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§ 69 Abs. 4 BZRG in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16.06.2021 (BGBl. I S. 11810) führt nicht dazu, dass die verlängerte Tilgungsfrist des § 46 Abs. 1 Nr. 1 lit. a BZRG n.F. auch auf bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung bereits tilgungsreife Eintragungen Anwendung findet. Die Übergangsvorschrift des § 69 Abs. 4 BZRG n.F. ist vielmehr im Lichte der Gesetzessystematik des BZRG auszulegen.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Das Bundesamt für Justiz wird verpflichtet, die Eintragung im Zentralregister betreffend das Verfahren zu dem Aktenzeichen 6 Ds-362 Js 23/17-27/17 der Staatsanwaltschaft Arnsberg zu entfernen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Betroffenen sind aus der Staatskasse zu erstatten.
Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 36 Abs. 3 GNotKG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 19 GNotKG).
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Das Zentralregister enthält folgende Eintragung zum Betroffenen:
4Datum der Entscheidung: 29.06.2017
5Erkennende Stelle: Amtsgericht Medebach (R1907)
6Aktenzeichen: 362 Js 23/17 6 Ds 27/17
7Datum der Rechtskraft: 07.07.2017
8Datum der Tat: 00.00.2016
9Tatbezeichnung: Unternehmen des sich Verschaffens von Jugendpornographischen Schriften
10Angewendete Vorschriften: StGB § 184c Abs. 3 Alt. 1
11Verhängte Strafe: 75 Tagessätze zu je 15,00 EUR Geldstrafe
12Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG)
13Weitere Eintragungen sind nicht vorhanden.
14Der Betroffene begehrt die Löschung der vorgenannten Eintragung im Zentralregister und deren Nichtaufnahme in erweiterte Führungszeugnisse. Auf seinen entsprechenden Antrag hin hat das Bundesamt für Justiz dies mit Bescheid vom 08.11.2023, ihm zugestellt am 17.11.2023, unter Verweis auf die mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16.06.2021 verlängerten Aufnahme- und Tilgungsfristen abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 ff. EGGVG und verfolgt sein ursprüngliches Begehren weiter. Er meint, dass die mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder eingeführten Tilgungs- und Aufnahmefristen sowie die Übergangsvorschrift des § 69 Abs. 4 BZRG nicht auf die ihn betreffende Eintragung anzuwenden seien. Denn andernfalls würde § 69 Abs. 4 BZRG n.F. zu einer unzulässigen Rückwirkung und einem Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip führen, was vom Gesetzgeber nicht gewollt sein könne. Deshalb müsse § 69 Abs. 4 BZRG n.F. so ausgelegt werden, dass hierdurch nur solche Eintragungen erfasst würden, die zwischen Veröffentlichung des Gesetzes vom 16.06.2021 im Bundesgesetzblatt am 22.06.2021 und dessen Inkrafttreten im Hinblick auf die Änderungen im BZRG am 01.07.2022 erfolgt seien.
15Der Generalstaatsanwalt in Hamm hat unter Bezugnahme auf die Gegenerklärung des Bundesamtes für Justiz vom 30.01.2024 Stellung genommen und beantragt, den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zu verwerfen. Er stellt darauf ab, dass die gegenständliche Verurteilung des Amtsgerichts Medebach vom 29.06.2017 vor dem 01.07.2022 im Register eingetragen worden sei und deshalb die mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder eingeführte Frist von zehn Jahren zur Aufnahme in erweiterte Führungszeugnisse gemäß §§ 34 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, 69 Abs. 4 BZRG n.F. Anwendung finde. Auch sei eine Tilgungsreife noch nicht eingetreten, da gemäß §§ 69 Abs. 4, 46 Abs. 1 Nr. 1a lit. a BZRG n.F. eine Tilgungsfrist von 10 Jahren gelte. Insoweit liege keine unzulässige Rückwirkung vor. Die Verurteilung des Betroffenen sei zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Gesetzesänderung noch im Register eingetragen gewesen. Das Gesetz vom 16.06.2021 habe lediglich zu einer neuen Rechtsfolge geführt, nämlich der verlängerten Aufnahmefrist in ein erweitertes Führungszeugnis und einer längeren Tilgungsfrist. Der Betroffene habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass während der Zeit der Eintragung der Verurteilung im Register keinerlei Rechtsänderungen eintreten, die z.B. zur Folge haben könnten, dass die Verurteilung wieder in ein – hier erweitertes – Führungszeugnis aufgenommen werde oder für eine längere Frist im Bundeszentralregister einzutragen sei.
16Der Betroffene hat hierzu unter dem 27.03.2024 nochmals Stellung genommen.
17II.
18Der gemäß § 23 EGGVG statthafte und im Übrigen auch zulässige, insbesondere frist- und formgerechte Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung hat auch in der Sache Erfolg.
191.
20Die Eintragung über die Verurteilung des Betroffenen vom 29.06.2017 ist gemäß § 45 Abs. 2 BZRG aus dem Zentralregister zu entfernen, weil die Verurteilung mit Ablauf des 28.06.2022 – mithin noch vor Inkrafttreten der bundeszentralregisterrechtlichen Änderungen durch das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16.06.2021 (BGBl. I, S. 1810) zum 01.07.2022 – gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 1 lit. a BZRG in der damals gültigen Fassung vom 09.10.2020 i.V.m. §§ 45 Abs. 1, 36 S. 1, 5 Abs. 1 Nr. 4 BZRG, 187 Abs. 2 S. 1 BGB tilgungsreif im Sinne des § 45 Abs. 1 BZRG war und innerhalb der Überliegefrist des § 45 Abs. 2 BZRG bis zum 28.06.2023 keine neuen Verurteilungen bekannt geworden sind, die eine Tilgung hindern könnten (§ 47 Abs. 3 BZRG).
21a) Entgegen der Auffassung des Bundesamtes für Justiz führt § 69 Abs. 4 BZRG n.F. nicht dazu, dass die verlängerte Tilgungsfrist des § 46 Abs. 1 Nr. 1a lit. a BZRG n.F. auch auf bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung bereits tilgungsreife Eintragungen Anwendung findet. Die Übergangsvorschrift des § 69 Abs. 4 BZRG n.F. ist vielmehr im Lichte der Gesetzessystematik des BZRG zu bewerten.
22aa) Mit Einführung des Zentralregisters durch das Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister (BZRG) vom 18.03.1971 (BGBl. I, S. 243) hat der Gesetzgeber erstmals ausdrücklich die materiell-rechtlichen Folgen der Tilgung bzw. Tilgungsreife formuliert und damit eine grundsätzliche Abwägung zwischen dem Resozialisierungsinteresse des Einzelnen und dem öffentlichen (teils auch privaten) Interesse an einem möglichst umfassenden und vollständigen Register vorgenommen, indem er bestimmt hat, dass der Verurteilte grundsätzlich mit Tilgung bzw. Tilgungsreife vom Makel der Vorstrafe zu befreien ist (vgl. Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drs. VI/1550, S. 1, S. 21 zu §§ 49, 50 (§ 45 E)). Dieser Gedanke prägt nach wie vor das BZRG in seiner geltenden Fassung: Gemäß § 45 Abs. 2 S. 2 BZRG darf über tilgungsreife Verurteilungen keine Auskunft mehr erteilt werden. Ein Verurteilter, dessen Eintragung im Zentralregister tilgungsreif ist, darf sich als unbestraft bezeichnen, § 53 Abs. 1 Nr. 2 BZRG, und ihm darf eine tilgungsreife Verurteilung weder vorgehalten noch zu seinen Lasten verwertet werden, § 51 Abs. 1 BZRG. Durch diese umfassende Wirkung der Tilgung wird die Stigmatisierung der Verurteilung endgültig beseitigt (vgl. Tolzmann, BZRG, 5. Aufl. 2015, § 51 Rn. 5; BeckOK StPO/Bücherl, 50. Ed. 1.1.2024, BZRG § 51 Rn. 16-20). Die Tilgungsregelungen dienen der Umsetzung des Resozialisierungsgedankens (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 – 5 C 1/11 –, juris, Rn. 40 zu § 51 BZRG; BeckOK StPO/Bücherl, a.a.O., BZRG § 51 Rn. 17; grundlegend BVerfG, Beschluss vom 27.11.1973 – 2 BvL 12/72 u. 3/73 unter Verweis auf den Regierungsentwurf eines Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister, BR-Drs. 676/69, S. 14 f.; Schriftl. Bericht a.a.O., BT-Drs. VI/1550 S. 21; s.a. Tolzmann, BZRG, a.a.O. § 45 Rn. 4). Im Falle der Tilgung einer Eintragung durch Fristablauf (§ 45 Abs. 1 BZRG) erfolgt mithin die tatsächliche Löschung des Datensatzes im Zentralregister zwar erst nach Ablauf der sogenannten Überliegefrist (§ 45 Abs. 2 S. 1 BZRG), die tilgungsrechtlichen Wirkungen treten aber von Gesetzes wegen bereits mit Tilgungsreife ein. Die Überliegefrist dient demnach nur noch dazu, eine verfrühte Entfernung bei ggf. verspäteter Mitteilung neuer Verurteilungen zu verhindern (vgl. Senat, Beschluss vom 11.04.2013 – 1 VAs 145/12, BeckRS 2013, 7685; BeckOK StPO/Bücherl, a.a.O., BZRG § 45 Rn. 4; Tolzmann, BZRG, a.a.O., § 45 Rn. 20), stellt also eine bloße innerorganisatorische Ordnungsvorschrift dar.
23bb) Dies zugrunde gelegt, ist auch die Übergangsvorschrift des § 69 Abs. 4 BZRG n.F., die ihrer formalen Stellung nach im BZRG selbst verankert wurde, im Lichte dieser Gesetzessystematik zu betrachten und setzt – soweit sie auf eine Verurteilung, die vor dem 01.07.2022 eingetragen wurde, abstellt – eine Eintragung im Sinne des Registerrechts voraus, mithin eine bei Inkrafttreten des Gesetzes vorhandene und weder getilgte noch tilgungsreife Eintragung. Auf diese sind der Übergangsvorschrift folgend dann die Vorschriften des BZRG in der ab dem 01.07.2022 geltenden Fassung anzuwenden. Denn die Wirkung der Tilgung, insbesondere die endgültige Strafmakelbefreiung, tritt grundsätzlich mit Ablauf der Tilgungsfrist ein. Die Überliegefrist dient lediglich der organisatorischen Sicherstellung der Kenntnis aller relevanten Verurteilungen der betroffenen Person, nicht aber der Sicherstellung einer rückwirkenden Anwendung möglicher Gesetzesänderungen. Werden – wie hier – innerhalb der Überliegefrist nach eingetretener Tilgungsreife keine neuen Verurteilungen bekannt, die der Tilgung der eingetragenen Entscheidung entgegenstehen könnten (§ 47 Abs. 3 BZRG), entfällt der Strafmakel zum Zeitpunkt der Tilgungsreife. Vorliegend war die Eintragung über die Verurteilung des Betroffenen bei Inkrafttreten der bundeszentralregisterrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder am 01.07.2022 zu tilgen, der Betroffene mithin bereits zu diesem Zeitpunkt vom Strafmakel befreit.
24cc) Hätte der Gesetzgeber hingegen dieses grundlegende Verständnis des BZRG zur Herbeiführung einer Strafmakelbefreiung mit Tilgung bzw. Tilgungsreife durch das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder abändern wollen und trotz Tilgungsfristablaufs auch solche Verurteilungen erfassen wollen, deren Datensätze „nur“ noch aufgrund der Überliegefrist aus organisatorischen Gründen im Register enthalten sind, hätte er dies im Wortlaut der Übergangsvorschrift, zumindest aber in der Gesetzesbegründung selbst hinreichend deutlich machen müssen. Dies ist aber nicht geschehen.
25In der Gesetzesbegründung der durch das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt eingeführten Übergangsvorschrift des § 69 BZRG n.F. werden Verurteilungen in der Überliegefrist weder ausdrücklich erwähnt noch im Kontext der Begründung miterfasst. Wenn es dort heißt, dass mit § 69 Abs. 4 BZRG-E sichergestellt werden solle, dass die bereits im Bundeszentralregister „enthaltenen Eintragungen von Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 171, 180a, 181, 183 bis 184f, 225, 232 bis 233, 234, 235 oder § 236 StGB“ erstmals beziehungsweise länger in erweiterte Führungszeugnisse oder unbeschränkte Auskünfte aufgenommen würden und durch die Neufassung der Übergangsregelung auch die Ausdehnung der Aufnahme- und Tilgungsfristen auf die bereits im Bundeszentralregister gespeicherten Eintragungen übertragen werden solle (vgl. BT-Drs. 19/23707, S. 51), lässt dies nur einen eindeutigen Rückschluss dahingehend zu, dass bereits aus dem Zentralregister entfernte Verurteilungen nicht erneut eingetragen werden sollen. Im Übrigen wird zwar das Ziel des Gesetzgebers – die Gewährleistung eines möglichst umfassenden Zugangs zu schon lange zurückliegenden Verurteilung für bestimmte Stellen und Behörden (vgl. BT-Drs. 19/23707, S. 24) – deutlich, nicht aber, ob der Gesetzgeber hierfür auch einen Paradigmenwechsel zu den Rechtsfolgen der Tilgungsreife herbeiführen wollte. Etwas Anderes folgt im Übrigen auch nicht aus der Begründung zum Fünften Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes vom 16.07.2009 (BGBl. I, S. 1952), mit welchem erstmals die Übergangsvorschrift ihrem Wortlaut nach eingeführt wurde (vgl. BT-Drs. 16/121427, S. 10) und auf welche in der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder Bezug genommen wird (vgl. BT-Drs. 19/23707, S. 51). Schließlich verhilft die Begründung zu § 46 BZRGE-E (2021) ebenfalls nicht zur einer Klärung der Frage, ob auch tilgungsreife Eintragungen von der Gesetzesänderung erfasst sein sollen. Zwar wird dort die Problematik erwähnt, dass zu tilgende Eintragungen nicht in erweiterte Führungszeugnisse aufgenommen werden könnten, jedoch nur vor dem Hintergrund des mit der Gesetzesänderung vorgeschlagenen Gleichlaufs von Aufnahme- und Tilgungsfrist (vgl. BT-Drs. 19/23707, S. 50). Ob tatsächlich tilgungsreife Verurteilungen im Einzelfall „wieder aufleben“ sollen durch die Neuregelung des § 46 Abs. 1 Nr. 1a lit. a BZRG-E, wird hingegen nicht erörtert.
26Wenngleich nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder die Gewährleistung des Zugangs zu auch schon lange zurückliegenden Verurteilungen wegen besonders kinder- und jugendschutzrelevanter Straftaten für einen möglichst effektiven Schutz der Kinder und entsprechende Präventionsmaßnahmen wünschenswert erscheint, ist der Gesetzesbegründung nach alledem eine bewusste Verschiebung der bislang vom Gesetzgeber vorgenommenen Lösung der widerstreitenden Interessen zwischen Resozialisierungsinteresse des Einzelnen und öffentlichem Interesse an einem vollständigen Register anhand der Tilgung/Tilgungsreife nicht zu entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, dass mit den neu eingeführten Regelungen zu §§ 46, 69 Abs. 4 BZRG n.F. eine einmal nach geltender Rechtslage zutreffend eingetretene Befreiung vom Strafmakel rückgängig gemacht und eine zu Recht angenommene Tilgungsreife wieder entfallen sollte.
27b) Klarstellend weist der Senat noch darauf hin, dass – entgegen der Auffassung des Betroffenen – die mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder eingeführte Übergangsregelung des § 69 Abs. 4 BZRG n.F. mangels Sanktionswirkung im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt. Dies schon deshalb nicht, weil die Vorschriften zur Eintragung in das Zentralregister ebenso wenig wie diejenigen zur Aufnahme in ein Führungszeugnis eine Bestrafung im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG darstellen (vgl. Senat, Beschluss vom 06.11.2023 – III-1 VAs 72/23). Als Bestrafung im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG ist jede staatliche Maßnahme anzusehen, die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein schuldhaftes Verhalten enthält und wegen dieses Verhaltens ein Übel verhängt, das dem Schuldausgleich dient (vgl. BeckOK, Grundgesetz, 56. Ed., 15.8.2023, Art. 103 Rn. 19 f., m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Ausdehnung der Aufnahme- und Tilgungsfristen auf 10 Jahre selbst für geringfügige Verurteilungen wegen besonders kinder- und jugendschutzrelevanter Straftaten soll einen umfassenden Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt gewährleisten (vgl. BT-Drs. 19/23707, S. 1 f., S. 49 f.). Es handelt sich hierbei selbst unter Berücksichtigung des mit der Aufnahme in das erweiterte Führungszeugnis womöglich einhergehenden Tätigkeitsausschlusses nach § 72a SGB VIII nicht um eine vergeltende Sanktion im oben genannten Sinne.
282.
29Da die gegenständliche Eintragung nach alledem gemäß § 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BZRG aus dem Zentralregister zu entfernen ist (die Überliegefrist endete am 28.06.2023), besteht dem Gedanken des § 45 Abs. 2 S. 2 BZRG folgend selbstverständlich auch für den derzeit noch gespeicherten Datensatz eine Auskunftssperre gegenüber Dritten – auch im Rahmen eines erweiterten Führungszeugnisses (vgl. §§ 32 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, 33 Abs. 1, 34 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) BZRG in der bis zum 30.06.2022 geltenden Fassung).
30III.
31Da kein Gebührentatbestand verwirklicht ist (vgl. Nr. 15300 bzw. Nr. 15301 des KV - Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GNotKG), entstehen keine Gerichtsgebühren. Die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 30 S. 1 EGGVG.
32IV.
33Der Senat lässt die Rechtbeschwerde gemäß § 29 Abs. 1 EGGVG zu, da die Auslegung des § 69 Abs. 4 BZRG n.F. und damit die gegenständliche Rechtsfrage der Anwendung der Vorschriften des BZRG in der ab dem 01.07.2022 geltenden Fassung auch auf solche Eintragungen, die zum 01.07.2022 bereits tilgungsreif waren, eine solche von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 29 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGGVG ist.
34Rechtsbehelfsbelehrung
35Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statthaft. Diese ist innerhalb einer Frist von einem Monat ab der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichen einer Rechtsbeschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 A, 76133 Karlsruhe einzulegen (§ 29 Abs. 3 EGGVG i.V.m. § 71 Abs. 1 S. 1 FamFG).
36Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses enthalten, gegen den Rechtsbeschwerde eingelegt wird sowie die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde. Sie ist zu unterschreiben.
37Sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses.
38Die Rechtsbeschwerde kann nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden. Abweichend hiervon können sich Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
39Die Beschwerdeschrift und ihre Begründung können auch nach Maßgabe der §§ 14 FamFG, 130a ZPO als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden.