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Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.01.2023 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn, Az.: 2 O 242/22, teilweise abgeändert, soweit die Beklagte zur Zahlung von Zinsen für die Zeit vor dem 02.09.2022 verurteilt worden ist. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen, soweit die Verurteilung der Beklagten auf den im Jahr 2018 geleisteten Zahlungen des Klägers beruht.
Die Beklagte ist ein führender Online-Glücksspiel-Anbieter aus Malta, welcher unter anderem die Online-Casino-Seite „X.“ betreibt. Der Kläger nimmt sie auf Rückerstattung geleisteter Einsätze für Online-Casino-Spiele in Anspruch.
2In den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten heißt es unter Ziff. I.7.:
3„Sie dürfen die Services nur dann nutzen, wenn Ihnen die Nutzung laut geltendem Recht in jenem Land, von dem aus Sie die Services nutzen, erlaubt ist. X. gewährt keine rechtliche Beratung oder Zusicherung. Es liegt in Ihrer eigenen Verantwortung, jederzeit die für Sie geltenden rechtlichen Bestimmungen einzuhalten und sicherzustellen, dass sie gesetzlich uneingeschränkt dazu berechtigt sind, die Services zu nutzen.“
4In der Zeit vom 28.01.2017 bis zum 18.05.2020 verlor der Kläger auf der Online-Casino-Seite „X.“ unter Saldierung der Spielgewinne Spielbeträge von insgesamt 88.100,64 EUR. Ob der Kläger an einer Spielsucht leidet, ist zwischen den Parteien streitig.
5Über eine Glücksspiellizenz in Deutschland bzw. für das Bundesland Nordrhein-Westfalen, in welchem der Kläger wohnt, verfügte die Beklagte im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Spieleinsätze nicht.
6Mit der anhängigen Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung der verlustigen Spielbeträge, wobei sich die Klageforderung im Wege der Teilklage auf einen Betrag in Höhe von 15.000,00 EUR auf die Beträge aus der Zeit vom 24.04.2018, 19:15 Uhr, bis einschließlich 18.05.2020, bezieht, und vom Betrag, welcher am 24.04.2018 um 19:15 Uhr eingezahlt worden ist, nur ein Teilbetrag in Höhe von 177,70 EUR beansprucht wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K2a (Bl. 983 ff. eA LG) Bezug genommen.
7Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das angerufene Gericht sei international zuständig. Dies ergebe sich aus Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und Rats vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO). Der Kläger sei auch Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO, da er die Verträge über die Teilnahme an dem von der Beklagten betriebenen Online-Glücksspiel ausschließlich zu einem Zweck geschlossen habe, der nicht einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit diene.
8Er hat ferner die Ansicht vertreten, er habe seine Spieleinsätze ohne rechtlichen Grund getätigt, da die Beklagte ein unzulässiges Online-Glücksspiel betrieben habe. Seine Rückforderung der Spielverluste sei nicht treuwidrig und er habe keine Kenntnis von dem Gesetzesverstoß gehabt und sich auch nicht leichtfertig dem Verbot von Online-Glücksspielen im Internet verschlossen.
9Der Kläger hat beantragt,
1011die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
1213die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung gewesen, dass das Online-Casino-Verbot des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) 2012 nicht mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar sei. Die Spielverträge seien nicht nach § 134 BGB unwirksam. Ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 GlüStV 2012 würde – selbst wenn er vorliegen würde – keine Konstellation darstellen, die nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Vertrags führe. Die Nichtigkeitssanktion diene nicht dem Normzweck des Verbotsgesetzes. In diesem Zusammenhang seien auch der verwaltungsrechtliche Umgang mit § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 GlüStV 2012 und die faktische Duldung durch die zuständigen Behörden zu berücksichtigen. Eine Annahme des § 134 BGB würde die Einheitlichkeit der Rechtsordnung verletzen.
14Bereicherungsrechtliche Ansprüche würden jedenfalls nach § 817 Satz 2 BGB ausscheiden, da sich der Kläger zumindest leichtfertig der Einsicht der Sittenwidrigkeit seines Tuns verschlossen habe. Dem Vorwurf eines unerlaubten Angebots stehe der eigene Verstoß der Teilnahme an diesen Spielen gegenüber (§ 285 StGB). Eine teleologische Reduktion der Vorschrift komme nicht in Betracht.
15Überdies sei die Beklagte nicht um den streitigen Betrag, sondern bestenfalls um einen Bruchteil bereichert, da sie bei jedem Spiel eine Mindestausschüttungsquote von 85% der Einsätze gewährleisten müsse. Insoweit habe die Beklagte höchstens 15 % der Spielerverluste des Klägers als Vorteil tatsächlich erlangt.
16Schließlich würden jegliche Ansprüche wegen eines Verstoßes des Klägers gegen § 242 BGB ausscheiden. Sein Verhalten sei ein geradezu klassischer Fall des„venire contra factum proprium“. Denn eine erfolgreiche Klage würde es dem Kläger ermöglichen, risikolos spielen zu können und damit die Zufallsabhängigkeit des Glücksspiels und damit dessen Wesen sowie das darauf entsprechend begründete Vertrauen der Beklagten auszuhebeln.
17Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung für Ansprüche des Klägers aus den Jahren 2017 und 2018 erhoben. Dazu hat sie geltend gemacht, der Lauf der Verjährung für den Rückforderungsanspruch beginne bereits mit Leistung des Spieleinsatzes, da dem Kläger bekannt gewesen sei, dass seine Teilnahme am Glücksspiel verboten ist.
18Das Landgericht hat den Kläger persönlich angehört. Sodann hat es der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Paderborn für die streitgegenständlichen Ansprüche aus Art. 18, 17 Abs. 1 c) EuGVVO folge.
19Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 15.000,00 EUR aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 2 BGB. Die Beklagte habe vorliegend durch Leistung des Klägers einen Betrag in Höhe von 15.000,00 EUR ohne Rechtsgrund erlangt. Der Kläger habe im Zeitraum vom 24.04.2018 bis zum 18.05.2020 saldiert um die Spielgewinne einen Betrag in Höhe der Klageforderung an die Beklagte geleistet. In Höhe der Differenz aus Einzahlungen und Auszahlungen habe die Beklagte einen vermögenswerten Vorteil erlangt. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nach § 134 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nichtig. Nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 sei das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele im Internet im streitgegenständlichen Zeitraum verboten gewesen. Dieses Verbot habe auch im Einklang mit dem Unionsrecht gestanden.
20Soweit sich die Beklagte darauf berufe, dass 85 % der gezahlten Einsätze zur Absicherung der Spielerforderung und zur Ausschüttung der Gewinne auf ein Treuhandkonto geflossen seien, sodass sie allenfalls mit 15 % der Einsätze bereichert sei, könne sie damit nicht gehört werden. Die Frage, ob ein Teil der seitens des Klägers an die Beklagte gezahlten Beträge im Nachgang auf ein Treuhandkonto geflossen seien und der Beklagten so nicht (mehr) zur Verfügung gestanden habe, betreffe nicht die Bereicherung, sondern die Entreicherung. Auf den Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB könne sich die Beklagte aber nicht berufen, da bei ihr Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes vorgelegen habe, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB.
21Die Rückforderung sei auch nicht nach § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Verbotene bzw. nichtige Glücksspielverträge seien nicht von § 762 BGB erfasst. Deren Abwicklung richte sich ausschließlich nach den §§ 812 ff. BGB.
22Dem klägerischen Rückforderungsanspruch stehe auch nicht die Regelung des § 817 Satz 2 BGB entgegen. Danach sei eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetzes- oder Sittenverstoß zur Last falle. Es könne vorliegend dahinstehen, ob dem Kläger objektiv ein Gesetzes- oder Sittenverstoß anzulasten sei. Denn es fehle jedenfalls an den erforderlichen subjektiven Voraussetzungen. Der Leistende müsse sich zumindest leichtfertig dem Gesetzes- oder Sittenverstoß verschlossen haben. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trage die Beklagte. Dieser Darlegungslast sei sie nicht nachgekommen. Der Kläger habe angegeben, dass er davon ausgegangen sei, dass es sich um ein legales Online-Glücksspiel handele. Die Beklagte gäbe zudem an, über eine Lizenz zu verfügen und habe ihren Geschäftsbetrieb zudem gezielt auf den deutschen Markt ausgerichtet, indem die Internetseite auf Deutsch verfügbar, die Vertragssprache Deutsch und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Deutsch gewesen sei/en.
23Unabhängig davon stehe § 817 Satz 2 BGB dem Anspruch des Klägers auch deshalb nicht entgegen, weil die Kondiktionssperre teleologisch einzuschränken sei. Die Norm sei in ihrem Anwendungsbereich einzuschränken, wenn sie ansonsten dem Sinn und Zweck der Verbotsnorm zuwiderlaufe. Das sei bei solchen Vorschriften der Fall, die aus Gründen der Generalprävention bzw. dem Schutz des Leistenden erfordern, dass auch die Vermögensverschiebung rückgängig gemacht werde. § 4 Abs. 4, Abs. 1 GlüStV 2012 solle gerade dem Schutz der Verbraucher dienen. Insoweit sei es widersprüchlich, würde man einerseits den gesetzgeberischen Willen zum Schutz des Verbrauchers anerkennen, andererseits aber eine Handlung des Verbrauchers, mit der er sich genau in die Gefahr begebe, vor der er geschützt werden solle, zum Ausschluss des Anspruchs führen lassen.
24Mangels Vorsatzes des Klägers scheide der Bereicherungsanspruch insoweit auch nicht gemäß § 814 Alt. 1 BGB aus. Der Kläger habe nicht gewusst, dass der Glücksspielvertrag aufgrund eines Gesetzesverstoßes nichtig und er nicht zur Leistung verpflichtet gewesen sei.
25Ein Ausschluss nach § 242 BGB komme ebenfalls nicht in Betracht. Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten könne schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund erschienen die Interessen der Beklagten nicht als vorrangig schutzwürdig im Sinne des § 242 BGB.
26Der klägerische Rückzahlungsanspruch sei auch nicht mit der Einrede der Verjährung behaftet, so dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die Leistung zu verweigern, § 214 BGB. Der klägerische Bereicherungsanspruch unterliege der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren, §§ 195, 199 BGB, welche vorliegend noch nicht abgelaufen sei. Die Kenntnis des Klägers bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von der Nichtigkeit des Spielvertrages und Illegalität des Glücksspielangebots der Beklagten müsse die Beklagte darlegen und beweisen, was ihr nicht gelungen sei.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das landgerichtliche Urteil (Bl. 1005 ff. eA LG) Bezug genommen. Das Urteil ist dem Beklagtenvertreter gegen Empfangsbekenntnis am 24.01.2023 zugestellt worden.
28Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 16.02.2023 eingelegten und nach entsprechender Verlängerung am 24.04.2023 begründeten Berufung. Sie trägt unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen vor: § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 sei auch weiterhin als unionsrechtswidrig zu bewerten, da das Verbot die als Grundfreiheit gewährleistete Dienstleistungsfreiheit in Art. 56 ff. AEUV beschränke. In diesem Zusammenhang übergehe und verkenne das Landgericht entscheidungsrelevanten Sachvortrag der Beklagten, wonach die Aufgabe des Totalverbots für Online-Casinospiele in dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 unter anderem darauf zurückzuführen sei, dass sich ein erhöhtes Suchtpotential durch einen unregulierten Online-Casino-Markt gerade nicht bestätigt habe und daher das Totalverbot weder erforderlich noch geeignet gewesen sei, den Sinn und Zweck der Norm des § 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV 2012 zu erreichen oder auch nur hinreichend zu fördern. So habe das Landgericht übersehen, dass es trotz des unregulierten Online-Casinoangebots während der Geltungsdauer des GlüStV 2012 gerade nicht zu einer Steigerung der Zahlen der pathologisch Spielsüchtigen gekommen sei. Insofern lasse sich die Ungleichbehandlung gegenüber Sportwetten nicht rechtfertigen, bei denen sich der Gesetzgeber für ein Konzessionsverfahren entschieden habe, was einen milderen Eingriff in die Grundfreiheiten darstelle. Das (damalige) streitgegenständliche Angebot der Beklagten entspreche jedenfalls dem heute genehmigten Angebot im Sinne des GlüStV 2021.
29Jedenfalls sei der Rückforderungsanspruch – soweit Verluste aus dem Jahr 2018 geltend gemacht würden – verjährt. Das Landgericht gehe unzutreffend davon aus, dass es für den Verjährungsbeginn gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf die Kenntnis des Klägers von der Nichtigkeit des Spielvertrages und der Illegalität des Glücksspielangebots der Beklagten ankomme. Bei einem Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB sei die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gegeben, wenn der Gläubiger „von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt“. Der Gläubiger müsse nur die Tatsachen kennen, aus denen das Fehlen des Rechtsgrundes folge, er müsse nicht „Kenntnis vom Fehlen des rechtlichen Grundes selbst“ haben. Es sei somit nicht erforderlich, dass der Gläubiger den Schluss auf das Fehlen des Rechtsgrundes oder die Unwirksamkeit des Vertrages gezogen habe. Dementsprechend genüge bei der aus dem Verstoß gegen ein Verbotsgesetz hergeleiteten Nichtigkeit nach § 134 BGB die bloße Kenntnis der Tatsachen, die den Verstoß gegen das Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB begründen. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 begründe „das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet“ den Verstoß gegen das Verbotsgesetz. Erforderlich für den Fristbeginn gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 BGB sei somit die Kenntnis des Klägers, dass öffentliches Glücksspiel im Internet veranstaltet und vermittelt werde und er daran teilgenommen habe.
30Ein deliktischer Anspruch bestehe nicht, da weder § 4 Abs. 4 GlüStV noch § 284 StGB ein Schutzgesetz sei und dem Kläger darüber hinaus kein Schaden entstanden sei. Er habe die Einsätze freiwillig geleistet und als Gegenleistung die Teilnahme am Angebot der Beklagten mit entsprechenden Gewinnchancen bekommen.
31Die Beklagte beantragt,
3233das am 20.01.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Paderborn, Az.: 2 O 242/22, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Hilfsweise beantragt sie,
3435das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Paderborn zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
3637die Berufung zurückzuweisen.
Hilfsweise beantragt er,
3839die Revision zuzulassen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Da die Beklagte selbst der Auffassung sei, dass es sich bei ihrem streitgegenständlichen Angebot um „ein legales Glücksspielangebot“ gehandelt habe, könne eine Kenntnis der Illegalität des Glücksspiels dem Kläger erst recht nicht unterstellt werden. Ferner könne sich die Beklagte auch bezüglich Rückforderungsansprüchen aus dem Jahr 2018 nicht auf die Einrede der Verjährung stützen. So gelte für § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, dass die Kenntnis der Tatsachen nur bei einfach gelagerten Sachverhalten ausreichend sei. Insbesondere könne und werde der Verjährungsbeginn hinausgeschoben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliege, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermochte. Besonderer Beachtung müsse in diesem Kontext zudem dem Umstand geschenkt werden, dass die Beklagte den Spielern stets suggeriert habe, die streitgegenständlichen Online-Glücksspiele mit einer „EU“-Lizenz legal in Deutschland veranstalten und vermitteln zu dürfen. Danach sei es der Beklagten gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Hinsichtlich der deliktischen Ansprüche gelte im Übrigen § 852 BGB. Dieser „verlängere“ einen bestehenden deliktischen Anspruch in die verjährte Zeit hinein.
40Die Beklagte regt die Aussetzung des Verfahrens aufgrund des aus ihrer Sicht vorgreiflichen Vorabentscheidungsverfahrens des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-440/23 an und führt hierzu näher aus, dass der Gerichtshof hiernach seine Rechtsprechung fortentwickeln und sich konkret zur Frage der Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Online-Casino-Angeboten in der Zeit von 2012 bis zum Inkrafttreten des GlüStV 2021 äußern müsse. Die Vorgreiflichkeit der Vorlagefragen für den vorliegenden Rechtsstreit liege auf der Hand, weshalb er auszusetzen sei.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat lediglich hinsichtlich der Nebenforderung im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Die Klage ist zulässig und im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die Klage ist zulässig. Die internationale Zuständigkeit der angerufenen Gerichte, die auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. etwa BGH NZI 2012, 572 = WM 2012, 852), ist gegeben. Das Landgericht hat sowohl seine internationale Zuständigkeit als auch die Anwendbarkeit deutschen Rechts zu Recht und mit zutreffender Begründung bejaht. Wenn - wie vorliegend - ein Verbraucher mit Wohnsitz in Deutschland Wetteinsätze zurückverlangt, die er beim (verbotenen) Online-Glücksspiel eines im europäischen Ausland ansässigen gewerblichen Anbieters verloren hat, dann sind für die Klage gemäß Art. 17 Abs. 1 Buchst. c, Abs. 2 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO die deutschen Gerichte international zuständig, und in dem Prozess ist gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO als Verbrauchervertrag deutsches Recht anzuwenden (vgl. Senat, Urteil vom 21. März 2023, 21 U 116/21, BeckRS 2023, 8297 [Rz. 17 ff.]).
Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung umfassend begründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Zahlungsanspruch für Zahlungen des Klägers aus den Jahren 2019 und 2020 – wie vom Landgericht zutreffend erkannt – gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (dazu unter Ziffer 1) und für Zahlungen des Klägers aus dem Jahr 2018 als Anspruch auf Restschadensersatz aus §§ 852, 818 Abs. 1, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1, Abs. 4 GlüStV 2012 und § 284 StGB (dazu unter Ziffer 2) in Höhe von insgesamt 15.000,00 EUR zusteht.
Hinsichtlich der geleisteten Zahlungen des Klägers in den Jahren 2019 und 2020 in einer Gesamthöhe von 9.922,30 EUR liegen die Voraussetzung eines Kondiktionsanspruchs gegenüber der Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB vor.
Die seitens des Klägers an die Beklagte geleisteten Zahlungen als solche sind unstreitig. Die Beklagte erlangte dadurch entsprechende Forderungen.
47Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass – entgegen den unstreitigen Feststellungen des Tatbestands in erster Instanz – der Kläger seine Verluste angeblich nicht bei der Beklagten erlitten und dass seine Zahlungsein- und
48-ausgänge angeblich nicht mit der bei der Beklagten registrierten Kundennummer getätigt wurden. Insoweit ist der Senat an die Feststellungen des Ausgangsgerichts gemäß §§ 314, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Gemäß § 314 Satz 1 ZPO liefert der Tatbestand des Ersturteils den Beweis für das mündliche Vorbringen einer Partei im erstinstanzlichen Verfahren. Eine etwaige Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO behoben werden. Wird die Berichtigung im ersten Rechtszug getroffener Feststellungen nicht beantragt, sind sie für das Berufungsverfahren bindend zugrunde zu legen (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2022, 1616). So liegt der Fall hier. Das Ausgangsgericht hat hier festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 28.01.2017 bis zum 18.05.2020 auf der von der Beklagten betriebenen Online-Casino-Seite „X.“ unter Saldierung der Spielgewinne Spielbeträge von insgesamt 88.100,64 EUR verlor, wobei sich die Klageforderung im Wege der Teilklage auf verlustige Beträge in Höhe von insgesamt 15.000,00 EUR aus der Zeit vom 24.04.2018, 19:15 Uhr, bis einschließlich 18.05.2020, beziehe. Einen Berichtigungsantrag hat die Beklagte nicht gestellt. Der Verweis der Beklagten auf die Anlage B 12 (Blatt 336 eA LG) reicht im Übrigen nicht aus, den Vortrag des Klägers hinreichend zu bestreiten. So bezieht sich die von der Beklagten vorgebrachte Anlage B 12 schon zu einem wesentlichen Teil nicht auf den vom Kläger geltend gemachten Ein- und Auszahlungszeitraum.
Die zwischen den Parteien über die Teilnahme des Klägers an den Online-Glücksspielen geschlossenen Verträge können keinen Rechtsgrund für die geleisteten Zahlungen und das Behalten der dadurch erlangten Gutschriften bieten; sie sind wegen eines Verstoßes gegen das in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 konstituierte Internetverbot gemäß § 134 BGB nichtig (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022, 23 U 55/21, BeckRS 2022, 12872 [Rz. 44-47]; OLG Hamm, Beschluss
50vom 12.11.2021, 12 W 13/21, BeckRS 2021, 37639 [Rz. 14-16]).
Das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele ohne Erlaubnis der zuständigen Landesbehörde war nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2012 und ist gemäß § 4
52Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 verboten. Bis zum 30.06.2021 war gemäß § 4 Abs. 4 und Abs. 5 GlüStV 2012 das Veranstalten von Online-Casinospielen und virtuellen Automatenspielen im Internet verboten und auch nicht erlaubnisfähig. Durch den Umlaufbeschluss vom 08.09.2020 sind die unerlaubten Online-Angebote von Casino- und Automatenspielen nicht im Wege eines Verwaltungsakts legalisiert worden. Die Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder haben sich lediglich auf ein koordiniertes Vorgehen in der Glücksspielaufsicht verständigt, ohne verbindlich vorzugeben, dass gegen bestimmte unerlaubte Glücksspielangebote nicht mehr vorgegangen werden soll (vgl. BGH, GRUR 2021, 1534, 1539). Dabei ist unstreitig, dass die Beklagte über eine Konzession zur Veranstaltung von Glücksspiel für das Land Nordrhein-Westfalen im streitbefangenen Zeitraum nicht verfügte.
53Selbst im Fall der nachträglichen Aufhebung eines Verbotsgesetzes ist anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen das aufgehobene Gesetz abgeschlossen wurde, hiervon grundsätzlich unberührt bleibt (vgl. BGH NJW 2008, 3069; OLG Hamm, Beschluss vom 12.11.2021, 12 W 13/21, BeckRS 2021, 37639 [Rz. 16]; BGH, Urteil vom 03.11.1953, I ZR 155/52, NJW 1954, 549; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023, 14 U 256/21, BeckRS 2023, 6752 [Rz. 44])).
54Hier ist von einer vollständigen Aufhebung des Verbots nicht einmal auszugehen, sondern es gilt unter Erlaubnisvorbehalt weiterhin. Nach § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 dürfen öffentliche Glücksspiele im Internet nur für den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien, für die Veranstaltung, Vermittlung und den Eigenvertrieb von Sportwetten und Pferdewetten sowie für die Veranstaltung und den Eigenvertrieb von Online-Casinospielen, virtuellen Automatenspielen und Online-Poker nach entsprechender Erlaubnis betrieben werden. Auch nach der Neuregelung dürfen, damit eine Erlaubnis erteilt werden kann, zunächst keine Versagungsgründe gemäß § 4 Abs. 2 GlüStV 2021 vorliegen; das Glücksspiel darf also nicht den Zielen des § 1 GlüStV, zu denen unter anderem die Suchtprävention und -bekämpfung, die Gewährleistung von Jugend- und Spielerschutz sowie die Sicherstellung ordnungsgemäßer Durchführung von Glücksspielen gehören, zuwiderlaufen. Daneben müssen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 GlüStV 2021 gegeben sein (vgl. Brüning/Thomsen, NVwZ 2021, 11). Für die (damalige) Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen trägt die Beklagte aber nichts vor; insbesondere trägt sie nicht vor, ein Genehmigungsverfahren hinsichtlich der Online-Casinospiele zur Zeit der Geltung des GlüStV 2012 angestrengt zu haben.
55Aus den Änderungen im GlüStV 2021 ergibt sich keineswegs der Rückschluss, dass die frühere, hier einschlägige Regelung (unions-)rechtswidrig gewesen wäre (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022, 10 U 736/22, BeckRS 2022, 30706 [Rz. 36]).
56Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsprechung des BVerwG nicht als überholt anzusehen. Insbesondere die Entscheidungen vom 25.02.2015 (8 B 36.14, ZfWG 2015, 227) und vom 26.10.2017 (8 C 18/16, NVwZ 2018, 895), wonach die Bestimmungen in § 4 Abs. 1, Abs. 4 GlüStV 2012 sowohl verfassungsmäßig als auch mit den Bestimmungen des EU-Rechts vereinbar und deshalb wirksam gewesen sind, treffen weiterhin zu und müssen der Beklagten zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums bereits bekannt gewesen sein.
57Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass alle Bedingungen zur unionsrechtlichen Konformität von § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 im streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt waren (vgl. Senat, Beschluss vom 15.08.2023, 21 U 189/22, BeckRS 2023, 23984 [Rz. 4 ff]; hierzu auch eingehend: KG, Urteil vom 06.10.2020, 5 U 72/19, GRUR-RS 2020, 49879 [Rz. 23 ff.]). Aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 04.02.2016 (EuGH, GRUR Int. 2016, 365 – Ince –) folgt keine Unverhältnismäßigkeit des Internetverbots. Denn diese Entscheidung betrifft die Vermittlung von Sportwetten in einer „Sportsbar“ (siehe EuGH a.a.O. [Rz. 24]), also ein Tatgeschehen „vor Ort“, und nicht das hier streitgegenständliche - aus § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 folgende Verbot des Veranstaltens öffentlicher Glücksspiele im Internet. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann auch aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 23.12.2009 (Az. C‑46/08 – Carmen Media –) selbst mit Blick auf das deutsche Sportwettmonopol nicht die Unionsrechtswidrigkeit dieser deutschen Rechtslage festgestellt werden. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union vielmehr festgestellt, dass eine nationale Regelung, die das Veranstalten und das Vermitteln von Glücksspielen im Internet untersagt, um übermäßige Ausgaben für das Spielen zu verhindern, die Spielsucht zu bekämpfen und die Jugend zu schützen, grundsätzlich als zur Verfolgung solch legitimer Ziele geeignet angesehen werden kann, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmliche Kanäle zulässig bleibt.
58Aus der Gesetzesbegründung zum GlüStV 2021 ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht, dass die Erkenntnislage in 2018 einen Eingriff nicht mehr rechtfertigte. Ausweislich der Erläuterungen zum GlüStV 2021 haben sich seit Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags zahlreiche Studien mit der Suchtgefahr von Online-Glücksspielen befasst, wobei insbesondere das Internet als Vertriebsweg näher betrachtet worden ist. In zahlreichen Studien wurde festgestellt, dass die Teilnahme an Online-Glücksspielen häufiger als bei anderen Spielformen mit problematischem bzw. pathologischem Spiel assoziiert ist bzw. die Teilnahme an Online-Glücksspielen ein Prädiktor für das Vorliegen glücksspielbezogener Probleme ist. Eine systematische Literaturauswertung von Studien aus den vergangenen zehn Jahren, die sich mit den Suchtgefahren von Online-Glücksspielen befasst haben, hat ergeben, dass die Mehrzahl der Studien ein erhöhtes Gefährdungspotenzial bzw. besondere Suchtgefahren von Online-Glücksspielen nachweisen. Zwar gibt die Mehrzahl der sich wegen pathologischen Glücksspiels in ambulanter oder stationärer Behandlung befindenden Personen weiterhin als Hauptglücksspielform das Automatenspiel in Spielhallen an. Casinospiele im Internet (einschließlich des virtuellen Automatenspiels) weisen aber den größten Anteil an mindestens problematischen Spielern aus (vgl. Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021, [z.B.] Drucksache 20/448 der Bremischen Bürgerschaft, S. 5 f. m. w. N.). Das vergleichsweise höhere Suchtpotenzial von Online-Casino-Spielen und Online-Poker haben die Länder also (erneut) „in ihren amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag unter Bezugnahme auf eingeholte Studien und Berichte hinreichend dargestellt“ (so bereits – zum bisherigen Recht und dessen Erläuterungen – BVerwG, NVwZ 2018, 895 [Rz. 42]). Hintergrund der Neuregelung war daher nicht, dass europarechtliche Bedenken aufgekommen wären. Der Gesetzgeber sah sich vielmehr veranlasst, aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse Regeländerungen vorzunehmen, vorrangig mit dem Ziel der Schwarzmarktbekämpfung und zur Effektivitätssteigerung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen. Ein solches Vorgehen des Gesetzgebers lässt nicht den Rückschluss zu, dass die Vorgängerregelung rechtswidrig gewesen wäre (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023, 14 U 256/21, BeckRS 2023, 6752 [Rz. 59]). Im Übrigen hat der Fachverband Glücksspielsucht e.V. in einer Stellungnahme gegenüber dem Schleswig-Holsteinischen Landtag vom 23.04.2019 unter Bezugnahme auf Erkenntnisse der BZgA-Studie darauf hingewiesen, dass der Anteil mindestens problematisch Glücksspielender in dem kleinen Teilnehmerfeld an Online-Casinospielen auffallend hoch sei (laut Studie liege der Anteil bei 26,9%; damit würde er im Vergleich zu anderen Spielarten die größte Gruppe bilden). Gerade diese Kombination von geringer Teilnahmeprävalenz und hohem Anteil problematisch Glücksspielender sei eines der Anzeichen für ein riskantes Glücksspiel (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 03.07.2019, 4 MB 14/19, BeckRS 2019, 13390 [Rz. 21]).
59Daher ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch ein generelles Internetverbot für öffentliches Glücksspiel im streitgegenständlichen Zeitraum mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Unionsrecht vereinbar gewesen. Dass nach § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 der Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sport- bzw. Pferdewetten im Internet erlaubt werden konnten, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Denn die Ausnahmen vom Internetverbot für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 wurden durch die vom Gesetzgeber angestrebte Kanalisierung des Glücksspiels und die geringere Suchtgefahr bei den ausnahmsweise zulässigen Spielformen sachlich gerechtfertigt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023, 14 U 256/21, BeckRS 2023, 6752 [Rz. 51] mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 26.10.2017, 8 C 14/16 [Rz. 28 ff.], juris). Dass die vom Gesetzgeber angenommene geringere Suchtgefahr der genannten Glücksspiele tatsächlich nicht gegeben war, zeigt die Berufung nicht hinreichend auf.
60Eine Beweisaufnahme zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts im Hinblick auf die notwendigen Maßnahmen zur Erreichung des Schutzzwecks des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist daher nicht notwendig.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Verstoß eines Zahlungsdienstleisters gegen das Verbot des § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2012 nicht zur Nichtigkeit der dem Zahlungsvorgang zugrundeliegenden Autorisierung gemäß § 134 BGB führt.
62Aufgrund des Zusammenhangs mit der Norm des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2012 ist der gesetzgeberische Wille anzunehmen, dass durch § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall
632 GlüStV 2012 nicht in das zivilrechtliche Schuldverhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer eingegriffen werden sollte (vgl. BGH, VuR 2023, 18, 20). Diese Überlegung ist indes auf die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das grundsätzliche Verbot, Glücksspiel ohne behördliche Erlaubnis zu veranstalten oder zu vermitteln, nicht zu übertragen. Die Autorisierung der Zahlung ist nicht auf die Erfüllung einer schlechthin unerlaubten Tätigkeit gerichtet (vgl. BGH a.a.O.), denn die Veranlassung der Zahlung ist – wie die Beteiligung am Glücksspiel selbst – durch § 4 Abs. 1, Abs. 4 GlüStV 2012 nicht verboten. Die Verbotsnorm richtet sich allein an die gewerblichen Anbieter von Glücksspielen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022, 19 U 51/22, BeckRS 2022, 37044 [Rz. 49]) und Zahlungsdienstleistungen. Für die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspiel ohne behördliche Erlaubnis gilt das Verbot absolut und dient den in § 1 Satz 1 GlüStV 2012/2021 genannten Interessen des Gemeinwohls. Deshalb gebieten es die Interessen des einzelnen Spielers nicht, ihn durch die Nichtigkeit der von ihm bewirkten Zahlungsautorisierung vor den wirtschaftlichen Folgen des Glücksspiels zu schützen (vgl. BGH a.a.O.), während sie gleichwohl eine Nichtigkeit des über das verbotene Glücksspiel selbst geschlossenen Vertrags erfordern können. Den Gesetzesmaterialien lässt sich nämlich entnehmen, dass hinsichtlich der Zahlungsdienstleister nur eine subsidiäre Inanspruchnahme nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2012 ermöglicht werden sollte, denn diese setzte neben der vorherigen Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote zusätzlich eine erfolglos gebliebene Inanspruchnahme des vom Online-Glücksspielverbot in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 adressierten Veranstalters bzw. Vermittlers voraus. Bei der Betrachtung von § 4 Abs. 1 Satz 2 und § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2012 im Zusammenhang ergibt sich, dass § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2012 lediglich die gesetzliche Grundlage dafür schafft, dass die Glücksspielaufsicht die Mitwirkung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2012 untersagt und so das Verbot aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2012 konkretisiert. Zweck dieser Verknüpfung ist es ersichtlich, auf diesem mittelbaren Weg die Glücksspielveranstalter zu treffen, die ihren Sitz regelmäßig im Ausland haben und deshalb für deutsche Verwaltungsbehörden nicht erreichbar sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23.06.2022, 18 U 8/21, BeckRS 2022, 17622 [Rz. 50-51]).
64Insbesondere dieser Umstand lässt im Verhältnis der Spieler, denen typischerweise keine effektiveren Zugriffsmöglichkeiten zu Gebote stehen als den Verwaltungsbehörden, zu ausländischen Anbietern oder Vermittlern unerlaubter Glücksspiele im Internet eine Nichtigkeit gemäß § 134 BGB notwendig erscheinen, um den durch das Verbot beabsichtigten Schutz der Spieler und der Allgemeinheit wirksam umzusetzen. Denn selbst wenn eine Untersagung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV auch einem ausländischen Glücksspielanbieter gegenüber wirksam durchgesetzt werden kann, wirkt sie als solche nur ex-nunc und lässt die Teilnehmer an bis dahin bereits abgewickelten Glücksspielen ungeschützt.
Der Nichtigkeit gemäß § 134 BGB steht vor diesem Hintergrund nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nur an die Beklagte, nicht jedoch an den Kläger richtete. Betrifft das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner, so hat ein Verstoß dagegen zwar im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge; etwas anderes gilt aber, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss. Dementsprechend wird hier die Nichtigkeitsfolge vom Gesetzeszweck gefordert, denn es liefe dem Sinn und Zweck, insbesondere der Bekämpfung der Spielsucht und dem Spieler- und Jugendschutz, aber auch dem Ziel, das Glücksspielangebot in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, zuwider, geschlossene Verträge über Online-Glücksspiele trotz des Verbots als wirksam anzusehen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022, 19 U 51/22, BeckRS 2022, 37044 [Rz. 49]).
Das ergibt sich nicht nur aus den vorgenannten Gesichtspunkten, sondern auch als Rückschluss insbesondere aus den in § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 geforderten Voraussetzungen einer vom absoluten Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 abweichenden Regelung der Länder, denn dort wurden unter anderem eine grundsätzliche Begrenzung des Höchsteinsatzes je Spieler auf 1.000,00 EUR monatlich sowie ein Ausschluss von Suchtanreizen durch schnelle Wiederholungen gefordert, um die Ziele der Suchtprävention und des Spielerschutzes zu realisieren. Die Beklagte trägt nicht vor, dass ihre Spielangebote, die in Deutschland uneingeschränkt in deutscher Sprache über das Internet erreichbar waren, derartige Schutzmechanismen beinhalteten.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass durch § 285 StGB die Teilnahme an einem nicht behördlich erlaubten Glücksspiel unter dem Gesichtspunkt einer staatlichen Kanalisierung der Spielsucht unter Strafe gestellt ist (vgl. Heine/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 285 Rn. 1, 3). Die Norm baut tatbestandlich auf § 284 StGB auf, wonach die Veranstaltung eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis strafbar ist. Dadurch ergibt sich eine logische Verknüpfung mit den Bestimmungen in § 4 Abs. 1, Abs. 4 GlüStV 2012, aufgrund derer mittelbar über § 285 StGB das Verbot auch an den Kläger als Spielteilnehmer gerichtet wurde.
Auch der Umlaufbeschluss der Länder vom 08.09.2020 führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Hiernach sollte mit Blick auf die Änderung des GlüStV 2012 eine Übergangsregelung für die Zeit ab dem 15.10.2020 bis zum Inkrafttreten des GlüStV 2021 geschaffen werden. Unabhängig davon, welche Auswirkungen diese Übergangsregelung auf die zivilrechtliche Beurteilung der Wirksamkeit von Online-Glücksspiel-Verträgen hatte, kann der Umlaufbeschluss an dem Ergebnis schon deshalb nichts ändern, weil es für die Frage der Nichtigkeit eines Vertrags auf das zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts geltende Recht ankommt. Wie bereits ausgeführt, ist auch im Fall der nachträglichen Aufhebung eines Verbotsgesetzes anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen das aufgehobene Gesetz abgeschlossen wurde, hiervon grundsätzlich unberührt bleibt (s. unter aa) sowie vgl. BGH, GRUR 2012, 1050; BGH, NJW 2008, 3069; MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 134 Rn. 30, 32 m. w. N.) Streitgegenständlich sind im Übrigen Spieleinsätze in der Zeit bis zum 18.05.2020, mithin sowohl vor Eingreifen der Gesetzesänderungen als auch noch vor Eingreifen der beschlossenen Übergangsregelungen.
Der klägerischen Forderung steht auch der Kondiktionsausschluss gemäß § 817 Satz 2 BGB nicht entgegen, da dessen tatbestandliche Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Die Anwendung des § 817 Satz 2 BGB setzt voraus, dass der Leistende vorsätzlich gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat. Dem steht es regelmäßig gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat. Denn wer vor den Folgen seines Tuns oder vor dessen Bewertung geradezu die Augen verschließt, muss es sich gefallen lassen, wie ein bewusst Handelnder behandelt zu werden (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2023, 9 U 3/22, BeckRS 2023, 2622 [Rz. 121] m. w. N.). Erforderlich ist insoweit nur ein bewusster oder zumindest leichtfertiger Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, nicht aber das Bewusstsein der Vertragsnichtigkeit oder ein leichtfertiges Sich-Verschließen vor der Erkenntnis dieser Rechtsfolge des Verstoßes (vgl. BGH, NJW 2019, 1147, 1150). Dabei hat der Bereicherungsschuldner, der sich auf die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB beruft, die Voraussetzungen der rechtshindernden Einwendung darzulegen und ggf. zu beweisen, mithin einen bewussten Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O. [Rz. 123]; OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022, 19 U 51/22, BeckRS 2022, 37044 [Rz. 51]; OLG Frankfurt, a.a.O. [Rz. 50]; OLG Hamm, a.a.O. [Rz. 19]; OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2021, 8 W 20/21, BeckRS 2021, 55956 [Rz. 14]).
Was Gesetzesverstöße anbelangt, so kann die Existenz der verschiedenartigsten, oft eher rechtstechnisch zu verstehenden Verbotsgesetze nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden. Folglich kann auch der Schluss von der Kenntnis der Umstände auf die Kenntnis der Gesetzeswidrigkeit nicht immer gezogen werden. Im Regelfall wird man daher – unbeschadet eventueller Beweiserleichterungen – die Kenntnis gerade des Verbotsgesetzes verlangen müssen, soweit es nicht um gesetzliche Verbote geht, die – ähnlich wie die Sittenordnung als Inbegriff der unerlässlichen Grundregeln menschlichen Zusammenlebens – als allgemein bekannt angesehen werden dürfen (vgl. MüKo/Schwab, a.a.O. § 817 Rn. 87). Eine Kenntnis des Inhalts von § 4 Abs. 1, Abs. 4 GlüStV 2012 kann dagegen nicht ohne weiteres und generell vorausgesetzt werden, und Leichtfertigkeit ergibt sich jedenfalls nicht aus einer möglichen Bestätigung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, wenn darin – wie hier – ein ausdrücklicher Hinweis auf die Rechtswidrigkeit von Online-Glücksspielen in allen deutschen Bundesländern außer Schleswig-Holstein nicht enthalten war (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O. [Rz. 128]; OLG Köln, a.a.O. [Rz. 55]; OLG Frankfurt, a.a.O. [Rz. 52-53]). Dementsprechend kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Kläger Kenntnis davon hatte, dass die Spielangebote der Beklagten in Nordrhein-Westfalen als verbotenes Glücksspiel zu bewerten waren. Vielmehr kann regelmäßig, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte für die Illegalität des Glücksspiels feststellbar sind, angenommen werden, dass ein durchschnittlicher Verbraucher eine Legitimationswirkung einer durch den Anbieter ausdrücklich erwähnten Lizenz eines europäischen Staates unterstellt (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 15.12.2022, 1 U 1281/22, BeckRS 2022, 40470 [Rz. 21]).
72Die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands von § 285 StGB erfordert wenigstens bedingten Vorsatz hinsichtlich der Beteiligung an einem nicht behördlich erlaubten Glücksspiel (siehe oben). Ob von EU-Mitgliedsstaaten erteilte Genehmigungen eine Legalisierungswirkung im Sinne von § 284 StGB entfalten, ist umstritten (vgl. Heine/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 284 Rn. 29). Soweit insofern eine funktionale Äquivalenz als Entscheidungskriterium derart bezeichnet wird, dass Erlaubnisse ausländischer EU-Mitgliedstaaten nicht unbesehen zu akzeptieren seien, sondern nur dann, wenn sie den wesentlichen (unionsrechtskonformen) Kontrollstandards des Inlands entsprechen (vgl. Heine/Hecker in Schönke/Schröder, a.a.O. Rn. 30), kann eine derartige Beurteilung von einem durchschnittlichen Verbraucher als Teilnehmer des Glücksspiels nicht erwartet werden. Da die irrige Annahme eines Veranstalters, eine behördliche Erlaubnis zu besitzen, einen Tatbestandsirrtum im Sinne von § 16 Abs. 1 StGB begründen kann, muss ein entsprechender Irrtum des Spielteilnehmers nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre erst Recht geeignet sein, den Vorsatz auszuschließen.
Der Kläger hat anlässlich seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht erklärt, im streitgegenständlichen Zeitraum sei ihm die konkrete Rechtslage nicht bekannt gewesen und er sei davon ausgegangen, dass es sich um ein legales Online-Glücksspiel handele. Er sei schon aufgrund der Werbung der Beklagten mit bekannten Sportgrößen für ihr Angebot davon ausgegangen, dass dieses legal gewesen sei. Das Angebot sei auch über eine frei zugängliche App bespielbar gewesen. Letztlich sei es dem Kläger erst im Juni 2022 aufgefallen, dass das Angebot nicht legal sei, weil er seinerzeit einen längeren Bericht bei n-tv dazu gelesen habe. Mit Blick auf § 817 Satz 2 BGB hat der Kläger somit einer etwaigen sekundären Darlegungslast zur Kenntnis der Verbotswidrigkeit genügt.
74Für ihre auf allgemeinen Erwägungen beruhende gegenteilige Behauptung hat die beweispflichtige Beklagte keinen zu berücksichtigenden Beweis angetreten. Die Vorlage einer frei im Internet abrufbaren Berichterstattung (z.B. auf Youtube) reicht für die Darlegung einer Kenntnis des Klägers nicht aus. Die Beklagte trägt auch in Bezug auf ihren mit der Berufungsbegründung erstmals vorgebrachten Antrag auf Parteivernehmung des Klägers, welcher mangels Darlegung von Zulassungsgründen schon nicht zu berücksichtigen ist, auch nicht näher vor, welchen Erkenntnisgewinn eine solche Vernehmung nach der bereits erstinstanzlich erfolgten Anhörung des Klägers haben soll. Auch einen Verfahrensfehler des Ausgangsgerichts zeigt die Beklagte nicht auf. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 10.01.2023 hat die Beklagte die Gelegenheit gehabt – und diese auch wahrgenommen –, den Kläger persönlich zu befragen. Ein etwaiger Ausschluss von Fragen bzw. eine Einschränkung ihres Fragerechts sind weder erstinstanzlich protokolliert, noch werden diese seitens der Beklagten gerügt.
75Da die Beklagte ihr Angebot selbst als rechtmäßig betrachtet, drängt sich eine positive Kenntnis bzw. eine leichtfertige Unkenntnis des Klägers ohnehin nicht auf.
Der Höhe nach beläuft sich der Anspruch auf die vom Kläger eingezahlten Beträge abzüglich der erhaltenen Ausschüttungen für die Jahre 2019 und 2020 auf insgesamt 9.922,30 EUR. Ob die Beklagte eine etwaige Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB hinreichend dargelegt hat, kann dahinstehen, da sie – wie das Landgericht zutreffend ausführt – gemäß § 819 Abs. 1 und 2, § 818 Abs. 4 BGB mit dem Entreicherungseinwand ausgeschlossen ist. Die Beklagte trifft die verschärfte Haftung nach § 819 Abs. 2 BGB, da sie durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 15.12.2022, 1 U 1281/22, BeckRS 2022, 40470 [Rz. 24]; OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022, 10 U 736/22, BeckRS 2022, 30706 [Rz. 71]). Außerdem ist aufgrund deren Vortrags zur umfassenden Presseberichterstattung davon auszugehen, dass die Beklagte zum jeweiligen Leistungszeitpunkt Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrunds hatte (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 2022, 1280, 1284; OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022, 19 U 51/22, BeckRS 2022, 37044 [Rz. 65]).
Ein Ausschluss der Rückforderung gemäß § 762 BGB ist nicht anzunehmen. Die Norm ist im Fall der Nichtigkeit des geschlossenen Vertrags gemäß § 134 BGB nicht anwendbar. Die Anwendbarkeit der Vorschrift setzt eine Wirksamkeit des Spiel- und Wettvertrags voraus. Unwirksam sind insbesondere solche Spiele und Wetten, die – wie hier – gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen (vgl. OLG Köln, a.a.O. [Rz. 50]; Haertlein in: BeckOGK, 01.04.2022, BGB, § 762 Rn. 116).
Der Rückzahlungsanspruch des Klägers ist auch nicht gemäß § 242 BGB als treuwidrig ausgeschlossen. Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten kann schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund sind ihre Interessen nicht vorrangig schutzwürdig im Sinne von § 242 BGB. Indem die Beklagte einen ihr ohne weiteres möglichen Hinweis unterlassen hat, dass die Online-Glücksspiele in Deutschland nicht zulässig waren, ist sie zum einen bewusst die Gefahr eingegangen, Gelder ohne Rechtsgrund einzunehmen. Dass das Behalten von Geldern, die die Beklagte durch die rechtswidrige Veranstaltung von Glücksspiel eingenommen hat, besonders schutzwürdig wäre, ist nicht ersichtlich. Zum anderen hat der Kläger für die von ihm geleisteten Spieleinsätze aber auch keine einklagbaren Forderungen erhalten, so dass es sich nicht als treuwidrig darstellt, die Spieleinsätze zurückzufordern (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022, 19 U 51/22, BeckRS 2022, 37044 [Rz. 67]; OLG Frankfurt, NJW-RR 2022, 1280, 1284).
79An dieser Wertung ändert auch ein Prozessfinanzierungsvertrag – soweit ein solcher überhaupt vorliegen sollte – und die diesem inhärente Gewinnerzielungsabsicht des Prozessfinanzierers nichts. Dem Kläger ist ein eigenes rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der Rückforderung der rechtsgrundlos geleisteten Spieleinsätze zuzugestehen. Insbesondere die Ungewissheit, ob die Forderung – auch auf Grundlage eines stattgebenden Urteils – gegen die im Ausland sitzende Beklagte mit Erfolg und ohne erhebliche zeitliche Verzögerungen vollstreckt werden kann, würde ein legitimes Interesse des Klägers daran begründen, die Bedingungen eines Prozessfinanzierungsvertrages zu akzeptieren, um nicht das Prozess- und das Vollstreckungsrisiko allein tragen zu müssen. Insofern besteht keine systematische Vergleichbarkeit zu einer auf § 10 UWG gestützten Klage, die nicht durch eine natürliche Person, sondern nur von den in § 8 Abs. 3 Nr. 2 - 4 UWG genannten Verbänden, Einrichtungen und Kammern erhoben werden kann.
Nach Ansicht des Senats kann vorliegend dahinstehen, ob die Beklagte hinsichtlich der Zahlungen des Klägers aus dem Jahr 2018 in Höhe von 5.077,70 EUR zu Recht die Einrede der Verjährung erhoben hat. Jedenfalls steht dem Kläger ein Anspruch in vorbenannter Höhe – bei unterstellter Verjährung eines Bereicherungsanspruchs sowie eines deliktischen Anspruchs – auf Restschadensersatz aus §§ 852, 818 Abs. 1, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1, Abs. 4 GlüStV 2012 und § 284 StGB zu.
81Bei dem Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB handelt es sich um den ursprünglichen Deliktsanspruch und nicht um einen daneben bestehenden Bereicherungsanspruch. Die Vorschrift ist nicht als Rechtsgrundverweisung auf die §§ 812 ff. BGB, sondern als Rechtsfolgenverweisung auf die §§ 818 ff. BGB zu qualifizieren. Die Vollendung der für den Schadensersatzanspruch geltenden Regelverjährung gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB bewirkt lediglich eine Beschränkung des Ersatzumfangs: Während bis dahin die Kompensation sämtlicher Nachteile verlangt werden konnte, ist der Ausgleich nunmehr der Höhe nach auf die dem Schädiger verbliebene Bereicherung begrenzt. Folgerichtig kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen eines Kondiktionsanspruchs vorliegen, sondern es sind die Voraussetzungen für einen Deliktsanspruch, etwa aus § 823 Abs. 2 BGB zu prüfen, und zwar einschließlich der haftungsausfüllenden Kausalität und der Schadensberechnung. Erst nachdem feststeht, was der Geschädigte nach Deliktsrecht hätte beanspruchen können, ist in einem zweiten Schritt anhand der §§ 818 ff. BGB zu ermitteln, welchen Umfang die vom Schädiger durch die unerlaubte Handlung erlangte Bereicherung hat. Übersteigt die Bereicherung den Schaden, kann der Verletzte vollen Ersatz verlangen; bleibt sie dahinter zurück, ist der Ersatzanspruch entsprechend zu beschneiden (vgl. MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 852 Rn. 6). Der deliktisch Verletzte soll eine durch die unerlaubte Handlung verursachte Bereicherung des Ersatzpflichtigen auch dann noch abschöpfen können, wenn der Schadensersatzanspruch längst verjährt ist. Der Deliktstäter soll nicht schon nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist des Schadensersatzanspruches das zulasten des Verletzten durch die unerlaubte Handlung Erlangte behalten dürfen (vgl. BeckOGK/Eichelberger, 01.09.2023, BGB, § 852 Rn. 3).
82Vorliegend sind die Voraussetzungen des § 852 Satz 1 BGB erfüllt:
Zunächst steht dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.077,70 EUR für seine Zahlungen aus dem Jahr 2018 gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1, Abs. 4 GlüStV 2012 und § 284 StGB zu.
Sowohl das Internetverbot in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 in Verbindung mit dem allgemeinen Verbot, Glücksspiele öffentlich ohne behördliche Erlaubnis zu veranstalten oder zu vermitteln in § 4 Abs. 1 GlüStV 2012, als auch § 284 StGB sind als Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen.
85Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist eine Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das infrage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben (vgl. BGH, NJW 2018, 1671, 1673).
86Dadurch, dass die oben genannten Normen ein Verbot der Veranstaltung von Glücksspielen im Internet vorsehen, dienen sie gerade auch den in § 1 GlüStV 2012 aufgeführten Zwecken, zu denen neben der Verhinderung bzw. Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht (§ 1 Nr. 1 GlüStV 2012) auch der Jugend- und Spielerschutz (§ 1 Nr. 3 GlüStV 2012) sowie der Schutz des Spielers vor betrügerischen Machenschaften (§ 1 Nr. 4 GlüStV 2012) zählen. Zwar dient die Norm hiernach vor allem Allgemeininteressen; gerade der Schutz des einzelnen Spielers vor den genannten Gefahren des Glücksspiels liegt jedoch auch im Aufgabenbereich der Norm (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022, 19 U 51/22, BeckRS 2022, 37044 [Rz. 71]). Das ergibt sich bei systematischer Auslegung zudem aus den in § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 aufgezählten Anforderungen, die insbesondere zur Vermeidung ruinöser Spieleinsätze geeignet und bestimmt sind.
Dass die Beklagte gegen das Verbot verstieß und ohne die erforderliche Erlaubnis der in Deutschland zuständigen Behörde öffentliche Glücksspiele veranstaltete, steht fest. Damit verwirklichte sie auch den objektiven Tatbestand des § 284 StGB und handelte schuldhaft im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB und vorsätzlich gemäß § 284 StGB, hinsichtlich dessen bedingter Vorsatz ausreicht. Denn die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in diesem Zusammenhang war im hier maßgeblichen Zeitpunkt bekannt und die Beklagte trägt selbst umfassend vor, aufgrund umfassender Medienberichterstattung dazu sei unschwer feststellbar gewesen, dass erhebliche Bedenken gegen die Legalität von Online-Glücksspielen bestanden. Indem sie gleichwohl eine Registrierung und anschließende Nutzung ihrer Online-Glücksspiele uneingeschränkt ermöglichte, hat die Beklagte einen Verstoß gegen das geltende Verbot wenigstens billigend in Kauf genommen.
88Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten auf die legalisierende Wirkung einer lediglich pauschal behaupteten Duldung durch deutsche Behörden ist nicht anzunehmen. Die Tatsache, dass behördliche Maßnahmen gegen die Beklagte nicht ergriffen wurden, ist allein nicht geeignet, trotz der das Gegenteil feststellenden Urteile ein Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zu rechtfertigen. Unter anderem aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.10.2017 ergab sich einerseits, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe gegen einen Anbieter von Online-Glücksspiel vorgegangen war, und andererseits die sich aus Art. 3 GG ergebende Verpflichtung der Behörde, in vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren (vgl. BVerwG, NVwZ 2018, 895, 897).
Der Eintritt eines durch die Schutzgesetzverletzung adäquat kausal verursachten Schadens in Form des unstreitigen Verlusts in Höhe von 5.077,70 EUR steht ebenfalls fest. Hätte die Beklagte das geltende Verbot beachtet und ihr Glücksspielangebot dem Kläger nicht in Nordrhein-Westfalen zugänglich gemacht, hätte dieser die unstreitigen Zahlungen nicht als Spieleinsätze geleistet und erbringen können.
Von § 823 Abs. 2 BGB erfasst sind auch reine Vermögensschäden, wie sie der Kläger geltend macht (vgl. BeckOK BGB/Förster, Stand 01.08.2022, § 823 BGB Rn. 267; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, § 823 BGB Rn. 534).
91Im Rahmen des Schadensersatzes ist der Spieler so zu stellen, wie er ohne das haftungsbegründende Ereignis stünde. Ausgangspunkt für die Beurteilung eines Vermögensschadens ist die Differenzhypothese. Nach dieser folgt ein Schaden aus der Differenz zwischen zwei Güterlagen. Ein Vermögensschaden ist gegeben, wenn der tatsächliche Wert des Vermögens des Geschädigten geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde (vgl. BGH, NJW 2015, 1373; NJW 2013, 2345; NJW 2012, 3165).
92Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, der Kläger habe deshalb keinen Schaden erlitten, weil er die Spieleinsätze freiwillig getätigt und dafür im Gegenzug Gewinnchancen erhalten habe, verfängt dieser Einwand nicht. Dem verlorenen Spieleinsatz stand gerade kein ausgleichender Vermögenswert in Form einer Gewinnchance gegenüber. Aufgrund der Nichtigkeit des Spielvertrags war die Gewinnchance vielmehr wegen der fehlenden Einklagbarkeit wertlos. Einer rein faktischen Gewinnchance kommt jedenfalls bei wertender Betrachtung nach dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes kein kompensierender Vermögenswert zu. Würde der Eröffnung einer Teilnahmemöglichkeit am Online-Glücksspiel ein Vermögenswert beigemessen, mit der Folge, dass ein Schaden des Spielers verneint würde, würde dies zudem dem Schutzzweck des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 zuwiderlaufen. Auch das Argument, die Vermögenseinbuße sei nicht unfreiwillig eingetreten, weil der Kläger das Verlustrisiko bewusst eingegangen sei, greift nicht durch. Der Kläger ist freiwillig nur das Verlustrisiko für den – nicht vorliegenden – Fall eines wirksamen Spielvertrages und damit einer werthaltigen Gewinnchance eingegangen.
Der eingetretene Vermögensschaden beruht auf der Schutzgesetzverletzung.
94Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlt es nicht an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang, weil der Schaden des Klägers nicht durch das Angebot der Beklagten, sondern durch dessen Spielteilnahme entstanden ist.
95In Fällen der mittelbaren Kausalität kann eine Zweitursache zwar zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs führen. Davon ist jedoch nur auszugehen, wenn die Zweitursache im Hinblick auf den eingetretenen Schaden so stark in den Vordergrund tritt, dass die Erstursache vollständig verdrängt wird und der Schaden dem Erstverursacher nicht mehr zugerechnet werden kann (vgl. BGH, MDR 2018, 1118; NJW 2018, 1957 m. w. N.). Auch eine für den Schaden mitursächliche willentliche Handlung des Verletzten schließt es nicht ohne weiteres aus, den Schaden demjenigen zuzurechnen, der die schädigende Kausalkette in Gang gesetzt hat. Bestand für die Zweithandlung des Geschädigten ein rechtfertigender Anlass oder wurde sie durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert und erweist sich die Reaktion auch nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen, so bleibt der Zurechnungszusammenhang mit dem Verhalten des Schädigers bestehen (vgl. BGH, NJW-RR 2017, 566; NJW 2017, 1600 m. w. N.).
96Gemessen daran ist der Zurechnungszusammenhang zwischen unerlaubter Handlung der Beklagten und eingetretenem Schaden durch die Spielteilnahme des Klägers nicht unterbrochen worden. Zur Spielteilnahme durfte sich der Kläger durch das Angebot der Beklagten vielmehr herausgefordert fühlen, seine Reaktion war auch nicht ungewöhnlich oder unangemessen. In der Leistung der Spieleinsätze zur Teilnahme am Online-Glücksspiel der Beklagten hat sich gerade das Risiko verwirklicht, welches die Beklagte durch das Anbieten des unerlaubten Glücksspiels gesetzt hat.
97Es fehlt ferner nicht am notwendigen Schutzzweckzusammenhang. Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 diente vorrangig der Suchtprävention bzw. -bekämpfung und dem Spielerschutz. Wegen der besonderen Gefahren, die von Online-Glücksspielen ausgehen, wurde zur Erreichung dieser Ziele ein vollständiges Verbot von Online-Glücksspielen statuiert. In der Spielteilnahme an dem von der Beklagten (unerlaubterweise) angebotenen Online-Glücksspiel und den daraus folgenden Verlusten hat sich gerade dieses Risiko, die mit dem Online-Glücksspiel verbundene besondere Gefahr, verwirklicht. In dem Verlust der Spieleinsätze hat sich dieses rechtlich missbilligte, von § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 erfasste Risiko der Spielteilnahme an einem Online-Glücksspiel fortgesetzt.
Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen eines Mitverschuldens seinerseits gemindert. Der Vorwurf des „Mitverschuldens“ beruht nicht auf der Verletzung anderen gegenüber bestehender Rechtspflichten bzw. auf der Missachtung von gesetzlichen Verhaltensvorschriften, sondern auf einem Verstoß gegen das Gebot der Wahrnehmung eigener Interessen. Deshalb genügt es zu seiner Anwendung, dass der Geschädigte diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt (vgl. BGH, VersR 1990, 1362). Dem Kläger ist aber schon kein Verstoß gegen seine eigenen berechtigten Belange vorzuwerfen.
99Zudem wäre eine Anwendung von § 254 Abs. 1 BGB mit dem Normzweck des Schutzgesetzes, der insbesondere auch in den schon durch § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 bestimmten Anforderungen an ein im Einzelfall erlaubnisfähiges Online-Glücksspiel zum Ausdruck kommt, unvereinbar (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022, 19 U 51/22, BeckRS 2022, 37044 [Rz. 74] unter Hinweis auf BGH, NJW 2006, 362, 363).
Aus den bereits unter Ziffer 1 lit. f) angeführten Gründen ist ein deliktischer Anspruch des Klägers auch nicht gemäß § 242 BGB ausgeschlossen.
Der Inhalt des Anspruchs aus § 852 Satz 1 BGB ergibt sich aus den §§ 818 ff. BGB. Herauszugeben ist somit das vom Ersatzpflichtigen Erlangte, einschließlich gezogener Nutzungen und Surrogate (§ 818 Abs. 1 BGB), hilfsweise Wertersatz im Sinne des § 818 Abs. 2 BGB (vgl. BeckOGK/Eichelberger, 01.09.2023, BGB, § 852 Rn. 24).
102Vorliegend hat die Beklagte als Ersatzpflichtige durch die unerlaubte Handlung
103„etwas erlangt“, nämlich die überwiesenen Gewinnspieleinsätze des Klägers (vgl. BeckOGK/Eichelberger, 01.09.2023, BGB, § 852 Rn. 17). Insoweit gilt das bereits im Rahmen des Anspruchs des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB für Zahlungen aus den Jahren 2019 und 2020 unter Ziff. 1 lit. d) Ausgeführte.
Der Anspruch des Klägers auf die zuerkannten Rechtshängigkeitszinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein Eintritt der Rechtshängigkeit vor dem 01.09.2022 kann nicht festgestellt werden. Wann die Klage zugestellt worden ist, lässt sich der Akte – mangels Zustellungsnachweises – nicht entnehmen. Da die Beklagte am 01.09.2022 ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt hat, ist jedenfalls von einer Zustellung an diesem Tag auszugehen. Entsprechend § 187 Abs. 1 BGB ist der Anspruch ab dem 02.09.2022 zu verzinsen.
105Wegen des weitergehend vom Landgericht zuerkannten Zinsanspruchs ist die Klage unbegründet.
Vor dem Hintergrund der materiell-rechtlichen Bewertung durch den Senat hat auch der Hilfsantrag der Beklagten auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache keinen Erfolg. Die Berufung hat die Entscheidungserheblichkeit eines vermeintlichen Verfahrensfehlers nicht konkret aufgezeigt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Rechtsstreit aufgrund des Vorabentscheidungsverfahrens des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-440/23 nicht auszusetzen.
108Zwar ist die Aussetzung eines Verfahrens in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO auch ohne gleichzeitiges Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union grundsätzlich zulässig, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung derselben Frage abhängt, die bereits in einem anderen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde (vgl. BGH, Aussetzungsbeschluss vom 11.04.2013, I ZR 76/11, BeckRS 2013, 16584 [Rz. 5]).
109Im Streitfall stellt sich aber eine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist, nicht. So hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die unionsrechtliche Kohärenzprüfung beschränkender Maßnahmen im Glücksspielsektor im Einzelfall Sache der nationalen Gerichte ist (vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2010, C-46/08, Slg. 2010, I-8149 = NVwZ 2010, 1422 [Rz. 65] - Carmen Media Group). Auch die Folgen einer möglichen Unionsrechtswidrigkeit von Regelungen im Bereich des Glücksspiels und die Anforderungen an ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung für das Angebot von Glücksspielen sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bereits hinreichend geklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 08.11. 2023, I ZR 148/22 [Rz. 18]; BGH, Beschluss vom 22.07.2021, I ZR 199/20, juris).
110Zudem sind die Vorlagefragen nicht vorgreiflich. Denn selbst wenn Glücksspielbetreiber der Auffassung gewesen wären, das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 sei europarechtswidrig, wären sie gehalten gewesen, ein Erlaubnisverfahren zu betreiben (vgl. BGH, Beschluss vom 26.01.2023, I ZR 79/22, GRUR-RS 2023, 5018 [Rz. 22 ff.]). Das Unionsrecht fordert selbst bei (unterstellter) Unionsrechtswidrigkeit des Verbots von Online-Glücksspielen weder eine Duldung noch eine voraussetzungslose Genehmigung der Veranstaltung und Vermittlung solcher Wetten, sondern lediglich die Prüfung sowie Bescheidung hierauf gerichteter Erlaubnisanträge. Hiervon war die Beklagte auch nicht deshalb befreit, weil das von ihr angebotene Glücksspiel gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht erlaubnisfähig war. Denn die zuständige Behörde wäre im Rahmen eines solchen Erlaubnisverfahrens zur Einhaltung des Unionsrechts verpflichtet gewesen, was bei einer unterstellten Unionsrechtswidrigkeit des Online-Glücksspiel-Verbots bedeutete, dass eine Erlaubnis nicht aus diesem Grund abgelehnt werden dürfte (vgl. BGH, a.a.O. [Rz. 23-26]).
111Ein derartiges Genehmigungsverfahren hat die Beklagte nach eigenem Vortrag nicht geführt. Soweit der Kläger nunmehr die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung einer Konzession für Online-Casinospiele vom 23.05.2016 durch das Land Hessen vorgelegt hat (Anlage BE21, Blatt 606 f. eA OLG), lässt sich dieser nicht entnehmen, welcher Antrag konkret zu Grunde gelegen hat und ob die hiesige Beklagte eine ggfs. an den Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 zu messende Genehmigung beantragt hat. Ferner richtet sich die vom Kläger vorgelegte Ablehnung ohnehin an die X. Casino Ltd. und nicht an die hiesige Beklagte.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, weil – jedenfalls im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang – die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
114Zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich, wenn nur so zu vermeiden ist, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 01.10.2002, XI ZR 71/02, NJW 2003, 65). Dies ist jedenfalls der Fall bei einer Divergenz von Entscheidungen, das heißt, wenn ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht (vgl. BGH a. a. O.; BGH, NJW 2002, 2957 = WM 2002, 1811 [1812]; NJW 2002, 3180 = WM 2002, 1899 [1900]). Diese Voraussetzungen liegen jedenfalls hinsichtlich der – als verjährt unterstellten – Ansprüche des Klägers aufgrund seiner Zahlungen an die Beklagte aus dem Jahr 2018 in Höhe von 5.077,70 EUR vor. Diesbezüglich weicht der erkennende Senat von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Oldenburg in seiner Entscheidung vom 30.11.2023 im Verfahren Az. 1 U 14/23 ab, wonach ein Restschadensersatzanspruch aus § 852 BGB wegen des Fehlens eines deliktischen Schadensersatzanspruchs insgesamt (insbesondere nicht aus § 823 Abs. 2 BGB) abgelehnt wird.
115Die beschränkte Zulassung der Revision ist zulässig. Diese dient der Entlastung der Revisionsinstanz und trägt dem mit der Zulassungsrevision verfolgten Zweck einer Konzentration des Revisionsgerichts auf rechtsgrundsätzliche Fragen Rechnung. Auf diese Weise wird verhindert, dass durch eine formal undifferenzierte und unbeschränkte Zulassung der Revision abtrennbare Teile des Streitstoffs ohne ersichtlichen Grund dem Revisionsgericht zur Prüfung anfallen (vgl. BeckOK ZPO/Kessal-Wulf, 51. Ed. 01.12.2023, ZPO, § 543 Rn. 10). Hier waren die einzelnen Zahlungsansprüche des Klägers als abtrennbare Teile des gesamten Streitstoffs zu behandeln und dementsprechend für jede einzelne Zahlung in unterschiedlichen Jahren gesondert zu prüfen.
116Im Übrigen war die Revision nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen einer weitergehenden Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Sache hat als solche keine grundsätzliche Bedeutung und stimmt im Übrigen mit der obergerichtlichen Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen hinsichtlich der Stattgabe von Rückzahlungsansprüchen der Spieler aus Bereicherungsrecht überein. Insoweit sind ausdrücklich die Zahlungsansprüche des Klägers aus den Jahren 2019 und 2020 in Höhe von 9.922,30 EUR – mangels Divergenz – von der Zulassung der Revision ausgenommen.