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Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 05.08.2024 wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 18.07.2024 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, welches angewiesen wird, den auf ergänzende Begutachtung gerichteten Antrag aus dem Schriftsatz vom 16.07.2024 nicht mit der Begründung zurückzuweisen, die zur Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigen A. gesetzte Frist sei abgelaufen.
Gründe:
2I.
3Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 29.10.2002 – 21 W 25/02, juris Rn. 5 m.w.N.) und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg.
4Gem. § 572 Abs. 3 ZPO ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
51.
6Das Landgericht durfte die Ergänzung des Beweisbeschlusses um die im Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 16.07.2024 formulierten Fragen schon deshalb nicht mit der Begründung verweigern, die zur Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigen A. gesetzte Frist sei abgelaufen, weil es an einer für die Zurückweisung des Antrages der Antragsgegnerin gem. § 296 Abs. 1 ZPO erforderlichen wirksamen Fristsetzung zur Antragstellung nach §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO fehlt.
7a)
8Präklusionsvorschriften haben strengen Ausnahmecharakter, weil sie das Grundrecht auf rechtliches Gehör einschränken und sich zwangsläufig nachteilig auf das Bemühen um eine materiell richtige Entscheidung auswirken. Sie ziehen damit einschneidende Folgen für die säumige Partei nach sich. Ihre Anwendung steht unter dem besonderen Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Deshalb muss das Gericht den Inhalt seiner Verfügung, mit der es eine Frist im Sinne des § 296 Abs. 1 ZPO setzt, klar und eindeutig abfassen, so dass bei der betroffenen Partei von Anfang an vernünftigerweise keine Fehlvorstellungen über die gravierenden Folgen der mit der Nichtbeachtung der Frist verbundenen Rechtsfolgen aufkommen können (BGH, Urteil vom 22.05.2001 – VI ZR 268/00, juris Rn. 15 f. m.w.N.).
9b)
10Diesen Voraussetzungen genügte die Verfügung vom 01.05.2024 nicht.
11Mit ihr hat der Kammervorsitzende lediglich angeordnet, dass den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zum gleichzeitig übersandten Gutachten des Sachverständigen A. vom 26.04.2024 Stellung gegeben wird. Offensichtlich handelte es sich dabei nur um eine Verfügung, mit der nach Eingang des schriftlichen Gutachtens der Dialog zwischen den Parteien über dessen Inhalt eröffnet, zugleich aber auch zeitlich begrenzt werden sollte. Eine darüber hinausgehende Bedeutung ist dieser Verfügung nicht zu entnehmen (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2001 – VI ZR 268/00, juris Rn. 16).
12Eine Präklusionswirkung kann der Ablauf einer richterlichen Frist zum Vorbringen von Einwendungen gegen das Gutachten und der die Begutachtung betreffenden Anträge nach §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO aber nur dann auslösen, wenn bei den Parteien keine Fehlvorstellungen über diese Wirkung aufkommen können (BGH, Beschluss vom 25.10.2005 – V ZR 241/04, juris Rn. 8 m.w.N.).
13Daran fehlte es hier. In der Verfügung vom 01.05.2024 hat das Landgericht – wie ausgeführt – den Parteien zugleich mit der Übersendung des Gutachtens des Sachverständigen A. vom 26.04.2024 lediglich Gelegenheit gegeben, hierzu binnen vier Wochen Stellung zu nehmen. Einen Hinweis auf den Ausschluss eines erst nach Ablauf der Frist eingehenden Vorbringens hat es damit nicht verbunden (vgl. BGH, Beschluss vom 25.10.2005 – V ZR 241/04, juris Rn. 8 m.w.N.).
142.
15Ungeachtet dessen besteht die Möglichkeit, ein selbständiges Beweisverfahren fortzuführen oder wieder aufzunehmen, nahezu immer und insbesondere auch dann, wenn ein hierauf gerichteter Antrag erst lange nach Ablauf einer angemessenen Frist gestellt wird (BGH, Urteil vom 28.10.2010 – VII ZR 172/09, juris Rn. 20).
16Zweck des selbständigen Beweisverfahrens ist es insbesondere, durch eine umfassende Klärung der zwischen den Parteien streitigen tatsächlichen Fragen eine zügige Beilegung des Streits ohne Durchführung eines streitigen Verfahrens zu ermöglichen (OLG Hamm, Beschluss vom 04.11.2008 – 19 W 28/08, juris Rn. 4). Dieser Zweck wird nicht erreicht, wenn die Parteien darauf verwiesen werden, es bleibe ihnen unbenommen, ein neues, eigenes selbständiges Beweisverfahren durchzuführen oder im Hauptsacheverfahren auf eine ergänzende Beweiserhebung hinzuwirken.
17II.
18Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 29.10.2002 – 21 W 25/02, juris Rn. 15 m.w.N.).