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Die Beschwerde des Antragstellers gegen den am 14.3.2023 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts ‑ Familiengericht ‑ Ibbenbüren wird zurückgewiesen, soweit das Amtsgericht über eine Aufhebung der Ehe entschieden hat.
Soweit das Amtsgericht über eine Scheidung der Ehe entschieden hat, wird der angefochtene Beschluss auf die Beschwerde des Antragstellers aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsteller zu Last.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu € 32.760,00 festgesetzt, wovon jeweils die Hälfte auf Hauptantrag und Hilfsantrag entfällt.
G r ü n d e
2I.
3Die Beteiligten streiten um die Aufhebung, hilfsweise die Scheidung ihrer Ehe.
4Der am 00.00.1960 geborene Antragsteller und die am 00.00.1969 geborene Antragsgegnerin lernten einander am 17.6.2022 kennen, schlossen am 00.8.2022 die Ehe und leben seit September 2022 getrennt.
5Der Antragsteller ist selbständiger Versicherungsvertreter mit einem Brutto-Monatseinkommen i.H.v. rund € 4.250,00. Aus seiner vorangegangenen ersten Ehe stammen zwei volljährige Kinder. Die Antragsgegnerin ist technische Angestellte im Bereich Qualitätsprüfung mit einem etwa gleich hohen Brutto-Monatseinkommen. Ihre beiden vorangegangenen Ehen wurden geschieden, und sie ist kinderlos. Die streitgegenständliche Eheschließung vor dem Standesamt J. (Kreis Z. / F.) wurde vom Antragsteller angemeldet (§ 12 PStG), der auch den Termin zur Eheschließung bereits am 00.8.2022 erreichen konnte. Dass die Antragsgegnerin bislang eine mehrjährige Beziehung mit einem Herrn G. geführt hatte, war dem Antragsteller bekannt, und ebenso dass bereits die Eheschließung mit Herrn G. vor dem Standesamt Q. auf den 23.9.2022 terminiert gewesen war.
6Jedenfalls am 25.7.2022 hatten die Beteiligten Geschlechtsverkehr. Vor wie nach der Eheschließung bemühte sich der Antragsteller, eine geeignete Liegenschaft (Hausgrundstück oder Eigentumswohnung) ausfindig zu machen und zu erwerben, damit die Beteiligten eine gemeinsame Ehewohnung einrichten konnten. Zur Begründung eines gemeinsamen Haushalts kam es jedoch nicht. Am 19.8.2022 zahlte der Antragsteller der Antragsgegnerin für eine Reparatur ihres PKW € 400,00, und am 22.8.2022 beglich der Antragsteller eine Betriebskostenrechnung für die Mietwohnung der Antragsgegnerin i.H.v. € 1.474,98 (vgl. O.-(*)Nachricht vom 22.8.2022, Bl. 98 d.A.; Kontoauszug vom 31.8.2022, Bl. 301 d.A.). In diesem Zusammenhang hat der Antragsteller außerdem behauptet, die Antragsgegner habe ihm eröffnet, dass sie Herrn G. ein Darlehen i.H.v. € 10.000,00 zurückzahlen müsse.
7Am 28.8.2022 ab 20.34 Uhr wechselten die Beteiligten folgende O.(*)-Nachrichten (Bl. 97 d.A.):
8[Antragsteller:] …Dann lass uns beide schnell zusammenziehen, was wir uns beide wünschen. Ich liebe nur Dich, mein Sonnenschein.
9[Antragsgegnerin:] Das möchte ich auch! Ich liebe nur Dich und möchte mit Dir mein Leben verbringen, ohne Wenn und Aber.
10[Antragsteller:] Ich hätte Dich gerne jetzt neben mir. Ich finde es nicht schön, wenn ich wieder allein im Bett liege. Ich möchte Dich schmecken und spüren. Ich liebe Dich über alles meine D.. Du bist mein Sonnenschein. … Ich werde morgen sehr früh ins Büro fahren. Ganz Dicken Kuss. Dein V..
11[Antragsgegnerin:] Das möchte ich auch ändern, und nicht mehr darüber nachdenken, ob man nach Hause fährt oder nicht, dann gibt es nur noch ein Zuhause für uns, und die Diskussionen hören auf. Ich liebe Dich. Ruf‘ einfach an, wenn Du möchtest. … Gute Nacht.
12[Antragsteller:] Schlaf gut, mein Sonnenschein.
13Am 3.9.2022 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin ebenfalls als O.(*)-Nachricht mit:
14[Antragsteller:] Auf Wiedersehen, Montag reiche ich die Scheidung ein.
15Danach kam es zu keinen Gemeinsamkeiten der Beteiligten mehr.
16Durch Antragsschrift vom 7.9.2022, der Antragsgegnerin zugestellt am 7.10.2022, hat der Antragsteller das vorliegende Verfahren anhängig gemacht, mit dem er die Aufhebung, hilfsweise die Scheidung der Ehe wegen unzumutbarer Härte betreibt.
17Der Antragsteller hat insbesondere behauptet, die Antragsgegnerin habe ihn durch arglistige Täuschung zur Eingehung der Ehe bestimmt. Zwar könne er „heute nicht mehr genau erklären, warum, aber er… [habe] sich darauf eingelassen“, die Antragsgegnerin zu heiraten.
18Im Einzelnen hat der Antragsteller behauptet, die Antragsgegnerin habe „direkt mit der Eheschließung“ ihr Verhalten geändert. Sie habe keine körperliche Nähe mehr zugelassen, so dass die Ehe nicht „vollzogen“ worden sei, und sei zu gemeinsamen Treffen und Unternehmungen kaum mehr bereit gewesen. Vermutlich sei der Antragsgegnerin noch Herr G. „im Kopf herumgegangen“; allerdings habe Herr G. glaubhaft bekundet, dass er kein Verhältnis mit der Antragsgegnerin mehr unterhalte. Weiter habe die Antragsgegnerin ihn ‑ den Antragsteller ‑ nun mehrfach als „armen Schlucker“ und u.a. in einer O.(*)-Nachricht vom 26.8.2022 (vgl. Bl. 106 d.A.) auch als „Dreckstück“ bezeichnet. Während eines Spaziergangs am 28.8.2022 habe er der Antragsgegnerin deshalb vorgehalten, „dass das, was man habe, wohl nicht als Beziehung bezeichnet werden könne“. Darauf habe die Antragsgegnerin ihm „heftig auf den Oberarm“ geschlagen. Am 29.8.2022 habe die Antragsgegnerin mit Herrn G. ein Konzert besucht, ihm ‑ dem Antragsteller ‑ aber die Begleitung durch eine Freundin vorgespielt. Die Eintrittskarten für das Konzert habe die Antragsgegnerin noch für Herrn G. und sich gekauft gehabt. Auch eine Feier in ihrer Familie Ende August 2022 habe die Antragsgegnerin zunächst mit Herrn G. besuchen wollen, was ihm ‑ dem Antragsteller ‑ aus dem Familienkreis zugetragen worden sei. (Unbestritten wurde die Antragsgegnerin dann von der Feier ausgeladen.) Als er ‑ der Antragsteller ‑ der Antragsgegnerin während eines Kirmesbesuchs am 2.9.2022 Vorhaltungen wegen der Familienfeier gemacht habe, habe die Antragsgegnerin ihm vor Zuschauern ihre Handtasche gegen den Kopf geschlagen. Im Ergebnis habe die Antragsgegnerin ihn darüber getäuscht, dass sie ihm keine Liebe entgegenbringe und dass es ihr an ehelicher Gesinnung gefehlt habe.
19Weiter hat der Antragsteller im Einzelnen behauptet, die Antragsgegnerin habe nach der Eheschließung erklärt, dass sie einen gemeinsamen Haushalt nur in einer Ehewohnung errichten wolle, die er ihr zuvor übereigne. Er habe sich deshalb „fortan sehr bemüht,… eine geeignete Immobilie zu finden“. Im Ergebnis habe die Antragsgegnerin ihn jedoch auch darüber getäuscht, dass sie keine eheliche Lebens- und Wohngemeinschaft begründen wolle, sondern die Ehe allein aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen habe.
20Hilfsweise ist der Antragsteller der Ansicht gewesen, dass die Fortsetzung der Ehe aus Gründen in der Person der Antragsgegnerin eine unzumutbare Härte für ihn darstellen würde.
21Der Antragsteller hat beantragt,
22die am 00.8.2022 vor dem Standesbeamten des Standesamts J. unter der Eheregisternummer N01 geschlossene Ehe der Beteiligten aufzuheben und hilfsweise zu scheiden.
23Die Antragsgegnerin hat beantragt,
24die Anträge zurückzuweisen.
25Sie hat insbesondere erwidert, sie habe an der Ehe festhalten wollen und mindestens noch bis November 2022 immer wieder Verbindung zum Antragsteller aufzunehmen versucht. Der Antragsteller habe dies verweigert ‑ was unbestritten ist ‑.
26Durch den angefochtenen Beschluss vom 14.3.2023 hat das Amtsgericht sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag des Antragstellers zurückgewiesen.
27Seine Entscheidung über den Hauptantrag hat das Amtsgericht insbesondere auf § 1314 Abs. 2 Ziff. 3 BGB gestützt und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Bereits eine Täuschungshandlung der Antragsgegnerin vor der Eheschließung sei nicht dargelegt, da der Antragsteller nicht behaupte, dass die Beteiligten vorab Fragen etwa ihres zukünftigen Geschlechtsverkehrs erörtert hätten. Zwar habe die Antragsgegnerin eine Täuschung auch durch Unterlassen verüben können, doch setze dies eine besondere Offenbarungspflicht voraus, die hier in keinem der Antragsgegnerin zur Last gelegten Zusammenhang bestanden habe. Weiter könne auch nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller über Tatsachen geirrt habe, die (mit-) ursächlich für die Eheschließung der Beteiligten geworden seien. Der Antragsteller selbst habe auf eine möglichst zügige Eheschließung hingewirkt, indem er sich um einen baldigen Termin beim Standesamt bemüht habe. Die Wesenszüge und Eigenarten der Antragsgegnerin habe der Antragsteller dabei bewusst nicht näher kennenlernen können, und erst recht habe der Antragsteller von Herrn G.s bisheriger Rolle gewusst, da er die Antragsgegnerin Herrn G. „ausgespannt“ habe. Selbst wenn man die Behauptungen des Antragstellers über das spätere Verhalten der Antragsgegnerin als wahr unterstelle, sei deshalb nicht anzunehmen, dass der Antragsteller bei früherer Kenntnis von der Eheschließung abgesehen hätte. Der Antragsteller sei zur Eheschließung nämlich fest entschlossen gewesen, und gewisse Enttäuschungen, Schwächen und Lügen berechtigten auch nicht zur Eheaufhebung.
28Seine Entscheidung über den Hilfsantrag hat das Amtsgericht auf § 1565 Abs. 2 BGB gestützt und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahrs setze voraus, dass bereits der bloße Fortbestand des Ehebands und nicht etwa die Fortsetzung eines Zusammenlebens aus Gründen in der Person des einen Ehegatten eine unzumutbare Härte für den anderen Ehegatten darstelle, was sich überdies auch aus der Sicht eines unvoreingenommenen Dritten ergeben müsse. Voraussetzung für eine unzumutbare Härte sei, dass allein der Fortbestand der Ehe „auf dem Papier“ beim antragstellenden Ehegatten eine seelische Belastung auslöse, die über das Scheitern der Ehe hinausgehe. Sämtlichen Vorwürfen, die der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin erhebe, sei eine solche Belastung nicht zu entnehmen. Dies gelte insbesondere auch von dem behaupteten Verhalten der Antragsgegnerin gegenüber dem Zeugen G..
29Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner zulässigen Beschwerde, zu deren Begründung er im Wesentlichen seine Darlegungen aus dem ersten Rechtszug wiederholt. Zu Beginn ihrer Bekanntschaft habe „die Antragsgegnerin dem Antragsteller hinreichende Signale gesendet, so dass dieser sich ermutigt fühlte, den entsprechenden Kontakt zu der Antragsgegnerin aufzunehmen“. Die Auseinandersetzung vom 2.9.2022 hätten ihm ‑ dem Antragsteller ‑ jedoch die Augen über die Antragsgegnerin geöffnet.
30Der Antragsteller beantragt,
31den am 14.3.2023 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts ‑ Familiengericht ‑ Ibbenbüren abzuändern und nach seinen Anträgen aus dem ersten Rechtszug zu beschließen.
32Die Antragsgegnerin beantragt,
33die Beschwerde zurückzuweisen.
34Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und wiederholt dazu ebenfalls im Wesentlichen ihre Darlegungen aus dem ersten Rechtszug.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorbereitenden und bestimmenden Schriftsätze der Beteiligten und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug verwiesen. Von der erneuten Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der Senat nach entsprechendem Hinweis gem. §§ 117 Abs. 3; 68 Abs. 3 S. 2 FamFG abgesehen.
36II.
37Die Beschwerde ist zum Hauptantrag unbegründet und zum Hilfsantrag mittlerweile begründet. Im Umfang des Hilfsantrags ist der angefochtene Beschluss daher aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, § 146 Abs. 1 S. 1 FamFG.
381. Eheaufhebung. Ein Anspruch des Antragstellers auf Aufhebung der Ehe wegen arglistiger Täuschung durch Antragsgegnerin besteht nicht, §§ 1313 S. 1; 1314 Abs. 2 Ziff. 3 BGB.
39Der Aufhebungsgrund des § 1314 Abs. 2 Ziff. 3 BGB setzt voraus, dass ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung des anderen Ehegatten bestimmt worden ist, wobei sich die Täuschung auf solche Umstände beziehen muss, die den Getäuschten bei Kenntnis der Sachlage und richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten. Der Antragsteller legt weder eine Täuschungshandlung der Antragsgegnerin durch Tun oder Unterlassen dar, noch dass er dadurch zur Eingehung der Ehe bestimmt worden wäre. Widersprüchlich hierzu führt er vielmehr aus, er könne „heute nicht mehr genau erklären, warum, aber er… [habe] sich darauf eingelassen“, die Ehe mit der Antragsgegnerin zu schließen.
40a) Es ist nicht ersichtlich, wodurch die Antragsgegnerin den Antragsteller ‑ dessen Behauptungen als wahr unterstellt ‑ über ihre Zuneigung und ihre eheliche Gesinnung getäuscht haben könnte. Allgemein zeigt sich eine eheliche Gesinnung in der gegenseitigen Achtung, Treue und Rücksichtnahme der Ehegatten (vgl. Staudinger / Reuß, BGB2024, § 1565, Rz. 43).
41aa) Dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller vor Eingehung der Ehe „hinreichende Signale gesendet“ haben mag, genügt als Täuschungshandlung über ihre Zuneigung oder gar ihre eheliche Gesinnung nicht. Weiter kann eine Täuschung zwar auch durch das Verschweigen von Umständen (Unterlassen) geschehen, aber dies setzt voraus, dass der vermeintlich Täuschende zur Offenlegung dieser Umstände verpflichtet war. Eine allgemeine Offenlegungspflicht vor Eingehung einer Ehe besteht nicht; welche Umstände offenzulegen sind, bestimmt sich im Wesentlichen nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. Staudinger / Voppel, BGB2023, § 1314, Rz. 27 ff.). Welche Empfindungen und welche Einstellung ein zukünftiger Ehegatte dem anderen entgegenbringt, muss er nicht ausdrücklich offenlegen, zumal auf die Wahrheit oder Unwahrheit einer solchen Bekundung nur mittelbar aus dem sonstigen Verhalten geschlossen werden könnte (zutr. Oberlandesgericht Koblenz, FamRZ 2016, 1854, juris-Rz. 3). Wer in dieser Hinsicht zu viel von seinem Ehegatten erwartet hat, kann nicht die Aufhebung der Ehe begehren; für die Bewältigung von derartigen Enttäuschungen stellt vielmehr das Scheidungsrecht einen ausreichenden Regelungsrahmen dar (Oberlandesgericht Hamm, FPR 2004, 26, juris-Rz. 5). Entsprechendes würde für die behauptete sog. Beiwohnungsunwilligkeit (Staudinger / Voppel, BGB2023, § 1314, Rz. 33) der Antragsgegnerin gelten, die nur auf ausdrückliche Frage des Antragstellers hätte offengelegt werden müssen (zutr. Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, FamRZ 2006, 1204, juris-Rz. 40); auch insoweit hätte die Antragsgegnerin daher nicht durch Unterlassen getäuscht. Soweit der Antragsteller schließlich behauptet, die Antragsgegnerin habe die Ehe nur aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen, dürfte ebenfalls keine Offenlegungspflicht bestanden haben. Zwar besteht eine Offenlegungspflicht des Ehegatten, der die Ehe ausschließlich aus ehefremden Zwecken schließen und keine eheliche Lebensgemeinschaft begründen will (Staudinger / Voppel, BGB2023, § 1314, Rz. 28). Wie der vergleichbare Fall der sog. Versorgungsehe zeigt, stellt es aber wohl keinen ausschließlich ehefremden Zweck dar, in einer Ehe allein sein wirtschaftliches Auskommen zu suchen (zutr. Staudinger / Voppel, BGB2023, § 1314, Rz. 75, m.w.N. auch zur a.A.). Außerdem kann aus den Darlegungen des Antragstellers nicht geschlossen werden, dass die Antragsgegnerin keine eheliche Lebensgemeinschaft begründen wollte ‑ wie noch auszuführen ist ‑.
42Im Übrigen wäre eine Aufhebung der Ehe wegen arglistiger Täuschung des Antragstellers über die Liebe und Zuneigung der Antragsgegnerin aber auch gem. § 1315 Abs. 1 S. 1 Ziff. 4 BGB ausgeschlossen. Wie die O.(*)-Nachrichten des Antragstellers vom Abend des 28.8.2022 nämlich zeigen, hat der Antragsteller auch nach Entdeckung der behaupteten Täuschung zu erkennen gegeben, dass er die Ehe in freier Entscheidung fortsetzen will. Nach der Behauptung des Antragstellers hatte er bis zum Nachmittag des 28.8.2022 bereits erfahren müssen, dass sich die Antragsgegnerin ihm gegenüber nur mehr abweisend verhielt, ihn teilweise schroff zurückwies und beleidigte, sogar tätlich gegen ihn wurde und ihm den Geschlechtsverkehr verweigerte. Auch hatte der Antragsteller für die Antragsgegnerin bereits mehrere Zahlungen geleistet und von ihrer angeblich offenen Darlehensschuld erfahren, und die Antragsgegnerin soll den Bezug einer gemeinsamen Ehewohnung bereits von der Übereignung der betreffenden Liegenschaft abhängig gemacht haben. Dass der Antragsteller am Abend des 28.8.2022 dennoch in innigen Worten äußerte, dass er mit der Antragsgegnerin „schnell zusammenziehen“ und sie „gerne jetzt neben mir“ hätte, kann daher nur als Bestätigung der Ehe i.S.d. § 1315 BGB gewürdigt werden (vgl. Staudinger / Voppel, BGB2023, § 1315, Rz. 32). Hinsichtlich der behaupteten Bedingung, eine Ehewohnung zunächst zu übereignen, gilt dies umso mehr, als der der Antragsteller ausdrücklich behauptet, sich „fortan… [um] eine geeignete Immobilie“ bemüht zu haben. Auch dies kann nur als Annahme der Bedingung und somit als Bestätigung der Ehe gewürdigt werden. Dass erst die Auseinandersetzung der Beteiligten vom 2.9.2022 dem Antragsteller die Augen über die Antragsgegnerin geöffnet habe, ist dagegen nicht nachvollziehbar.
43bb) Nichts anderes gilt im Hinblick auf das Verhalten, das die Antragsgegnerin Ende August 2022 gegenüber Herrn G. zeigte und von dem der Antragsteller erst nach dem 28.8.2022 erfahren haben mag, denn auch insoweit ist eine Täuschung des Antragstellers nicht ersichtlich. Zwar hätte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine fortdauernde Liebesbeziehung mit Herrn G. wohl vor Eingehung der Ehe offenbaren müssen, jedenfalls nachdem der Antragsteller der Antragsgegnerin durch O.(*)-Nachricht vom 30.7.2022 (Bl. 259 d.A.) erklärt hatte:
44[Antragsteller:] …Ich würde alles mit Dir teilen, ich tick‘ einfach so. Aber Dich würde ich nie teilen, mit sowas kann ich nicht leben. …
45Der Antragsteller hat aber schon im ersten Rechtszug nicht mehr behauptet, dass auch nach der Eheschließung der Beteiligten noch eine Liebesbeziehung zwischen der Antragsgegnerin und Herrn G. bestanden habe; im Gegenteil gehe Herr G. mittlerweile gerichtlich gegen die Antragsgegnerin vor. Dass die Antragsgegnerin mit Herrn G. kurz nach Eingehung der Ehe noch ein Konzert besuchte und ‑ so die Behauptung ‑ eine Familienfeier besuchen wollte, beruht daher jedenfalls nicht auf Umständen, die die Antragsgegnerin dem Antragsteller vor Eingehung der Ehe hätten offenlegen müssen. Vielmehr dürfte auch insoweit gelten, dass für die Bewältigung von derartigen Enttäuschungen das Scheidungsrecht einen ausreichenden Regelungsrahmen darstellt. Die richtige Würdigung des Wesens der Ehe i.S.d. § 1314 Abs. 1 Ziff. 3 BGB (vgl. hierzu Staudinger / Voppel, BGB2023, § 1315, Rz. 45 f.) bedarf somit vorliegend keiner Erörterung durch den Senat.
46b) Es ist ‑ wie erwähnt ‑ auch nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller darüber getäuscht habe, dass sie keine eheliche Lebens- und Wohngemeinschaft begründen wolle. Der Antragsteller behauptet hierzu nicht einmal, dass die Antragsgegnerin auch dann keinen gemeinsamen Haushalt begründet hätte, falls ihr die Liegenschaft einer zukünftigen Ehewohnung übereignet worden wäre. Dass er selbst vom Gegenteil ausging, zeigt seine Suche nach einer „geeigneten Immobilie“, womit er überdies ‑ wie erwähnt ‑ die Ehe bestätigt hat (§ 1315 Abs. 1 S. 1 Ziff. 4 BGB).
472. Ehescheidung. Die Ehe der Beteiligten wird gem. §§ 1564 S. 1; 1565 Abs. 1 S. 1 BGB zu scheiden sein, weil die Ehe gescheitert ist und die Beteiligten mittlerweile seit mehr als zwei Jahren getrennt leben. Die Ehe der Beteiligten ist gescheitert, weil bei umfassender Würdigung aller Umstände die (Wieder-) Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft jedenfalls von Seiten des Antragstellers dauerhaft ausgeschlossen werden kann (ähnlich schon Bundesgerichtshof, NJW 1979, 1042, juris-Rz. 9 f.). Über Fragen einer unzumutbaren Härte i.S.d. § 1565 Abs. 2 BGB ist daher nicht mehr zu entscheiden (vgl. Staudinger / Reuß, BGB2024, § 1565, Rz. 162).
48Der Senat sieht jedoch gem. § 146 Abs. 1 S. 1 FamFG von einer eigenen Entscheidung über den Scheidungsantrag ab, weil vor dem Amtsgericht noch die Folgesache Versorgungsausgleich anhängig ist und bei erneuter Verhandlung weitere Folgesachen anhängig gemacht werden können (ähnlich Oberlandesgericht Düsseldorf, FamRZ 2011, 298, juris-Rz. 20 ff.; auch Oberlandesgericht Köln, FamRZ 2015, juris-Rz. 10). Das von Amts wegen zu betreibende Verfahren über den Versorgungsausgleich wird ohne weiteres anhängig, auch wenn ‑ wie hier ‑ in den Fällen des § 3 Abs. 3 VersAusglG ein Versorgungsausgleich nicht beantragt wird (vgl. Erman / Norpoth = Sasse, BGB17, § 3 VersAusglG, Rz. 12); dass kein Wertausgleich bei der Scheidung stattfindet, ist dann in die Formel des Verbundbeschlusses aufzunehmen (§ 224 Abs. 3 FamFG). Den vorliegend Beteiligten die Gelegenheit zu erhalten, weitere Folgesachen anhängig zu machen, erscheint dem Senat dabei umso mehr geboten, als das Verfahren bisher von dem Hauptantrag auf Aufhebung bestimmt gewesen ist, der keine Folgesachen kennt.
493. Die Entscheidung über die Kostenlast folgt hinsichtlich des Hauptantrags aus § 97 Abs. 1 ZPO und entspricht hinsichtlich des Hilfsantrags § 97 Abs. 2 ZPO. § 97 Abs. 2 ZPO ist entsprechend anzuwenden, wenn ein Scheidungsantrag angebracht wird, bevor die Ehegatten ein Jahr getrennt leben und ohne dass die Voraussetzungen des § 1565 Abs. 2 BGB vorliegen (Oberlandesgericht Köln, FamRZ 2015, juris-Rz. 11, m.w.N.). Dies hat das Amtsgericht vorliegend zurecht ausgesprochen, und unter diesen Umständen muss der Senat die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens auch nicht dem Amtsgericht übertragen (vgl. Prütting = Helms / Helms, FamFG6, § 150, Rz. 23, m.w.N.).
50Die Entscheidung über den Verfahrenswert folgt aus §§ 40 Abs. 1 S. 1; 43 FamGKG.
51(*Textmessenger, Anmerkung der Redaktion)