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1.Eine Löschungsbewilligung ist gem. § 875 Abs. 2 BGB auch dann noch widerrufbar, wenn sie in einem Notarvertrag abgegeben wurde, der eine sog. Ausfertigungssperre enthält, wonach das Recht jedes Beteiligten gem. § 51 Abs. 1 BeurkG, eine Ausfertigung zu verlangen, abbedungen ist.
2.Gem. § 876 S. 2 BGB muss der Grundpfandrechtsgläubiger eines herrschenden Grundstücks der Löschung von Dienstbarkeiten an dem dienenden Grundstück zustimmen.In einer Löschungsbewilligung des Grundpfandrechts ist dann nicht im Regelfall eine Zustimmung i.S. von § 876 S. 2 BGB enthalten, wenn diese treuhänderisch gebunden erteilt worden ist (Abgrenzung zu OLG Hamm, Beschluss vom 23. Oktober 2012 – 15 W 66/12 - juris).
3.Wenn ein Notar zum Vollzug des notariellen Vertrages bevollmächtigt ist, kann auch auf dessen Kenntnisstand bei der Frage des gutgläubigen Erwerbs gem. § 892 BGB abzustellen sein. Auch ein Notar kann einem Rechtsirrtum unterliegen, der einer Bösgläubigkeit i.S. von § 892 BGB entgegensteht.
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird unter Zurückweisung der Berufung der Klägerinnen das am 28.06.2023 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster (Az. 16 O 154/22) abgeändert.
Das angefochtene Urteil wird dahingehend berichtigt, dass es im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 26.04.2023 ergangen ist.
Die Klage bleibt abgewiesen.
Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen und die Drittwiderbeklagten zu 1) bis 4) als Gesamtschuldner den Schaden der Beklagten zu 1) zu ersetzen haben, der dieser durch die auf Betreiben der Klägerinnen durch den Vollzug des Beschlusses des Landgerichts Münster vom 21.07.2022, Az.: 016 O 128/22 eingetragenen Widersprüche in den Grundbüchern von K., Grundbuchblätter N01 bis N02 entstanden ist.
Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz tragen die Klägerin zu 1) zu 33 %, die Klägerin zu 2) zu 66 % und die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner mit den Klägerinnen zu 1) und 2) zu 1 %.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe:
2I.
3Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten zu 1) und 2) Ansprüche auf Berichtigung des Grundbuchs geltend gemacht und machen diese in der Berufungsinstanz gegen die Beklagte zu 1) weiter geltend. Die Beklagte zu 1) macht widerklagend Schadenersatzansprüche wegen der unberechtigten Eintragung eines Widerspruchs ins Grundbuch geltend.
4Die Klägerin zu 1) ist Eigentümerin der Grundstücke F.-straße 00 (Gemarkung K., Flur N04, Flurstücke N05 und N06).
5Die Klägerin zu 2) ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung K., Flur N04, Flurstück Nr. N07 (ohne eigene Hausnummer).
6Das Grundstück Gemarkung K., Flur N04, Flurstück Nr. N08 steht im Eigentum der U. GmbH, die nicht an dem Prozess beteiligt ist.
7Das Grundstück Gemarkung K., Flur N04, Flurstück Nr. N09 stand ursprünglich im Eigentum der O. A. GmbH & Co KG und steht nunmehr im Eigentum der Beklagten zu 1).
8Wegen der Lage der Grundstücke wird auf die folgende Abbildung verwiesen:
9Am 26.11.2020 beurkundete der Streithelfer zwei notarielle Kaufverträge mit den Ur-Nrn. N10/2020 und N11/2020.
11Mit notariellem Kaufvertrag (Ur-Nr. N10/2020), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 33 der erstinstanzlichen Akte, im Folgenden: d.A.), kaufte die Beklagte zu 1) von der insolventen A. O. GmbH & CO KG (im Folgenden Verkäuferin) das Grundstück Gemarkung K., Flur N04, Flurstück N09 (im Folgenden als dienendes Grundstück bezeichnet).
12Das Grundstück Gemarkung K., Flur N04, Flurstück Nr. N09 war u.a. wie folgt belastet:
13• lfd. Nr. 1: Eine Grunddienstbarkeit (Verbot der Errichtung und des Betriebs von Anlagen zur Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks K. Flur N04, Flurstück N07;
14• lfd. Nr. 2: Eine Grunddienstbarkeit für die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke K. Flur N04, Flurstücke N06 und N07;
15• lfd. Nr. 3: Eine Grunddienstbarkeit (Betretungsrecht, Ver- und Entsorgungsleitungsrecht für die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke K. Flur N04, Flurstücke N06 und N07);
16• lfd. Nr. 4: Reallast (Pflicht zur Kostentragung für Wärmelieferung, Betrieb, Wartung und Unterhaltung Heizungsanlage und Leitungen für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks K. Flur N04 Flurstücks N07).
17Das Grundstück war zudem mehr als wertausschöpfend mit einer Grundschuld zugunsten der Bank G. (im Folgenden: G.) belastet. Die Verkäuferin war insolvent. Der Insolvenzverwalter machte gegen die Drittwiderbeklagten zu 1) bis 4) – u.a. gesamtschuldnerisch Forderungen i.H. von 1.542.627,20 € geltend (vgl. Bl. 55 d.A.).
18Die Grundschuldgläubigerin – die G. – hatte nach insolvenzrechtlicher Freigabe des halbfertigen auf dem dienenden Grundstück aufstehenden Seniorenheims ein Interesse an einem möglichst kurzfristigen freihändigen Verkauf. Es wurde zur Abgeltung aller Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen die Drittwiderbeklagten ein Vergleichsbetrag von 650.000,00 € vereinbart, von dem 500.000,00 € von der G. bezahlt werden sollte und 150.000,00 € durch die Drittwiderbeklagten. Die Wirksamkeit dieser Vergleichsvereinbarung war an die Bedingung geknüpft, dass der G. aus der Abwicklung des Grundstückskaufvertrages ein Betrag von 10.915.000,00 € zufließt.
19Die G. – auch als Vertreterin der Verkäuferin – vereinbarte in mehreren Vertragsanpassungen eine Verlängerung der Zahlungsfrist und eine Kaufpreisreduzierung bis zum 01.04.2022 (vgl. Anlagen B 1 bis B 5). Der Streithelfer der Beklagten zu 1 teilte am 03.03.2022 die Fälligkeit des Kaufpreises des Vertrag Ur-Nr. N10/2020 mit (Bl. 164 d.A.).
20Mit Vertrag ebenfalls vom 26.11.2020 (Ur-Nr. N11/2020 des Streithelfers, im Folgenden 2. Vertrag genannt) kaufte die M. I. GmbH – eine Schwestergesellschaft der Beklagten zu 1) – die Grundstücke Gemarkung K., Flur N04, Flurstücke N05, N06 von der Klägerin zu 1); das Grundstück Gemarkung K., Flur N04, Flurstück N07 von der Klägerin zu 2) und das Grundstück Gemarkung K., Flur N04, Flurstück N08 von der nicht am Prozess beteiligten U. GmbH. Die Grundstücke Gemarkung K. Flur N04, Flurstücke N05, N09, N07 und N08 werden im Folgenden auch als herrschende Grundstücke bezeichnet. In § 6 des Vertrages beantragten und bewilligten die Erschienenen die Löschung der Belastungen der lfd. Nr. 1 bis 4 auf dem dienenden Grundstück.
21In Abteilung II waren die Grundstücke N05 und N06 u.a. mit Grunddienstbarkeiten (Geh- und Fahrtrecht und einem Ver- und Entsorgungsleitungsrecht, Betretungsrecht) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks N09 belastet.
22In Abteilung III lfd. Nr. 1 waren die Grundstücke Flur N04, Flurstück N05 und N06 mit einer Grundschuld i.H. von 1,5 Mio. € zugunsten der Z. e.G. (im Folgenden: Z.) belastet. Im Zusammenhang mit der später avisierten Löschung dieser Grundschuld zwecks lastenfreier Veräußerung schloss die Z. mit dem Streithelfer unter dem 02.02.2022 einen Treuhandvertrag (Bl. 479 d.A.), der vorsah, dass die von der Bank bereitgestellten Löschungsunterlagen (Bl. 205 f d.A.) bezüglich des Pfandrechts nur nach Zahlung der Ablösesumme bis zum 30.05.2022 gebraucht werden durften. Von diesen Löschungsunterlagen hat der Notar gegenüber dem Grundbuchamt unstreitig nicht mehr zwecks Löschung Gebrauch gemacht.
23Der 2. Vertrag wurde nicht vollzogen. Die Klägerin zu 1) ist nach wie vor Eigentümerin der Grundstücke Gemarkung K., Flur N04, Flurstücke N05 und N06, die nördlich und südlich des Flurstücks N09 liegen. Die Klägerin zu 2) ist nach wie vor Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung K., Flur N04, Flurstück Nr. N07, eines Grundstücks nördlich vom Flurstück N09.
24Am 23.03.2022 wurden in Abteilung III der Grundbuchblätter des dienenden Grundstücks unter den lfd. Nr. 3 und 4 jeweils unter Bezugnahme auf eine ebenfalls vom Notar E. am 07.03.2022 beurkundete Bewilligung umfangreiche Grundschulden zugunsten der Beklagten zu 2), der C. AG bestellt. Insoweit wird auf den entsprechenden beispielhaften Grundbuchauszug, Bl. N04 f. d.A., verwiesen.
25Mit Schreiben vom 04.04.2022 (Bl. 29 d.A.) erklärten die Klägerinnen sowie die U. GmbH als Verkäuferinnen gegenüber dem Streithelfer den Rücktritt vom Kaufvertrag über die herrschenden Grundstücke (Ur-Nr. N11/2020) mit der M. I. GmbH. Diese Erklärung ging dem Streithelfer per E-mail sowie als Fax zu.
26Gleichwohl beantragte der Streithelfer mittels der ihm von allen Seiten erteilten Vollmachten unter dem 25.04.2022 (Bl. 62 d.A.) beim Grundbuchamt des Amtsgerichts Bocholt für das an die Beklagte zu 1) verkaufte dienende Grundstück unter Bezugnahme auf die Bewilligungen in der Urkundenrolle N11/2020 die Löschung der zugunsten des Grundbesitzes der Klägerinnen bestehenden Rechte in Abteilung 2 (Grunddienstbarkeiten und Reallast). Die Eintragung der Löschung seitens des Grundbuchamtes erfolgte am 30.05.2022 (Bl. 72 d.A.). Am selben Tag wurde die Beklagte zu 1) zudem als Eigentümerin im Grundbuch des Grundstücks Flur N09 eingetragen.
27In der Zwischenzeit verhandelten die Beteiligten darüber, den Kaufvertrag über die herrschenden Grundstücke doch weiter zu vollziehen. In diesem Zusammenhang forderte die Klägerin zu 1) den Streithelfer unter dem 24.06.2022 (Bl. 204 d.A.) auf, den Vertrag über das herrschende Grundstück weiter zu vollziehen mit der Bemerkung, dass die Rücktrittserklärungen wirkungslos seien. Dieses Schreiben war allerdings nicht vom Mitgesellschafter der Klägerin zu 2) Salomon unterzeichnet.
28Nachdem zwischenzeitliche Verhandlungen zwischen den Beteiligten gescheitert waren, erklärte die Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 08.07.2022 (Bl. 77 f.) erneut den Rücktritt vom 2. Vertrag.
29Wegen der Löschung der streitgegenständlichen Rechte – der Belastungen des dienenden Grundstücks in der Abteilung 2 mit den laufenden Nr. 1 bis 4 – wurde am 21.07.2022 eine einstweilige Verfügung durch das LG Münster im Verfahren 016 O 128/22 erlassen, auf deren Grundlage am 11.08.2022 entsprechende Widersprüche im Grundbuch gegen die Löschung eingetragen wurden. Die einstweilige Verfügung wurde mit Urteil vom 18.10.2022 wieder aufgehoben (Bl. 120 ff. d. A.), da die Verfügung nur gegenüber der M. V. GmbH beantragt und erwirkt worden sei, nicht aber auch gegenüber der C. AG, zu deren Gunsten Grundschulden am 23.03.2022 für das Flurstück N09 eingetragen waren. Die im Grundbuch eingetragenen Widersprüche wurden am 09.11.2022 gelöscht.
30Das Landgericht hat die Klage und die Wider- und Drittwiderklage abgewiesen.
31Die Klage gegen die Beklagte zu 1) sei unbegründet. Das Grundbuch sei nicht unrichtig, weswegen ein Anspruch aus § 894 BGB nicht bestehe. Es sei eine Aufgabeerklärung der streitgegenständlichen Rechte im zweiten Vertrag erklärt worden. Diese sei nicht wirksam durch die Mail bzw. Fax vom 04.04.2022 widerrufen worden. Denn die Erklärung der Klägerinnen habe nur den Kaufvertrag betroffen, nicht aber die mitbeurkundeten Löschungsbewilligungen. Die späteren Erklärungen zur Nichtdurchführung des Vertrages führten nicht zum wirksamen Widerruf der Aufhebungserklärungen i.S. des § 875 BGB. Da die Z. eine Löschungsbewilligung abgegeben habe, in der regelmäßig eine Zustimmungserklärung liege, stehe § 876 S. 2 BGB nicht entgegen. Dass die 1,5 Mio. € erst am 31.05.2022 an die Z. geflossen seien, sei unerheblich.
32Auch die Klage gegen die Beklagte zu 2) sei unbegründet. Die ursprüngliche Klage, mit der die Klägerinnen ebenfalls eine Wiedereintragung der gelöschten Rechte beantragt hätten, sei unbegründet gewesen. Da die Beklagte zu 2) nicht Eigentümerin gewesen sei, sei sie zu der begehrten Leistung nicht in der Lage gewesen. Der Klageantrag hätte auch nicht in einen Antrag auf Rangrücktritt umgedeutet werden können. Deswegen sei der Rechtsstreit insoweit auch nicht erledigt.
33Schließlich seien Widerklage und Drittwiderklage ohne Erfolg. Denn diese Klage sei nicht auf den Ersatz von sog. Vollziehungsschäden gerichtet. Die Beklagte zu 1) habe vielmehr sog. Anordnungsschäden geltend gemacht, die nicht ersatzfähig seien.
34Wegen der weiteren tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts inkl. der Parteianträge sowie der rechtlichen Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Wegen des erstinstanzlichen weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der vor dem Landgericht gewechselten Schriftsätze neben Anlagen verwiesen.
35Gegen dieses Urteil wenden sich die Klägerinnen, mit der sie im Wesentlichen ihre ursprünglichen Anträge gegen die Beklagte zu 1) unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterfolgen und die Beklagte zu 1).
36Die Klägerinnen meinen, das Urteil leide bereits an formalen Mängeln. Unabhängig davon habe der Streithelfer nach dem Rücktritt vom 04.04.2022 die Löschung der streitgegenständlichen Belastungen nicht mehr veranlassen dürfen. Das Landgericht sei unrichtig zu dem Ergebnis gekommen, dass der Rücktritt nur den Kaufvertrag aber nicht die Löschungsbewilligungen erfasst habe. Es sei offensichtlich gewesen, dass sie ihre Rechte nur dann habe aufgeben wollen, wenn auch der „2. Vertrag“ abgewickelt werde. Der Streithelfer habe bei den Klägerinnen nachfragen müssen. Zudem sei die Löschung der streitgegenständlichen Rechte ohne die ausdrückliche Zustimmungserklärung der Z. erklärt worden. Im Ergebnis sei das Landgericht fehlerhaft davon ausgegangen, dass in der vorliegenden Löschungsbewilligung auch eine Zustimmung zur Löschung der Grunddienstbarkeiten liege.
37Die Klägerinnen beantragen,
38unter Abänderung des angefochtenen Urteils
39die Beklagte zu 1) zu verurteilen, die (Wieder)Eintragung der im Grundbuch gelöschten Grunddienstbarkeiten Abt. II zur laufenden Nummern 1, 2, 3 und der Reallast zur lfden Nummer 4 auf den Grundbuchblättern N01 bis N02 zugunsten der Grundstücke Flur N04/N06 und Flur N04/N07, jeweils eingetragen beim Amtsgericht Bocholt zu bewilligen entsprechend ihrer Rangstellung vor der erfolgten Löschung;
40hilfsweise,
41die Beklagte zu 1) zu verurteilen, unter Bezugnahme auf die Bewilligungserklärungen in der Urkunde des Notars N. in P., UR-Nr. N12/2017 (Bl. 782 ff. erstinstanzliche Akten) die Eintragung der nachfolgende Rechte im Rang vor den eingetragenen Grundpfandrechten der C. AG zu bewilligen:
421.
43Abt. II: Grunddienstbarkeit (Verbot der Errichtung und des Betriebs von Anlagen, die der Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser dienen, Verbot der Zuführung von Heizwärme und Warmwasser) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks K. Flur N04 Flurstück N07 (Blatt N03 BV Nr. 5);
442.
45Abt. II: Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht) für die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke der Gemarkung K. Flur N04 Flurstück N06 (Blatt N03 BV Nr.4), K. Flur N04 Flurstück N07 (Blatt N03 BV Nr. 5) als Gesamtgläubiger gem. § 428 BGB;
463.
47Abt. II: Grunddienstbarkeit (Ver- und Entsorgungsleitungsrecht) für die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke der Gemarkung K. Flur N04 Flurstück N06 (Blatt N03 BV Nr.4), K. Flur N04 Flurstück N07 (Blatt N03 BV Nr. 5) als Gesamtgläubiger gem. § 428 BGB;
484.
49Abt. II: Reallast (Pflicht, die Kosten für die Wärmelieferung, für den Betrieb, die Wartung und die Unterhaltung der Heizungsanlage einschließlich der Leitungen anteilmäßig zu tragen) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks K. Flur N04 Flurstück N07 (Blatt N03 BV Nr .5).
50wobei sich die Anträge zu 1. und 4. allein auf einen Anspruch der Klägerin zu 2) beziehen; insoweit hat die Klägerin zu 1) ihre weitergehende Berufung (Erstreckung auch auf die Grunddienstbarkeiten der Anträge zu 1. und 4.) zurückgenommen.
51Die Beklagte zu 1) und der Streithelfer beantragen jeweils,
52die Berufung der Klägerinnen zurückzuweisen.
53Sie verteidigen unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die Klageabweisung durch das Landgericht.
54Mit der Berufung verfolgt die Beklagte zu 1) ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.
55Sie beantragt,
561. das angefochtene Urteil abzuändern, soweit Widerklage und Drittwiderklage abgewiesen wurden und festzustellen, dass die Klägerinnen und die Drittwiderbeklagten zu 1) bis 4) als Gesamtschuldnerinnen den Schaden der Beklagten zu 1) zu ersetzen haben, der dieser durch die auf Betreiben der Klägerinnen im Vollzug des Beschlusses des Landgerichts Münster vom 16.07.2023, Az.: 016 O 128/22 eingetragenen Widersprüche in den Grundbüchern von K., Grundbuchblätter N01 bis N02 entstanden ist.
57hilfsweise:
582. das angefochtene Urteil im Umfang der Abweisung von Widerklage und Drittwiderklage aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
59Die Klägerinnen und die Drittwiderbeklagten beantragen,
60die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
61Sie verteidigen unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die Abweisung der Widerklage und Drittwiderklage.
62Der Senat hat die Geschäftsführer der Klägerin zu 1) sowie den Streithelfer persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen (Bl. 473 ff. zweitinstanzliche Akten, nachfolgend: GA).
63II.
64Die zulässige Berufung der Klägerinnen hat keinen Erfolg. Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) ist begründet. Die Klageabweisung gegen die Beklagte zu 2) ist mangels Berufungsangriff rechtskräftig.
651. Berufung der Klägerinnen
66Die Berufung der Klägerinnen ist unbegründet.
67a.
68Die Berufung ist nicht schon wegen formeller Fehler begründet.
69Der Senat hat den unrichtigen Urteilseingang dahingehend gem. § 319 ZPO wegen offensichtlicher Unrichtigkeit berichtigt, dass das angefochtene Urteil im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 26.04.2023 ergangen ist. Berichtigungen gem. § 319 ZPO können grundsätzlich zeitlich unbefristet erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 1980 – IV b ZB 502/80 – BeckRS 1980, 30392660). Entgegen der Rüge der Klägerinnen befindet sich ein Verkündungsvermerk des Urteils in der Akte (Bl. 1464 d.A.).
70Soweit die Klägerinnen meinen, der erstinstanzliche Richter habe ihren Schriftsatz vom 26.04.2023 nicht zur Kenntnis genommen, führt dies nicht weiter. Denn sie haben insoweit keinen Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt. Zudem ist vom Landgericht unberücksichtigter Tatsachenvortrag nicht ersichtlich. Im Übrigen wird das diesbezügliche Vorbringen der Klägerinnen in der Berufungsinstanz uneingeschränkt beachtet.
71b.
72Der Hauptantrag der Klägerinnen ist unzulässig und unbegründet.
73aa.
74Der Antrag ist unzulässig. Er ist nicht hinreichend bestimmt genug. Trotz des Hinweises in der Ladungsverfügung vom 06.11.2023 und den Erörterungen im Senatstermin haben die Klägerinnen den Hauptantrag nicht dahingehend präzisiert, dass sie auf die ursprüngliche Bewilligungserklärung Bezug genommen haben. Durch die Antragstellung wird die Reichweite der jeweiligen Belastungen nicht hinreichend konkret beschrieben, § 253 ZPO.
75bb.
76Der Antrag ist zudem unbegründet.
77(I)
78Die Klage der Klägerin zu 1) ist in Bezug auf die Rechte zu den laufenden Nummern 1 und 4 unbegründet. Denn diese wird durch die Wiedereintragung der gelöschten Belastungen nicht begünstigt.
79Ein Anspruch gem. § 894 BGB besteht, wenn der Grundbuchinhalt von der wirklichen Rechtslage abweicht. Gläubiger des Berichtigungsanspruchs ist der unmittelbar beeinträchtigte, gegenwärtige wirkliche Inhaber des nicht oder nicht richtig eingetragenen Rechts (vgl. MünchKomm-Schäfer, BGB, 9. Aufl. § 894 Rn. 20 m.w.N.). Die Klägerin zu 1) hat keinerlei Recht in Bezug auf die gelöschten Rechte zu den laufenden Nr. 1 und 4. Dies steht allein der Klägerin zu 2) zu.
80Dies steht auch einem Anspruch gem. § 812 BGB entgegen. Bei einem unrichtigen Grundbuchinhalt in Bezug auf die laufenden Nummern 1 und 4 ist eine ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten zu 1) zu Lasten der Klägerin zu 1) ausgeschlossen.
81(II)
82Unabhängig davon ist die Klage mit dem Hauptantrag insgesamt unbegründet. Die möglichen Anspruchsgrundlagen – ein Grundbuchberichtigungsanspruch gem. § 894 BGB und ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 BGB – gewähren nicht eine Bewilligung der gelöschten Rechte entsprechend ihrer Rangstellung vor der erfolgten Löschung.
83Die Klägerinnen begehren mit diesem Antrag die Wiedereintragung der im Grundbuch gelöschten Grunddienstbarkeiten in Abt. II zur laufenden Nummern 1, 2, 3 und der Reallast zur lfd. Nummer 4 in den Grundbüchern des dienenden Grundstücks entsprechend ihrer Rangstellung vor der erfolgten Löschung.
84Ein Anspruch gem. § 894 BGB und ein Anspruch gem. § 812 BGB gewähren nur einen Anspruch darauf, dass der Verpflichtete die grundbuchrechtlich erforderliche Bewilligung abgeben muss. Eine rechtskräftige Verurteilung unterstellt, gilt die Bewilligungserklärung zur Berichtigung des Grundbuchs gem. §§ 19, 22 GBO als abgegeben, § 894 ZPO. Mit einer solchen Willenserklärung kann die Rangstellung vor der erfolgten Löschung nicht erreicht werden. Die Bewilligung einer Wiedereintragung unabhängig von anderen Grundbucheintragungen ist dem formellen Grundbuchrecht fremd.
85c.
86Der zulässige Hilfsantrag der Klägerinnen ist unbegründet.
87aa.
88Der Hilfsantrag ist zulässig.
89Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass die Z. in Bezug auf das herrschende Grundstück Gemarkung K., Flur N04, Flurstück N06 im Verfahren 17 O 432/22 LG Münster (= 5 U 79/23 OLG Hamm) die Eintragung der gelöschten Grunddienstbarkeiten der lfd. Nr. 2 und 3 begehrt.
90Denn die Klägerinnen zu 1) und 2) einerseits und die Z. andererseits sind nicht notwendige Streitgenossen i.S. von § 62 ZPO. Eine notwendige Streitgenossenschaft setzt voraus, dass sich die Rechtskraftwirkung der jeweiligen Entscheidungen auf den jeweiligen anderen Kläger erstreckt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1984 – V ZR 67/83 - juris Rn. 7). Als Grundpfandrechtsgläubigerin hat die Z. ein eigenes Antragsrecht (vgl. MünchKommBGB-Schäfer, 9. Aufl. 2023, § 894, Rn. 28 m.w.N.). Eine Rechtskrafterstreckung findet nicht statt.
91Vor diesem Hintergrund gibt es auch keine anderweitige Rechtshängigkeit.
92bb.
93Der Hilfsantrag ist aber unbegründet.
94Im Hinblick auf die mit diesem Antrag begehrte Bewilligung einer Eintragung vor den eingetragenen Grundpfandrechten der C. AG wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Eine Bewilligung einer Eintragung an einer bestimmten Stelle im Grundbuch kann nicht verlangt werden. Insoweit ist der Hilfsantrag schon deswegen teilweise abzuweisen.
95Unabhängig davon haben die Klägerinnen keinen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs gem. § 894 BGB (vgl. hierzu unter aaa.) oder gem. § 812 BGB (vgl. hierzu unter bbb.). Andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.
96Die Klägerinnen sind aktivlegitimiert.
97Die Teilberufungsrücknahme der Klägerin zu 1) im Senatstermin führt dazu, dass die Hilfsanträge zu 1. und 4. nur von der Klägerin zu 2) geltend gemacht werden, wodurch die Klägerinnen für die zur Entscheidung gestellten Anträge jeweils berechtigt sind.
98aaa.
99Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf eine Berichtigung des Grundbuchs gem. § 894 BGB. Das Grundbuch ist nicht unrichtig.
100Die Löschungsbewilligung der Klägerinnen bezüglich der streitgegenständlichen Belastungen im zweiten Vertrag haben diese zwar wirksam widerrufen. Auch hat die Z. nicht die gem. § 876 S. 2 BGB erforderliche Zustimmung gegenüber einem tauglichen Empfänger erteilt. Die Beklagte zu 1) hat aber gutgläubig lastenfreies Eigentum erworben.
101(I)
102Die Klägerinnen zu 1) und 2) haben die in dem 2. Vertrag enthaltenen Löschungsbewilligungen wirksam durch das an den Streithelfer gerichtete Fax und die E-Mail vom 04.04.2022 widerrufen (vgl. Bl. 29 d.A.).
103(1)
104Entgegen der Ansicht des Streithelfers waren die Löschungsbewilligungen noch nicht unwiderrufbar.
105(a)
106Gem. § 875 Abs. 2 BGB ist vor der Löschung der Berechtigte an seine Erklärung nur gebunden, wenn er sie dem Grundbuchamt gegenüber abgegeben oder demjenigen, zu dessen Gunsten sie erfolgt, eine den Vorschriften der GBO entsprechenden Löschungsbewilligung ausgehändigt hat.
107Die Löschungsbewilligung wurde nicht gegenüber dem Grundbuchamt abgegeben. Sie wurde auch vor dem Widerruf nicht beim Grundbuchamt eingereicht. Der Streithelfer hat die Löschungsbewilligungen unter Bezugnahme auf § 6 des 2. Vertrages beim Grundbuchamt mit Schreiben vom 25.04.2022 – Eingang beim Grundbuchamt am 29.04.2022 (vgl. Bl. 62 d.A.) – genutzt. Der Widerruf wurde vorher (am 04.04.2022) erklärt.
108Es wurde keine den Vorschriften der GBO entsprechende Löschungsbewilligung der Beklagten zu 1) ausgehändigt. Hierfür reicht nicht aus, dass der Streithelfer gem. § 7 des zweiten Vertrags zum Vollzug der Urkunde bevollmächtigt war und die Löschungsbewilligung in Besitz hatte. Denn in § 6 des zweiten Vertrages ist ausdrücklich aufgeführt, dass Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften dieser Urkunden den Beteiligten oder dem Grundbuchamt zunächst ohne die gesonderten Löschungsbewilligungen zu erteilen sind. Dies zeigt, dass der Streithelfer, der den Vollzug der Urkunde zu steuern hatte, in Bezug auf die Löschungsbewilligung nicht Empfangsvertreter der Beklagten zu 1) war. Frühestens mit Absetzung des Schreibens vom 25.04.2022 an das Grundbuchamt änderte sich die Willensrichtung des Streithelfers in der Weise, dass er Empfangsvertreter der Beklagten zu 1) in Bezug auf die Löschungsbewilligung gewesen sein könnte. Selbst wenn dies unterstellt wird, war dies nach dem Widerruf.
109Wegen der Vertragskonstruktion scheitert auch eine teilweise befürwortete analoge Anwendung des § 873 Abs. 2 BGB.
110Zum Teil wird vertreten, dass auch bei der Aufhebung eines Rechtes gem. § 875 BGB die Löschungsbewilligung unwiderruflich ist, wenn die Erklärung notariell beurkundet wurde (vgl. etwa BeckOGKBGB-Enders, Stand 01.01.2024, § 875 Rn. 47; Erman-Artz, BGB, 17. Aufl. § 875 Rn. 6). Hintergrund dieser Ansicht ist, dass bei einer Beurkundung in einem Vertrag jeder Beteiligte gem. § 51 Abs. 1 BeurkG eine Ausfertigung verlangen kann (vgl. Staudinger/C Heinze (2018) BGB, § 875, Rn. 58; MünchKommBGB-Lettmaier, 9. Aufl. 2023, BGB, § 875 Rn. 21; Grüneberg, BGB, 83. Aufl. § 875 Rn. 8).
111Vorliegend haben die Parteien aber das Antragsrecht gem. § 51 BeurkG ausdrücklich ausgeschlossen. Es ist eine sog. Ausfertigungssperre in dem Vertrag enthalten, die der Streithelfer nach seinen unwidersprochenen Erklärungen im Senatstermin im Rahmen der Beurkundungsverhandlung erläutert hat. Bei der Vereinbarung einer Ausfertigungssperre ist eine analoge Anwendung des § 873 Abs. 2 BGB aus Sicht des Senats nicht geboten. Soweit unabhängig von einem Antragsrecht gem. § 51 BeurkG eine analoge Anwendung befürwortet wird (vgl. BeckOGKBGB-Enders, Stand 01.01.2024, § 875 Rn. 47; Erman-Artz, BGB, 17. Aufl. § 875 Rn. 6, zumindest ohne ausdrückliche Einschränkung), folgt der Senat dem nicht. Der Berechtigte hat in dieser Konstellation die Löschungsbewilligung gerade nicht aus seinem Machtbereich endgültig entlassen, was aber Voraussetzung für eine vergleichbare Interessenlage ist, die eine analoge Anwendung des § 873 Abs. 2 BGB möglich macht.
112(b)
113Dass der Streithelfer den Kaufpreis im Vertrag Ur-Nr. N10/2020 am 03.03.2022 fällig gestellt hatte (vgl. Bl. 164 d.A.) und dass Voraussetzung für die Fälligkeit die Sicherstellung der Lastenfreiheit war, führt nicht dazu, dass die in einem getrennten Vertrag abgegebene Löschungsbewilligung unwiderrufbar geworden ist.
114Wie dargelegt, liegen die Voraussetzungen des § 875 Abs. 2 BGB nicht vor. Dass damit die Lastenfreiheit im Vertrag Ur-Nr. N10/2020 nicht gesichert war, führt nicht zur Unwiderruflichkeit der Löschungsbewilligung. Insbesondere kann durch die Fälligkeitsmitteilung in einem anderen Vertrag nicht davon ausgegangen werden, dass der Notar die Löschungsbewilligung nunmehr für die Beklagte zu 1) als Empfangsvertreter besessen hätte. Für eine solche Änderung der Willensrichtung des Streithelfers und eine entsprechende Bevollmächtigung geben die vertraglichen Vereinbarungen keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist insoweit die Vertragskonstruktion der beiden Verträge zu beachten. Nach dieser ist Unwiderrufbarkeit erst durch die Nutzung, d.h. durch die Vorlage beim Grundbuchamt eingetreten. Dies erfolgte erst mit Schreiben vom 25.04.2022 (Bl. 62 d.A.).
115Der Senat verkennt nicht, dass die Verträge Ur-Nr. N10/2020 und Ur-Nr. N11/2020 aufeinander aufgebaut sind. Bei Vollzug beider Verträge wären sämtliche Grundstücke lastenfrei verkauft worden. Dies ändert aber nichts daran, dass die Verträge Ur-Nr. N10/2020 und Ur-Nr. N11/2020 rechtlich eigenständige Verträge sind, die eigenständige Schicksale haben können. Diese Auffassung haben auch die Parteien geteilt. Denn sie haben im zweiten Vertrag ausdrücklich geregelt, dass die Parteien von diesem zurücktreten können, wenn die Fälligkeitsvoraussetzungen im Vertrag Ur-Nr. N10/2020 nicht bis zum 30.06.2021 vorliegen. Dies gilt auch für die in den Verträgen jeweils erklärten Löschungsbewilligungen.
116(2)
117Der Streithelfer war auch der richtige Empfänger des Widerrufs der Löschungsbewilligungen. Wie bereits dargelegt, war der Streithelfer gem. § 7 des Vertrages für den Vollzug der Urkunde bevollmächtigt. Dieser sollte nach der vertraglichen Konstruktion für den grundbuchrechtlichen Vollzug ausschließlich zuständig sein. Ein Recht auf Erteilung einer Ausfertigung gem. § 51 BeurkG hatten die Parteien ausdrücklich ausgeschlossen. Dann war der Streithelfer auch zur Entgegennahme eines Widerrufs der Löschungsbewilligungen bevollmächtigt. Denn ein Widerruf der Löschungsbewilligungen hatte entscheidende Bedeutung für den Vollzug der beiden Verträge, die dem Streithelfer allein oblag.
118Der Streithelfer hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung diese Auslegung bestätigt. Er hat erklärt, aus seiner Sicht zwar nicht für die Entgegennahme des Rücktritts vom Kaufvertrag, wohl aber für die Entgegennahme des Widerrufs der Löschungsbewilligungen bevollmächtigt gewesen zu sein. Einwände gegen diese Auslegung des notariellen Vertrages wurden von den Parteien nicht erhoben.
119(3)
120Einer Wirksamkeit des Widerrufs der Löschungsbewilligung steht auch nicht eine vereinbarte Schriftform entgegen.
121Eine solche kann sich zwar aus § 10 Abs. 2 des zweiten Vertrages ergeben. Dort haben die Parteien vereinbart, dass alle nachträglichen Änderungen oder Ergänzungen der Schriftform bedürfen, sofern nicht eine notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist.
122Es ist schon fraglich, ob die Schriftformvereinbarung auch den Widerruf der Löschungsbewilligungen erfasst. Denn bei einem Widerruf der Löschungsbewilligungen handelt es sich nicht um eine nachträgliche Änderung des Vertrages, sondern um die Ausübung eines gesonderten Rechts. Ob diese Rechtsausübung der Schriftformklausel unterfällt, kann aber offenbleiben. Denn auch eine vereinbarte Schriftform unterstellt, ist diese gewahrt.
123Gem. § 127 Abs. 2 BGB genügt zur Wahrung einer vereinbarten Schriftform die Übermittlung durch telekommunikative Übermittlung, d.h. durch Fax oder E-Mail. Dies ist gewahrt. Denn der von allen Gesellschaftern und Geschäftsführern unterschriebene Widerruf wurde per Fax und E-Mail an den Streithelfer versendet. Soweit der Streithelfer darauf verweist, dass § 127 Abs. 2 BGB auf reine Prozesshandlungen nicht anwendbar ist, ist dies zutreffend. Bei dem Widerruf von Löschungsbewilligungen handelt es sich aber nicht um solche.
124(4)
125Durch die Erklärung vom 04.04.2022 sind die Klägerinnen nicht nur vom Kaufvertrag zurückgetreten, sondern haben auch den Widerruf der Löschungsbewilligungen erklärt. Dies ergibt die Auslegung der abgegebenen Erklärung.
126Der Wortlaut der Erklärung spricht für einen Widerruf auch der Löschungsbewilligungen. Denn in der Betreffzeile der E-Mail wird „Widerruf/Aufhebung KV N13/2021 HF & N11/2020“ aufgeführt. Der Wortlaut „Widerruf“ bezieht sich hierbei auf die Löschungsbewilligungen. Der Wortlaut „Aufhebung“ bezieht sich auf den Kaufvertrag an sich. Im Text wird allerdings (nur) von dem vertraglich eingeräumten Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht (vgl. § 2 Nr. 1 Abs. 9 des 2. Vertrages). Aus dem Wortlaut ergibt sich aber nicht eine Beschränkung auf den Kaufvertrag. Vielmehr ist dieser dahingehend auszulegen, dass der Vertrag Ur-Nr. N11/2020 insgesamt, d.h. auch die Löschungsbewilligungen, beseitigt werden sollten. Anhaltspunkte für eine nur beschränkte „Beseitigung“ der Erklärungen in dieser Vertragsurkunde können dem Wortlaut nicht entnommen werden.
127Die Systematik spricht ebenfalls für einen Widerruf der Löschungsbewilligungen. Die notarielle Urkunde des Streithelfers (UR-Nr. N11/2020) begründet die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde, vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 05. Juli 2002 – V ZR 143/01 – NJW 2002, 3164. Hieraus folgt eine Vermutung dafür, dass sämtliche Erklärungen ein einheitliches Schicksal treffen. Der Senat verkennt nicht, dass in § 6 des zweiten Vertrages Löschungsbewilligungen abgegeben wurden, die für den abgeschlossenen Kaufvertrag nicht entscheidend waren. Diese Löschungsbewilligungen bezogen sich vielmehr auf den getrennten Vertrag des Streithelfers UR-Nr. N10/2020 und die dort vorgesehene Lastenfreiheit. Ein von den Parteien gewolltes getrenntes Schicksal der Löschungsbewilligungen und des Kaufvertrages hat in dem notariellen Kaufvertrag aber keinen Anklang gefunden. Daran ändert auch die sog. salvatorische Klausel in § 10 des Vertrages nichts. Diese betrifft den Fall, dass einzelne Klauseln rechtsunwirksam bzw. nichtig sind. Davon nicht erfasst ist der vorliegende Fall. Aus § 10 ergibt sich letztlich nur, dass eine Teilnichtigkeit oder Teilunwirksamkeit nicht automatisch zur Gesamtnichtigkeit führt. Insoweit sollte § 139 BGB modifiziert werden.
128Soweit die Beklagte zu 1) und der Streithelfer übereinstimmend und nicht bestritten vortragen, die Beurkundung der Löschungsbewilligungen im 2. Vertrag habe aus pragmatischen Gründen stattgefunden, damit die Verkäuferinnen nicht hätten erneut erscheinen müssen, steht dem nicht entgegen. Gleiches gilt dafür, dass die Parteien durch diese Vorgehensweise – so der Streithelfer – Gebühren sparen konnten. Es verbleibt dabei, dass eine rechtliche Selbstständigkeit des Kaufvertrages und der Löschungsbewilligungen nicht geregelt wurde.
129Die Vertragsgenese spricht nicht für eine rechtliche Selbstständigkeit der Löschungsbewilligung. Nach den übereinstimmenden Erklärungen der Parteien im Zuge ihrer Anhörung durch den Senat gab es zunächst einen einheitlichen Vertrag über alle Grundstücke. Dies spricht dafür, dass ursprünglich der Vertrag über alle Grundstücke entweder durchgeführt werden sollte oder nicht. Nach den Vorstellungen des Gesellschafters/Geschäftsführers D. sollte sich durch die Vertragsaufspaltung hieran nichts ändern. Wie dargelegt, wurde eine Verknüpfung der rechtlich selbstständigen Verträge aber nur durch das Rücktrittsrecht hergestellt. Nach den unwidersprochenen Erklärungen des Gesellschaftes/Geschäftsführers D. wurde gerade nicht ausdrücklich darüber gesprochen, was passiert, wenn ein Vertrag nicht durchgeführt wird. Durch die rechtliche Aufspaltung wurde mithin im Zuge der Vertragsverhandlungen eine rechtliche Selbstständigkeit der einzelnen Verträge herbeigeführt. Ob der eine Vertrag jeweils die Geschäftsgrundlage für den anderen Vertrag sein sollte – in diese Richtung deuten die Erklärungen des Gesellschafters/Geschäftsführers D. –, kann offenbleiben. Denn auch eine Geschäftsgrundlage des jeweils anderen Vertrages über den abgeschlossenen Vertrag unterstellt, führt dies nicht dazu, dass der Kaufvertrag und die Löschungsbewilligungen unabhängig voneinander bestehen bleiben sollten.
130Entscheidend dafür, dass auch der Widerruf der Löschungsbewilligungen erklärt worden ist, spricht die berechtigte, für den Streithelfer als Erklärungsempfänger offensichtliche Interessenlage der Klägerinnen. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass es durchaus ein Interesse der Drittwiderbeklagten zu 1) bis 4) an der Lastenfreiheit des Grundstücks Gemarkung K., Flur N04, Flurstück N09 gab. Denn nur bei einer Durchführung des Vertrages UR-Nr. N10/2020 des Streithelfers griff die vergleichsweise Regelung der sie persönlich treffenden Schadensersatzansprüche.
131Durch die vereinbarte Kaufpreisreduzierung hatte diese vergleichsweise Regelung aber keinen Bestand. Die G. hat vielmehr die Drittwiderbeklagten persönlich in Anspruch genommen. Von der Kaufpreisreduzierung hatte der Streithelfer durch die von ihm durchgeführte Beurkundung vom 30.06.2021 (UR-Nr. N14/2021) Kenntnis.
132Ein nicht erklärter Widerruf der Löschungsbewilligungen wäre für die Klägerinnen offensichtlich wirtschaftlich nachteilhaft gewesen. Sie hätten vertragliche Rechte in Bezug auf die herrschenden Grundstücke aufgegeben, ohne dass ihnen eine entsprechende Gegenleistung aus dem 2. Kaufvertrag zugeflossen wäre. Die Vollziehung der Löschungsbewilligungen im Vertrag Ur-Nr. N11/2020 ohne die Vollziehung der Löschungsbewilligungen im Vertrag Ur-Nr. N10/2020 führte zu einer erkennbar nicht gewollten Situation. Die Rechte in Bezug auf das dienende Grundstück werden gelöscht. Gleichzeitig bleiben aber Rechte des dienenden Grundstücks in Bezug auf das herrschende Grundstück bestehen.
133Der Vollzug der Löschung hätte ihnen überdies, die nach Angaben der Geschäftsführer der Klägerin zu 1) im Senatstermin (vgl. Bl. 476 GA) erhoffte und beabsichtigte Einflussmöglichkeiten auf den Vertrag über das Flurstück N09 genommen.
134(II)
135Zudem fehlt die gem. § 876 S. 2 BGB erforderliche Zustimmung der Z.. Dies bezieht sich aber nur auf die Grundstücke Gemarkung K. Flur N04, Flurstücke N05 und N06, weil die Z. nur Inhaberin einer Grundschuld ist, die diese Grundstücke belastet. Es sind mithin nur die Belastungen des Grundstücks Gemarkung K. Flur N04, Flurstück lfd. Nr. 2 und teilweise Nr. 3 (Geh- und Fahrrecht, sowie Ver- und Entsorgungsrecht) betroffen, soweit sie zugunsten der Grundstücke Gemarkung K. Flur N04, Flurstücke N05 und N06 wirken. Denn nur insoweit ist die Werthaltigkeit der dinglichen Belastung der Z. betroffen.
136(1)
137Die Klägerinnen sind auch insoweit aktivlegitimiert. Dagegen spricht nicht, dass § 876 BGB den Schutz der Z. als Grundpfandrechtsgläubigerin bezweckt. Entscheidend ist, dass auch die Klägerinnen durch ein insoweit unrichtiges Grundbuch in ihrer Rechtsposition betroffen sind und ihre Rechtsposition im Falle eines Obsiegens verbessert wird.
138(2)
139Gem. § 876 S. 2 BGB gilt Folgendes:
140Steht das aufzuhebende Recht dem jeweiligen Eigentümer eines anderen Grundstücks zu, so ist, wenn dieses Grundstück mit dem Recht eines Dritten belastet ist, die Zustimmung des Dritten erforderlich, es sei denn, dass dessen Recht durch die Aufhebung nicht berührt wird.
141Die Zustimmung der Z. war nicht entbehrlich; denn die Aufhebung beeinträchtigte das Recht der Z.. Die Beeinträchtigung ist im Interesse der Rechtsklarheit abstrakt rechtlich zu verstehen, wobei schon die Möglichkeit der rechtlichen Beeinträchtigung für das Erfordernis der Drittzustimmung genügt. Eine wirtschaftliche Einbuße ist unerheblich. Regelmäßig beeinträchtigt sind Drittrechte, denen das herrschende Grundstück zusammen mit dem aufzugebenden subjektiv-dinglichen Recht für eine Leistung haftet, wie Grunddienstbarkeiten und Reallasten, unabhängig davon, ob das aufzugebende Recht im Grundbuch ausgewiesen ist (vgl. MüKoBGB/Kohler, 8. Aufl. 2020, BGB § 876 Rn. 6). So liegt es hier.
142(a)
143Eine isolierte Zustimmung gem. § 876 S. 2 BGB hat die Z. nicht erteilt. Sie hat aber der Löschung ihrer Grundschuld zugestimmt (vgl. Bl. 205 d.A.).
144Eine Löschungsbewilligung kann „im Regelfall“ dahingehend ausgelegt werden, dass erst recht (a maiore ad minus) die Bewilligung auch eine nach §§ 876, 877 BGB erforderliche Zustimmung zu einer Inhaltsänderung des Haftungsobjekts umfasst (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23. Oktober 2012 – 15 W 66/12 – NJOZ 2013, 352; BeckoGKBGB-Enders, § 876 Rn. 49). Denn mit der Erteilung einer Löschungsbewilligung (sowie gegebenenfalls der Übergabe des Grundschuldbriefes) legt der Grundpfandgläubiger das weitere Schicksal des Grundpfandrechts in die Hände des Eigentümers. Die Interessensphäre des Grundpfandrechtsgläubigers wird nicht mehr dadurch berührt, dass statt der von ihm bewilligten Löschung des Rechts insgesamt in einem ersten Schritt nur eine dem Grundpfandrecht i. S. der §§ 876, 877 BGB rechtliche nachteilige Veränderung des Haftungsobjekts vorgenommen wird (OLG Hamm, a.a.O.).
145Unerheblich ist insoweit, dass sich die Z. vorbehalten hat, nach dem 30.05.2022 die Löschungsbewilligung zurückzufordern. Eine tatsächliche Rückforderung ist nicht erfolgt.
146Vorliegend liegt in der Löschungsbewilligung keine Zustimmung i.S. von § 876 S. 2 BGB. An der isolierten Löschung von Rechten, die die Werthaltigkeit des Pfandobjekts betrafen, hatte die Z. offensichtlich kein Interesse. Vielmehr hat die Z. die Löschungsbewilligung unter der Auflage erteilt, dass sichergestellt ist, dass der Kaufpreis von 1,5 Mio. € bei der Z. eingeht. Wenn aber die Löschung der Grundschuld erfolgte, gab es keinen Anlass für eine isolierte Zustimmung gem. § 876 S. 2 BGB. Die Z. hatte das weitere Schicksal des Grundpfandrechts gerade nicht (endgültig) in die Hände des Eigentümers gelegt.
147(b)
148Die Löschungsbewilligung ist zudem nicht gegenüber einem geeigneten Erklärungsempfänger erklärt worden ist.
149Ohne Erfolg verweist die Beklagte zu 1) auf § 21 GBO. Zutreffend ist, dass mangels Herrschaftsvermerks gem. § 9 GBO grundbuchrechtlich eine Bewilligung gem. § 876 S. 2 BGB nicht erforderlich war. Materiellrechtlich war aber weiter eine Bewilligung erforderlich (nur nicht in der Form des § 29 GBO), vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 1150.
150Möglich ist die Erklärung der Löschungsbewilligung gegenüber dem Grundbuchamt, vgl. § 876 S. 3, 1. Alt. BGB. Die Löschungsbewilligung ist unstreitig nicht beim Grundbuch eingereicht worden.
151Möglich ist im Übrigen die Erklärung gegenüber demjenigen, zu dessen Gunsten sie erfolgt. Begünstigt sind durch die Aufhebung der Grunddienstbarkeiten, der jeweilige Eigentümer des mit dem zu löschenden Recht belasteten Grundstücks (d.h. die Eigentümer des Grundstücks Flurstück N09), der Inhaber des aufzuhebenden Rechts (Eigentümer der Grundstücke Flurstücke N05 und N06) und die Inhaber von gleich- oder nachrangigen Rechten, weil die Löschung eines vor- oder gleichrangigen Rechts ihren Rang verbessert. Der letzte Fall betrifft die dinglich am Grundstück Gemarkung K. Flur N04, Flurstück N09 Berechtigten.
152Keiner der diesbezüglichen Erklärungsempfänger hat die Löschungsbewilligung erhalten. Trotz des Hinweises in der Ladungsverfügung wurde ein solcher Zugang eines Empfangsberechtigten dargelegt. Hierfür reicht insbesondere nicht aus, dass der Streithelfer von der Z. die Löschungsbewilligung erhalten hat. Denn der Notar war durch die Treuhandabrede gebunden. Dies führt dazu, dass er diese aktiv nutzen musste, damit sie bei – z.B. der Beklagten zu 1) – zugehen konnte. Dafür ist nichts dargetan. Auch nach Zahlung von 1.500.000,00 € an die Z. wurde die Löschungsbewilligung nicht – insbesondere auch nicht gegenüber dem Grundbuchamt – genutzt. Ebensowenig ist dargetan, dass die Klägerin zu 1) diese Löschungsbewilligung erhalten hat, oder dingliche Berechtigte am Grundstück Gemarkung K., Flur N04, Flurstück N09.
153(III)
154Die Beklagte zu 1 hat aber gutgläubig lastenfreies Eigentum erworben.
155(1)
156Dem gutgläubigen lastenfreien Erwerb steht nicht entgegen, dass die Eigentumseintragung der Beklagten zu 1) und die Löschung der Rechte am selben Tag erfolgten.
157Die Eigentumsumschreibungen und die Löschung der Rechte in Abt. II erfolgten am selben Tag, also gleichzeitig und damit gleichrangig (§ 879 Abs. 1, S. 2, letzter HS BGB, vgl. auch § 45 GBO). Eine abweichende Bestimmung hätte einer Eintragung zum Rangverhältnis im Grundbuch bedurft, § 879 Abs. 3 BGB. Dies reicht für die Anwendung der Regeln über den gutgläubigen Erwerb aus, vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 1968 - V ZR 117/67 – juris; BayObLG, Beschluss vom 14. August 2003 – 2 Z BR 111/03 – FGPrax 2003, 201; beckOKGBO-Reetz, Stand 01.03.2024, § 13 Rn. 25; Staudinger/Picker (2019), § 892 Rn. 184 m.w.N.
158(2)
159Die Beklagte zu 1) und der von ihr bevollmächtigte Streithelfer waren gutgläubig. Da es vorliegend um eine Unrichtigkeit des Grundbuchs nach Eingang des Antrags auf Eintragung am 29.04.2022 geht und Unrichtigkeit und Eintragung zusammenfallen, ist für die Frage der Gutgläubigkeit auf den 30.05.2022 abzustellen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 14. August 2003 – 2 Z BR 111/03 – FGPrax 2003, 201; Grüneberg/Bassenge, a.a.O., § 892 BGB Rn. 25).
160Hierbei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen.
161Gem.§ 892 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB schadet nur positive Kenntnis. Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Grunds zerstören den guten Glauben an den Inhalt des Grundbuchs nicht (vgl. Staudinger/Gursky (2013) BGB, § 892 Rn. 161 m.w.N.). Es genügen weder grob fahrlässige Unkenntnis noch die Kenntnis von Tatsachen, die den Schluss auf die Unrichtigkeit des Grundbuchs zulassen. Bösgläubigkeit erfordert Kenntnis des Abweichens der wirklichen von der eingetragenen Rechtslage in dem Sinn, dass der Erwerber Kenntnis von einer materiellen Rechtslage haben muss, die vom Grundbuchinhalt abweicht, mag Letzterer dem Erwerber auch unbekannt sein (OLG Jena, Beschluss vom 02. Februar 2012 – 9 W 390/11 – FGPrax 2012, 55). Auch ein sog. dolus eventualis reicht nicht aus. Denn eine billigende Inkaufnahmes eines zwar nicht bekannten, aber möglicherweise als gegeben vorgestellten Umstandes, ist keine positive Kenntnis (OLG Schleswig, Beschluss vom 27. November 2003 – 2 W 173/03 – juris; Staudinger/Picker, Neubearbeitung 2019 BGB, § 892 Rn. 161; beckOGKBGB-Hertel, Stand 15.04.2021, § 892 Rn. 75 jeweils m.w.N.). Auch der Rechtsirrtum genießt den Schutz des guten Glaubens (OLG Frankfurt, Urteil vom 6. Juli 2000 – 1 U 243/98 –, juris Rn. 11; Toussaint in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 892 BGB (Stand: 15.03.2023) Rn. 41).
162(a)
163In Anwendung dieser Grundsätze hatte der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) am 30.05.2022 nicht die erforderliche positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs.
164Sowohl im Hinblick auf den Widerruf der Löschungsbewilligungen durch die Klägerinnen als auch im Hinblick auf die fehlende Zustimmung gem. § 876 S. 2 BGB haben die Klägerinnen keine Indizien für eine positive Kenntnis des Geschäftsführers der Beklagten zu 1) von der Unrichtigkeit des Grundbuchs vorgetragen. Allein die Tatsache, dass der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) ein auch in Grundstücksangelegenheiten erfahrener Geschäftsmann war, reicht hierfür nicht aus. Gegen eine positive Kenntnis des Geschäftsführers der Beklagten zu 1) spricht, dass der Streithelfer als fachkundiger Notar die maßgeblichen Eintragungen veranlasst hat. Es ist nicht dargetan, dass der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) im Verhältnis zum Streithelfer überlegenes Wissen hatte.
165(b)
166Es kann auch keine positive Kenntnis des Streithelfers festgestellt werden. Dies geht zu Lasten der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerinnen.
167Der Streithelfer war in beiden Verträgen jeweils in § 7 (vgl. Bl. 19 d.A. für den Vertrag Ur-Nr. N11/2020 und Bl. 47 d.A. für den Vertrag Ur-Nr. N10/2020) jeweils von beiden Vertragsparteien bevollmächtigt, alle Erklärungen für den Vollzug der beiden Urkunden für die Vertragsparteien abzugeben. Von dieser Vollmacht hat der Streithelfer durch seinen an das AG Bocholt gerichteten Antrag vom 25.04.2022 (Bl. 61 GA) Gebrauch gemacht.
168Gem. § 166 Abs. 1 BGB kommt es in dieser Situation (auch) auf die Kenntnis des Streithelfers an (vgl. Toussaint in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 892 BGB (Stand: 15.03.2023) Rn. 43; vgl. auch KG, Beschluss vom 08. August 1972 – 1 W 1270/71 – NJW 1973, 56, 57 f. für ein Grundpfandrecht)
169(aa)
170Der Streithelfer unterlag im Hinblick auf den Widerruf der Löschungsbewilligungen einem Rechtsirrtum, der eine positive Kenntnis ausschloss.
171Der Senat verkennt nicht, dass sich derjenige, der sich auf einen Rechtsirrtum beruft, diesen nachvollziehbar darzulegen hat (vgl. Toussaint in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 892 BGB (Stand: 15.03.2023) Rn. 52; Staudinger/Picker, § 892 BGB Rn. 146 m.w.N). Dabei hängt es von den Umständen des einzelnen Falles ab, inwieweit die Kenntnis von Tatsachen, die die Unrichtigkeit bewirken, der Kenntnis des Rechtsmangels gleichzusetzen ist (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1969 – V ZR 1/69 –, juris Rn. 10). Insbesondere ist beachtlich, ob es sich um eine nicht ohne weiteres zu entscheidende Rechtsfrage handelt (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1961 – V ZR 174/59 – BeckRS 1961, 31187872).
172Der Streithelfer hat im Rahmen seiner Anhörung auf wiederholte Befragung durch den Senat angegeben, dass ab der Fälligkeitsmitteilung im Vertrag UR-Nr. N10/2020 seiner Auffassung nach die Löschungsbewilligungen nicht mehr widerrufbar gewesen seien. Er sei der Meinung gewesen, dass die Mail vom 04.04.2022 nach dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck und aufgrund des nachfolgenden Telefonats mit Herrn D. nicht die Löschungsbewilligung betroffen habe.
173Dass die Fälligkeitsmitteilung im Vertrag UR-NR. N10/2020 nicht zu einer Unwiderrufbarkeit der Löschungsbewilligungen geführt hat, ist nicht zutreffend. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Dafür, dass die Angaben des Streithelfers der Wahrheit entsprechen ist aber anzuführen, dass nach der gewählten Vertragskonstruktion die Fälligkeiten in den Verträgen UR-Nr. N10/2020 und UR-Nr. N11/2020 nicht getrennt voneinander hergestellt werden konnten. Denn nur bei einem gemeinsamen Vollzug der Verträge konnte die jeweilige Lastenfreiheit sichergestellt werden. Dennoch war der Streithelfer, wie er im Ansatz zutreffend im Rahmen seiner Anhörung betont hat, verpflichtet, die jeweiligen Verträge zeitnah umzusetzen. Dass der Streithelfer in dieser – rechtlich durchaus anspruchsvollen – Situation nicht fehlerhaft von einer Unwiderrufbarkeit der Löschungsbewilligungen ausgegangen ist, sondern vielmehr vorsätzlich eine Unrichtigkeit des Grundbuchs herbeigeführt hat, steht nicht fest.
174Zudem ist die Auslegung des Streithelfers, die Mail vom 04.04.2022 habe nicht auch den Widerruf der Löschungsbewilligungen beinhaltet, nicht abwegig. Schließlich ist auch das Landgericht in dem angefochtenen Urteil mit durchaus beachtlichen Gründen dieser Sichtweise gefolgt.
175(bb)
176Auch im Hinblick auf das Erfordernis der Zustimmung der Z. gem. § 876 S. 2 BGB steht eine positive Kenntnis des Streithelfers nicht fest. Die Klägerinnen haben nicht zur Überzeugung des Senats widerlegt, dass der Streithelfer auch insoweit einem Rechtsirrtum unterlag, der eine positive Kenntnis ausschloss.
177Der Streithelfer hat auf diesbezügliche Fragen bei der Anhörung durch den Senat erklärt, er sei davon ausgegangen, dass der Verkäufer das mit der Z. besprochen hätte. Deswegen habe er angenommen, dass er aufgrund dieser Rücksprachen/Vereinbarungen, die ihm allerdings nicht vorgelegen hätten, die Belastungen habe löschen können
178Dass die Löschung schuldhaft pflichtwidrig durch den Streithelfer vorgenommen wurde, steht nach seinen eigenen Angaben fest. Ohne Vorlage der Bestätigung einer solchen Vereinbarung durfte er die Löschung nicht veranlassen. Auch wenn der Streithelfer mangels eines Herrschaftsvermerks für die Löschung der Belastungen nach grundbuchrechtlichen Grundsätzen keine Zustimmung der Z. benötigte, durfte er andererseits nicht davon ausgehen, „dass diese wohl schon vorliegen würde“. Er hätte sich vom Vorliegen der materiellrechtlich erforderlichen Zustimmung versichern müssen. Andererseits steht aber auch nicht fest, dass der Streithelfer wusste, dass die Zustimmung der Z. gerade noch nicht vorlag.
179Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich insgesamt um eine – bedingt durch die von dem Streithelfer entworfene und beurkundete Konstruktion der beiden Verträge – schwierige Rechtsfrage gehandelt hat. Auch wenn der Streithelfer nach seinen Angaben ein Risiko erkannt hat, führt dies nicht dazu, dass der Senat gem. § 286 ZPO zweifelsfrei feststellen kann, dass der Streithelfer wissentlich ein unrichtiges Grundbuch herbeigeführt hat, also die diesbezügliche Unrichtigkeit kannte.
180(c)
181Vorliegend kommt auch nicht in Analogie zu § 162 BGB die Annahme einer Bösgläubigkeit in Betracht.
182Eine solche Analogie ist dann anzunehmen, wenn der Erwerber über die Unrichtigkeit des Grundbuchstandes in einer Weise aufgeklärt worden ist, dass ein redlich Denkender sich der Überzeugung hiervon nicht verschließen würde. Von einer positiven Erkenntnis kann nur ausgegangen werden, wenn der Erwerber so weitgehend aufgeklärt worden ist, dass sich ihm - bezogen auf seine subjektiven Erkenntnismöglichkeiten - die Überzeugung von der Unrichtigkeit des Grundbuchs aufdrängen musste, d.h. sie mit Händen greifbar war. Wenn der Erwerber sich in einer solchen Situation dieser Erkenntnis um seines eigenen Vorteils willen verschließt, um sich vermeintlich gutgläubig zu halten, kann er den Gutglaubensschutz für sich nicht mehr in Anspruch nehmen, vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 29. März 1993 – 15 W 391/92 –, juris; Staudinger/Picker, BGB, § 892 Rn. 162 m.w.N.
183Eine solche Aufklärung des Geschäftsführers des Beklagten zu 1) oder des Streithelfers ist nicht dargetan.
184(d)
185Es ist auch nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass die Rechtsfolgen des gutgläubigen Erwerbs durch einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schäden gem. § 826 BGB zu korrigieren sind (vgl. zweifelnd Staudinger/Picker, BGB, § 892 Rn. 163 m.w.N. auch zu der dies im Ansatz für möglich haltenden Auffassung). Ein sittenwidriges Handeln des Geschäftsführers der Beklagten zu 1) oder des Notars ist nicht dargetan.
186bbb.
187Die Klägerinnen haben auch keinen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs gem. § 812 BGB. Es gilt der sog. Vorrang der Leistungsbeziehungen vgl. Grüneberg-Sprau, a.a.O., § 812 Rn. 7 m.w.N.
188Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 19. Juni 1998 – V ZR 133/97 –, juris) spricht dafür, dass die Löschungsbewilligung in einer Leistungsbeziehung zwischen den Parteien des 2. Vertrages (N11/20) erfolgte.
189Selbst wenn entsprechend den Angaben des Streithelfers im Rahmen seiner Anhörung davon ausgegangen wird, dass die jeweiligen Löschungsbewilligungen in den Verträgen Ur-Nr. N10/2020 und UR-NR. N11/2020 nicht im Synallagma zu den jeweiligen Kaufverträgen stehen, diese mithin nicht die causa für die Löschungsbewilligungen sind, führte dies nicht zu einem Anspruch der Klägerinnen gem. § 812 BGB. Denn auch in diesem Fall wäre die Bewilligung der Löschung der Belastungen keine direkte Leistung der Klägerinnen an die Beklagte zu 1). Vielmehr wäre die Bewilligung der Löschung der Belastungen aus Sicht der Beklagten zu 1), auf die abzustellen wäre, vgl. hierzu Grüneberg-Sprau, a.a.O., § 812 Rn. 14 m.w.N., eine Leistung der Klägerinnen an die Verkäuferin des Vertrages Ur-Nr. N10/2020. Die Verkäuferin war gegenüber der Beklagten zu 1) zur Lastenfreiheit des verkauften Grundstücks verpflichtet. Die Beklagte zu 1) hatte mit den Klägerinnen keinerlei vertragliche Verbindung. Die Klägerinnen leisteten dann an die Verkäuferin des Vertrages UR-Nr. N10/2020 (auch) zur Befreiung ihrer Gesellschafter bzw. Geschäftsführer von den Verbindlichkeiten aufgrund der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter der Verkäuferin.
1902. Berufung der Beklagten zu 1)
191Die Berufung der Beklagten zu 1) ist begründet. Bei der Tenorierung hat der Senat offensichtliche Schreibfehler im Hinblick auf das Datum des Beschlusses des Landgerichts Münster berichtigt, mit dem die einstweilige Verfügung erlassen wurde.
192a.
193Die Widerklage und die Drittwiderklage sind zulässig.
194aa.
195Die Widerklage und Drittwiderklage haben das erforderliche Feststellungsinteresse. Dieses liegt schon in der Möglichkeit der Verjährung.
196Dem Feststellungsinteresse steht nicht entgegen, dass mittlerweile der Schaden bezifferbar ist. Denn bei Eingang der Widerklage am 03.11.2022 war die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen. Der Widerspruch wurde im Grundbuch erst am 09.11.2022 gelöscht. Der – von der Beklagten zu 1) behauptete – Schaden war mithin noch in der Entstehung. Ein Kläger ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht gezwungen, zur bezifferten Leistungsklage überzugehen, wenn diese nachträglich möglich wird, BGH Urteil vom 04. November 1998 - VIII ZR 248/97-, juris Rn. 15 m.w.N.
197Die Beklagte zu 1) hat auch die Möglichkeit eines Schadenseintritts hinreichend dargetan. Bei dem vorliegend geltend gemachten reinen Vermögensschaden ist für die Zulässigkeit der Feststellungsklage eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts erforderlich. Es ist erforderlich, dass der Eintritt irgendeines Schadens substantiiert dargetan wird, vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92 –, juris Rn. 77, 78; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03 –, juris Rn. 27.
198Diese Anforderungen sind (noch) erfüllt. Die Beklagte zu 1) hat substantiiert dargetan, dass sie aufgrund des eingetragenen Widerspruchs insbesondere im Hinblick auf Reallast zugunsten des herrschenden Grundstücks Gemarkung K. Flur N04, Flurstück N07 zu einem Baustopp und einer Umplanung der Heizungsanlage veranlasst wurde. Der Senat verkennt nicht, dass die Beklagte zu 1) den Umfang der Schäden nicht hinreichend dargelegt hat. Da aber für ca. 3 Monate ein Widerspruch eingetragen war, der u.a. die für das Bauprojekt entscheidende Versorgung mit Energie betraf, ist der Eintritt von Schäden bei der Beklagten zu 1) hinreichend wahrscheinlich. Dass die Beklagte zu 1) die Höhe der Schäden nicht – erst recht nicht in der behaupteten Höhe von 250.000,00 € – substantiiert hat, steht dem Feststellungsinteresse nicht entgegen. Ausreichend ist, dass der Eintritt eines (Mindest-)Schadens hinreichend dargelegt worden ist.
199bb.
200Die Widerklage und die Drittwiderklage genügen den besonderen Prozessvoraussetzungen.
201Bedenken gegen die Zulässigkeit der Widerklage bestehen nicht. Insbesondere war die Klage rechtshängig, die Beklagte zu 1) hat die Klage (auch) gegen die Klägerinnen gerichtet, es handelt sich bei Klage und Widerklage um unterschiedliche Streitgegenstände und es liegt die gleiche Prozessart vor (vgl. zu den Voraussetzungen etwa Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 33 ZPO Rn. 20 ff.). Zudem ist der nach der Rechtsprechung des BGH erforderliche Sachzusammenhang i.S. von § 33 ZPO als besondere Prozessvoraussetzung gegeben (vgl. etwa BGH, Urteil vom 5. April 2001 – VII ZR 135/00 –, juris Rn. 14 ff.).
202Auch die klageerweiternde Drittwiderklage ist zulässig. Die Drittwiderbeklagten haben sich in diese als Klageänderung aufzufassende Parteierweiterung zumindest rügelos eingelassen. Zudem ist die Drittwiderklage sachdienlich, weil die Drittwiderbeklagten gemeinsam mit den Klägerinnen gesamtschuldnerisch haften.
203b.
204Die Widerklage und die Drittwiderklage sind begründet. Die Beklagte zu 1) hat gegen die Klägerinnen und Drittwiderbeklagten einen Anspruch aus § 945 ZPO.
205Die einstweilige Verfügung, die zur Eintragung des Widerspruchs führte, war von Anfang an ungerechtfertigt. Dies ergibt zwar noch nicht aus einer Bindungswirkung aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts Münster vom 18.10.2022 Az. 16 O 128/22 (vgl. Musielak/Voit-Huber, ZPO, 21. Aufl. § 945 Rn. 4 ff.). Aus dem Urteil geht aber in der Sache zutreffend hervor, dass die einstweilige Verfügung vom 21.07.2022 von Anfang an ungerechtfertigt war. Diese hätte sich auch gegen die C. richten müssen. Denn diese hätte bei Wiedereintragung der Belastungen an gleicher Rangstelle, was durch den Widerspruch gesichert werden sollte, einen rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteil erlitten.
206Die Klägerinnen zu 1) und 2) sowie die Drittwiderbeklagten als Geschäftsführerin der Klägerin zu 2) sind passivlegitimiert. Die Klägerinnen zu 1) und 2) haben die unberechtigte einstweilige Verfügung und die unberechtigte Eintragung des Widerspruchs erwirkt. Die Drittwiderbeklagten sind als Gesellschafter der Klägerin zu 2) gem. § 721 S. 1 BGB i.d.F. des BGB nach dem MoPeG Gesamtschuldner. Mangels Übergangsrecht ist § 721 S. 1 BGB n.F. anzuwenden und nicht § 128 HGB analog, wie nach dem alten Recht, vgl. Mock NJW 2023,3537. Auch die Anwendung von § 128 HGB analog würde zu einer Gesamtschuldnerschaft führen.
207Der Beklagten zu 1) ist ein Vollziehungsschaden entstanden und nicht nur – wovon das Landgericht ausgegangen ist – ein Anordnungsschaden.
208Die einstweilige Verfügung ist durch die Eintragung des Widerspruchs vollzogen worden. Ersatzfähig ist der durch die Vollziehung – die Eintragung des Widerspruchs – adäquat kausal verursachte unmittelbare oder mittelbare Schaden. Ein solcher liegt in der dargelegten Bauverzögerung. Insbesondere die Versorgung des Seniorenheims mit Energie (vgl. die Reallast) ist eine wesentliche Frage, die naheliegender Weise jedenfalls zu kostenauslösenden Erörterungen über die hieraus folgenden Konsequenzen geführt haben. Auf die schwierigen Kausalitätsfragen zur Höhe des Schadensersatzanspruchs kommt es bei der Feststellung des Schadensersatzes dem Grund nach nicht an.
209Unerheblich ist auch der von der Z. erwirkte Widerspruch. Dieser führt schon wegen der unterschiedlichen zeitlichen Anordnung nicht zu einem Abbruch der Kausalkette. Zudem betrifft dieser Widerspruch nicht alle Rechte, sondern nur einen Teil (vgl. o.).
2103.
211Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 91 ZPO, § 97 Abs. 1 ZPO, § 516 Abs. 3 ZPO. Der Senat hat die unterschiedliche Beteiligung der Klägerinnen an den streitgegenständlichen Belastungen berücksichtigt. Die Klägerin zu 2) war Berechtigte aller vier Rechte, die Klägerin zu 1) nur in Bezug auf die Rechte zu Ziff. 2. und 3. Die Verurteilung der Drittwiderbeklagten fällt nur geringfügig ins Gewicht.
212Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
2134.
214Die Revision wird nicht zugelassen.
2155.
216Der Streitwert für die Klage wird in der zweiten Instanz auf 500.000,00 € festgesetzt. Der Streitwert für die Widerklage wird für die zweite Instanz auf 1.000,00 € festgesetzt. Die Streitwertfestsetzung für die Widerklage in der ersten Instanz im angefochtenen Urteil wird auf 1.000 € abgeändert.
217Maßgeblich für den Streitwert der Widerklage sind die zu erwartenden Schäden bei der Beklagten zu 1). Diese hat bereits erstinstanzlich die zu erwartenden oder bereits eingetretenen Schäden nicht beziffert. Insbesondere erfolgte kein Vortrag dazu, in welchem Umfang aufgrund der Eintragung des Widerspruchs eine Bauverzögerung eingetreten ist und in welchem Umfang dies zu Schäden geführt hat. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Z. nachfolgend eine eigene einstweilige Verfügung erwirkt hat. Der Senat verkennt nicht, dass diese nicht das Grundstück Flurstück N07 u.a. mit der Heizungsreallast betrifft. Insoweit ist die von dem Beklagtenvertreter angesprochene Umplanung der Wärmeversorgung ggfls. (auch) auf den streitgegenständlichen Widerspruch zurückzuführen. Mangels hinreichender Anhaltspunkte schätzt der Senat den Wert auf 1.000,00 €. Der Beklagtenvertreter konnte im Senatstermin keine belastbaren Angaben machen, die einen höheren Streitwert rechtfertigen würden.