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Oberlandesgericht Hamm, 12 U 95/22

Datum:
05.07.2024
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 U 95/22
ECLI:
ECLI:DE:OLGHAM:2024:0705.12U95.22.00
 
Vorinstanz:
Landgericht Arnsberg, 4 O 456/19
Schlagworte:
Werklohn, Nullpositionen, AGB, unangemessene Benachteiligung, Vertragsstrafe, Nettoauftragssumme, Nettoangebotssumme, Nettoschlussrechnungssumme, Skontovereinbarung, Abschlagszahlungen, Skontierfähigkeit, Sicherheitseinbehalt, Teilzahlungen, Schlusszahlung, Feststellungsinteresse, Aufrechnung der Klägerseite, Gegenforderung, Rechtskraft
Normen:
BGB §§ 305c Abs. 2, 307 Abs. 1 Satz 1, 648 Satz 2; VOB/B §§ 2 Abs. 3 Nr. 3, 8 Abs. 1 Nr. 2; ZPO § 256 Abs. 1
Leitsätze:

1. Ordnet der Auftraggeber nachträglich den Wegfall einzelner Leistungen eines Einheitspreisvertrages an und kommen diese Leistungen dann letztlich einvernehmlich nicht zur Ausführung, liegt kein der Äquivalenzstörung durch Mengenminderung im Sinne des § 2 VOB/B entsprechender Sachverhalt vor. Für die Abrechnung der nicht unter § 2 VOB/B fallenden Nullpositionen kommt dann nur eine Abrechnung nach § 8 VOB/B bzw. § 648 BGB (analog) in Betracht (Anschluss an OLG München, Beschluss vom 02.04.2019 – 28 U 413/19, juris), sofern sich die Parteien nicht anderweitig geeinigt haben.2. Eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach welcher die Vertragsstrafe für die Überschreitung der Frist für die Vollendung auf insgesamt 5 % der vor der Ausführung des Auftrags vereinbarten Nettoauftragssumme begrenzt ist, beeinträchtigt bei einem Einheitspreisvertrag den Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (Anschluss an BGH, Urteil vom 15. Februar 2024 – VII ZR 42/22, juris).3. Dies gilt auch dann, wenn unklar bleibt, ob mit der Klausel auf die Nettoangebotssumme oder die korrekte Nettoschlussrechnungssumme Bezug genommen wird. Diese Unklarheit geht gemäß § 305c Abs. 2 BGB bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders.4. Eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, die als Sicherungsvereinbarung einen Einbehalt von 5 % der Auftragssumme vorsieht, ohne den Zeitraum für den Einbehalt zu regeln, benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen, weil sie es dem Auftraggeber ermöglicht, die Bürgschaft nach seinem Belieben zu befristen (Anschluss an BGH, Urteil vom 10.04.2003 – VII ZR 314/01, juris; OLG Köln, Urteil vom 05.04.2012 – I-7 U 195/11, juris).5. Ob Skonto nur für die Schlusszahlung oder auch für Abschlagszahlungen vereinbart ist, muss durch Auslegung des Vertrages ermittelt werden. Die Auslegung einer Skontovereinbarung kann ergeben, dass Skonto auch dann auf eine innerhalb der Skontofrist geleistete Abschlagszahlung zu gewähren ist, wenn zwar nicht die gesamte Summe der berechtigten Abschlagsrechnung bezahlt wird, jedoch ein nicht unerheblicher Teil der berechtigten mit einer Abschlagsrechnung begehrten Forderung.6. Der Auftraggeber einer Werkleistung ist bei Leistung von Abschlags- oder Vorauszahlungen auf den Werklohn innerhalb einer eingeräumten Skontierungsfrist nach dem Sinn und Zweck der Skontoabrede auch dann zum Skontoabzug hinsichtlich des geleisteten Betrages berechtigt, wenn er die Schlussrechnung selbst nicht vollständig oder verspätet bezahlt (Fortführung OLG Hamm, Urteil vom 12.01.1994 – 12 U 66/93, beck-online; Anschluss an OLG Köln, Urteil vom 30.01.1990 – 22 U 181/89, beck-online).7. Rechnet der Kläger mit (einem Teil) der ihm zuerkannten Klageforderung gegen eine anderweitige Gegenforderung des Beklagten auf, so erstreckt sich die Rechtskraftwirkung des Urteils, das die Klage mit Rücksicht auf die Aufrechnung (teilweise) abweist, nicht in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 ZPO auf die Gegenforderung (Anschluss an BGH, Urteil vom 04.12.1991 – VIII ZR 32/91, juris).

 
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.06.2022 verkündete Urteil der

4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg (Az. 4 O 456/19) unter Zurückweisung des weitergehenden Berufungsbegehrens teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.791,07 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2019 sowie vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.642,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die  Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

 

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