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Nimmt der Verfrachter auf Anweisung des Empfängers eine (erneute) Einlagerung des Gutes vor, kann er vom Empfänger gem. § 491 Abs. 2 S. 2 und 3 HGB Ersatz der ihm dadurch entstehenden Aufwendungen verlangen.
Die infolge der Weisungserteilung entstandenen Aufwendungsersatz- bzw. Vergütungsansprüche ergeben sich unabhängig vom Seefrachtvertrag aus Gesetz bzw. aus einem quasi-vertraglichen Tatbestand, der international-privatrechtlich gesondert gem. Art. 11 Rom-II-VO anzuknüpfen ist.
Der Senat erwägt, die Berufung der Beklagten gegen das am 30.7.2024 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich unbegründet ist und auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO vorliegen.
Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.
Gründe
2A.
3Die Beklagte hatte bei der in O. ansässigen I. Co. Ltd. eine größere Anzahl (gem. Annex A zum „Container Sales and Purchase Contract“ – Bl. I-294ff. d.A. - sechsundachtzig Stück) von zusammenlegbaren Containern (sog. Flats) erworben, die zum Transport in neunzehn „Bundles“ zusammengefasst wurden. Die I. Co. Ltd. als „Shipper“/Befrachter ließ die 19 „Bundles“ durch die Klägerin zu 2) von K. nach R. transportieren (Waybill No. N01). Empfängerin („Consignee“) des Gutes war die Beklagte. Sie beauftragte die Streithelferin mit dem (Weiter-)Transport des Gutes jedenfalls nach N.. Nachdem es zunächst am 20.5.2021 im Terminal zur Verladung der „Bundles“ auf einen Güterzug gekommen war, stellte sich, jedenfalls nach Darstellung der Beklagten, heraus, dass ein Bahntransport nicht durchführbar war. Darauf veranlasste die Beklagte „durch ihren Spediteur“, dass das Gut vom Güterzug/Bahnbereich abgeholt und am 27.5.2021 wieder in den Containerbestand der Klägerin zu 2) am D. Terminal übernommen wurde. Nach der Beauftragung von Binnenschiff-Reedereien mit dem Weitertransport bat die Beklagte per E-Mail vom 1.6.2021, gerichtet an Frau C. unter der E-Mail-Adresse N02, erneut um Freistellung und erklärte, „sämtliche Kosten, die damit zu tun haben“, zu übernehmen. Die Freistellung erfolgte noch am 1.6.2021; die „Bundles“ wurden sodann per Binnenschiff am 3.6. und am 21.6.2021 aufgenommen und weitertransportiert. Am 23.2.2022 erstellte die Klägerin zu 1) der Beklagten eine Rechnung (Nr. N03) über das Lagergeld in Höhe von 68.311,46 €; die Rechnung enthielt den Vermerk „For and on behalf of V. … Y.- France“). Berechnet wurden in Bezug auf 6 „Bundles“ Lagerkosten („Storage“) für 8 Tage (27.5. – 3.6.2021) in Höhe von je 70,00 €/Bundle/Tag sowie „Extra Move Charges“, ferner in Bezug auf 13 weitere „Bundles“ Lagerkosten für den Zeitraum vom 27.5. – 21.6.2021 in gestaffelter Höhe sowie auch insoweit „Extra Move Charges“.
4Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, die Beklagte sei als im Seefrachtbrief bezeichnete Empfängerin zur Zahlung der lokalen Kosten, die am Ort der Übernahme des Gutes entstehen, verpflichtet, wie sich aus § 494 Abs. 2 und 3 HGB ergebe. Die Beklagte habe sich, wie unstreitig blieb, jederzeit die Konditionen (Tarife für die Lagerung und das Handling) über die Webseite der Klägerin zu 2) ansehen, als PDF herunterladen und dauerhaft abspeichern können. Sie haben auf den – weiteren unstreitigen – Umstand verwiesen, dass auf die Entstehung von Kosten für „demurrage“ und „detention“ bereits im Waybill ausdrücklich hingewiesen worden sei (dort Klausel 202).
5Die Freistellung habe die gesamten angefallenen Kosten umfasst; die Beklagte habe daher mit ihrer Erklärung vom 1.6.2021 (mit der Angabe „sämtliche Kosten“) auch die THC („Terminal Handling Costs“), Demurrage- und Storage-Kosten übernommen.
6Die Klägerin zu 1) hat darauf verwiesen, gem. dem mit der Klägerin zu 2) bestehenden Agenturvertrag verpflichtet zu sein, die seitens der Kunden geschuldeten Beträge selbst vorab an die Klägerin zu 2) zu zahlen.
7Die Klageschrift der Klägerinnen ist am 20.6.2022 beim Landgericht Bielefeld eingegangen.
8Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
9Die Beklagte hat die Berechtigung der Forderungshöhe und deren Üblichkeit bestritten. Sie hat behauptet, ihre Erklärung vom 1.6.2021 habe sich lediglich auf sämtliche Kosten bezogen, welche im direkten Zusammenhang mit einer erneuten Freistellung der „Flats“ gestanden hätten, nicht jedoch „Containerstandgelder“, die vor (bzw. nach) der erneuten Freistellung angefallen seien. Ohnehin sei die Klägerin zu 1) nicht aktivlegitimiert; die Klägerin zu 2) habe etwaige Ansprüche nach französischem Recht nicht dargelegt; sie könne ohnehin nur die Befrachterin/Absenderin in Anspruch nehmen. Die Beklagte hat sich ferner auf Verjährung berufen.
10Die Streithelferin der Beklagten hat die Aktivlegitimation der Klägerinnen in Abrede gestellt und gemeint, die Klägerin zu 2) könne sich gem. ihren „Bill of Lading Terms and Conditions“ ohnehin nur auf französisches Recht berufen, dessen Anspruchsvoraussetzungen sie nicht dargelegt habe. Die Kostenübernahmeerklärung der Beklagten beziehe sich nicht auf etwaiges Standgeld. Ferner sei die Höhe der Forderungen nicht nachvollziehbar dargelegt worden; es fehle an einem konkreten Bezug auf Anlagen. Sie hat bestritten, dass die Klägerin zu 1) den geltend gemachten Betrag an die Klägerin zu 2) gezahlt habe, dass es zu entsprechenden Lagerungen im „Terminal der Klägerin“ in den benannten Zeiträumen gekommen sei und dass die „Detention-Sätze“ angemessen und üblich seien. Schuldner von „Demurrage“ bzw. „Detention“ sei im Übrigen ausschließlich der Absender. Auch die Streithelferin hat die Verjährungseinrede erhoben und die Auffassung vertreten, jedenfalls Ansprüche betr. die Zeit vor dem 20.6.2021 seien nicht mehr durchsetzbar.
11Das Gericht hat die Klage der Klägerin zu 1) mangels Prozessführungsbefugnis als unzulässig abgewiesen, jedoch der von der Klägerin zu 2) erhobenen Klage stattgegeben und dazu ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus § 494 Abs. 2 und 3 HGB, § 781 BGB „in Verbindung mit der Kostenübernahmeerklärung“, die auch die Lagerkosten umfasse. Verjährung sei nicht eingetreten, weil sie erst mit der Auslieferung des letzten Teils der Sendung begonnen habe, hier also mit Ablauf des 21.6.2021, und durch die Klageerhebung am 20.6.2021 gehemmt worden sei.
12Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren vollständigen Klageabweisungsantrag weiter. Sie stellt erneut in Abrede, dass sie mit ihrer E-Mail vom 1.6.2021 eine Kostenübernahmeerklärung hinsichtlich der Lagerkosten abgegeben habe. Sie meint, der Mitteilung fehle es bereits an der hinreichenden Bestimmtheit. Sie habe sich lediglich auf sämtliche Kosten bezogen, welche im direkten Zusammenhang mit einer erneuten Freistellung der „Flats“ gestanden hätten. Außerdem habe das Landgericht zu Unrecht den Eintritt der Verjährung für vor dem 20.6.2021 entstandene Ansprüche verneint.
13Sie beantragt,
14abändernd die Klage vollständig abzuweisen.
15B.
16Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung per Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO liegen gegenwärtig vor.
17I. Die Berufung hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).
18Das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546) noch rechtfertigen nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
191. Hauptforderung
20Die Beklagte schuldet der Klägerin zu 2) wegen der Einlagerung der „Flats“ (bzw. „Bundles“) sowie deren Handling die verlangte Vergütung in Höhe von 68.311,46 €.
21a) Die Haftung der Beklagten auf die geltend gemachten Handling- und Lagerkosten folgt zwar nicht aus dem Seefrachtvertrag zwischen der O.schen Befrachterin und der Klägerin zu 2) bzw. aus dem insoweit ergänzend anzuwendenden (wohl) französischen Recht. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte Partei dieses Vertrags geworden ist oder dass darin zu ihren Lasten – wirksam – Pflichten begründet worden sind. Aus der Klausel 202 im „Waybill“ betr. „Demurrage“ und „Detention“ lässt sich eine solche Pflicht ohnehin nicht ableiten. Weder ist dort der Empfänger als Schuldner bezeichnet, noch handelt es sich bei den von der Klägerin in diesem Rechtsstreit verlangten Kosten um „Demurrage“ oder „Detention“.
22b) Doch ergeben sich die geltend gemachten Ansprüche aus § 491 Abs. 2 S. 2 und 3 HGB. Danach steht das Verfügungsrecht über das Gut nach „Ankunft am Löschplatz“ dem Empfänger zu (S. 2); macht der Empfänger von diesem Recht Gebrauch, so hat er dem Verfrachter die dadurch entstehenden Aufwendungen zu ersetzen sowie eine angemessene Vergütung zu zahlen (S. 3).
23aa) Aufgrund der ihr am 27.5.2021 erteilten Weisung hat die Klägerin zu 2) die erneute Einlagerung des Gutes vorgenommen. Diese Weisung ist gem. den nicht angegriffenen Feststellungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils von der Beklagten veranlasst worden; dass sie „durch ihren Spediteur“ (die Streithelferin der Beklagten) geäußert wurde, ändert daran nichts.
24Die infolge der Weisungserteilung entstandenen Aufwendungsersatz- bzw. Vergütungsansprüche der Klägerin zu 2) ergeben sich unabhängig vom Seefrachtvertrag aus Gesetz bzw. aus einem quasi-vertraglichen Tatbestand.
25Ein solcher Sachverhalt, nämlich die Entstehung einer gesetzlichen Haftung des Empfängers, ist international-privatrechtlich gesondert anzuknüpfen (Rabe/Bahnsen, Seehandelsrecht, 5. Aufl., § 494 Rn. 48 unter Hinweis auf BGH, Urt. vom 23.10.2013, Az. VIII ZR 423/12 betr. § 25 HGB). Das gilt auch für den Aufwendungsersatz- und Vergütungsanspruch des Verfrachters aus § 491 Abs. 2 S. 3 HGB.
26Die von der Klägerin zu 2) – weisungsgemäß – ergriffenen Maßnahmen haben ein „außervertragliches Schuldverhältnis aus Geschäftsführung ohne Auftrag“ im Sinne von Art. 11 Rom-II-VO begründet, auch wenn dieser Tatbestand eng zu verstehen sein sollte und nur solche Schuldverhältnisse erfasst, die auf einer vom Geschäftsführer/Intervenienten durchgeführten Maßnahme („act performed“) beruhen, welche die Angelegenheiten bzw. den Interessenkreis („affairs“) des Geschäftsherrn/Prinzipals berührt, ohne dass ein Auftrag bzw. eine besondere Befugnis („due authority“) hierfür vorliegt (in diesem Sinn BeckOGK/Schinkels, 1.8.2018, Rom II-VO Art. 11 Rn. 11; s.a. Hüßtege u.a./Limbach, BGB, Rom-Verordnungen, Stand 4.2024, Rom II Art. 11 Rn. 6, beck-online). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Mangels Anknüpfbarkeit an ein bereits zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis (Abs. 1 – es bestand keine vertragliche Verbindung zwischen den Parteien) und mangels eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes der Parteien (Abs. 2) ist Art. 11 Abs. 3 Rom-II-VO maßgeblich, wonach das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem die Geschäftsführung erfolgt ist, also deutsches Recht.
27bb) § 491 Abs. 2 S. 3 HGB sieht für den Fall der Weisungsbefolgung einen Aufwendungsersatz- sowie einen Vergütungsanspruch des Verfrachters sowie eine – gesetzliche – Haftung des die Weisung gebenden Empfängers, hier also der Beklagten, vor. Die danach geschuldeten Aufwendungsersatz- und Vergütungsansprüche bestehen in Höhe der Klageforderung:
28(1) Die Klägerin zu 2) hat Einlagerungen während der in Rechnung gestellten Zeiträume im geltend gemachten Umfang (19 „Bundles“) und entsprechende Bewegungen des Gutes zur Ein- und Auslagerung vorgenommen. Soweit die Streithelferin diese Leistungen als solche bestritten hat, ist ihr Bestreiten unbeachtlich, weil es im Widerspruch zum Vortrag der Beklagten steht, die Lagerung und Handling nicht bestritten hat (§ 67 S. 1 ZPO).
29(2) Im Rahmen der Rechnung vom 23.2.2022 hat die Klägerin zu 2) auch ihre Tarife zutreffend angewandt. Die Streithelferin hat die richtige Anwendung der Tarife auf die erbrachten Dienstleistungen zuletzt nicht mehr bestritten (Schriftsatz vom 11.3.2024, Bl. I-222ff.).
30(3) Die Einwendungen der Beklagten und der Streithelferin gegen die Höhe dieser Tarife, die in der Berufungsbegründung der Beklagten auch nicht mehr wiederholt werden, stünden der Berechtigung der geltend gemachten Forderungen ebenfalls nicht entgegen. Anhaltspunkte für eine sittenwidrige Überhöhung (§ 138 Abs. 1 BGB) der verlangten Sätze existieren nicht.
31Die von der Klägerin zu 2) verlangten Kosten (gem. Anl. K4 tgl. 70,00 €/„Bundle“ für die ersten 8 Tage ab dem 27.5.2021, sodann je 140,00 € für die nächsten 5 Tage, je 210,00 € für die nächsten 5 Tage und je 280,00 € für die weiteren 8 Tage) überschreiten bereits die Grenzen der Üblichkeit nicht. Nach den im Internet einsehbaren „Kaitarifen“ der J. sowie dem Preis- und Leistungsverzeichnis des D. Terminals liegen die von der Klägerin zu 2) verlangten Kosten jedenfalls für die ersten (berechneten) 18 Tage (ab dem 27.5.2021) nicht wesentlich über den – gegenwärtig – dort verlangten Beträgen (D.: Für 40´-Container von Tag 6-13 je 82,50 €; ab Tag 14 dann 165,00 €). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einem „Bundle“ von „Flats“ nicht um einen Container „ISO-Standard“ handelt und dass für „Non-ISO-Standard“ Behälter Tagessätze von 165,00 € (Tag 4-11) sowie von 330,00 € (ab Tag 12) verlangt werden (der J.-Tarif für 40´-Container liegt bei 78,60 €/Tag, für Non-ISO Container „doppelte Rate“). Entsprechendes gilt für die Handling-Kosten (D.-Tarif für das An- und Ausliefern „von / auf Verkehrsträger je Bewegung“ bzgl. eines Non-ISO-Containers 258,00 €; die Klägerin zu 2) verlangt je Bewegung/“Flat“ 112,67 € bzw. 192,67 €).
32(4) Selbst bei Anwendung der Verjährungsregelungen der §§ 605, 607 HGB auf diese – gesetzlichen bzw. quasigesetzlichen – Ansprüche der Klägerin zu 2) wäre auf die Ablieferung der letzten „Bundles“ am 21.6.2021 abzustellen (Beck-OGK/Münchau, § 607 Rn. 11), so dass die Verjährung mit der am 20.6.2022 erhobenen Klage rechtzeitig gehemmt worden wäre.
33c) Ob sich eine Haftung der Beklagten auch, wie das Landgericht meint, aus ihrer E-Mail vom 1.6.2021 ergibt, kann dahinstehen.
34Diese Mitteilung ist allerdings mit dem Landgericht dahin zu verstehen, dass sie auch für die Lager- und Bewegungskosten einstehen wolle, die – nach den maßgeblichen Tarifen der Klägerin zu 2) - bis zur (erneuten) Auslieferung entstanden waren bzw. noch entstehen würden.
35Für diese Auslegung spricht, dass die Erklärung der „Übernahme sämtlicher Kosten“, bezöge sie sich allein auf die erneute Freistellung, schon unverständlich wäre, weil der Akt der Freistellung selbst, nämlich die Erteilung eines entsprechenden Codes, keine nennenswerten Kosten verursacht. Überdies war für die Beklagte erkennbar, dass die Klägerin zu 2) die Freistellung nur durchführen werde, wenn sie wegen der zwischenzeitlich entstandenen Forderungen nicht auf die Geltendmachung ihres Pfandrechts an dem Gut angewiesen sein würde, und dass sie deshalb die Erklärung der Beklagten im Sinne einer Einstandsverpflichtung verstehen werde.
36Doch ist zweifelhaft, ob diese Erklärung das Angebot eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses (§ 781 BGB) nach deutschem Recht darstellt. Dazu wäre erforderlich, dass mit dieser Erklärung ein zwischen den Parteien bestehendes Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Bestimmungen dem Streit oder der Ungewissheit entzogen werden sollte (BGH, Urt. vom 1.12.1994, Az. VII ZR 215/93, NJW 1995, S. 960 unter Ziff. II.2. lit. g)). Zwar mag sich ein solches Schuldverhältnis auch aus Gesetz bzw. auf einer quasivertraglichen Grundlage ergeben, doch ist nicht erkennbar, dass die Äußerung der Beklagten vom 1.6.2021 im Hinblick auf einen Streit oder eine Ungewissheit der Parteien – über die von der Beklagten zu tragenden Kosten – erfolgte.
37d) Desgleichen kann offenbleiben, ob sich – neben oder anstelle der gesetzlichen Haftung der Beklagten auf die Aufwendungsersatz- und Vergütungsansprüche der Klägerin zu 2) – auch eine Beauftragung der Klägerin zu 2) mit der (erneuten) Einlagerung der Güter durch die Beklagte und mithin ein Lagervertrag nach deutschem Recht (§§ 467ff. HGB) annehmen lässt.
38Zwar ist das Verlangen der Beklagten nach erneuter Einlagerung der „Bundles“ am 27.5.2021 möglicherweise als Angebot auf Abschluss eines Lagervertrags zu den diesbezüglichen Tarifen der Klägerin zu 2) zu verstehen. Doch ist nicht feststellbar, dass die (erneute) Einlagerung durch die Klägerin zu 2) als Annahme eines solchen Angebots aufzufassen ist. Denn wegen der ohnehin – jedenfalls nach dem maßgeblichen deutschen Recht (s.o.) – bestehenden Haftung der Beklagten als weisungsgebender Empfängerin aus § 491 Abs. 2 S. 3 HGB kann ein Wille der Klägerin zu 2) zum Abschluss eines gesonderten Lagervertrags nicht unterstellt werden.
39Etwaige Forderungen der Klägerin zu 2) aus einem (Lager-)Vertrag nach deutschem Recht wären indes ebenfalls nicht verjährt. Im Rahmen des § 439 Abs. 2 S. 1 HGB (anwendbar über § 475a S. 1 HGB) wird auf den Zeitpunkt abgestellt, in dem die gesamte Sendung ausgeliefert worden ist, anders nur, wenn der Frachtführer/Lagerhalter zu erkennen gibt, mit der Teilablieferung den Frachtvertrag als erfüllt anzusehen (Ebenroth/Boujong/Schaffert, HGB, 5. Aufl., § 439 Rn. 9; Koller, Transportrecht, 9. Aufl., § 439 Rn. 15). Ein solcher Sachverhalt liegt hier unstreitig nicht vor. Andere Teilauslieferungen setzen den Verjährungsablauf daher nicht in Gang.
40e) Schließlich bedarf es keiner Entscheidung, ob sich unter der Geltung deutschen Rechts ein Anspruch der Klägerin zu 2) aus § 354 Abs. 1 HGB herleiten lässt. Es liegt nahe, dass die Klägerin zu 2) zur Lagerung bzw. zum Handling von Gut nur im Rahmen von Seefrachtverträgen bereit gewesen ist und dass sie sich auf die Inanspruchnahme der gesetzlichen Haftung der Beklagten nach den § 491 HGB beschränken wollte. In diesem Fall ist nicht feststellbar, dass sie dem Beklagten „in Ausübung ihres Handelsgewerbes“ (Lager-)Geschäfte besorgte bzw. Dienste (in diesem Zusammenhang) leistete.
412. Nebenforderungen
42Das Landgericht hat Verzugszinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.3.2022 aus §§ 286 Abs. 3, 288 Abs. 2 BGB zugesprochen.
43Die Beklagte greift die Nebenforderung bezüglich ihrer Höhe nicht an.
44II. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 – 4 ZPO für eine Entscheidung durch Beschluss liegen vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung; auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung verlangen eine mündliche Verhandlung nicht; eine solche ist auch nicht aus sonstigen Gründen geboten.
45Auf diesen Hinweis ist die Berufung zurückgenommen worden.