungsmöglichkeiten, etwa im Rahmen der Ersatzzustellung. Er nimmt gewissermaßen die Stellung eines Erfüllungsgehilfen ein. Demgegenüber stellt der Telekommunikationsdienstleister bei der elektronischen Zustellung der Sache nach nur ein technisches Werkzeug zur Verfügung, mit dessen Hilfe der Gerichtsvollzieher den gesamten Zustellvorgang selbst bewerkstelligt.
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81Systematisch steht der Tatbestand KV 100 GvKostG im Zusammenhang mit KV 101 GvKostG. Dieser erfasst „sonstige Zustellungen“ und stellt damit einen Auffangtatbestand dar. Das Gesetz differenziert also für sämtliche vom Gerichtsvollzieher ausgeführten Zustellungen gebührenrechtlich (nur) zwischen persönlichen und sonstigen Zustellungen. Hieraus ergibt sich, dass die persönliche Zustellung aus sämtlichen Formen der Zustellung hervorgehoben und – angesichts der differierenden Gebührensätze – (deutlich) besser vergütet werden soll. Kriterium soll dabei die Art und Weise der Ausführung der Zustellung sein, die als „persönlich“ zu qualifizieren sein muss.
82cc)
83Welchen Zweck der Gesetzgeber mit dieser Privilegierung der persönlichen Zustellung konkret verfolgt hat, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.
84Aus der Begründung zum Entwurf des GVKostRNeuOG (Bundesratsdrucksache 755/99 vom 27.12.1999, S. 33) ergibt sich zum 1. Abschnitt des Kostenverzeichnisses (Zustellung auf Betreiben der Parteien) zunächst, dass gegenüber dem damals geltenden Recht die Gebühren stärker pauschaliert und auf Abstufungen zur Vermeidung kleiner Gebührenbeträge verzichtet werden sollte. Es sollte nur noch zwischen der persönlichen Zustellung durch den Gerichtsvollzieher und einer sonstigen Form der Zustellung unterschieden werden. „Aus diesem Grund und um den Wegfall der Beglaubigungsgebühr nach § 16 Abs. 7 GvKostG auszugleichen, werden gegenüber geltendem Recht höhere Festgebühren vorgeschlagen.“ (a. a. O.) Der Gebührenbetrag für die persönliche Zustellung wurde von 10 DM auf 14,67 DM erhöht. Hierzu heißt es: „Die Höhe der Gebühr soll aus den vorstehend dargelegten Erwägungen über dem Entgelt der Deutschen Post AG für Zustellungen mit Zustellungsurkunde liegen. Dieses beträgt derzeit 11 DM. Der derzeitige Gebührenbetrag für die sonstigen Formen der Zustellung soll von 2,50 DM auf 4,89 DM erhöht werden.“ (a. a. O.)
85Der Pauschalierungs- und Vereinfachungsgedanke war damit Hintergrund für die Zubilligung der Gebühr KV 100 GvKostG, die sich in der Höhe an der seinerzeit vergleichbaren Leistung der Deutschen Post AG orientierte. Zur Zeit der Entstehung des Gesetzes gab es allerdings lediglich die Zustellung durch Übergabe (§ 170 Abs. 1 ZPO a. F.) und die Zustellung durch die Post (§ 193 ZPO a. F.). Aus welchen Gründen der Gesetzgeber die persönliche Zustellung erheblich besser vergüten wollte als alle anderen Formen der Zustellung, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht, insbesondere lässt sich ihr nicht entnehmen, dass damit ein besonderer Aufwand abgegolten werden sollte.
86dd)
87Ist der vom Gesetzgeber mit der Sonderstellung der persönlichen Zustellung verfolgte Zweck damit nicht klar zu definieren, sind im Rahmen der für das Auslegungsergebnis letztlich maßgeblichen teleologischen Auslegung die Auslegungsalternativen gegeneinander abzuwägen, und es ist zu bestimmen, welche der Alternativen am zweckmäßigsten und gerechtesten ist und sich am besten in den Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung einfügt, bzw., sofern dies nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, welche – gemessen an der Wertentscheidung der Rechtsordnung – die sachgerechteste oder plausibelste ist (Grüneberg, in: ders., Bürgerliches Gesetzbuch, 83. Aufl. 2024, Einl. Rn 46).
88Versucht man die einzelnen Zustellungsformen nach §§ 193 ff. ZPO gebührenrechtlich in ein stimmiges System zu bringen, ergeben sich folgende Erwägungen:
89 Bei der Zustellung des Dokuments als Schriftstück durch den Gerichtsvollzieher selbst, § 193 i.V.m. §§ 191, 177 ff. ZPO, nimmt der Gerichtsvollzieher das von der Partei übermittelte Dokument entgegen, stellt ggf. Abschriften her und beglaubigt diese. Nach dem Leitbild der Zustellvorschriften übergibt er sodann das Dokument der Person, der zugestellt werden soll, regelmäßig nachdem er sich zur Zustelladresse begeben hat; sofern die Person nicht angetroffen wird, hat er über eine Ersatzzustellung zu befinden. Der Gerichtsvollzieher erstellt eine Zustellungsurkunde. Die Zustellung wird außerdem auf dem zuzustellenden Schriftstück bzw. einem Ausdruck beurkundet und vermerkt, in wessen Auftrag die Zustellung erfolgt, ebenso der Tag der Zustellung, sofern keine beglaubigte Abschrift der Zustellurkunde übergeben wird. Im Anschluss an den Zustellvorgang ist die Zustellungsurkunde der Partei zu übermitteln, für die zugestellt wird.
90Bei dieser Form der Zustellung liegt der gesamte Zustellungsprozess in der Hand des Gerichtsvollziehers. Er erhält hierfür (neben einem etwaigen Wegegeld) die Gebühr KV 100 GvKostG.
91 Sodann gibt es für die Form der Zustellung des Dokuments als Schriftstück die Variante, dass der Gerichtsvollzieher die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragt, § 194 ZPO i.V.m. den vorgenannten Vorschriften. In diesem Fall bereitet er das Dokument für die Zustellung durch die Post vor, indem er auf dem Schriftstück die Person vermerkt, in deren Auftrag er die Zustellung betreibt, es mit einem entsprechenden Umschlag versieht und der Post übergibt. Bezüglich der Erteilung des Zustellauftrags erstellt der Gerichtsvollzieher ein Postübergabezeugnis. Die Post führt sodann den eigentlichen Zustellvorgang wie soeben beschrieben aus und leitet die Zustellungsurkunde an den Gerichtsvollzieher. Dieser hat die Rechtzeitigkeit und Richtigkeit der ausgeführten Zustellung zu überwachen und übermittelt die Zustellungskunde der Person, für die die Zustellung erfolgt ist. Auch diese Form der Zustellung fordert erhebliche persönliche Arbeit des Gerichtsvollziehers, der eigentliche Zustellvorgang wird jedoch nicht vom Gerichtsvollzieher, sondern von der Post übernommen, wobei diese wiederum der Überwachung durch den Gerichtsvollzieher unterliegt.
92Der Gerichtsvollzieher bekommt hierfür die Gebühr KV 101 GvKostG i.H.v. 3,30 EUR, wobei zusätzlich noch Auslagen für die Zustellung durch die Post i.H.v. z. Z. 3,45 EUR anfallen.
93 Für die Zustellung des Dokuments als elektronisches Dokument gemäß § 193a ZPO übermittelt die Partei das Dokument, das der Gerichtsvollzieher ggf. noch in ein elektronisches Dokument überträgt. Die Vornahme der elektronischen Zustellung erfolgt dann nach §§ 191, 173 ZPO. Der Gerichtsvollzieher hat hierzu das eBO (elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach) als sicheren Übermittlungsweg zu verwenden. Er prüft die Zustelladresse und nimmt die Zustellung vor, die dann allein durch eine automatisierte Eingangsbestätigung nachgewiesen wird. Die Eingangsbestätigung ist mit dem zuzustellenden Schriftstück elektronisch untrennbar zu verbinden, z. B. durch Zusammenführung der Dateien in einem Container, der vom Gerichtsvollzieher mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen ist, oder, wenn das zuzustellende Dokument ein Schriftstück ist, durch zu verbindende Ausdrucke von zuzustellendem Dokument und automatisierter Eingangsbestätigung (vgl. Schultzky, in: Zöller, 35. Aufl. 2024, § 193a Rn 6). Ein Zustellvermerk für den Empfänger ist nicht vorgesehen.
94Auch in diesem Fall wird der gesamte Zustellprozess durch den Gerichtsvollzieher persönlich abgewickelt.
95Zur Vergütung der elektronischen Zustellung drängt sich unter Gerechtigkeitsaspekten keine der beiden Varianten KV 100 und KV 101 eindeutig auf. Der Gerechtigkeitsgedanke legt im Zusammenhang mit der Vergütung nahe, dass diese ein ausreichendes Äquivalent für die vom Gerichtsvollzieher zu erbringende Leistung darstellt. Zwar erscheint die elektronische Zustellung auf den ersten Blick weniger arbeitsaufwändig als die Zustellung des Dokuments als Schriftstück gemäß § 193 ZPO. Die Tätigkeit vor Ort, ggf. die Entscheidung über die Ersatzzustellung, entfällt. Eine Zustellungsurkunde und ein Zustellvermerk müssen nicht erstellt werden, lediglich die nicht weiter zu prüfende automatisierte Eingangsbestätigung muss büromäßig noch behandelt werden. Allerdings erfordert der Vorgang zunächst die nicht immer gewährleistete und vom Gerichtsvollzieher nur bedingt beeinflussbare volle Funktionsfähigkeit der technischen Anwendungen. Zudem ist die Zustellung durch einen im Vergleich zur Zustellung durch den Gerichtsvollzieher vor Ort höheren Abstraktionsgrad womöglich fehleranfälliger. Auch steht der Gerichtsvollzieher uneingeschränkt in der Verantwortung für die Wirksamkeit der im Rechtsverkehr bedeutsamen Zustellung, was für die Bemessung einer Vergütung ebenfalls von Bedeutung ist.
96Vor diesem Hintergrund ergibt sich am ehesten ein nachvollziehbares und stimmiges Bild, sich an der Formulierung des Gesetzes zu orientieren, die im vorliegenden Fall den letztlich einzigen wirklichen greifbaren Anhaltspunkt für die Auslegung bietet, und auf den Umfang der persönlichen Ausführung der Zustellung abzustellen. Dies führt dazu, die elektronische Zustellung als persönliche Zustellung i.S.v. KV 100 GvKostG anzusehen.
973.
98Der Ausspruch zu den Kosten beruht auf § 5 Abs. 2 S. 2 GVKostG i.V.m. § 66 Abs. 8 GKG.