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Bei einem Arbeitsunfall infolge der Fehlbedienung eines an einem Traktor befestigten Gitterkorbs können die Voraussetzungen einer deliktischen Haftung des Traktorfahrers gegeben sein, ohne dass zugleich eine Haftungsbeschränkung gem. § 105 Abs. 1 SGB VII (Tätigkeit für den Betrieb des verunfallten Beschäftigten) oder gem. § 106 Abs. 3 SGB VII (Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte) eingreift.
Auf die Berufung des Klägers wird das am 02.06.2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster aufgehoben.
Die Klage wird hinsichtlich der Klageanträge zu 1, 2 und 5 dem Grunde nach unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote des Klägers von 20 % für gerechtfertigt erklärt.
Die Klage wird hinsichtlich des Klageantrages zu 3 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 00.05.2020 unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote des Klägers von 20 % zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist oder übergehen wird.
Hinsichtlich des weitergehenden Feststellungsantrages zu 4 wird die Klage abgewiesen.
Der Rechtsstreit wird zur Entscheidung über die Höhe der mit den Klageanträgen zu 1, 2, 3 und 5 geltend gemachten Ansprüche sowie über die Kosten des Rechtsstreits, auch des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Münster zurückverwiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2Der Kläger nimmt wegen eines Unfallgeschehens vom 00.05.2020 die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz sowie Feststellung ihrer Ersatzpflicht für unfallbedingte Zukunftsschäden in Anspruch.
3An dem genannten Unfalltag führte der Kläger als bei der Fa. H. GbR angestellter Maler und Lackierer am Giebel eines Stallgebäudes des Beklagten 2.), der im Nebengewerbe selbständiger Landwirt ist, Malerarbeiten durch. Dabei stand er in einem am Traktor des Beklagten zu 2.) angebrachten Gitterkorb, der vom Beklagten zu 2.) über die Hydraulik des Traktors, welcher beim Beklagten zu 1.) haftpflichtversichert ist, jeweils so neu positioniert wurde, dass vom Kläger ein anderer Teilbereich des Gebäudegiebels gestrichen werden konnte. Im Zuge der Arbeiten stürzte der Kläger aus einer Höhe von mehreren Metern aus dem Personenkorb auf den Boden, wobei er sich erhebliche Verletzungen zuzog, wegen deren er mehrfach operiert werden musste und heute seinen erlernten Beruf als Maler und Lackierer nicht mehr ausüben kann. Der Unfall wurde von der Berufsgenossenschaft des Klägers, der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, als Arbeitsunfall anerkannt.
4Wegen des vorgenannten Unfallgeschehens wurde von der Staatsanwaltschaft Münster gegen den Beklagten 2.) ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren (Az.: 72 Js 12324/20) eingeleitet, das später nach Anklageerhebung vom Amtsgericht Ibbenbüren mit Beschluss vom 12.09.2022 gegen Zahlung einer Geldauflage von 1.200,- € nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt wurde.
5Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger die beiden Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von zumindest 47.500,- € (= Klageantrag zu 1) , auf Zahlung einer allgemeinen Unkostenpauschale in Höhe von 30,- € und Ersatz eines ihm in der Zeit vom 27.06.2020 bis 31.08.2022 entstandenen Verdienstausfallschadens in Höhe von 2.933,08 € (= Klageantrag zu 2), auf Ersatz eines ihm in der Zeit vom 00.05.2020 bis 28.02.2021 entstandenen Haushaltsführungsschadens in Höhe von 7.026,- € (= Klageantrag zu 5) sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtverfolgungskosten in Höhe 2.994,04 € (= Klageantrag zu 3) in Anspruch. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche ihm zukünftig noch aus dem Unfallgeschehen vom 00.05.2020 entstehenden materiellen und immateriellen Schäden, soweit diese nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden (= Klageantrag zu 4).
6In erster Instanz haben die Parteien insbesondere darüber gestritten, ob sich das streitgegenständliche Unfallgeschehen im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG „beim Betrieb“ des Traktors ereignet hat und ob der Sturz des Klägers aus dem Gitterkorb durch einen Bedienungsfehler des Beklagten zu 2.) verursacht wurde. Weiter stand zwischen den Parteien im Streit, ob sich die Beklagten auf das Haftungsprivileg der §§ 104, 105 Abs. 1 SGB VII berufen können und dabei insbesondere, ob der Beklagte zu 2.) den Mitinhaber der Fa. H., den Zeugen Q., am Vortag des Unfallgeschehens über den beabsichtigten Einsatz des Traktors und Gitterkorbs für die Malerarbeiten informiert hat und dieser dem zumindest nicht widersprochen hat. Darüber hinaus haben die Parteien auch über den Umfang der vom Kläger erlittenen Verletzungsfolgen, die Schmerzensgeldhöhe sowie die Höhe des vom Kläger geltend gemachten Verdienstausfall- und Haushaltsführungsschadens gestritten.
7Das Landgericht hat die Ermittlungsakten 72 Js 12324/20 StA Münster beigezogen, und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Mit Urteil vom 02.06.2023 hat es die Klage insgesamt abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustünden, weil ihnen bereits die Haftungsprivilegierung der §§ 104, 105 Abs. 1 SGB VII entgegenstehe. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2.) habe bei der Ausführung der Malerarbeiten eine sog. Gefahrengemeinschaft bestanden. Es habe zwischen ihnen ein betriebliches Zusammenwirken gegeben, bei dem sich ihre Tätigkeiten aufeinander bezogen hätten und miteinander verknüpft und auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet gewesen seien. Die Bedienung des Traktors habe eine betriebliche Tätigkeit des Beklagten zu 2.) für die Fa. H. GbR dargestellt, weil sie die Arbeitsabläufe des Klägers unterstützt habe und damit – jedenfalls auch – im Interesse der Arbeitgeberin des Klägers gelegen habe. Ob dem Beklagten zu 2.) seine unterstützende Tätigkeit von der Fa. H. GbR aufgegeben oder zumindest von dieser abgesegnet gewesen sei, könne dahinstehen, weil es für die Annahme einer betrieblichen Tätigkeit ausreiche, dass ihre Ausführung im objektiven Betriebsinteresse gelegen habe. Seine Tätigkeit sei objektiv mit der Handlung eines weiteren Angestellten des Betriebes des Klägers gleichzusetzen, der den Kläger bei seiner Tätigkeit unterstützt habe. Dass der Beklagte zu 2.) dabei auch bezweckt habe, letztlich weniger für die von ihm in Auftrag gegebenen Malerarbeiten bezahlen zu müssen, lasse die Haftungsprivilegierung nicht entfallen. Denn während die Sozialgerichtsrechtsprechung in diesen Fällen einen eher strengeren Maßstab an die Annahme einer betrieblichen Tätigkeit anlegen würde, würde von der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der die Kammer folge, das Haftungsprivileg des § 105 SGB VII bejaht, wenn der Geschädigte den Schädiger zur Mithilfe bei der Reparatur o.ä. an der eigenen Sache gebeten bzw. aufgefordert habe. Dass der Beklagte zu 2.) vorliegend nicht vom Kläger zur Mithilfe aufgefordert worden sei, sondern diese von sich aus angeboten habe, könne für die Haftungsprivilegierung keinen Unterschied machen. Da es sich bei sämtlichen vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen um Personenschäden im Sinne der §§ 104, 105 SGB VII handele und auch Ansprüche aus Gefährdungshaftung von dem Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 SGB VII erfasst seien, erweise sich die Klage damit insgesamt als unbegründet. Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrundeliegenden Sachverhalts, des beiderseitigen Parteivorbringen einschließlich der Anträge und der Urteilsbegründung wird auf die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Münster Bezug genommen.
8Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Klageanträge in vollem Umfang weiter. Er meint, das Landgericht sei zu Unrecht von einer Haftungsprivilegierung der Beklagten ausgegangen. Zu keinem Zeitpunkt sei mit dem Zeugen Q. über den Einsatz des Traktors für die Malerarbeiten gesprochen worden. Dieser hätte einem solchen Vorgehen auch nicht zugestimmt. Vielmehr sei zwischen der Fa. H. GbR und dem Beklagten zu 2.) abgesprochen gewesen, dass die Fassade des Stallgebäudes für die Malerarbeiten eingerüstet werden soll. Entsprechend habe der Beklagte zu 2.) auch nicht davon ausgehen können, dass die von ihm angebotene Tätigkeit dem objektiven Willen der Fa. H. GbR entspreche. Motivation des Beklagten zu 2.) sei nicht gewesen, mit seiner Mithilfe den Unternehmenszweck der Fa. H. GbR zu fördern, sondern den für die Malerarbeiten notwendigen Zeitaufwand zu reduzieren, um so weniger Werklohn zahlen zu müssen. Die vom Landgericht angeführte Rechtsprechung sei auf den Streitfall nicht anwendbar, weil die vom Beklagten zu 2.) ausgeführten Verrichtungen, nämlich ein Anstreichen des Stallgiebels unter Einsatz eines Traktors und Gitterkorbes von seiner Arbeitgeberin gar nicht geschuldet gewesen sei. Zudem habe unstreitig auch nicht etwa er, der Kläger, den Beklagten zu 2.) um Mithilfe gebeten, sondern umgekehrt der Beklagte zu 2.) ihm seine Hilfe angeboten. Soweit das Landgericht dies für unerheblich gehalten, überzeuge dies nicht. Entsprechend habe das Landgericht es auch verfahrensfehlerhaft unterlassen, über die zwischen den Parteien streitigen Tatsachen Beweis zu erheben. Dass seine zuständige Berufungsgenossenschaft den Beklagten zu 2.) – wie unstreitig ist – nicht an dem sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren beteiligt habe, mache kein Aussetzen des Berufungsverfahrens nach § 108 Abs. 2 SGB VII erforderlich. Denn im vorliegenden Streitfall sei keine Konstellation gegeben, in der Zivilgerichte und Unfallversicherungsträger bzw. Sozialgerichte zu unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Versicherungsfalls gelangen könnten mit dem denkbaren Ergebnis, dass der Geschädigte letztlich weder Schadensersatz noch eine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhalte. Denn für ihn, den Kläger, sei unstreitig das Unfallgeschehen von seiner Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt worden.
9Der Kläger beantragt,
10I.
11das am 02.06.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Münster (Az. 010 O 103/22) abzuändern und
12die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe 47.500,- € jedoch nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.963,08 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.994,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche materiellen und immateriellen künftigen Schäden zu ersetzen, die aus dem Verkehrsunfall vom 00.05.2020 resultieren, soweit sie nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 7.026,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
II.
19hilfsweise: der Klage dem Grunde nach stattzugeben und den Rechtsstreit wegen der Höhe gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
20Die Beklagten beantragen,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts mit näheren Ausführungen als richtig. Insbesondere sind sie weiterhin der Auffassung, dass eine Gefährdungshaftung aus § 7 Abs. 1 StVG schon deshalb ausscheide, weil der Traktor und seine Hebevorrichtung zum Zeitpunkt des Sturzes des Klägers nicht in Betrieb gewesen seien. Eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB komme mangels Verschulden des Beklagten zu 2.) nicht in Betracht. Es sei von der Fa. H. GbR auch nicht vorgesehen gewesen, am Nachmittag des Unfalltages ein Gerüst an der Giebelwand des Stallgebäudes aufzustellen. Vielmehr habe der Zeuge Q. am Vortag des Unfallgeschehens die vom Beklagten zu 2.) und seinem Sohn mit Hilfe des Traktors und Gitterkorbes am Giebel des Stallgebäudes ausgeführten Reinigungsarbeiten gesehen und dem ihm dabei vom Beklagten zu 2.) vorgeschlagenen Einsatz des Traktors und Gitterkorbes auch für die Malerarbeiten nicht widersprochen.
23Der Senat hat am 11.10.2024 den Kläger und den Beklagten zu 2.) persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Q. und V. mit dem aus dem Berichterstattervermerk vom 11.10.2024 (Blatt 146 bis 152 OLG-Akten) ersichtlichen Ergebnis, auf das Bezug genommen wird. Außerdem hat der Senat die Akten 72 Js 12324/20 StA Münster/66 Ds 299/21 Amtsgericht Ibbenbüren beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
24II.
25Die zulässige Berufung des Klägers hat dem Grunde nach überwiegend Erfolg.
26Die Klage ist hinsichtlich der Klageanträge 1, 2, 3 und 5 dem Grunde nach gerechtfertigt, hinsichtlich der Klageanträge zu 1, 2 und 5 aber nur unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote des Klägers von 20 %. Der Feststellungsantrag zu 4 ist insoweit teilweise begründet, als die Beklagten zu 1.) und 2.) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 00.05.2020 unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote des Klägers von 20 % zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist oder übergehen wird. Wegen des streitigen Vortrags der Parteien zur Schadenshöhe hat der Senat von der Möglichkeit des Erlasses eines Grundurteils nach § 304 ZPO und der Zurückverweisung der Sache wegen der Höhe der mit den Klageanträgen zu 1, 2, 3 und 5 verfolgten Ansprüche an das Landgericht nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO Gebrauch gemacht.
27A.Die Klage ist hinsichtlich der mit den Klageanträgen zu 1, 2, 3 und 5 verfolgten Zahlungsansprüche dem Grunde nach gerechtfertigt, hinsichtlich der Klageanträge zu 1, 2 und 5 aber nur unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote des Klägers von 20 %.
281.Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich eine Haftung der Beklagten zu 1.) und 2.) für das Unfallgeschehen allerdings nicht aus § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 VVG. Denn das streitgegenständliche Unfallgeschehen hat sich nicht im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG „bei dem Betrieb“ des für die Malerarbeiten eingesetzten Traktors des Beklagten zu 2.) ereignet.
29Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ weit auszulegen. Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll. Die Schadensfolge muss mithin in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit grundsätzlich maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (BGH, Urteil vom 18. Juli 2023, VI ZR 16/23 – Rz. 12 juris). Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen wie dem hier zum Einsatz gelangten Traktor ist es erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine besteht. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher dann, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird oder bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat. Eine Verbindung mit dem "Betrieb" als Kraftfahrzeug kann danach zu bejahen sein, wenn eine fahrbare Arbeitsmaschine gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet. Allerdings kann dieser Gesichtspunkt nicht losgelöst von dem konkreten Einsatzbereich des Fahrzeugs gesehen werden. Ausschlaggebend ist insoweit nicht das Stehen oder Fahren während der Arbeitsfunktion. Wann haftungsrechtlich nur noch die Funktion als Arbeitsmaschine infrage steht, lässt sich vielmehr nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden. Ergibt diese Gesamtbetrachtung, dass der Unfall in keinem haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeugs als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine steht, sondern dass vielmehr die Funktion des Kraftfahrzeugs als Arbeitsmaschine im Vordergrund steht, wird der Schadensablauf nicht durch den Betrieb des Kraftfahrzeuges geprägt (BGH, a.a.O. – Rn. 13 juris).
30Ausgehend von diesen Grundsätzen hat sich das streitgegenständliche Unfallgeschehen vorliegend nicht im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG „bei dem Betrieb“ des Traktors ereignet. Denn für die Durchführung der Malerarbeiten ist die Transport- und Beförderungsfunktion des Traktors anders als dessen Arbeitsfunktion kaum noch von Bedeutung gewesen. Zu den Arbeitsfunktionen des Traktors gehörte es auch, Gegenstände mit dem hydraulisch betriebenen Frontlader in die Höhe zu heben zu können. Gerade diese Arbeitsfunktion wurde für die Durchführung der Malerarbeiten genutzt. Zwar wurde der Traktor dabei vom Beklagten zu 2), wie dieser bei seiner persönlichen Anhörung durch den Senat geschildert hat, zwischendurch auch immer wieder vor der zu streichenden Giebelwand ein Stück weit nach links versetzt. Dabei hat es sich aber insgesamt nur um wenige Meter gehandelt. Zudem haben sich in dem vom Kläger erlittenen Unfall auch nicht die mit der Transport- und Beförderungsfunktion des Traktors verbundenen Gefahren ausgewirkt, sondern gerade die mit den Arbeitsfunktionen des Traktors verbundenen Gefahren. Denn nach den Angaben des Beklagten zu 2.) im Senatstermin hat sich der Sturz des Klägers aus dem Gitterkorb nicht etwa während des Umsetzens des Traktors vor der Giebelwand ereignet, sondern erst als der Beklagte zu 2.) nach dem letzten Umsetzen des Traktors den Gitterkorb etwas in der Höhe abgesenkt hat.
312.Die Klage ist aber dem Grunde unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote des Klägers von 20 % gegenüber dem Beklagten zu 2.) aus §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB und gegenüber dem Beklagten zu 1.) aus §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB i.V.m. § 115 VVG und § 1 PflVG gerechtfertigt.
32a)Der Beklagte zu 2.) haftet für die vom Kläger erlittenen Unfallfolgen gemäß § 823 Abs. 1 BGB sowie gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB.
33aa)Aufgrund der vom Beklagten zu 2.) im Senatstermin gemachten Angaben zum Unfallgeschehen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Sturz des Klägers und die dabei von ihm erlittenen Körperverletzungen und Gesundheitsschäden durch eine Handlung des Beklagten zu 2.), nämlich eine versehentliche Fehlbedienung des Frontladers des Traktors, verursacht worden sind.
34Der Beklagte zu 2.) hat im Senatstermin am 10.11.2024 geschildert, dass zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens nur noch etwa 2 m des Giebels des Stallgebäudes zu streichen gewesen seien und er dafür den Traktor gerade noch einmal zurückgesetzt und anschließend wieder etwas weiter nach links an den Giebel herangefahren habe. Als er dann den Gitterkorb etwas in der Höhe abgesenkt habe, habe sich dieser auch etwas nach vorne abgesenkt. Der Unfall habe sich ereignet, als er gerade dabei gewesen sei, den Korb abzusenken. Auf weitere Nachfrage des Senats hat der Beklagte zu 2.) erläutert, dass die Steuerung des Frontladers dergestalt über einen Joystick erfolgt, dass der daran angebrachte Gitterkorb nach oben angehoben bzw. nach unten abgesenkt wird, wenn der Joystick nach vorne bzw. nach hinten geführt wird. Bewegt man den Hebel hingegen nach links bzw. nach rechts, wird der Korb nach vorne bzw. nach hinten gekippt. Bei dem Absenken des Korbes habe er den Hebel wohl auch etwas nach links bewegt, so dass der Korb sich auch nach vorne abgesenkt habe.
35Angesichts der vorstehenden eigenen Angaben des Beklagten zu 2.) vermag der Senat aber keine vernünftigen Zweifel mehr daran zu haben, dass der Unfall gerade durch eine Fehlbedienung des Joysticks vom Beklagten zu 2.) verursacht wurde, zumal eine andere Ursache, warum es zu dem vom Beklagten zu 2.) geschilderten zeitgleichen Absenken und Abkippen des Gitterkorbes gekommen sein könnte, nicht ersichtlich ist.
36Der Beklagte zu 2.) handelte insoweit auch zumindest fahrlässig. Denn bei Einhaltung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt hätte Beklagte zu 2.) vorliegend erkennen können und müssen, dass eine unachtsame Bedienung des Joysticks durch ihn dazu führen kann, dass der Gitterkorb auch nach vorne abkippt und dadurch der in ihm stehende Kläger aus dem Gitterkorb stürzen kann, zumal nach den Angaben des Beklagten zu 2.) im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der eigentliche Gitterkorb nur eine Höhe ca. 80 cm hatte und der zu öffnende Teil des von ihm selbst an dem Gitterkorb angebrachten erhöhten Handlauf ohne weitere Sicherung lediglich in einem U-Profil lag und sich leicht öffnen ließ (Blatt 19 und 78 der Akten 72 Js 12324/20 StA Münster/66 Ds 299/21 AG Ibbenbüren). Die letztgenannte Gefahr hat sich auch in dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen realisiert. Denn nach seinen Angaben im Senatstermin hat der Beklagte zu 2.) nach dem Unfall gesehen, dass der Handlauf nach vorne weggegangen war.
37bb)Aus den gleichen Erwägungen ist auch eine Haftung des Beklagten zu 2.) aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB (fahrlässige Körperverletzung) gegeben.
38cc)
39Darüber hinaus ist aber auch eine Haftung des Beklagten zu 2.) gemäß § 823 Abs. 1 BGB aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflichtverletzung gegeben.
40Zwar ist es primär Aufgabe des Unternehmers, für die Sicherheit der Baustelle und die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften zu sorgen (BGH, Urteil vom 18.11.2014, VI ZR 47/13 – Rz. 11 juris). Vorliegend trifft den Beklagten zu 2.) aber der Vorwurf einer schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung nach den hierfür geltenden allgemeinen Grundsätzen, weil er mit der Zurverfügungstellung des in seinem Eigentum stehenden und nicht hinreichend gegen das Herausstürzen von Personen gesicherten Gitterkorbes für den Kläger eine konkrete Gefahrenlage geschaffen hat, die sich auch in dessen späteren Sturz aus dem Gitterkorb realisiert hat. Dieses hätte der Beklagte zu 2.) bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt auch erkennen können und müssen, weil ihm – wie bereits ausgeführt – nach seinen eigenen Angaben bekannt war, dass der eigentliche Gitterkorb nur ca. 80 cm hoch war und der zu öffnende Teil des von ihm selbst daran angebrachten erhöhten Handlaufs ohne weitere Sicherung lediglich in einem U-Profil lag und sich leicht öffnen ließ.
41dd) Der Kläger muss sich hinsichtlich der mit den Klageanträgen zu 1, 2 und 5 verfolgten Zahlungsansprüche ein anspruchsminderndes Mitverschulden an dem Unfallgeschehen in Höhe von 20 % anrechnen lassen. Er hat die Sorgfalt verletzt, die ein vernünftig Handelnder zum Schutze seiner eigenen Gesundheit und des eigenen Lebens anzuwenden hat. Denn der Kläger hat sich mit der Verwendung des Gitterkorbes für die Malerarbeiten einverstanden erklärt, obgleich er sich nach seinen Angaben im Senatstermin zuvor die Konstruktion des Gitterkorbes angesehen und dabei auch erkannt hatte, dass der Handlauf nicht zu arretieren war. Er hatte deswegen auch, wie sich aus seiner zeugenschaftlichen Vernehmung am 14.08.2020 ergibt, zunächst die Verwendung des Gitterkorbes abgelehnt, weil ihm dies zu gefährlich erschien.
42Bei Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile wiegt derjenige des Beklagten zu 2.) schwerer. Denn auch der Beklagte zu 2.) hätte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen, dass der Gitterkorb dem Kläger mangels Arretierbarkeit des Handlaufs für den Fall eines Fahr- oder Bedienungsfehlers keine ausreichende Sicherheit gegen ein Herausstürzen aus diesem bietet. Darüber hinaus hat der Beklagten zu 2.) aber auch dadurch in maßgeblicher Weise zum Zustandekommen des Unfalls des Klägers beigetragen, dass es durch seine sorgfaltswidrige Fehlbedienung der Hydrauliksteuerung des Frontladers zu einem Abkippen des Gitterkorbes nach vorne kam. Unter Berücksichtigung dessen sind nach Auffassung des Senats die beiderseitigen Verursachungsanteile mit 20 % zu Lasten des Klägers und 80 % zu Lasten der Beklagten bewerten.
43ee)Der Klageantrag zu 3 ist uneingeschränkt dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären. Denn bei den mit dem Klageantrag zu 3 geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten findet die Mitverschuldensquote des Klägers von 20 % bereits insoweit Berücksichtigung, als sich die erstattungsfähigen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten allein nach dem (Gegenstands-)Wert berechnen, mit dem sich die vom Kläger vorprozessual geltend gemachten Ansprüche unter Berücksichtigung seiner Mitverschuldensquote von 20 % letztlich als begründet erweisen.
44b)Der Beklagte zu 1.) haftet für die mit den Klageanträgen zu 1, 2, 3 und 5 geltend gemachten Zahlungsansprüche gemäß §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG und § 1 PflVG als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 2.). Denn der Direktanspruch aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG gilt auch für einen Schadensersatzanspruch des Geschädigten aus §§ 823 ff. BGB, wenn die unerlaubte Handlung im Sinne von § 1 PflVG und § 10 Abs. 1 AKB „durch den Gebrauch“ des versicherten Kraftfahrzeuges erfolgte. Der Begriff des „Gebrauchs“ schließt den Betrieb des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 7 StVG ein, geht aber auch darüber hinaus. Bei der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ist das Interesse versichert, das der Versicherte daran hat, "durch den Gebrauch“ des Fahrzeugs nicht mit Haftpflichtansprüchen belastet zu werden, gleich, ob diese auf § 7 StVG, den §§ 823 ff. BGB oder anderen Haftungsnormen beruhen (BGH, Urteil vom 31.01.2012, VI ZR 43/11 – Rz. 6 f. juris, BGH, Urteil vom 26.06.1979, VI ZR 122/78 – Rz. 34 juris). Die Verletzung einer Person ist nur dann „durch den Gebrauch“ eingetreten, wenn der Schadenfall mit dem Haftpflicht-Gefahrenbereich, für den der Haftpflichtversicherer deckungspflichtig ist, in adäquatem ursächlichem Zusammenhang steht (BGH, Urteil vom 23.02.1977, IV ZR 59/76 – Rz. 9 juris). Das Fahrzeug muss also im Zusammenhang mit der schadensstiftenden Handlung aktuell, unmittelbar, zeit- und ortsnah eingesetzt gewesen sein. In Fällen, in denen das Fahrzeug körperlich selbst nicht an der Schadensverursachung beteiligt ist, sondern der Schaden allein von einer versicherten Person verursacht wird, die das Fahrzeug benutzt, ist darüber hinaus zur Abgrenzung des Haftungsrisikos des Kfz-Haftpflichtversicherers auf die typische Tätigkeit und die vom Gesetz vorgeschriebenen Pflichten des Fahrers eines Kraftfahrzeugs abzustellen, weil es grundsätzlich nicht Zweck der Kfz-Haftpflichtversicherung ist, andere Haftungsrisiken abzudecken. In diesen Fällen ist also für eine Zurechnung des Haftungsrisikos erforderlich, dass das Schadensereignis durch eine typische Fahrerhandlung verursacht wurde (BGH, Urteil vom 10.07.1980, IVa ZR 17/80 – Rz. 12 juris; OLG Hamm, Urteil vom 24.11.2008, I-6 U 105/08 – Rz. 16, juris).
45Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das streitgegenständliche Unfallereignis schon deshalb im Sinne von § 1 PflVG und § 10 Abs. 1 AKB „durch den Gebrauch“ des beim Beklagten zu 1.) haftpflichtversicherten Traktors verursacht worden, weil sich der Unfall des Klägers während des Einsatzes des Traktors für die Malerarbeiten ereignet hat und unmittelbar durch diesen verursacht wurde. Dass das Unfallgeschehen auf eine typische Fahrerhandlung des Beklagten zu 2.) beruhte, ist in diesem Fall nicht erforderlich.
463.Die Haftung der Beklagten ist weder nach § 105 Abs. 1 SGB VII, noch nach § 106 Abs. 3 SGB VII ausgeschlossen.
47a)Auch wenn unstreitig beide Beklagte nicht an dem von der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft geführten sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren, in dem das streitgegenständlichen Verfahren zugunsten des Klägers als Arbeitsunfall anerkannt wurde, beteiligt worden sind, kann der Senat vorliegend die Frage des Eingreifens der beiden vorgenannten Haftungsbeschränkungstatbestände selbst zu prüfen. Eine Aussetzung des Berufungsverfahrens nach § 108 Abs. 2 SGB VII ist insoweit nicht erforderlich.
48Zwar hat das Zivilgericht, das über Ersatzansprüche der in §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Art zu entscheiden hat, in der Regel gemäß § 108 Abs. 1 und 2 SGB VII sein Verfahren auszusetzen, bis eine unanfechtbare Entscheidung nach dem SGB VII oder nach dem Sozialgerichtsgesetz darüber ergangen ist, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn zwar bereits eine Entscheidung des Unfallversicherungsträgers oder des Sozialgerichts dazu vorliegt, der nunmehr im Zivilverfahren in Anspruch genommene Schädiger aber entgegen § 12 Abs. 2 S. 2 SGB X daran nicht beteiligt worden ist (Hollo in: JurisPK SGB VII § 108 Rn. 20). Auch hätte vorliegend der Beklagte zu 2.) gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 SGB X als möglicher Schädiger an dem sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren beteiligt werden müssen, weil der Ausgang des Verfahrens seine Rechtstellung berühren konnte. Denn wenn in dem sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren das Vorliegen eines Arbeitsunfalls verneint worden wäre, hätte sich der Beklagte zu 2.) von vornherein nicht gegenüber dem Kläger auf die Haftungsprivilegierungstatbestände des §§ 104, 105 Abs. 1 SGB VII und § 106 Abs. 3 SGB VII berufen können. Gleiches gilt wegen des dem Klägers zustehenden Direktanspruchs aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG auch für den Beklagten zu 1.).
49Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, ist aber eine Aussetzung des vor dem Zivilgericht geführten Verfahrens gemäß § 108 Abs. 2 SGB VII wegen unterlassener Beteiligung des Schädigers am Verwaltungsverfahren ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn die Nachholung seiner Beteiligung auf eine bloße Förmelei hinausliefe. Dieses hat der Bundesgerichtshof gerade für den Fall bejaht, dass der Unfall zugunsten des Geschädigten bereits mit Bescheid seiner Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt wurde, und dies damit begründet, dass der Bescheid der Berufsgenossenschaft für den Schädiger allein günstig sei, weil mit der Anerkennung des Unfalls als Versicherungsfall eine wesentliche Voraussetzung für die Geltendmachung der Haftungsprivilegierung geschaffen worden sei. (BGH, Urteil vom 30.04.2021, VI ZR 155/12 – Rz. 10 f. juris).
50Genauso verhält es sich auch im vorliegenden Streitfall. Durch die von der Berufsgenossenschaft des Klägers vorgenommene Anerkennung des Unfallgeschehens als Arbeitsunfall werden beide Beklagten allein begünstigt. Dass der Arbeitsunfall des Klägers nicht dessen Berufsgenossenschaft, sondern etwa der landwirtschaftlichen Betriebsgenossenschaft des Beklagten zu 2.) zuzuordnen ist, behaupten die Beklagten selbst nicht.
51b)Die Haftung der Beklagten ist nicht gemäß §105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen. Denn der Beklagte zu 2.) hat zum Unfallzeitpunkt keine dem Betrieb der Fa. H. GbR zuzuordnende betriebliche Tätigkeit ausgeübt.
52Nach § 105 Abs. 1 SGB VII sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Das Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 SGB VII kommt damit nur Schädigern zugute, die den Versicherungsfall von Versicherten „desselben“ Betriebs verursachen. Dazu ist eine Betriebsangehörigkeit des Schädigers zu demselben Betrieb, dem der Geschädigte angehört, nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 23.03.2004, VI ZR 160/03 – Rz. 12 juris). Erforderlich, aber auch ausreichend für die Haftungsbeschränkung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, vielmehr, dass der Schädiger den Versicherungsfall durch eine Tätigkeit herbeigeführt hat, die ihm von dem Betrieb oder für den Betrieb, in dem sich der Unfall ereignet hat, übertragen war oder die von ihm in dessen Interesse erbracht wurde. Diente die Tätigkeit des Schädigers sowohl dem Interesse des Unfallbetriebs als auch dem seines eigenen Unternehmens, kann sie dem Unfallbetrieb nur dann zugeordnet werden, wenn sie der Sache nach für diesen und nicht für das eigene Unternehmen geleistet wurde. Dabei kommt es für die unfallversicherungsrechtliche Zuordnung der Tätigkeit darauf an, ob ihr Aufgaben des fremden oder solche des eigenen Unternehmens das Gepräge gegeben haben. Dies ist unter wertender Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen Aufgabenverteilung zu beurteilen. Hatte der Schädiger Aufgaben wahrgenommen, die sowohl in den Aufgabenbereich seines Unternehmens als auch in denjenigen eines fremden Unternehmens fallen, so ist – auch unter Geltung des § 105 Abs. 1 SGB VII – in der Regel davon ausgehen, dass er allein zur Förderung der Interessen seines Unternehmens tätig geworden ist. Erst wenn seine Tätigkeit nicht mehr als Wahrnehmung einer Aufgabe seines Unternehmens bewertet werden kann, kann sie dem fremden Unternehmen zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 30.04.2013, VI ZR 155/12 – Rz. 13 juris; BGH, Urteil vom 23.03.2004, VI ZR 160/03 – Rz. 11 juris).
53Bei Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend vom Beklagten zu 2.) zum Unfallzeitpunkt keine der Fa. H. GbR zuzuordnende betriebliche Tätigkeit ausgeführt worden.
54aa)Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Parteianhörung und Zeugenvernehmung kann nicht festgestellt werden, dass dem Beklagten zu 2.) die von ihm zum Unfallzeitpunkt verrichteten Tätigkeiten von der Fa. H. übertragen worden waren. Eine solche Übertragung käme allenfalls in Betracht, wenn sich der Zeuge Q. als Mitinhaber der Fa. H. entsprechend dem Behaupten der Beklagten zuvor mit den später vom Beklagten zu 2.) zum Unfallzeitpunkt verrichteten Tätigkeiten einverstanden erklärt hätte. Das haben die für die Voraussetzungen des Haftungsprivilegs darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten aber nicht zur Überzeugung des Senats beweisen können.
55Zwar hat die von den Beklagten benannte Zeugin V. in Übereinstimmung mit den vorherigen Angaben des Beklagten zu 2.) im Senatstermin ausgesagt, dass am Vortrag des Unfallgeschehens ihr Ehemann zusammen mit dem gemeinsamen Sohn unter Einsatz des Traktors und Gitterkorbs den Giebel des Stallgebäudes gereinigt hätten. Danach sei der Zeuge Q. gekommen und habe sich mit ihrem Ehemann unterhalten. Das Gespräch habe vor der Giebelseite des Stallgebäudes stattgefunden, vor dem auch der Trecker gestanden habe. Bei diesem Gespräch habe Ihr Ehemann dem Zeugen Q. dann vorgeschlagen, den Korb für die Malerarbeiten zu nutzen, weil das schneller ginge. Der Zeuge Q. habe sich damit einverstanden erklärt und gesagt habe, „das wäre o.k.“. Der Zeuge Q. hat demgegenüber bei seiner Vernehmung durch den Senat ausgesagt, dass es ein solches Gespräch nicht gegeben und er den Giebel im gereinigten Zustand gar nicht gesehen habe. Nach seinem Bekunden will er zwar mit dem Beklagten über dessen Vorschlag gesprochen habe, die für die Malerarbeiten notwendige Reinigung des Giebels zusammen mit seinem Sohn mit Hilfe des Traktors und des Gitterkorbes selbst vorzunehmen. Damit sei er, der Zeuge Q., auch einverstanden gewesen. Ob dies am Vortrag Unfalls gewesen sei, wisse er aber nicht mehr. Über den Einsatz des Traktors und des Korbes für die eigentlichen Malerarbeiten hätten sie aber nicht gesprochen.
56Für den Senat besteht kein Anlass, den Angaben der Zeugin V. mehr Glauben schenken als denen des Zeugen Q., zumal aus Sicht des Senats schon deshalb durchgreifende Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin V. bestehen, als sie sowohl hinsichtlich des Kern- wie auch Randgeschehens deutliche Widerspruch zu den vom Beklagten zu 2.) zuvor im Senatstermin wie auch von ihm im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gemachten Angaben aufweist. So soll nach der Aussage der Zeugin V. sich der Zeuge Q. mit dem Vorschlag ihres Ehemannes, den Korb für die Malerarbeiten zu nutzen, ausdrücklich mit der Aussage: „das wäre o.k.“ einverstanden erklärt haben. Dieses entspricht zwar insoweit auch den Angaben des Beklagten zu 2.), als dieser zuvor im Senatstermin erklärt hatte, dass der Zeuge Q. zu seinem Vorschlag gesagt habe, „dann können wir das ja so machen“. Allerdings stehen die vorgenannten Angaben sowohl der Zeugin V. wie auch des Beklagten zu 2.) im Widerspruch zu den Angaben, die der Beklagte zu 2.) im Strafverfahren in der Hauptverhandlung am 03.12.2021 vor dem Amtsgericht Ibbenbüren gemacht hat. Denn dort hat der Beklagte zu 2.). erklärt, dass der Zeugin Q. zu seinem Vorschlag, auch die Malerarbeiten aus den Korb ausführen, „nichts gesagt“ habe und er, der Beklagten zu 2.) davon ausgegangen sie, dass das (dann) so gehe. Es ist vorliegend aber kein nachvollziehbarer Grund dafür ersichtlich, weshalb die zuletzt genannten Angaben des Beklagten im Strafverfahren in diesem Punkt unzutreffend gewesen sein sollten, zumal sie mehrere Jahre zeitnäher zum Unfallgeschehen erfolgten als die jetzt vom Beklagten zu 2.) und der Zeugin V. im Senatstermin gemachten Angaben. Auf entsprechenden Vorhalt hat auch der Beklagte zu 2.) im Senatstermin seine Angaben später dahin relativiert, dass es „jedenfalls keinen ausdrücklichen Widerspruch“ des Zeugen Q. zu seinem Vorschlag gegeben habe. Auch aber bezüglich des Randgeschehens weist die Aussage der Zeugin V. deutliche Widersprüche zu den Angaben des Beklagten zu 2.) auf. Denn während der Beklagte zu 2.) bei seiner Anhörung durch den Senat erklärt hat, den von ihm selbst umgebauten Gitterkorb zum Unfallzeitpunkt bereits etwa 5 bis 6 Jahre besessen und mehrfach unter anderem zum Ausästen von Bäumen im Einsatz gehabt zu haben, hat die Zeugin V. anfänglich angesagt, dass der Korb ihrer Erinnerung nach von ihrem Ehemann nur für diesen Tag ausgeliehen worden sei. Auf Vorhalt der Angaben des Beklagten zu 2.) hat die Zeugin V. dann zwar deren Richtigkeit bestätigt. Ihre weitere Erklärung, dass ihr dies einfach entfallen sei, vermag allerdings ihre vorherige Aussage, dass nach ihrer Erinnerung der Korb von ihrem Ehemann nur für diesen einen Tag ausgeliehen worden sei, nicht zu erklären.
57Soweit die Beklagten in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 07.11.2024 ergänzend Beweis angeboten haben durch die zeugenschaftliche Benennung des Sohnes des Beklagten zu 2.), war diesem Beweisangebot schon deshalb nicht mehr nachzugehen, weil gemäß § 296a ZPO nach Schluss der mündlichen Verhandlung Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden können. Unabhängig davon wäre dem Beweisantritt aber auch deshalb nicht mehr nachzugehen gewesen, weil nach dem eigenen Vortrag der Beklagten der Sohn lediglich bestätigen können soll, dass der Zeuge Q. am Vortag des Unfallgeschehens auf den Hof erschienen ist und an einem Gespräch teilgenommen hat. Das Gespräch als solches soll der Sohn aber nicht verfolgt haben, weil er auf dem Traktor gesessen habe. Für die Frage des Eingreifens der Haftungsprivilegierung käme es aber gerade auf den Inhalt des Gespräches an, so dass dem Beweisangebot auch mangels Beweiserheblichkeit nicht nachzugehen war.
58bb)Die vom Beklagten zu 2.) zum Unfallzeitpunkt ausgeführten Tätigkeiten können entgegen dem Landgericht aber nicht deshalb der Fa. H. GbR zugeordnet werden, weil sie im Zusammenhang den vom Beklagten zu 2.) bei dieser in Auftrag gegebenen Malerarbeiten standen. Denn die die Malerarbeiten unterstützenden Tätigkeiten wurden vom Beklagten zu 2.) zumindest auch und vorrangig im Interessen seines eigenen landwirtschaftlichen Unternehmens erbracht.
59Nach seinen Angaben im Senatstermin ist der Beklagte zu 2.) im Nebengewerbe selbständiger Landwirt und Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes, zu dem das Stallgebäude gehört, dessen Giebel am Unfalltag vom Kläger gestrichen werden sollte. Zu den dem landwirtschaftlichen Betrieb zuzuordnenden Aufgaben gehören auch Instandhaltungs- und Renovierungsarbeiten an den Wirtschaftsgebäuden (Koch in: beck-online Großkommentar SGV VII, Stand: 15.08.2024, § 124 Rn.14). Zwar hatte der Beklagte zu 2.) vorliegend die Fa. H. mit der Durchführung der Malerarbeiten beauftragt, so dass diese nunmehr zu deren Aufgabenbereich gehörten. Allerdings steht nach dem Ergebnis der Parteianhörung und Zeugenvernehmung zur Überzeugung des Senats fest, dass Beklagte zu 2.) mit dem Einsatz des von ihm geführten Traktors und Gitterkorbes nicht etwa allein der Fa. H. GbR die Ausführung der Malerarbeiten erleichtern wollte. Vielmehr wollte der Beklagte zu 2.) zur Überzeugung des Senats vorrangig mit seiner Mithilfe im Interesse seines eigenen landwirtschaftlichen Unternehmers eine Reduzierung der diesem später von der Fa. H. GbR für die Malerarbeiten berechneten Lohnkosten erreichen. Denn nach den übereinstimmigen Angaben des Beklagten zu 2.) und des Zeugen Q. sollten die in Auftrag gegebenen Malerarbeiten nach Stundenaufwand abgerechnet werden. Nach Schilderung des Klägers hatte der Beklagte zu 2.) ihm vor dem Unfallgeschehen den Einsatz des Korbes mehrfach mit der Begründung angeboten, dass man dann „schneller fertig“ würde. Auch die Zeugin V. hat ausgesagt, dass der Beklagte zu 2.) dem Zeugen Q. die Erledigung der Malerarbeiten aus dem Korb heraus angeboten habe, weil dies „schneller“ ginge. Das danach vom Beklagten zu 2.) verfolgte Ziel, die Arbeiten auf diese Weise schneller durchführen zu können, lag aber nicht im Interesse der Fa. H., sondern war erkennbar von der Motivation des Beklagten zu 2.) getragen, im Interesse des eigenen landwirtschaftlichen Unternehmens den später von der Fa. H. GbR in Rechnung gestellten Arbeitsaufwand zu verringern. Für eine dahingehende Motivation des Beklagten zu 2.) spricht zudem auch die Aussage des Zeugen Q., dass der Beklagte zu 2.) die in Eigenarbeit durchgeführte Reinigung des Giebels damit begründet hatte, dass er dafür gerade Zeit habe und man damit ja auch Geld sparen könne.
60Da der Beklagte zu 2.) hiernach aber bei seiner Mithilfe bei den Malerarbeiten vorrangig im Interesse seines eigenen landwirtschaftlichen Betriebs tätig geworden ist, kommt nach der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegend eine Zuordnung seiner Tätigkeit zum Unfallbetrieb des Klägers nicht in Betracht.
61c)Die Beklagten können sich auch nicht eine Haftungsbeschränkung nach § 106 Abs. 3, 3. Altn. SGB VII berufen.
62Nach der genannten Vorschrift gelten u.a. für den Fall, dass Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte vornehmen, die §§ 104 und 105 SGB VII für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander.
63Im vorliegenden Streitfall spricht zwar aus den bereits dargelegten Gründe vieles dafür, dass an dem Unfalltag vom Kläger für die Fa. H. GbR und vom Beklagten zu 2.) für dessen landwirtschaftliches Unternehmen auf einer gemeinsamen Betriebstätte betriebliche Tätigkeiten vorgenommen wurden. Denn ihre Tätigkeiten griffen bewusst und gewollt ineinander und ergänzten sich gegenseitig (vgl. zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte: Kranig in: Hauck/ Noftz, SGB VII, 6. Ergänzungslieferung 2024, § 106 SGB VII - Rz. 17 m.w.Nw). Auch kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Haftungsprivilegierung des § 106 Abs. 3 SGB VII auch einem versicherten Unternehmer zugute, der selbst vorübergehend auf einer gemeinsamen Betriebsstätte betrieblich tätig wird und dabei Versicherte anderer Unternehmen verletzt (BGH, Urteil vom 03.07.2001, VI ZR 198/00 – Rz. 8). Allerdings gilt das Haftungsprivileg schon seinem Wortlaut nach („Versicherte mehrerer Unternehmen“) nur für versicherte Unternehmer. Das heißt, dass es sich bei der den Schadensfall herbeiführenden Tätigkeit des Unternehmers für diesen um eine in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Tätigkeit gehandelt haben muss.
64Daran fehlt es vorliegend in Bezug auf den Beklagten zu 2.). Zwar gehören nach § 124 Nr. 2 SGB VII zu den in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung versicherten betrieblichen Tätigkeiten auch die Bauarbeiten des Landwirts für den Wirtschaftsbetrieb. Auch gehören zu diesen, wie oben bereits ausgeführt, Instandhaltungs- und Renovierungsarbeiten an den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Gebäuden. Einbezogen in die landwirtschaftliche Unfallversicherung sind in der Regel aber nur die vom Landwirt in Eigenarbeit, wenn auch unter Umständen unter Heranziehung weisungsgebundener Dritter, nicht gewerbsmäßig ausgeführten Arbeiten von verhältnismäßig geringen Umfang, die sich mit den Mitteln des landwirtschaftlichen Betriebes durchführen lassen und sich in dessen Rahmen halten. Denn die Vorschrift des § 124 Nr. 2 SGB VII trägt nach ihrem Sinn und Zweck der bäuerlichen Übung Rechnung, gewisse Bauarbeiten, die andere Bauherren an Bauunternehmen zu vergeben pflegen, eigenhändig und mit eigenen Wirtschaftsgütern auszuführen. Dies rechtfertigt ihre beschränkte Einbeziehung in die landwirtschaftliche Unfallversicherung trotz des ihr fremden Unfallrisikos (Koch in: beck-online, Großkommentar SVG VII, Stand 15.08.2024, § 124 Rn. 12; BSG, Urteil vom 29.06.1962, 2 RU 73/60 = BeckRS 1962, 30807534 zur Vorgängerschrift § 196 Abs. 2 RVO). An andere Unternehmer vergebene Arbeiten sind hingegen nicht in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung einbezogen, wohl aber Arbeiten, die sich der landwirtschaftliche Unternehmer daneben zur Ausführung in eigener Regie vorbehalten hat (sogenannte Vorbehaltsarbeiten), bei denen es sich im Allgemeinen um Vorbereitungs-, Nachbereitungs- oder Hilfsarbeiten handelt (Koch, a.a.O., Rn. 13; BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 22/90 = BeckRS 1991, 31034516).
65Vorliegend waren die Malerarbeiten an dem Giebel des Stallgebäudes von dem Beklagten zu 2.) an die Fa. H. fremdvergeben worden. Nach den eigenen Angaben des Beklagten zu 2.) hatte dieser der Fa. H. zunächst den mündlichen Auftrag für die Malerarbeiten an dem Wohnhaus und später für das Anstreichen des Giebels an dem Stallgebäude erteilt. Dass der Beklagte zu 2.) sich bereits anlässlich dieser mündlichen Auftragserteilung gegenüber der Fa. H. GbR die später am Unfalltag von ihm geleisteten Hilfstätigkeiten vorbehalten hat, wird von den Beklagten selbst nicht behauptet. Vielmehr soll nach ihrem Behaupten der Beklagte zu 2.) erst am Vortrag des Unfallereignisses dem Zeugen Q. den Einsatz des Treckers und Gitterkorbes für die am Giebel des Stallgebäudes vorgeschlagen haben. Die von dem Beklagten zu 2.) am Unfalltag ausgeübten Hilfstätigkeiten könnten deshalb vorliegend allein dann in die landwirtschaftliche Unfallversicherung einbezogene Vorbehaltsarbeiten darstellen, wenn sich der Beklagte zu 2.) entsprechend dem Beklagtenvortrag am Vortag des Unfallereignisses mit dem Zeugen Q. als Mitinhaber der Fa. H. nachträglich auf eine Abänderung des bereits erteilten Auftrags dahin verständigt hätte, dass er diese Hilfstätigkeiten erbringen darf. Dies haben die für die Voraussetzungen des Privilegierungstatbestandes des § 106 Abs. 3 SGB VII darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten jedoch aus den bereits vorstehend unter A. 3. b) aa) im einzelnen dargelegten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nicht zur Überzeugung des Senats beweisen können. Allein der Umstand, dass sich der Kläger am Unfall nach anfänglichen Zögern mit dem Einsatz des Traktors und Gitterkorbes für die Malerarbeiten einverstanden erklärt hat, reicht zum Beweis von Vorbehaltsarbeiten nicht aus, da weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich ist, dass der Kläger zu derartigen vertraglichen Absprachen mit den Kunden seiner Arbeitgeberin berechtigt gewesen ist.
664.Hinsichtlich der Höhe der mit den Klageanträge zu 1, 2, 3 und 5 verfolgten Zahlungsansprüche ist der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif, weshalb der Senat insoweit von der Möglichkeit des § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO Gebrauch gemacht hat, auf den Hilfsantrag des Klägers hin den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Höhe dieser Ansprüche an das Landgericht zurückzuverweisen.
67B.Der Feststellungsantrag zu 4 ist zulässig, insbesondere ist das für ihn nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers gegeben. Denn der Kläger hat bei dem Unfallereignis – auch wenn das Vorliegen von der von ihm behaupteten Dauerfolgen streitig ist – schwerwiegende Körper- und Gesundheitsverletzungen davontragen. In einem solchen Fall reicht die Bejahung des Feststellungsinteresses bereits die bloße Möglichkeit des Eintritts weiterer materieller und immaterieller Schäden aus.
68In der Sache ist der Feststellungsantrag aber nur insoweit begründet, als festzustellen ist, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen materiellen und immateriellen zukünftigen Schäden aus dem Unfallereignis vom 15.11.2020 unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote des Klägers von 20 % zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist oder übergehen wird. Die Beklagten haften aus vorstehend unter Ziffer A. II. genannten Gründen für die vom Kläger infolge des Unfallereignisses vom 00.05.2020 erlittenen materiellen und immateriellen Schäden dem Grunde nach aus § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB und § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG als Gesamtschuldner, wobei sich der Kläger allerdings aus den vorstehend unter Ziffer A. II. 2. a) dd) genannten Gründen ein anspruchsminderndes Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls in Höhe von 20 % anrechnen lassen muss.
69III.
70Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens ist dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten (Zöller/Heßler, ZPO, 35. Auflage 2024, § 538 Rn. 58).
71Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Auch wenn das Urteil selbst keinen vollstreckungsfähigen Inhalt im eigentlichen Sinn hat, ist die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil gemäß §§ 775 Nr. 1 und 776 ZPO das Vollstreckungsorgan die Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil erst einstellen und bereits getroffene Vollstreckungsmaßregeln erst aufheben darf, wenn eine vollstreckbare Ausfertigung vorgelegt wird (OLG Schleswig, Urteil vom 04.01.2018, 7 U 146/15 – Rz. 61 zitiert nach Juris; OLG München, Urteil vom 18. September 2002, 27 U 1011/01 – Rz. 75 zitiert nach Juris; Zöller-Heßler, ZPO, 32. Aufl. § 538 Rn. 59 m. w. N.).
72IV.
73Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat die sich insoweit ergebenden Rechtsfragen auf Grundlage der geltenden höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung beantwortet.