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1. Die Ausschlusswirkung eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG erfasst grundsätzlich alle zivilrechtlichen Ansprüche, auch solche auf Geldersatz gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
2. Für die Reichweite der Ausschlusswirkung eines Planfeststellungsbeschlusses sind Inhalt und Umfang seines Regelungsgegenstands maßgeblich. Insoweit finden die allgemeinen Auslegungsregeln Anwendung.
3. Ein Planfeststellungsbeschluss gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG, der die Änderung einer Eisenbahn-Bestandsstrecke regelt, kann danach die gesamte Bestandsstrecke erfassen, auch wenn nur einzelne Abschnitte der Bestandsstrecke von baulichen Maßnahmen betroffen sind, die als wesentliche Änderung im Sinne von § 41 Abs. 1 BImSchG, § 1 Abs. 1 16. BImSchV eingeordnet werden. Soweit die Planfeststellungsbehörde deshalb für die im Wesentlichen unverändert bleibenden Abschnitte (Baulücken) eine Anwendung der Immissionsgrenzwerte gemäß § 2 Abs. 1 16. BImSchV (fachplanungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle) versagt und die Prüfung der Schallimmissionen auf potentielle Grundrechtsbeeinträchtigungen und gesundheitskritische Beurteilungspegel beschränkt (Zumutbarkeitsschwelle) und dem Vorhabenträger lediglich daran ausgerichtete Maßnahmen auferlegt, bleibt es bei der Ausschlusswirkung gegenüber Ansprüchen, die von Baulücken-Anliegern gegen den Vorhabenträger erhoben werden. Dies ist letztlich Folge der von den Gerichten hinzunehmenden gesetzgeberischen Entscheidung, den Anwendungsbereich der Immissionsgrenzwerte der fachplanungsrechtlichen Erheblichkeitsschwelle auf Neubauten und wesentliche Änderungen von Schienenwegen zu beschränken.
Die Berufung des Klägers gegen das am 18.02.2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung wesentlicher Geräuschimmissionen sowie auf Geldentschädigung geltend. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
4Der Kläger ist neben seiner Ehefrau, Frau A., Miteigentümer des im Dachgeschoss selbstgenutzten und weitere sieben Wohnungen aufweisenden Miethauses Y.-straße 00 in I.-O.. Das Grundstück befindet sich nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Es liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, dessen Einordnung als Mischgebiet gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO zwischen den Parteien außer Streit steht. Das Gebäude befindet sich in einem Abstand von ca. 25 Metern südlich der im Eigentum der Beklagten stehenden, von Ost nach West verlaufenden, zweigleisigen Bahnstrecke Witten/Dortmund-Oberhausen/Duisburg (Streckennummer 2160: Essen-Wattenscheid-Bochum) und zwar etwa auf Höhe des Bahnkilometers N01. An dieser Stelle befindet sich eine über die Y.-straße führende Eisenbahnbrücke, die seit ihrer Errichtung im Jahr 1861 keine bauliche Erneuerung erfahren hat.
5Die Bahnstrecke wurde aufgrund der Konzessions- und Bestätigungsurkunde des Prinzen von Preußen vom 21.06.1858 (Anlage B1, Bl. 317 d.A.) ab 1860 von der Bergisch-Märkischen Eisenbahn errichtet und am 01.03.1862 in Betrieb genommen.
6Auf der Bahnstrecke verkehren aktuell stündlich der NRW-Express von Aachen nach Hamm (RE 1), der Rhein-Weser-Express von Köln/Bonn Flughafen nach Minden (RE 6), der Rhein-Hellweg-Express von Kassel nach Düsseldorf (RE 11), der Ruhr-Sieg-Express von Essen nach Siegen (RE 16) und die Ruhr-Lenne-Bahn von Essen nach Hagen (RB 40). Ferner verkehren auf der Strecke Güterzüge.
7Die Bahnstrecke war im Rahmen des Vorhabens Rhein-Ruhr-Express Planfeststellungsabschnitt 5b gemäß § 18 Abs. 1 AEG Gegenstand eines Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahn-Bundesamts vom 30.12.2019 (Auszug, Anlage K18, Bl. 516-529 d.A., und im Internet vollständig abrufbar unter https://www.eba.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/PF/Beschluesse/Nordrhein_W/bis_2020/51_Rhein_Ruhr_Express_Abschnitt_5_Wattenscheid_Wattenscheid_Hoentrop_Bochum_Hauptbahnhof_Bochum_Langendreer_diverse_Bahn_Kilometer_und_Strecken.pdf?__blob=publicationFile&v=1). Der Baubeginn ist derzeit auf das Jahr 2025 verschoben.
8In dem Planfeststellungsbeschluss heißt es:
9„A Verfügender Teil
10A.1 Feststellung des Plans
11Der Plan für das Vorhaben
12Rhein-Ruhr-Express (RRX)
13Planfeststellungsabschnitt 5b
14Wattenscheid/Wattenscheid-Höntrop - Bochum Hbf - Bochum-Langendreer
15Strecke 2160 Essen Hbf - Bochum Hbf, km 7,9 - km 16,0
16…
17wird mit den in diesem Planfeststellungsbeschluss aufgeführten Ergänzungen, Änderungen, Vorbehalten, Nebenbestimmungen und Schutzanlagen festgestellt.
18Die Züge des Rhein-Ruhr-Express sollen im Stadtgebiet Bochum zukünftig auf der vorhandenen Fernbahnstrecke geführt werden. Zur Entlastung der Fernbahnstrecke werden zwei der heute dort verkehrenden Regionalverkehrslinien auf die ebenfalls vorhandene S-Bahn-Strecke verlegt. Dafür wird in Bochum-Langendreer der Bau einer eingleisigen Verbindungskurve zwischen der S-Bahn-Strecke von Bochum nach Dortmund und der Strecke von Dortmund nach Hagen erforderlich.
19…
20Auf der Fernbahnstrecke zwischen Essen und Dortmund sowie auf der Strecke zwischen Bochum-Langendreer und Witten wird eine Blockverdichtung bzw. Blockoptimierung durch Ergänzung und Änderung der Leit- und Sicherungstechnik umgesetzt.“
21(Seite 6 des PFB vom 30.12.2019)
22In der Auflistung der zum Plan gehörenden Unterlagen findet sich unter Nr. 16 die von der Beklagten im Rahmen ihres Planfeststellungsantrags vorgelegte „Schalltechnische Untersuchung“ – vgl. Auszug, Anlage B3 (Bl. 386-388 d.A.) – nebst Erläuterungsbericht – vgl. Anlage B2 (Bl. 368-386 d.A.) – (Nr. 16.1), Berechnungsergebnisse der schalltechnischen Untersuchung (Nr. 16.2) und Lagepläne zur schalltechnischen Untersuchung (Nr. 16.3). Bei diesen Unterlagen findet sich fast durchgehend die Bemerkung „zur Information“; eine Ausnahme bilden die Nr. 16.2.5 („Liste der Gebäude mit Anspruch auf passiven Schallschutz nach Maßgabe der 24. BImSchV – Bereiche der baulichen Erweiterung und des erheblichen baulichen Eingriffs“) und die Nr. 16.2.6 („Liste der Gebäude mit Anspruch auf passiven Schallschutz nach Maßgabe der 24. BImSchV – Baulücken“) – vgl. Anlage B4 (Bl. 389 d.A.) –, bei denen jeweils die Bemerkung „planfestgestellt“ hinzugesetzt ist (S. 12-13 des PFB vom 30.12.2019). Auf der letztgenannten Liste ist auch das Gebäude des Klägers aufgeführt. Der Streckenabschnitt der Bahnlinie 2160, an dem das klägerische Gebäude liegt (Bahnkilometer N01) befindet sich in einer „Baulücke“, d.h. in einem Abschnitt, für den der Planfeststellungsbeschluss keinen baulichen Eingriff vorsieht.
23Insoweit heißt es in dem Erläuterungsbericht zur Schalltechnischen Untersuchung der Beklagten:
24„In der Baulücke, d.h. in Bereichen, in denen keine baulichen Maßnahmen … umgesetzt werden, sich jedoch ein Mehrverkehr … ergibt, sind potenzielle Grundrechtsbeeinträchtigungen oder gesundheitskritische Beurteilungspegel zu untersuchen. … Entsprechend können die Grenzwerte der Richtlinie für die Förderung von Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen … herangezogen werden:
25…
26Tag 6 bis 22 Uhr |
Nacht 22 bis 6 Uhr |
|
… |
… |
… |
in Kerngebieten, Dorfgebieten und Mischgebieten |
72 dB(A) |
62 dB(A) |
… |
… |
…“ |
(S. 16-17 des Erläuterungsberichts, Anlage B2, Bl. 333-334 d.A.)
28In dem verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses ist (unter anderem) für den oben genannten Streckenabschnitt die aktive Lärmschutzmaßnahme des „besonders überwachten Gleises“ vorgeschrieben. Diesbezüglich heißt es in dem Planfeststellungsbeschluss:
29„Es sind regelmäßige, halbjährlich stattfindende Messfahrten durchzuführen. Ergibt eine Messung, dass der … festgesetzte Schallpegelabschlag aufgrund von Verriffelung unterschritten wird, d.h. bei einem … Wert von + 3 dB(A) … oder mehr, so sind die Schienenlaufflächen unverzüglich zu schleifen. Ansonsten … bis spätestens zehn Monate nach Erreichen einer Schallmesswagenanzeige von ≥ 2 dB(A) …“
30(S. 27-28 des PFB vom 30.12.2019)
31In dem begründenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses heißt es:
32„B.1.1 Vorhaben
33…
34Baumaßnahmen
35Zur Umsetzung dieser betrieblichen Anforderungen sind im Planfeststellungsabschnitt 5b Bochum räumlich sehr begrenzte Anpassungsmaßnahmen an der Bestandsinfrastruktur erforderlich.
36Im Planfeststellungsabschnitt 5b Bochum verlaufen folgende Bahnstrecken:
37…
38- Strecke 2160 Essen Hbf - Wattenscheid - Bochum Hbf
39…
40Geplant ist im Wesentlichen, die Mehrbelastung durch die zukünftigen RRX-Linien auf den bisher vom Schienenpersonenfernverkehr und den RE-Linien 2, 16 und 42 sowie den RB-Linien 35 und 40 befahrenen Strecken durch punktuelle bauliche Veränderungen zwischen Essen Hbf und Bochum-Langendreer kapazitätsmäßig zu ermöglichen.
41…
42B.1.2 Verfahren
43…
44Offenlage
45Die Planunterlagen (Zeichnungen und Erläuterungen) zu dem Vorhaben haben auf Veranlassung der Bezirksregierung Arnsberg in der Zeit vom 10.11.2014 bis zum 09.12.2014 bei der Stadt Bochum während der Dienststunden zur allgemeinen Einsichtnahme ausgelegen.
46Die öffentliche Auslegung der Planunterlagen ist durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Stadt Bochum vom 03.11.2014 und durch Bereitstellung im Internet ab dem 31.10.2014 vorher ortsüblich bekanntgemacht worden.
47…
48B.4 Materiellrechtliche Bewertung
49…
50B.4.6 Lärmschutz
51…
52B.4.6.1 Schienenverkehrslärm
53Rechtsgrundlagen
54Rechtsgrundlage für den öffentlich-rechtlichen Schutz gegen Verkehrslärm sind die §§ 41 bis 43 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG).
55Danach besteht ein Anspruch … Diese Verpflichtung zum Lärmschutz, die auch als Lärmvorsorge bezeichnet wird, wird allerdings nur ausgelöst, wenn ein Schienenweg entweder neu gebaut oder wesentlich geändert wird.
56Die Lärmsanierung an vorhandenen Verkehrswegen ist demgegenüber nicht Regelungsgegenstand der gesetzlichen Vorschriften; dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.3.1996 - 4 C 9/95, NVwZ 1996, 1003).
57Lärmvorsorge bei Bau und wesentlicher Änderung von Schienenwegen
58…
59Lärmschutz außerhalb der Bereiche baulich geänderter Schienenwege (Baulücken)
60Für bestehende, baulich nicht zu verändernde Schienenwege sind die §§ 41, 42 BImSchG sowie die 16. BImSchV nicht einschlägig, d.h. es lassen sich hieraus selbst bei hohen Lärmpegelwerten keine gesetzlichen Ansprüche auf Lärmvorsorgemaßnahmen ableiten. …
61Allerdings sollen diese Grundsätze nach Auffassung des BVerwG dann nicht mehr gelten, wenn durch die staatlich veranlasste Maßnahme Gesundheitsbeeinträchtigungen oder übermäßige Eigentumsbeeinträchtigungen und damit Grundrechtsbeeinträchtigungen bewirkt werden. …
62Ferner ist das Eigentumsgrundrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG einschlägig. …
63…
64Immissionsschutzrechtliche Einordnung der Baumaßnahmen
65…
66Bereiche außerhalb erheblicher baulicher Eingriffe
67Als Gegenstand der Planfeststellung bezeichnet § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG die Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnstromfernleitungen. …
68Dem Planfeststellungsvorbehalt unterfallen darüber hinaus auch sonstige Ingenieurbauwerke des Schienenwegs (z.B. Lärmschutzwände, Tunnel, Brücken). Auch die gesamte Infrastruktur der freien Strecke mit ihrem System aus Signalen, Zugsicherung und -steuerung gehört zu den Bahnanlagen.
69Der engere immissionsschutzrechtliche Betriff des Schienenwegs (vgl. § 1 Abs. 1 der 16. BImSchV) umfasst nur die Teile einer Eisenbahntrasse, die typischerweise geeignet sind, auf die Lärmverursachung Einfluss zu nehmen. …
70…
71Auf der Strecke 2160 werden zwischen den Stellbereichen der Stellwerke Essen Hbf und Bochum Hbf insgesamt 14 Signale neu errichtet; dabei werden 4 Hauptsignale durch Mehrabschnittssignale ersetzt. Gleichzeitig werden 19 vorhandene Signale zurückgebaut. Insgesamt entsteht eine Blockverdichtung, die 9 neue Gleisfreimeldeabschnitte schafft. Das Errichten oder Versetzen von Signalanlagen sowie Geschwindigkeitserhöhungen allein durch Änderung der Leit- und Sicherungstechnik werden nicht als erhebliche bauliche Eingriffe in den Schienenweg gewertet …
72Die Blockverdichtung soll höhere Zugzahlen ermöglichen und führt daher zu steigenden Lärmimmissionen. Mögliche Gesundheits- oder Eigentumsbeeinträchtigungen durch eine Zunahme des Schienenverkehrslärms sind nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG im Rahmen der Abwägung unter Bezug auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 14 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) in den Blick zu nehmen. …
73Eine in der Planfeststellung zu befolgende grundrechtliche Pflicht, Schutzvorkehrungen gegen gesundheitsgefährdende Verkehrsimmissionen zu treffen, setzt eine Kausalität zwischen dem Bau bzw. der Änderung des Verkehrswegs und der gesundheitsgefährdenden Verkehrsbelastung voraussetzt. Eine Pflicht, gesundheitlich bedenkliche Immissionslagen bei Gelegenheit der Planfeststellung zu sanieren, besteht nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.01.2008 - 9 B 7/07, juris).
74Lärmschutzbelange der Nachbarschaft eines Schienenwegs sind grundsätzlich nur dann in die planerische Abwägung einzubeziehen, wenn die Lärmbelastung durch das geplante Vorhaben ansteigt. Dies gilt selbst dann, wenn die für den Planfall prognostizierten Belastungswerte oberhalb der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle liegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.07.2008 - 9 A 5/07).
75In der schalltechnischen Untersuchung wurden umfassend die Lärmpegel an den Immissionsorten entlang der … in den Bereichen außerhalb erheblicher baulicher Eingriffe (Unterlage 16.2.4) ermittelt.
76Keine Gesamtbaumaßnahme
77Diese umfassende Untersuchung der Lärmimmissionen ändert nichts an der immissionsschutzrechtlich unterschiedlichen Einordnung der einzelnen Bereiche und führt auch nicht zu ihrer Zusammenfassung zu einer Gesamtbaumaßnahme.
78…
79Lärmschutz in Baulücken gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG (Abwägungsgebot)
80Für bestehende, baulich nicht zu verändernde Schienenwege sind die §§ 41, 42 BImSchG sowie die 16. BImSchV nicht einschlägig, …
81…
82Erforderlich im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG sind Schutzvorkehrungen immer dann, wenn es dem Betroffenen ohne Ausgleich nicht zuzumuten ist, die vorhabenbedingten Nachteile zu dulden. …
83Um den Zustand zu erreichen, der ohne das Bauvorhaben bestünde, muss die Erhöhung der Lärmbelastung, die oberhalb der Beurteilungspegel liegt, die eine Gesundheitsgefährdung oder einen Eingriff in die Substanz des Eigentums bewirken, durch Vorkehrungen des aktiven oder passiven Lärmschutzes zurückgenommen werden. Bei den in Betracht kommenden Schallschutzmaßnahmen ist die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Auch können keine weitergehenden Lärmschutzmaßnahmen gefordert werden. Die Anlieger der bestehenden Bahnstrecke haben nur einen Anspruch darauf, dass die Lärmbeeinträchtigung, die durch das Bauvorhaben ausgelöst wird, vermieden wird. …
84Im Gegensatz zur Lärmvorsorge gibt es keinen gesetzlich geregelten Anspruch auf Lärmsanierungsmaßnahmen an bestehenden Schienenwegen. …
85…“
86(S. 53, 54, 56, 108, 110, 117, 118, 134 des PFB vom 30.12.2019)
87Der Kläger verzichtete – anwaltlich beraten – auf die Erhebung von Einwendungen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens.
88Der Kläger hat die in Rede stehenden Ansprüche vorgerichtlich durch seine Prozessvertreter geltend machen lassen; deshalb sind ihm Rechtsanwaltskosten von 1.338,75 EUR entstanden.
89Der Kläger hat behauptet, von der Bahnstrecke gingen erhebliche Schallimmissionen oberhalb der Grenzwerte von § 2 16. BImSchV für Mischgebiete von tags 64 dB(A) und nachts 54 dB(A) auf sein Gebäude aus, die sich erstmals wahrnehmbar ab Januar 2020 dergestalt gesteigert hätten, dass Schlaf auch bei geschlossenen Fenstern nicht mehr möglich sei. Der Nachtlärm durch vorbeifahrende Güterzüge sei dabei nachweislich besonders lästig. Die auf der Bahnstrecke verkehrenden Güterzüge würden auch im Jahr 2021 trotz eines gesetzlichen Verbots noch mit ihren Radabrollgeräuschen hörbare Waggons ausländischer Bahnunternehmen mit sich führen, deren Bremsen nicht auf lärmarme Bremssohlen umgerüstet worden und deshalb besonders störend seien. Der Betriebslärm werde durch das Befahren der Brücke, deren Bauzustand nicht mehr dem Stand der Brücken- und Schallschutztechnik entspreche, verstärkt. Seine Ehefrau habe für den 19.04.2021 ein Lärmtagebuch (Anlage K10, Bl. 182-184 d.A.) geführt, aus dem sich die erheblichen Störungen ergäben. Die Oberfläche der Schienen sei betriebsbedingt stark aufgeraut, was eine Steigerung der Immissionen um bis zu 10 dB(A) zur Folge habe. Insoweit erfolge der Einsatz eines Schleifwagens tatsächlich zu selten. Die in der Schalltechnischen Untersuchung der Beklagten berechneten Beurteilungspegel für den Prognose-0-Fall seien unter Berücksichtigung der tatsächlich praktizierten Geschwindigkeit der Güterzüge von 120 km/h gegenüber der im Rahmen der Schalltechnischen Untersuchung angesetzten Entwurfsgeschwindigkeit von 80 km/h um etwa 1-2 dB(A) zu erhöhen. Eine weitere Erhöhung von geschätzt 3 dB(A) trete aufgrund des nicht mehr dem Stand der Technik entsprechenden Zustands der Bahnbrücke ein. Unter weiterer Berücksichtigung des Zustands der Schienen ab dem vierten Monat nach dem letzten Schleifvorgang (Erhöhung um bis zu 10 dB(A)) seien im Ergebnis an der Fassade seiner Immobilie Schallimmissionswerte um die 70 dB(A) tags und nachts zu messen.
90Aufgrund des Lärms seien gesundheitliche Beeinträchtigungen zu befürchten. Darüber hinaus sei der Verkehrswert seines Wohnhauses erheblich gemindert.
91Der Kläger hat weiter behauptet, die Bahnstrecke sei ursprünglich für eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h, für Achslasten von etwa 16 t sowie für Tagesfahrten konzipiert gewesen. Er hat die Auffassung vertreten, die im Jahr 1858 erteilte Konzession habe sich in ihrer rechtlichen Wirkung für die Nachbarschaft auf den Charakter einer heutigen Gewerbeerlaubnis beschränkt und nicht die öffentlich-rechtliche Genehmigung zur Entwicklung von Immissionen zulasten der Nachbarschaft oberhalb der in den Anträgen bezifferten Grenzwerte erfasst. Neben der Konzession sei dem zuständigen Minister ein Bauplan vorzulegen und von diesem zu genehmigen gewesen; an einem solchen Bauplan und der Genehmigung fehle es; ferner fehle es an nach den damaligen Gesetzen erforderlichen Nachweisen zur Finanzkraft der Eisenbahngesellschaft.
92In den 150 Jahren nach Inbetriebnahme der Bahnstrecke seien Ertüchtigungen vorgenommen worden. So sei der Unterbau der Strecke zur Steigerung der Traglast auch von schweren Güterzügen erneuert worden, die Holzschwellen seien durch Betonschwellen ersetzt und die Höchstgeschwindigkeit von ursprünglich 60 km/h auf nun 160 km/h erheblich gesteigert worden. Ende der 50er Jahre sei die Strecke elektrifiziert worden. Zuletzt seien im Jahr 2008 Gleise, Gleisbett, Signale und Oberleitungen erneuert worden. Bei diesen Maßnahmen handle es sich um wesentliche Änderungen einer Betriebsanlage im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG und § 1 Abs. 2 16. BImSchG; insoweit sei eine eisenbahnrechtliche Genehmigung bzw. Planfeststellung erforderlich gewesen, an der es fehle.
93Er hat die Auffassung vertreten, der Planfeststellungsbeschluss vom 30.12.2019 bewirke für sein Grundstück nicht den in § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG vorgesehenen Ausschluss der geltend gemachten Ansprüche; zudem seien die hier ebenfalls geltend gemachten Ansprüche auf Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit und auf Geldersatz nicht von § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG umfasst. Der Streckenabschnitt bei seiner Immobilie sei nicht planfestgestellt worden, vielmehr befinde sich dort eine „Baulücke“. In dem Planfeststellungsverfahren sei die nach den §§ 41 und 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG geforderte Prüfung der Schallemissionen des Bestandbetriebs nicht erfolgt. Die von der Beklagten vorgelegte schalltechnische Untersuchung sei nicht planfestgestellt worden, sondern von der Behörde lediglich zur Kenntnis genommen worden; lediglich die Liste der Gebäude mit Anspruch auf passiven Schallschutz sei planfestgestellt worden; dies eröffne ihm – dem Kläger – aber faktisch keinen Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche. Da in der Nachbarschaft zu ihm keine immissionsschutzrechtlichen Baumaßnahmen geplant seien, sei in der schalltechnischen Untersuchung keine Betroffenheit seiner Immobilie zu prüfen gewesen. Vielmehr sei der Prüfungsumfang in dem Planfeststellungsverfahren für den Bereich einer Baulücke allein auf potentielle Grundrechtsbeeinträchtigungen oder gesundheitskritische Beurteilungspegel beschränkt gewesen; die danach zu Grunde gelegten Werte lägen um jeweils 8 dB(A) über den in § 2 16. BImSchV normierten Immissionsgrenzwerten für Tag und Nacht.
94Die Beklagte habe in ihrer schalltechnischen Untersuchung auf die Einholung der von dem Bundesverwaltungsgericht geforderten Prognose des zu erwartenden Eisenbahnverkehrs verzichtet und stattdessen die Schallemissionen auf der Grundlage eines von ihr selbst aufgestellten Betriebsprogramms berechnet. Die Beklagte habe bei der Berechnung eine zu niedrige Entwurfsgeschwindigkeit von 80 km/h für den Schienengüterverkehr zugrunde gelegt. Durch das Befahren der Bahnbrücke an seiner Immobilie entstünden Schallemissionen, die auch eine Belästigung aufgrund tieffrequenter Geräuschanteile verursachen würden. Diese seien von dem Eisenbahn-Bundesamt nicht ermittelt und von der Beklagten nicht untersucht worden. Die Sachverhaltsermittlung und die Berücksichtigung seiner Grundrechte in dem Planfeststellungsverfahren seien danach so defizitär gewesen, dass ein so schwerwiegender und offensichtlicher Fehler im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG vorliege, der den Planfeststellungsbeschluss vom 30.12.2019 nichtig mache. Die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung der Antragsunterlagen in dem Planfeststellungsverfahren müsse die von der Rechtsprechung entwickelte Anstoßfunktion erfüllen; dem habe die hier erfolgte Auslegung der Unterlagen nicht genügt.
95Die Beklagte müsse sich zudem die Einrede des widersprüchlichen Verhaltens vorhalten lassen, weil sie in einem Verwaltungsrechtsstreit (11 D 29/21. AK OVG NRW) hinsichtlich des Planfeststellungsbeschlusses die Auffassung vertrete, dem (dortigen) Kläger fehle die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. Seite 5 des Schriftsatzes der Beklagten vom 29.07.2021 in dem Verwaltungsrechtsstreit, Anlage K25, Bl. 548-565 d.A.).
96Die Fiktion einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung, auf die die Beklagte abstelle, sei aus Rechtsgründen nicht möglich; auch könne die Beklagte keine Rechte aus einer konkludenten Widmung der Bahnstrecke herleiten.
97Der Kläger hat weiter die Auffassung vertreten, die geltend gemachten Ansprüche würden aus § 906 i.V.m. § 1004 BGB folgen. Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage seien erfüllt.
98Er hat beantragt,
991. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, von der Eisenbahnstrecke Witten – Dortmund – Oberhausen/Duisburg in der Ortslage von Bochum auf seine Wohnung im Dachgeschoss des Hausgrundstückes Y.-straße 00, I. (Flur N02, Flurstück N03) mit Betriebslärm einzuwirken, der an den der Bahnstrecke mit Gebäudeöffnungen zugewandten Fassade 0,5 m vor dem höchstgelegenen Wohnraumfenster
100(1) in der Tagzeit zwischen 6:00 Uhr und 22:00 Uhr den Wert des Beurteilungspegels über die Beurteilungszeit von 16 Stunden gemittelt von tags 64 dB(A) oder
101(2) in der Nachtzeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr den Wert des Beurteilungspegels von über die Beurteilungszeit von acht Stunden gemittelt 54 dB(A) oder
102(3) durch einzelnen kurzzeitige Geräuschspitzen die vorgenannten Immissionswerte am Tage um mehr als 30 dB(A) oder in der Nacht um mehr als 20 dB(A)
103überschreitet, und
104der Beklagten für jede Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – anzudrohen,
105hilfsweise
106festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Geldersatz für die Kosten von Bau und Unterhalt der zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen des Betriebes der Bahnstrecke durch Verkehrsgeräusche nach der 24. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 04.02.1997 notwendigen Schallschutzmaßnahmen für schutzbedürftige Räume der von ihm genutzten Wohnung im Dachgeschoss als Teil seines Miteigentums am Haus Y.-straße 00 zu leisten, die er seit dem 16.12.2020 aufgewandt hat und zukünftig noch aufwenden muss, und
107die Beklagte dem Grunde nach zur Zahlung von Geldersatz für die Nutzungsbeeinträchtigung des Außenwohnbereichs der Dachgeschosswohnung durch die Immissionen des Bahnbetriebes oberhalb der Schwelle einer wesentlichen Beeinträchtigung der Wohnnutzung an ihn zu verurteilen,
1082. festzustellen, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, ihm Geldersatz für die wesentliche Beeinträchtigung der Wohnnutzung der von ihm bewohnten Dachgeschosswohnung des Hauses Y.-straße 00 einschließlich des dortigen Außenwohnbereichs durch Immissionen des Betriebs der Bahnstrecke durch Beurteilungswerte oberhalb der Immissionsgrenzwerte von tags/nachts 64/54 dB(A) für den Zeitraum vom 15.12.2020 bis zur Erfüllung des Klageantrags zu 1, hilfsweise des hilfsweise hierzu gestellten Klageantrags zu leisten, und
1093. die Beklagte zu verurteilen, ihm vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von brutto 1.338,75 EUR zu zahlen.
110Die Beklagte hat beantragt,
111die Klage abzuweisen.
112Sie hat die Auffassung vertreten, es könne davon ausgegangen werden, dass die bei Bau und Inbetriebnahme der Bahnstrecke erforderlichen Genehmigungen und Nachweise erfolgt seien, auch wenn diese nicht vorgelegt werden könnten. Der vorgelegten Konzession des Prinzen von Preußen sei eine Beschränkung auf 60 km/h und 16 t Radlast nicht zu entnehmen; auch schätze der Kläger die Konzession in ihrer rechtlichen Bedeutung falsch ein.
113Die von dem Kläger vorgetragenen Ertüchtigungsmaßnahmen an der Bahnstrecke in den folgenden 150 Jahren seit ihrer Inbetriebnahme würden mit Nichtwissen bestritten; der Kläger trage hierzu nicht konkret vor; jedenfalls handle es sich nicht um wesentliche Änderungen des Schienenwegs im Sinne von § 41 Abs. 1 BImSchG.
114Entgegen der Auffassung des Klägers komme dem Planfeststellungsbeschluss vom 30.12.2019 eine Ausschlusswirkung gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zu; daran ändere sich auch nichts dadurch, dass das Wohngrundstück des Klägers an eine Baulücke angrenze, denn der Lärmschutz in Baulücken sei von dem Planfeststellungsbeschluss betrachtet und abgewogen worden. Die Vorschriften der §§ 41 und 22 BImSchG, auf die der Kläger abstelle, seien hier nicht anwendbar; jedenfalls hätte der Kläger gegen den Planfeststellungsbeschluss verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz suchen müssen.
115Die geltend gemachten Ansprüche seien ungeachtet des Planfeststellungsbeschlusses vom 30.12.2019 auch aufgrund einer historischen/fiktiven Planfeststellung ausgeschlossen. Im Übrigen seien die Ansprüche auch deshalb ausgeschlossen, weil es sich um einen lebens- oder gemeinwichtigen Betrieb handle.
116Auch ein Anspruch auf Geldersatz gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB scheide aus. Maßnahmen zur Verhinderung der von dem Kläger monierten Immissionen seien wirtschaftlich unzumutbar.
117Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen darauf abgestellt, dass sämtliche geltend gemachten Ansprüche des Klägers aufgrund der Ausschlusswirkung des Planfeststellungsbeschlusses vom 30.12.2019 gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ausgeschlossen seien.
118Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt. Zur Begründung führt er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen weiter aus was folgt:
119Er werde in seinem Grundrecht auf Eigentum durch eine nichtzutreffende Auslegung der Regelung des § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG verletzt. Der Anspruch werde nicht durch § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 18 AEG ausgeschlossen. Für das eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren müsse unter anderem geklärt werden, ob das Vorhaben technisch umsetzbar ist, ob die Planung den geltenden Regelwerken und Sicherheitsstandards entspreche, ob für das Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich sei und falls ja, zu welchem Ergebnis sie führe, ob das Vorhaben öffentliche Belange oder Rechte oder Belange Dritter berühre und ob die Rechte Dritter sowie die öffentlichen und privaten Belange in einen gerechten Ausgleich gebracht werden könnten. Für die hier in Rede stehende Bahnstrecke habe die Beklagte für den Bestand der bis zum Beginn der Offenlegung des Antrags am 10.11.2014 betriebenen Bahnstrecke keinen Plan bei der zuständigen Behörde eingereicht. Für den Betriebszustand bis zum 30.12.2019 hätten daher keine erforderlichen Schutzvorkehrungen und Schutzanlagen geprüft und angeordnet werden können; dem Kläger und seinen Rechtsvorgänger sei damit nicht die Möglichkeit eröffnet gewesen, Einwendungen anzubringen und Schutzmaßnahmen zu verlangen. Auch sei das öffentliche Immissionsschutzrecht nicht durch die zuständige Behörde angewendet worden. Damit fehle es an dem Tatbestandsmerkmal „Planfeststellungsbeschluss“.
120Der Planfeststellungsbeschluss vom 30.12.2019 behandle lediglich die lärmtechnischen Folgen des Neu- oder Ausbauvorhabens und verneine eine Pflicht zur Lärmsanierung an vorhandenen Verkehrswegen als Regelungsgegenstand des Planfeststellungsbeschlusses. Eine wesentliche Änderung von Schienenwegen liege nur unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 16. BImSchV vor. Diese Voraussetzungen seien für den ihn – den Kläger – betreffenden Streckenabschnitt nicht erfüllt. Zum Lärmschutz außerhalb der Bereiche baulich geänderter Schienenwege stelle das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, dass die Planfeststellungsbehörde zu Schutzmaßnahmen nur dann verpflichtet sei, wenn durch die eisenbahntechnischen Baumaßnahmen Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Grundrechtsbeeinträchtigungen bewirkt würden. Darauf werde auch in dem Planfeststellungsbeschluss vom 30.12.2019 abgestellt; der danach zu Grunde gelegte Maßstab von 72 dB(A) am Tag bzw. 62 dB(A) in der Nacht weiche wesentlich von den Immissionsgrenzwerten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 BImSchV ab. Er – der Kläger – hätte auf verwaltungsgerichtlichen Wege keinen weitergehenden Schallschutz im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses erreichen können. Rechtsschutz gegen nicht voraussehbare Wirkungen gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG sei nicht eröffnet, weil das Bauvorhaben noch nicht einmal umgesetzt sei.
121Eine Ausschlusswirkung gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG aufgrund historischer oder fingierter Planfeststellung bestehe schon aus verfassungsrechtlichen, aber auch aus tatsächlichen Gründen nicht.
122Der Kläger beantragt,
123unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1241. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, von der Eisenbahnstrecke Witten – Dortmund – Oberhausen/Duisburg in der Ortslage von I. auf seine Wohnung im Dachgeschoss des Hausgrundstückes Y.-straße 00, I. (Flur N02, Flurstück N03) mit Betriebslärm einzuwirken, der an den der Bahnstrecke mit Gebäudeöffnungen zugewandten Fassade 0,5 m vor dem höchstgelegenen Wohnraumfenster
125(1) in der Tagzeit zwischen 6:00 Uhr und 22:00 Uhr den Wert des Beurteilungspegels über die Beurteilungszeit von 16 Stunden gemittelt von tags 64 dB(A) oder
126(2) in der Nachtzeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr den Wert des Beurteilungspegels von über die Beurteilungszeit von acht Stunden gemittelt 54 dB(A) oder
127(3) durch einzelnen kurzzeitige Geräuschspitzen die vorgenannten Immissionswerte am Tage um mehr als 30 dB(A) oder in der Nacht um mehr als 20 dB(A)
128überschreitet, und
129der Beklagten für jede Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – anzudrohen,
130hilfsweise
131festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Geldersatz für die Kosten von Bau und Unterhalt der zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen des Betriebes der Bahnstrecke durch Verkehrsgeräusche nach der 24. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 04.02.1997 notwendigen Schallschutzmaßnahmen für schutzbedürftige Räume der von ihm genutzten Wohnung im Dachgeschoss als Teil seines Miteigentums am Haus Y.-straße 00 zu leisten, die er seit dem 16.12.2020 aufgewandt hat und zukünftig noch aufwenden muss, und
132die Beklagte dem Grunde nach zur Zahlung von Geldersatz für die Nutzungsbeeinträchtigung des Außenwohnbereichs der Dachgeschosswohnung durch die Emissionen des Bahnbetriebes oberhalb der im Antrag zu Zf. 1 unter Nr. (1) bis (3) bezifferten Schwelle einer wesentlichen Beeinträchtigung der Wohnnutzung an ihn zu verurteilen,
1332. festzustellen, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, ihm Geldersatz für die wesentliche Beeinträchtigung der Wohnnutzung der von ihm bewohnten Dachgeschosswohnung des Hauses Y.-straße 00 einschließlich des dortigen Außenwohnbereichs durch Immissionen des Betriebs des Bahnstrecke durch Beurteilungswerte oberhalb der Immissionsgrenzwerte von tags/nachts 64/54 dB(A) für den Zeitraum vom 15.12.2020 bis zur Erfüllung des Klageantrags zu 1, hilfsweise des hilfsweise hierzu gestellten Klageantrags zu leisten, und
1343. die Beklagte zu verurteilen, ihm vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von brutto 1.338,75 EUR zu zahlen.
135Die Beklagte beantragt,
136die Berufung zurückzuweisen.
137Sie tritt der Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags entgegen und trägt im Wesentlichen weiter vor was folgt:
138Das Landgericht habe zutreffend entschieden, dass die geltend gemachten Ansprüche bereits aufgrund des Planfeststellungsbeschlusses vom 30.12.2019 ausgeschlossen seien. Der Kläger übergehe, dass in dem Planfeststellungsbeschluss über sämtliche Schallimmissionen der streitgegenständlichen Strecke abschließend entschieden worden sei.
139Eine Ausschlusswirkung folge auch aus der historischen Planfeststellung. Sie folge des Weiteren jedenfalls aufgrund einer fingierten Planfeststellung.
140Der Senat hat den Kläger im Senatstermin vom 16.05.2024 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll und den Berichterstattervermerk des Termins Bezug genommen.
141II.
142Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Klage bleibt mit sämtlichen Anträgen ohne Erfolg.
1431) a) Der auf Unterlassung der Einwirkung mit Betriebslärm oberhalb bestimmter Grenzwerte gerichtete Hauptklageantrag zu 1 ist zwar zulässig.
144b) Der Antrag ist indes unbegründet, denn der geltend gemachte Anspruch ist gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG aufgrund der Rechtswirkung des unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahn-Bundesamts vom 30.12.2019 ausgeschlossen.
145aa) (1) Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG erfasse von vorneherein nicht sämtliche geltend gemachten Ansprüche, nämlich nicht die Ansprüche auf Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit und die Ansprüche auf Geldersatz, ist der Anspruch auf Unterlassung des Vorhabens und der Benutzung der Anlagen ausdrücklich in § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG genannt. Im Übrigen bewirkt die Regelung des § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG grundsätzlich einen umfassenden Ausschluss zivilrechtlicher Ansprüche – insbesondere einschließlich der Ansprüche auf Geldersatz – (vgl. BGH, Urteil vom 23.04.2015 – III ZR 397/13, NVwZ 2015, 1317; Urteil vom 30.10.2009 – V ZR 17/09, NJW 2010, 1141; Urteil vom 10.12.2004 – V ZR 72/04, NJW 2005, 660; Urteil vom 21.01.1999 – III ZR 168/97, NJW 1999, 1247; OLG Köln, Urteil vom 29.01.2020 – 11 U 76/18, BeckRS 2020, 21567 Rn. 15; Urteil vom 08.11.2016 – 4 U 27/15, NVwZ 2017, 733; OLG Schleswig, Urteil vom 13.05.2016 – 17 U 83/15, BeckRS 2016, 12407 Rn. 34; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.05.2013 – 18 U 2/13, BeckRS 2014, 12434; OLG Frankfurt, Urteil vom 24.11.2011 – 1 U 160/10, NJOZ 2012, 1774; OLG Hamm, Beschluss vom 22.12.2010 – 11 W 128/10, BeckRS 2014, 2813; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.09.2010 – 9 U 84/10, BeckRS 2010, 145227; BeckOK VwVfG/Kämper, Stand: 01.01.2024, § 75 Rn. 14; Fehling/Kästner/Störmer/Wickel, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., VwVfG § 75 Rn. 29; Mann/Sennekamp/Uechtritz/Deutsch, VwVfG, 2. Aufl., § 75 Rn. 96 ff.; Schoch/Schneider/Kupfer, Verwaltungsrecht, Stand: 4. EL November 2023, VwVfG § 75 Rn. 49 ff.; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann, VwVfG, 10. Aufl. § 75 Rn. 62; Pautsch/Hoffmann/Uschkereit, VwVfG, 2. Aufl., § 75 Rn. 21) mit Ausnahme von hier nicht in Rede stehender Ansprüche auf (echte) Enteignungsentschädigung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG (vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2012 – III ZR 264/11, NVwZ-RR 2013, 7 Rn. 14; BeckOK VwVfG/Kämper, Stand: 01.01.2024, § 75 Rn. 14a; Fehling/Kästner/Störmer/Wickel, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., VwVfG § 75 Rn. 34), möglicherweise von Amtshaftungsansprüchen (str.; vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 24.11.2011 – 1 U 160/10, NJOZ 2012, 1774; OLG Hamm, Urteil vom 21.04.2010 – 11 U 194/08, BeckRS 2011, 3134) und wohl auch von vertraglichen Ansprüchen (vgl. Fehling/Kästner/Störmer/Wickel, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., VwVfG § 75 Rn. 30; Mann/Sennekamp/Uechtritz/Deutsch, VwVfG, 2. Aufl., § 75 Rn. 99; Schoch/Schneider/Kupfer, Verwaltungsrecht, Stand: 4. EL November 2023, VwVfG § 75 Rn. 56; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann, VwVfG, 10. Aufl. § 75 Rn. 62).
146(2) Die Ausschlusswirkung erfasst dabei auch unvorhergesehene Auswirkungen des Vorhabens. In diesen Fällen haben die Betroffenen gegebenenfalls Ansprüche auf Schutzvorkehrungen und Entschädigung aus § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 5 VwVfG. Die Ausschlusswirkung besteht schließlich selbst dann, wenn der Vorhabenträger die den Nachbar schützenden Planvorgaben nicht einhält (vgl. BGH, Urteil vom 30.10.2009 – V ZR 17/09, NJW 2010, 1141 Rn. 27; BGH, Urteil vom 10.12.2004 – V ZR 72/04, NJW 2005, 660).
147bb) Die Auffassung des Klägers, der Planfeststellungsbeschluss vom 30.12.2019 leide an einem schwerwiegenden und offensichtlichen Fehler im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG und sei deshalb nichtig, trifft nicht zu. Der Kläger stützt sich darauf, dass die Sachverhaltsermittlung in dem Planfeststellungsverfahren defizitär gewesen sei. Auch habe die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung der Antragsunterlagen die von der Rechtsprechung entwickelte Anstoßfunktion nicht erfüllt. Damit dringt der Kläger nicht durch; ein besonders schwerwiegender, offensichtlicher Fehler im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG wird von ihm nicht substantiiert dargelegt.
148(1) Ein besonders schwerwiegender Fehler im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG liegt vor, wenn er den Verwaltungsakt schlechterdings unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt; er muss die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzen, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2023 – 10 C 1.23, NVwZ 2023, 1414 Rn. 24; Beschluss vom 16.09.2015 – 4 VR 2.15, BeckRS 2015, 52873 Rn. 9; BeckOK VwVfG/Schemmer, Stand: 01.01.2024, § 44 Rn. 12; Schoch/Schneider/Goldhammer, Verwaltungsrecht, Stand: 4. EL November 2023, VwVfG § 44 Rn. 44). Der Fehler ist offensichtlich, wenn er für einen unvoreingenommenen verständigen Beobachter ohne Weiteres erkennbar ist, wobei die Parallelwertung in der Laiensphäre maßgeblich ist (vgl. BeckOK VwVfG/Schemmer, Stand: 01.01.2024, § 44 Rn. 17; Schoch/Schneider/Goldhammer, Verwaltungsrecht, Stand: 4. EL November 2023, VwVfG § 44 Rn. 64; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., VwVfG § 44 Rn. 9; Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, 10. Aufl., § 44 Rn. 122 ff.).
149(2) Diese Voraussetzungen werden von den vom Kläger in den Raum gestellten, angeblichen Defizite bei der Sachverhaltsermittlung nicht erfüllt.
150(a) Der Kläger meint, die Behörde habe bei der Ermittlung der Schallimmissionen weder die vorhandene Eisenbahnbrücke, noch die nicht mehr dem Stand der Technik entsprechende Stopfung des Schotters, noch die gesteigerte Rauheit der Schienenoberfläche berücksichtigt. Das rechtfertigt die Annahme eines Fehlers im oben genannten Sinne nicht. Unabhängig davon, ob die diesbezüglichen Vorwürfe des Klägers zutreffend sind, wären etwaige Defizite bei der Sachverhaltsermittlung im vorliegenden Fall nicht besonders schwerwiegend und offensichtlich. Die Planfeststellungsbehörde hat in dem Planfeststellungsverfahren umfangreiche Erwägungen unter anderem auf der Grundlage einer ausführlichen schalltechnischen Untersuchung der Beklagten als Vorhabenträgerin angestellt. Sollten dabei einzelne Umstände der örtlichen Situation in der Nachbarschaft des Klägers unberücksichtigt geblieben sein, würde dies den Planfeststellungsbeschluss jedenfalls nicht schlechterdings unerträglich machen, zumal der Kläger – wie er selbst vorträgt – bewusst auf die Erhebung von Einwendungen in dem Planfeststellungsverfahren verzichtet hat und die nunmehr von ihm erhobenen schalltechnischen Einwendungen jedenfalls nicht offenkundig zutreffend sind; hinzukommt, dass in dem Planfeststellungsbeschluss die von dem Kläger monierte Rauheit der Schienenoberfläche explizit berücksichtigt worden ist.
151(b) Gleiches gilt für die weiteren Einwendungen des Klägers, die Behörde habe die Angaben der Beklagten zur Entwurfsgeschwindigkeit und zur (prognostizierten) Zahl der Güterzüge nicht hinreichend geprüft. Die Beklagte hat in ihrem Antrag, wie der Kläger selbst herausstellt, entsprechende Angaben in ihren Antragsunterlagen vorgenommen. Unabhängig davon, ob seine diesbezüglichen Einwendungen überhaupt inhaltlich zutreffen, wird von dem Kläger nicht dargelegt, warum etwaige fehlerhafte Angaben für einen unvoreingenommenen verständigen Beobachter ohne weiteres erkennbar gewesen sein sollen. Die bloße – unterstellte – Unrichtigkeit von Angaben und der – unterstellte – Umstand, dass die Behörde diese Unrichtigkeit übersehen hat, führen weder zu einem besonders schwerwiegenden noch zu einem offensichtlichen Fehler des Planfeststellungsbeschlusses.
152(c) Auch die von dem Kläger ins Feld geführte Störwirkung der Vorbeifahrt einzelner Züge im Gegensatz zur Mittelung der Schallimmissionen über 16 Tages- und 8 Nachtstunden, die die Behörde nicht berücksichtigt habe, rechtfertigt nicht die Annahme eines Fehlers im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG. Abgesehen davon, dass die Richtigkeit des Vortrags des Klägers zur Bedeutung von Spitzenpegeln im Verhältnis zum gemittelten Beurteilungspegel jedenfalls nicht ohne weiteres auf der Hand liegt, ist in dem Planfeststellungsbeschluss die Frage, nach welchem Maßstab die Immissionssituation zu beurteilen ist, ausdrücklich angesprochen und erörtert worden (vgl. S. 112 des PFB vom 30.12.2019: „Es überschreitet nicht den Wertungs- und Gestaltungsspielraum …, dass … ausschließlich auf Beurteilungspegel, also bewertete Mittelungspegel, ab[ge]stellt [wird] … und nicht zusätzlich Maximalschallpegel (Spitzenpegel) berücksichtigt [werden].“). Dass die dort insoweit wiedergegebene und vertretene Auffassung so falsch ist, dass sie den Planfeststellungsbeschluss schlechterdings unerträglich macht und von niemandem erwartet werden kann, ihn als verbindlich anzuerkennen, kann nicht angenommen werden, zumal diese Auffassung aus einem – in dem Planfeststellungsbeschluss zitierten – Urteil des BVerwG vom 29.06.2017 (3 A 1/16, ZUR 2018, 107) stammt (vgl. auch Kunz/Kramer/Berka, Eisenbahnrecht, A. Deutsches Recht, Eisenbahn und Umwelt, 16. BImSchV, Einleitung Rn. 3).
153(d) Soweit der Kläger schließlich auf die angeblich missachtete Anstoßfunktion der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung der Antragsunterlagen gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3, § 18a AEG und § 73 Abs. 5 VwVfG (vgl. dazu BeckOK VwVfG/Kämper, Stand: 01.01.2024, § 73 Rn. 42a) abstellt, legt er schon nicht substantiiert dar, dass diese Anstoßfunktion tatsächlich nicht erfüllt worden wäre. Zum einen trägt der Kläger selbst vor, dass er sich – nach anwaltlicher Beratung – bewusst entschieden habe, gerade keine Einwendungen vorzubringen. Es ist also nicht davon auszugehen, dass er von der öffentlichen Auslegung nichts mitbekommen oder die beabsichtigte Planfeststellung nicht auf sich bezogen hätte. Im Übrigen geht der Planfeststellungsbeschluss explizit und ausführlich auf in dem Planfeststellungsverfahren erhobene Vorwürfe hinsichtlich der Öffentlichkeitsbeteiligung einer ganzen Reihe von Einwendern ein (S. 284-295 des PFB vom 30.12.2019). Dabei hat die Behörde zwar Fehler in dem Anhörungsverfahren festgestellt; da aber gleichwohl eine große Vielzahl von Beteiligungen durch Private stattgefunden hatte, konnte die Behörde keinen Einfluss auf die Entscheidung feststellen, weil die Bekanntmachung ersichtlich die Öffentlichkeit erreicht habe (S. 294-295 des PFB vom 30.12.2019). Für die Annahme eines so schwerwiegenden Fehlers bei der Anhörung der Betroffenen, dass der Planfeststellungsbeschluss gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig wäre, ist danach kein Raum. Dass der Kläger im Übrigen trotz anwaltlicher Beratung die Rechtslage so eingeschätzt hat, dass er keinen Anlass für eine Beteiligung an dem Verwaltungsverfahren gesehen hat, rechtfertigt nicht die Annahme eines Fehlers des Planfeststellungsbeschlusses; insbesondere gehört es nicht zur Anstoßfunktion der Bekanntmachung, eine umfassende rechtliche Einschätzung der möglichen Folgen der beabsichtigten Planfeststellung vorzunehmen (vgl. BeckOK VwVfG/Kämper, Stand: 01.01.2024, § 73 Rn. 42a: Mindestinhalt der Bekanntmachung: allgemein verständliche und klar und eindeutig formulierte Bezeichnung des Vorhabens).
154cc) Soweit der Kläger im Übrigen Verfahrensfehler beim Erlass des Planfeststellungsbeschlusses rügt und mitteilt, dass er sich an dem Planfeststellungsverfahren nicht beteiligt habe, ändert weder das eine noch das andere etwas an der Ausschlusswirkung des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG (vgl. BGH, Urteil vom 30.10.2009 – V ZR 17/09, NJW 2010, 1141 Rn. 29; Schoch/Schneider/Kupfer, Verwaltungsrecht, 4. EL November 2023, VwVfG § 75 Rn. 61; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., VwVfG § 75 Rn. 33; Huck/Müller/Huck, VwVfG, 3. Aufl., § 75 Rn. 11).
155dd) Der Planfeststellungsbeschluss vom 30.12.2019 entfaltet hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche Ausschlusswirkung gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG.
156(1) Nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG sind Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen. Dies bedeutet, dass die Errichtung und der Betrieb des Vorhabens zu dulden ist (vgl. Schoch/Schneider/Kupfer, Verwaltungsrecht, Stand: 4. EL November 2023, VwVfG § 75 Rn. 47, 57; Huck/Müller/Huck, VwVfG, 3. Aufl., § 75 Rn. 10; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., VwVfG § 75 Rn. 29). Die von § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG umfassten Ansprüche sind also ausgeschlossen, soweit die Genehmigungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses reicht (vgl. Schoch/Schneider/Kupfer, Verwaltungsrecht, Stand: 4. EL November 2023, VwVfG § 75 Rn. 57; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., VwVfG § 75 Rn. 31; BeckOK VwVfG/Kämper, Stand: 01.01.2024, § 75 Rn. 12; Mann/Sennekamp/Uechtritz/Deutsch, VwVfG, 2. Aufl., § 75 Rn. 94). Die Ausschlusswirkung greift danach nur, soweit die nachteiligen Wirkungen auf Anlagen beruhen, die dem festgestellten Plan entsprechen, wobei auch unvorhersehbare Auswirkungen umfasst sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 29.01.2020 – 11 U 76/18, BeckRS 2020, 21567 Rn. 18). Maßgebend für die Frage der Reichweite der Genehmigungswirkung ist der Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses, wobei für die Bestimmung von Inhalt und Umfang des Regelungsgegenstands die allgemeinen Auslegungsregeln Anwendung finden (vgl. OLG Köln, Urteil vom 29.01.2020 – 11 76/18, BeckRS 2020, 21567 Rn. 20).
157(a) Der Planfeststellungsbeschluss vom 30.12.2019 betrifft das Vorhaben „Rhein-Ruhr-Express (Planfeststellungsabschnitt 5b Wattenscheid - … - Bochum-Langendreer)“. Geplant ist im Rahmen dieses Vorhabens, die Züge des Rhein-Ruhr-Expresses künftig auf der vorhandenen Fernbahnstrecke zu führen und im Gegenzug zur Entlastung dieser Fernbahnstrecke zwei andere Regionalverkehrslinien auf die S-Bahn-Strecke zu verlegen. Dabei sind von dem Vorhaben Umbaumaßnahmen im Hauptbahnhof Bochum und im Bahnhof Wattenscheid umfasst. Darüber hinaus soll die Leit- und Sicherungstechnik auf der Fernbahnstrecke zwischen Essen und Dortmund geändert werden, um eine Blockverdichtung/-optimierung zu erreichen (S. 6 des PFB vom 30.12.2019). Auch die an dem Haus des Klägers vorbeiführende Bahnstrecke Nr. 2160 ist ausdrücklich Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses und von der geplanten Blockverdichtung betroffen. Der danach grob umrissene Regelungsgegenstand des Planfeststellungsbeschlusses umfasst also den am Haus des Klägers vorbeiführenden Streckenabschnitt.
158(b) (aa) Der Planfeststellungsbeschluss regelt diesen Streckenabschnitt auch als Baulücke konkret mit der Folge, dass das Vorhaben des Rhein-Ruhr-Expresses auch hier geduldet werden muss.
159Der Planfeststellungsbeschluss unterscheidet hinsichtlich der umfassten Gesamtstrecke Streckenabschnitte, an denen Baumaßnahmen eines gewissen Umfangs erfolgen müssen, und Streckenabschnitte – wie den am Haus des Klägers vorbeiführenden Abschnitt –, an denen keine baulichen Maßnahmen stattfinden (Baulücken). Dies spricht zwar dafür – wie es der Kläger vertritt –, dass der in Rede stehende Streckenabschnitt trotz der Nennung im Titel des Planfeststellungsbeschlusses gerade nicht planfestgestellt sein soll. Allerdings werden die Baulücken in dem Planfeststellungsbeschluss nicht etwa von der Planung ausgenommen. Vielmehr wird in dem Planfeststellungsbeschluss ausdrücklich darauf abgestellt, dass Gegenstand der Planfeststellung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG die Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnstromfernleitungen sei und die gesamte Infrastruktur der freien Strecke mit ihrem System aus Signalen, Zugsicherung und -steuerung zu den Bahnanlagen gehören würden (S. 117 des PFB vom 30.12.2019). Zwar unterscheidet die Begründung des Planfeststellungsbeschlusses im Übrigen in immissionsschutzrechtlicher Sicht ausdrücklich zwischen den Bereichen baulicher Maßnahmen und den Baulücken und stellt nur hinsichtlich der Bereiche baulicher Maßnahmen auf die in den §§ 41 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und § 2 Abs. 1 16. BImSchV normierten Grenzwerte ab, die durch geeignete Maßnahmen einzuhalten seien, während hinsichtlich der Baulücken eine Maßgeblichkeit dieser Grenzwerte verneint und diese deshalb auch nicht geprüft werden (vgl. S. 134 des PFB vom 30.12.2019). Das ändert indes nichts daran, dass auch die Bereiche der Baulücken von dem Planfeststellungsbeschluss als Teil der betrachteten Gesamtstrecke eingeordnet werden. So werden nach Maßgabe des Planfeststellungsbeschlusses auf der hier in Rede stehenden Strecke 2160 etliche Signale neu errichtet oder ersetzt und andere Signale zurückgebaut (S. 117 des PFB vom 30.12.2019). Zwar sieht die Planfeststellungsbehörde diese Maßnahmen nicht als erhebliche bauliche Eingriffe an; Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses sind sie gleichwohl. Außerdem nimmt der Planfeststellungsbeschluss die Baulücken gerade nicht vollständig von der immissionsschutzrechtlichen Beurteilung aus, sondern nimmt eine solche Beurteilung, wenn auch beschränkt auf gesundheits- bzw. grundrechtsrelevante Beeinträchtigungen, vor (S. 110 des PFB vom 30.12.2019). Darüber hinaus sieht er ausdrücklich für den am Haus des Klägers vorbeiführenden Streckenabschnitt die Lärmschutzmaßnahme des besonders überwachten Gleises vor (vgl. S. 27/28 des PFB vom 30.12.2019). Im Übrigen wird eine Verpflichtung zu lärmschützenden Maßnahmen im Sinne einer Lärmsanierung in diesem Bereich verneint. Diese erfährt also auch eine Regelung (S. 134 des PFB vom 30.12.2019).
160(bb) Der Regelungsgegenstand des Planfeststellungsbeschlusses beschränkt sich auch nicht auf die durch beabsichtigte Änderung des Eisenbahnbetriebs zu erwartende zusätzliche Schallbelastung.
161Zwar heißt es in dem Planfeststellungsbeschluss, dass Maßnahmen zu ergreifen seien, um den Zustand zu erreichen, der ohne das Bauvorhaben bestehen würde, also um die Erhöhung der Lärmbelastung zurückzunehmen (vgl. S. 134 des PFB vom 30.12.2019), bzw. dass eine in der Planfeststellung zu befolgende grundrechtliche Pflicht zu Schutzvorkehrungen eine Kausalität zwischen Bau und Belastung voraussetze, so dass eine Pflicht zur Lärmsanierung nicht bestehe (S. 118 des PFB vom 30.12.2019; vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 25.04.2012 – 5 S 927/10, ZUR 2012, 570, der darauf rekurriert, dass die Planfeststellungsbehörde sich mit etwaigen zivilrechtlichen Lärmsanierungsansprüche nicht zu befassen habe). Das spricht dafür, dass es bei der Planfeststellung ausschließlich um die durch das Vorhaben entstehende zusätzliche Belastung (durch den zu erwartenden Mehrverkehr) geht und nicht um die bereits bestehende Vorbelastung. Mit dieser Auffassung übersieht man aber zum einen, dass der Planfeststellungsbeschluss einen Anspruch der Altstrecken auf Lärmsanierung ausdrücklich verneint und nicht etwa ungeregelt lässt (vgl. S. 134 des PFB vom 30.12.2019). Zum anderen würde eine neben dem Planfeststellungsbeschluss – aufgrund zivilrechtlicher Anspruchsgrundlagen – ausgesprochene Pflicht zur Lärmsanierung bzw. zu darauf gerichtete Maßnahmen gerade auch das planfestgestellte Vorhaben betreffen, das jedoch – wie § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG vorsieht – in dem Planfeststellungsbeschluss abschließend und sämtliche nicht im Planfeststellungsverfahren geltend gemachte Ansprüche ausschließend geregelt werden soll (vgl. zum Gesichtspunkt der fehlenden Trennbarkeit des Vorhabens und der Bestandssituation OLG Köln, Urteil vom 29.01.2020 – 11 U 76/18, BeckRS 2020, 21567).
162(cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Planfeststellungsbeschluss auf die Rechtsprechung des BVerwG rekurriert (Urteil vom 09.07.2008 – 9 A 5/07, NVwZ 2009, 50), wonach Lärmschutzbelange nur dann in die planerische Abwägung einzubeziehen sind, wenn die Lärmbelastung durch das Planvorhaben ansteigt (S. 118 des PFB vom 30.12.2019). Zwar dürfte sich aus der Rechtsprechung des BVerwG ergeben, dass für den Fall, dass es durch das Vorhaben zu keiner Verschlechterung der Schallimmissionssituation vor Ort kommt, die bereits bestehende Lärmproblematik gerade nicht Gegenstand der Planfeststellung ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.07.2008 – 9 A 5/07, NVwZ 2009, 50 Rn. 17; vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 25.04.2002 – 5 S 927/10, ZUR 2012, 570; Pautsch/Hoffmann/Uschkereit, VwVfG, 2. Aufl., § 75 Rn. 21). Allerdings liegt ein solcher Fall nicht vor. Die Planfeststellungsbehörde hat sich gerade nicht einer Abwägung der Lärmsituation am Streckenabschnitt des Klägers enthalten. Vielmehr hat es zum einen eine umfassende Ermittlung der Lärmpegel in den Baulücken gegeben (S. 118 des PFB vom 30.12.2019) und die Planfeststellungsbehörde hat zum anderen gerade wegen einer prognostizierten Veränderung der Immissionen die aktive Schallschutzmaßnahme des besonders überwachten Gleises angeordnet und das Gebäude des Klägers in die Liste der auf passiven Schallschutz anspruchsberechtigten Gebäude aufgenommen. Dass – worauf der Kläger abstellt – die schallschutztechnische Untersuchung der Beklagten selbst nicht planfestgestellt, sondern nur zur Information überreicht worden ist, ändert daran nichts. Die von der Behörde getroffene Entscheidung zum Lärmschutz an sich sowie die angeordneten Maßnahmen ergeben sich aus dem Planfeststellungsbeschluss. Die schallschutztechnische Untersuchung hatte demgegenüber ersichtlich nur die Funktion bei der Entscheidungsfindung zu dienen.
163(2) Der Planfeststellungsbeschluss vom 30.12.2019 kann danach seinem Inhalt nach den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG grundsätzlich von vorneherein ausschließen. Diese Ausschlusswirkung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs des Klägers auf effektiven Rechtsschutz nicht zu verneinen.
164(a) Der Kläger trägt vor, aufgrund des Umstands, dass in der Nachbarschaft zu ihm keine immissionsschutzrechtlichen Baumaßnahmen geplant seien, sei in der schalltechnischen Untersuchung keine Betroffenheit seiner Immobilie zu prüfen gewesen. Dementsprechend sei eine Prüfung der Schallemissionen des Bestandsbetriebs nicht erfolgt. Soweit die Planfeststellungsbehörde ihre Prüfung auf potentielle Grundrechtsbeeinträchtigungen oder gesundheitskritische Beurteilungspegel beschränkt habe, lägen diese Werte erheblich (um 8 dB(A)) über den in § 2 16. BImSchV normierten Grenzwerten. Er – der Kläger – hätte auf verwaltungsrechtlichen Wege keinen weitergehenden Schallschutz im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses erreichen können. Wolle man ihm Zivilrechtsschutz verweigern, würde dies seinen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verletzen.
165(b) Dieser Vortrag bedingt keine abweichende Bewertung der Ausschlusswirkung des § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG.
166(aa) Soweit der Kläger darauf abstellt, es sei im Planfeststellungsverfahren keine Betroffenheit seiner Immobilie zu prüfen gewesen, trifft das – wie bereits ausgeführt – nicht zu. Das Eisenbahn-Bundesamt hat eine Betroffenheit der Immobilie des Klägers geprüft.
167(bb) Allerdings ist es zutreffend, dass die Behörde diese Prüfung auf grundrechts- und gesundheitskritische Immissionen und somit auf Grenzwerte beschränkt hat, die über den normierten Werte von § 2 16. BImSchV liegen (Zumutbarkeitsschwelle).
168α) Die Behörde hat diese Beschränkung ihrer Prüfung vorgenommen, weil sie – in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 15.12.2011 – 7 A 11/10, NVwZ 2012, 1120; Urteil vom 23.10.2002 – 9 A 22/01, BeckRS 2003, 20539; Jarass, BImSchG, 14. Aufl., § 41 Rn. 3 f.) – davon ausgegangen ist, dass die §§ 41-43 BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV (fachplanungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle) nur anwendbar sind, wenn eine wesentliche Änderung der Bestandsstrecke vorgenommen wird; auf die Bestandsstrecke an sich seien die Vorschriften weder mittelbar noch analog anwendbar (S. 135 des PFB vom 30.12.2019). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lassen sich die Grenzwerte der fachplanungsrechtlichen Erheblichkeitsschwelle allerdings bei einer isolierten und ausschließlich an § 906 BGB ausgerichteten zivilrechtlichen Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zwar nicht als bindende Größen, aber als Entscheidungshilfe mit indizieller Wirkung heranziehen (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2006 – V ZR 2/06, NJW-RR 2007, 168 Rn. 9; vgl. ferner BGH, Urteil vom 10.12.2004 – V ZR 72/04, NJW 2005, 660).
169β) αα) Das mögliche Auseinanderfallen dieser im Rahmen der isolierten zivilrechtlichen Beurteilung nach § 906 Abs. 1 BGB und der immissionsschutzrechtlichen Beurteilung anzuwendenden Prüfungsmaßstäbe führt jedoch nicht dazu, dass die Ausschlusswirkung eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG in einem Fall wie hier zu verneinen ist. Die Ausschlusswirkung eines Planfeststellungsbeschlusses beruht vielmehr auf der ausdrücklichen gesetzgeberischen Entscheidung in § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, einen bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss auch hinsichtlich der in ihm enthaltenen rechtlichen Bewertungen zum alleinigen Maßstab für die immissionsrechtliche Beurteilung des planfestgestellten Vorhabens zu machen und damit dem planfestgestellten Vorhaben eine besonders geschützte, privilegierte Stellung beizumessen. Der bestandskräftige Planfeststellungsbeschluss umfasst nämlich nach § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gerade alle anderen zur Durchführung des Vorhabens erforderlichen Entscheidungen, Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen (Konzentrationswirkung, vgl. BeckOK VwVfG/Kämper, Stand: 01.04.2024, § 75 Rn. 5). Es handelt sich bei ihm also um eine abschließende Zulassungsentscheidung zu Gunsten des planfestgestellten Vorhabens, wobei das Vorhaben gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG gerade auch gegenüber zivilrechtlichen Ansprüchen, sofern diese außerhalb des Regimes des Planfeststellungsverfahrens verfolgt werden, gesichert werden soll. Diese gesetzgeberische Entscheidung, die Umsetzung des planfestgestellten Vorhabens aufgrund eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses zu gewährleisten, ist von dem Senat hinzunehmen und zu beachten. Der Gesetzgeber hat überdies die fachplanungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle ausdrücklich auf den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen sowie von Schienenwegen der Eisenbahnen und Straßenbahnen beschränkt (vgl. Antrag des Innenausschusses, BT-Drucks. 7/1508, S. 23 zu § 35d-E; BT-Drucks. 7/1513, S. 3; stenographischer Bericht zur 401. Sitzung des Bundesrates vom 15.02.1974, S. 38; BR-Drucks. 661/89, 32). Dementsprechend enthält § 41 BImSchG keinen generellen Sanierungsauftrag im Hinblick auf bestehende Straßen, auch wenn die Grenzwerte der 16. BImSchV überschritten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1995 – 4 C 26/93, NVwZ 1995, 907; Jarass, BImSchG, 14. Aufl., § 41 Rn. 4). Der Gesetzgeber wollte die „schleichende“, nicht durch solche Maßnahmen veranlasste oder ausgelöste Veränderung der Verkehrsfunktion und die damit verbundene Steigerung des Verkehrslärms nur als eine Frage künftiger Lärmsanierung erfasst sehen; diese Aufgabe sollte von vornherein aus dem Regelungsbereich des Gesetzes herausfallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1995 – 4 C 26/93, NVwZ 1995, 907).
170ββ) Soweit der BGH (vgl. Urteil vom 23.04.2015 – III ZR 397/13, NVwZ 2015, 1317 Rn. 14; Urteil vom 30.10.2009 – V ZR 17/09, NJW 2010, 1141 Rn. 20; Urteil vom 10.12.2004 – V ZR 72/04, NJW 2005, 660) im Übrigen ausnahmsweise bestimmte Sachverhalte von der Sperrwirkung eines festgestellten Planfeststellungsbeschlusses ausnehmen will, betrifft dies Konstellationen, in denen die im Planfeststellungsverfahren zu Gebote stehenden Möglichkeiten den berechtigten Interessen des Anliegers nicht Rechnung tragen können. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Der Kläger trägt gerade keine Besonderheiten der Situation an seinem Gebäude vor (etwa bereits eingetretene und nicht mehr zu verhindernde Substanzschäden, vgl. BGH, Urteil vom 23.04.2015 – III ZR 397/13, NVwZ 2015, 1317 Rn. 18), die mit den im Planfeststellungsverfahren zu Gebote stehenden Mitteln nicht aufgefangen werden können. Vielmehr beruht der eingeschränkte Prüfungsmaßstab auf der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers in § 41 BImSchG, §§ 1 und 2 16. BImSchV, ausdrücklich nur Neubauten und wesentliche Änderungen von Bestandsbauten den Grenzwerten der 16. BImSchV zu unterwerfen.
171(3) Der von dem Kläger gegen die Ausschlusswirkung des § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ins Feld geführte Einwand des widersprüchlichen Verhaltens der Beklagten verfängt nicht. Abgesehen davon, dass eine von dem Schuldner in einem anderen Prozess gegen eine andere Klagepartei vertretene Rechtsauffassung mangels Schaffung eines Vertrauenstatbestands zu Gunsten des an jenem Prozess nicht beteiligten Gläubigers (vgl. dazu nur BeckOK BGB/Sutschet, Stand: 01.02.2024, § 242 Rn. 111) nicht den Einwand widersprüchlichen Verhaltens begründen kann, ist der Vortrag des Klägers schon aus tatsächlichen Gründen nicht nachvollziehbar. Er trägt vor, in dem Verwaltungsrechtsstreit, aus welchem er einen Schriftsatz der Beklagten als dortige Beigeladene vorlegt, gehe es um den hiesigen Planfeststellungsbeschluss. Das ist aber ausweislich des vorgelegten Schriftsatzes (Anlage K25, Bl. 548-565 d.A.) gerade nicht der Fall. Der Verwaltungsrechtsstreit betrifft vielmehr die Plangenehmigung für den Neubau von sechs Schallschutzwänden. Es geht also gerade nicht um das Verfahren eines „gegen den Planfeststellungsbeschluss klagenden Bahnanliegers in einer Baulücke“.
172(4) Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 05.05.2024 (dort S. 4) darauf abstellt, dass es eine Anpassungspflicht der Beklagten an den Flächennutzungsplan gebe, verfängt auch das nicht. Nach seinem Vortrag ergibt sich aus dem Flächennutzungsplan der Stadt Bochum, dass es sich bei dem in Rede stehenden Gebiet um ein Mischgebiet handelt. Das steht zwischen den Parteien aber ohnehin nicht im Streit. Die Einordnung des Gebiets als Mischgebiet im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 16. BImSchV führt aber nicht per se zur Anwendbarkeit der dort geregelten Grenzwerte. Insoweit ist vielmehr der Planfeststellungsbeschluss vom 30.12.2019 zu berücksichtigen, der – wie ausgeführt – die geltend gemachten Ansprüche ausschließt.
1732) Hilfsweise – für den Fall, dass der Hauptantrag zu 1 ohne Erfolg bleibt – begehrt der Kläger einerseits die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz der Kosten von bereits ergriffenen und noch zu ergreifenden Schallschutzmaßnahmen verpflichtet ist, andererseits die Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach zur Zahlung von Geldersatz für die Nutzungsbeeinträchtigung des Außenwohnbereichs der Dachgeschosswohnung.
174a) Die Zulässigkeit des Feststellungsantrags ist zwar zu bejahen. Es ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass irgendwelche Kosten für die in dem Antrag genannten Schallschutzmaßnahmen anfallen werden, die sich derzeit noch nicht abschließend beziffern lassen (vgl. Anders/Gehle/Anders, ZPO, 82. Aufl., § 256 Rn. 46 „Bezifferung“). Der Antrag auf Verurteilung dem Grunde nach ist demgegenüber unzulässig. Ein Urteil dem Grunde nach ist nur als Zwischenurteil über den Grund (Grundurteil) gemäß § 304 ZPO statthaft. Der Antrag kann auch nicht mit Erfolg in einen Feststellungsantrag umgedeutet werden. Der Umfang des begehrten Geldersatzes für die Nutzungsbeeinträchtigung ist bereits zum jetzigen Zeitpunkt bestimmbar, so dass es an einem rechtlichen Interesse an der Feststellung fehlt, sondern ein Leistungsantrag zu formulieren gewesen wäre.
175b) Die Hilfsanträge sind allerdings aufgrund der bereits erörterten Ausschlusswirkung des Planfeststellungsbeschlusses vom 30.12.2019 (jedenfalls) unbegründet, da die geltend gemachten Ansprüche – wie ausgeführt – gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG gesperrt sind.
1763) Neben dem Hauptantrag zu 1 begehrt der Kläger mit dem Hauptantrag zu 2 die Feststellung, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, ihm Geldersatz für die wesentliche Beeinträchtigung der Wohnnutzung zu zahlen. Der Antrag ist als Feststellungsantrag zulässig; insbesondere ist die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen (vgl. Anders/Gehle/Anders, ZPO, 82. Aufl., § 256 Rn. 46 „Bezifferung“). Aufgrund der Ausschlusswirkung des Planfeststellungsbeschlusses vom 30.12.2019 bleibt er gleichwohl ohne Erfolg.
1774) Der Anspruch wegen der Rechtsanwaltskosten teilt das Schicksal der Hauptforderungen.
178III.
1791) Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht vorliegt. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und die Zulassung ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
180a) Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung liegt vor bei einer klärungsbedürftigen, klärungsfähigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb oder aufgrund anderer Auswirkungen auf die Allgemeinheit das abstrakte Interesse derselben an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 25.09.2019 – IV ZR 247/18, NJW-RR 2020, 94 Rn. 8; Beschluss vom 08.11.2017 – IV ZR 318/16, NJW-RR 2018, 662 Rn. 10). Eine solche Rechtsfrage stellt sich im vorliegenden Fall nicht, namentlich nicht, soweit die Frage der Ausschlusswirkung des Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahn-Bundesamts vom 30.12.2019 hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche betroffen ist. Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, denn das wäre sie nur, wenn sie in der obergerichtlichen Rechtsprechung oder in der Literatur unterschiedlich beurteilt würde (vgl. BGH, Beschluss vom 24.05.2022 – XI ZR 390/21, BKR 2022, 804; Beschluss vom 04.06.2019 – II ZR 264/18, NZG 2020, 20). Das ist jedoch nicht der Fall. Soweit allerdings der VGH Mannheim (Urteil vom 25.04.2012 – 5 S 927/10, ZUR 2012, 570) darauf abgestellt hat, dass etwaige zivilrechtliche Lärmsanierungsansprüche, mit denen sich die Planfeststellungsbehörde nicht zu befassen hatte, von der Duldungs- und Ausschlusswirkung gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht umfasst seien, fehlt es an einer Vergleichbarkeit der zu Grunde liegenden Sachverhalte und somit an der Beantwortung der gleichen abstrakten Rechtsfrage. Im Fall des VGH Mannheim hatte die Planfeststellungsbehörde hinsichtlich der dortigen Anspruchsteller ausdrücklich darauf abgestellt, dass weder eine schalltechnische Untersuchung noch ein Lärmschutzkonzept gefordert werden könne, da die gegebenen Vorbelastungen durch die betrieblichen Auswirkungen des Vorhabens nur unwesentlich erhöht würden. Eine Prüfung der Betroffenheit der Anspruchsteller hat die Planfeststellungsbehörde im Fall des VGH Mannheim mithin explizit nicht vorgenommen. Demgegenüber hat die Planfeststellungsbehörde im hier zu entscheidenden Fall hinsichtlich der Betroffenheit des Klägers eine wesentliche Änderung der Immissionen prognostiziert, eine Abwägung aufgrund einer schalltechnischen Untersuchung vorgenommen und die Vornahme von bestimmten Schallschutzmaßnahmen angeordnet. Damit umfasst der Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamts vom 30.12.2019 – wie ausgeführt – die geltend gemachten Ansprüche des Klägers, während etwaige zivilrechtliche Ansprüche der Anspruchsteller in dem Fall des VGH Mannheim gerade nicht Gegenstand des dortigen Planfeststellungsbeschlusses gewesen sind.
181b) Aus den ausgeführten Gründen fehlt es auch an der Notwendigkeit, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Dies wäre zwar insbesondere in Fällen der Divergenz, das heißt bei einer abstrakten Obersatzabweichung von einer Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts in ein und derselben Rechtsfrage, der Fall (vgl. BGH, Beschluss vom 16.10.2018 – II ZR 70/16, NJW-RR 2019, 524 Rn. 17). Eine solche Obersatzabweichung liegt indes – wie ausgeführt – nicht vor.
1822) Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
183Der Tenor dieses Urteils wurde mit Beschluss vom 25.07.2024 gemäß § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass es statt "Landgericht Münster" heißt: "Landgericht Bochum".