Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 09.01.2024 gegen den Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 15.12.2023 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe, um im Klageweg einen Vermächtnisanspruch gegen die Antragsgegnerin geltend machen zu können.
4Die Beteiligten sind die Töchter des Erblassers und seiner Ehefrau. Am 00.00.1960 heirateten der Erblasser und seine Ehefrau und waren in zweiter Generation Inhaber einer Druckerei. Sie lebten im Güterstand der Gütertrennung. Von diesem Güterstand waren sie überzeugt, sodass sie auch von ihren leiblichen Kindern erwarteten, dass diese mit ihren jeweiligen Ehemännern einen Gütertrennungsvertrag abschließen. Dadurch wollten sie das Firmenvermögen und das aufgrund der Selbständigkeit erworbene Vermögen im Familienbesitz belassen. Die Eheleute errichteten am 02.12.1990 vor dem Notar J. in V. zu dessen UR-Nr. N01 ein gemeinschaftliches Testament, wonach sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. In dem Testament heißt es auszugsweise wie folgt:
5„1.
6Wir, die Eheleute G. und Q. P., setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Unsere Kinder O., Y. und X. haben in einer getrennten Urkunde des Notars J. in V. am heutigen Tage einen Pflichtteilsverzicht in bezug auf den Nachlaß desjenigen, der von uns als erster verstirbt, erklärt.
72.
8Angesichts der derzeit noch bestehenden Entwicklungen regeln wir in diesem Testament nicht die Erbfolge in den Nachlaß des Überlebenden von uns. Daher ist der Überlebende von uns, dieses ist uns bewußt, berechtigt, frei zu testieren und somit seinen Erben oder seine Erben zu bestellen. Wir verpflichten uns aber gegenseitig, bei dieser Testierung in bezug auf den Nachlaß des Überlebenden von uns nur unsere Kinder als Erben oder Vermächtnisnehmer einzusetzen.“
9Am 00.00.2010 verstarb die Tochter X.. Nachdem die Ehefrau des Erblassers am 00.00.2011 vorverstorben war, errichtete dieser am 26.08.2011 ein notarielles Testament vor dem Notar T. in D. zu dessen UR-Nr. N02. Dieses lautet auszugsweise wie folgt:
10„§ 2 Erbeinsetzung
11Ich setze hiermit meine Tochter O. P.-R., geb. P., geb. am 00.00.1961, wohnhaft M.-straße 00, K., zu meiner alleinigen und unbeschränkten Erbin meines gesamten dereinstigen Nachlasses ein.
12§ 4 Vermächtnisse
13Die Alleinerbin O. P.-R. hat folgende Vermächtnisse zu erfüllen:
14a)
15Meine Tochter Y. C., geb. P., geb. am 00.00.1963, wohnhaft I.-straße 00, K., erhält das 9-Familien-Haus E.-straße 00, eingetragen im
16Erbbaugrundbuch von H., Blatt N03. Der Anfall des Vermächtnisses steht unter der Bedingung, daß die Vermächtnisnehmerin gegenüber der Alleinerbin nachweist, daß sie zum Zeitpunkt meines Todes im Güterstand der Gütertrennung gelebt hat. Kann die Vermächtnisnehmerin dies nicht nachweisen, fällt das Vermächtnis nicht an.“
17Der Erblasser verstarb am 00.00.2015 in F.. Die Antragstellerin beantragte einen gemeinschaftlichen Erbschein, der die beiden Parteien als Miterben zu je 1/2 ausweisen sollte. Sie stützte ihren Antrag auf die fehlende Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Jahr 2011, da ihm eine vaskulär bedingte, dementielle Störung bescheinigt worden sei. Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Werl wies diesen Antrag mit Beschluss vom 08.03.2017 zurück. Die dagegen erhobene Beschwerde der Antragstellerin wies der Senat mit Beschluss vom 15.01.2020 zurück.
18Die Antragstellerin erbrachte den Nachweis der Gütertrennung gegenüber der Antragsgegnerin nicht.
19Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass sie gemäß § 2174 BGB einen Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses durch Übertragung des Erbbaurechts am Gebäude E.-straße 00 in H. habe. Die testamentarische Anordnung, wonach das Grundstücksvermächtnis unter der Bedingung stehe, dass die Vermächtnisnehmerin gegenüber der Alleinerbin nachweise, zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers im Güterstand der Gütertrennung gelebt zu haben, sei aus mehreren Gründen nichtig. Die Bedingung widerspreche Ziffer 2 Satz 2 des gemeinschaftlichen Testaments. Die Eltern hätten in dieser Ziffer die damals lebenden Kinder zwar nicht verbindlich zu Schlusserben eingesetzt. Sie seien gleichwohl einander gegenseitig verpflichtet gewesen, in Bezug auf den Nachlass des Überlebenden, die Kinder zu Erben oder doch zumindest zu – bedingungslosen - Vermächtnisnehmern einzusetzen. Diese unwiderrufliche Verpflichtung zur Erb- oder unbedingten Vermächtniseinsetzung sei in ihrer Wirkung einer „Verfügung“ im Sinne von § 2270 Abs. 2 BGB gleichzusetzen. Dies habe zur Folge, dass dem Vater das Recht, anderweitig zu testieren, gemäß § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB genommen gewesen sei. Zudem folge die Nichtigkeit der Bedingung aus § 138 Abs. 1 BGB analog. Die Ziffer 2 sei ergänzend gemäß §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass die Kinder entweder als Erben oder als unbedingte Vermächtnisnehmer einzusetzen seien. Eine restriktive Auslegung, die dazu führe, dass die Antragstellerin ohne jegliche Nachlassbeteiligung dastehe, habe jedenfalls nicht dem Willen der vorverstorbenen Mutter entsprochen. Dies komme einer Enterbung gleich. Der Erblasser und seine Ehefrau hätten in ihrem gemeinschaftlichen Testament bestimmt, dass die Kinder zumindest mit einem Vermächtnis zu bedenken seien. Ihr sei noch nicht einmal die Möglichkeit eingeräumt worden, innerhalb eines gewissen Zeitraums nach dem Tode des Erblassers den Nachweis der Vereinbarung der Gütertrennung zu führen. Durch seine Verfügung habe der Erblasser einen nicht hinnehmbaren Druck auf die Entschließungsfreiheit der Antragstellerin ausgeübt. Darin liege ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Der Pflichtteilsverzicht nach dem erstversterbenden Elternteil habe zudem unter dem stillschweigenden Vorbehalt gestanden, dass alle damals noch lebenden drei Kinder erbrechtlich in etwa gleichbehandelt werden sollten. Die Bedingung verfolge keinen legitimen Zweck. Vielmehr diene sie einzig dem Ziel, die Beziehung der Antragstellerin zu ihrem von dem Erblasser wenig geschätzten Ehemann zu erschweren.
20Dem ist die Antragsgegnerin entgegengetreten und hat vorgetragen, dass der Erblasser gemäß Ziffer 2 Satz 2 des gemeinschaftlichen Testaments in seiner Gestaltungsfreiheit vollkommen frei gewesen sei. Ihm habe es sowohl freigestanden, lediglich einen Erben einzusetzen, als auch ein unbedingtes oder bedingtes Vermächtnis anzuordnen. Ebenso hätte er ausschließlich die Antragsgegnerin zur Alleinerbin bestimmen können, ohne weitere Vermächtnisse auszusprechen. Entscheidend sei lediglich gewesen, dass kein Dritter, also kein Außenstehender, als Erbe habe eingesetzt werden dürfen. Die Antragstellerin sei zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zwar nicht im Güterstand der Gütertrennung verheiratet gewesen, dies habe sie jedoch jederzeit bis zum Tod des Erblassers umsetzen können. Die Intention der Eltern, ihr Vermögen im Familienbesitz zu halten, stelle ein nachvollziehbares Interesse dar. Das Risiko, nicht bedacht zu werden, habe die Antragstellerin freiwillig in Kauf genommen. Darüber hinaus sei die Antragstellerin in ihrer höchstpersönlichen Lebensführung weiterhin vollkommen frei geblieben. Selbst bei Bestehen des Güterstands der Gütertrennung habe sie ihrem Ehemann finanziell uneingeschränkte Unterstützung gewähren können. Auch im Falle einer Scheidung hätte sie ihm gegebenenfalls eine finanzielle Ausgleichszahlung leisten können, die einer Ausgleichszahlung im Zugewinn entsprochen hätte. Schließlich sei im Falle der Annahme einer sittenwidrigen Bedingung die gesamte Anordnung des Vermächtnisses hinfällig.
21Mit Beschluss vom 15.12.2023 hat das Landgericht Arnsberg den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. In seiner Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Die in § 4 lit. a) des Einzeltestaments enthaltene Bedingung sei wirksam, §§ 2074, 158 Abs. 1 BGB. Nach dem Wortlaut des gemeinschaftlichen Testaments haben die Eheleute lediglich ausschließen wollen, dass der Überlebende Dritte als Erben oder Vermächtnisnehmer einsetze. Es sei nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden, ein Kind weder als Erben noch als Vermächtnisnehmer einzusetzen. Ob in dem gemeinschaftlichen Testament wechselseitige Verfügungen oder Regelungen mit vergleichbarer Wirkung enthalten seien, könne dahinstehen, da selbst bei Nichtigkeit der Regelungen in Ziffer 2 des gemeinschaftlichen Testaments der Erblasser mangels Bestimmung über Erben und Vermächtnisnehmer in dem gemeinschaftlichen Testament frei darüber habe entscheiden können. Es liege auch keine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB vor. Sittenwidrigkeit von testamentarischen Bedingungen könne aufgrund der vom Grundgesetz geschützten Testierfreiheit nur in sehr engen Ausnahmefällen angenommen werden. Dies sei dann der Fall, wenn eine Abwägung zwischen der Testierfreiheit des Erblassers und den Freiheitsrechten des Betroffenen zugunsten des Betroffenen aufgrund eines unzumutbaren Drucks in seinem höchstpersönlichen Bereich ausfällt. Das herausklingelnde Interesse des Erblassers, die Immobilie im Kreis seiner Blutsverwandten zu erhalten, und das Vermögen seiner Tochter insgesamt vor dem Zugriff des Ehemannes zu schützen, sei angesichts des nach den Angaben der Antragstellerin bestehenden Misstrauens des Erblassers gegenüber diesem und der allgemein bekannt hohen Scheidungsrate von Ehen nachvollziehbar. Der Antragstellerin sei die unbeeinträchtigte Fortführung ihrer Ehe und ihres Ehelebens nicht verwehrt gewesen. Die Gütertrennung wirke sich erst im Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes maßgeblich aus. Auch im Gesellschaftsrecht werde Unternehmen und ihren Gesellschaftern empfohlen, in den Gesellschaftsvertrag eine sogenannte Güterstandsklausel aufzunehmen.
22Gegen den Beschluss des Landgerichts hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 09.01.2024, eingegangen bei dem Beschwerdegericht am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass die Regelung in Ziffer 2 des gemeinschaftlichen Testaments vom 02.12.1990 gemäß §§ 2083, 133, 157 BGB dahingehend auszulegen sei, dass - wenn schon ein Kind von dem überlebenden Elternteil nicht zum Erben berufen worden sei - zu seinen Gunsten dann jedenfalls ein Vermächtnis ausgeworfen werden solle. Dies sei seinerzeit der übereinstimmende Wille der Eltern gewesen. Dies habe der Erblasser ebenfalls so verstanden, da er in seinem eigenen Testament vom 26.08.2011 ein entsprechendes Vermächtnis zugunsten der Antragstellerin ausgesetzt habe. Die Kammer habe unterstellt, dass dem Erblasser der Umstand, dass die Antragstellerin mit ihrem Ehemann keine Gütertrennung vereinbart habe, bekannt gewesen sei. In diesem Fall habe der Erblasser ebenfalls die Möglichkeit gehabt, die Antragstellerin auf den Pflichtteil zu setzen. Dass er dies nicht gemacht habe, zeige deutlich, dass er aufgrund der Regelung in Ziffer 2 des gemeinschaftlichen Testaments davon ausgegangen sei, die Antragstellerin in irgendeiner Form vermächtnisweise an dem beiderseitigen Nachlass der Eltern teilhaben zu lassen. Die Regelung in § 4 lit. a) verstoße daher gegen § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB. Weiterhin stelle die Bedingung des Nachweises des Güterstands der Gütertrennung zum Zeitpunkt des Todes einen Eingriff in Art. 6 GG dar. Nach der vom Bundesgerichtshof entwickelten Rechtsprechung zum Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe berühre als materiell-wirtschaftlicher Aspekt der Intimsphäre der Ehegatten die Freiheit der Wahl des Güterstandes den Schutzbereich des Grundrechts. Der Wunsch der Gütertrennung sei von dem Erblasser lebzeitig nie thematisiert worden. Die weitergehenden Rechte der Antragstellerin seien aufgrund der testamentarischen Bedingung nicht berücksichtigt worden. In die Gütertrennung seien etwaige sonstige weitere Vermögensgegenstände des betroffenen Kindes einzubeziehen. Dies stehe im Widerspruch zu dem verfassungsmäßigen Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Die Klausel habe zudem in rechtlicher Wirkung in etwa die gleiche Wirkung wie die freie Hinauskündigungsklausel im Gesellschaftsrecht, die anerkanntermaßen gegen § 138 BGB verstoße. Schließlich sei der Ehepartner der Antragstellerin insoweit von der Güterstandsklausel betroffen, als er mittelbar verpflichtet werde, den Ehevertrag in Form der Gütertrennung mit seinem Ehegatten abzuschließen. Er sei in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit sowie in seinem Recht zur Ausgestaltung seiner ehelichen Beziehungen betroffen.
23Demgegenüber trägt die Antragsgegnerin vor, die Antragstellerin werde mit der von dem Erblasser aufgestellten Bedingung nicht in ihrem höchstpersönlichen Bereich unter unzumutbaren Druck gesetzt. Das hohe Gut der Testierfreiheit erlaube es einem Erblasser, ein Vermächtnis nach seinem Belieben unter eine Bedingung zu stellen. Das gemeinschaftliche Testament sei zudem bereits nicht auslegungsbedürftig, da es eindeutig sei.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
25Das Landgericht Arnsberg hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 12.01.2024 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.
26II.
27Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2, S. 3, 569 Abs. 1, Abs. 2 ZPO zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Dem Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerin hat das Landgericht Arnsberg zu Recht nicht entsprochen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
28Prozesskostenhilfe wird grundsätzlich nur bewilligt, wenn hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO. Einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 114 ZPO, Rn. 22). Die rechtlichen Grundlagen für die beabsichtigte Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung hat das Gericht grundsätzlich vollständig zu prüfen. Es darf sich nicht auf eine überschlägige Einschätzung der Rechtslage beschränken (Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 114 ZPO, Rn. 24). Die Prüfung der Rechtslage hat auch bei rechtlich schwierigen Fragen im Prozesskostenhilfe-Verfahren zu erfolgen, sofern diese aufgrund einer feststehenden Rechtsprechung eindeutig zu beantworten sind. Ebenso ist das Prozesskostenhilfe-Gericht nicht gehindert, einen Rechtsstandpunkt in einer höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage einzunehmen, wenn sich diese durch Auslegung des Gesetzes ohne Schwierigkeiten eindeutig beantworten lässt (Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 114 ZPO, Rn. 25).
29Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin genügt diesem Maßstab nicht. Ihre zulässige Klage ist offensichtlich unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Erfüllung des im Einzeltestament des Erblassers unter § 4 lit. a) bezeichneten bedingten Vermächtnisses nach §§ 1939, 2174 BGB. Nach der Legaldefinition des § 1939 BGB kann der Erblasser durch Testament einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden. Durch dieses Vermächtnis wird für den Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern. Die vermächtnisweise Zuwendung geht nicht dinglich von selbst über, sondern begründet nur ein Forderungsrecht des Bedachten gegen den Beschwerten, der Erbe oder selbst Vermächtnisnehmer sein muss, § 2147 BGB. Der Anspruch entsteht grundsätzlich mit dem Erbfall, § 2176 BGB, und nur in den Fällen der §§ 2177, 2178 BGB mit Eintritt der Bedingung, Befristung oder des Ereignisses.
30Die Voraussetzungen für die Entstehung des Vermächtnisanspruchs liegen hier nicht vor. Der Erblasser hatte unter § 4 lit. a) seines notariellen Testaments vom 26.08.2011 den Vermächtnisanspruch der Antragstellerin nach seinem eindeutigen und klaren Wortlaut, der einer Auslegung nicht zugänglich ist, davon abhängig gemacht, dass sie zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers im Güterstand der Gütertrennung lebt. Könne sie dies nicht nachweisen, solle das Vermächtnis nicht anfallen. Die Antragstellerin hat diesen Nachweis gegenüber der Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt erbracht.
31Die Regelung unter § 4 lit. a) des notariellen Testaments ist wirksam. Der Erblasser ist im Rahmen seiner Testierfreiheit nicht gehindert, die Wirksamkeit seines Testaments oder Erbvertrags insgesamt oder einzelner darin enthaltener Verfügungen vom Eintritt einer Bedingung abhängig zu machen. Die grundsätzliche Zulässigkeit von Bedingungen wurde im Gesetz nicht ausdrücklich festgehalten, weil sie schon aus den Bestimmungen des Allgemeinen Teils (§§ 158 ff. BGB) und aus den §§ 2074 ff. BGB hervorgeht (MüKoBGB/Leipold, 9. Auflage 2022, BGB § 2074 Rn. 5). Eine Bedingung im Sinne der §§ 158 ff. BGB liegt vor, wenn die Wirkungen eines Rechtsgeschäfts nach dem erklärten Parteiwillen vom Eintritt oder vom Unterbleiben eines künftigen ungewissen Umstands abhängig gemacht werden (MüKoBGB/Leipold, 9. Auflage 2022, BGB § 2074 Rn. 6). Künftig ist der Umstand, wenn er erst nach Abschluss des rechtsgeschäftlichen Tatbestands, also nach Errichtung des Testaments eintreten kann. Dabei kann es sich je nach dem Inhalt der Bedingung um ungewisse Umstände vor oder nach dem Erbfall handeln. Der Erblasser kann eine Verfügung für den Fall treffen, dass ein bestimmter Umstand entweder bis zum Erbfall oder nach dem Erbfall eintritt. Zulässig ist es auch, die Verfügung von einer beim Erbfall bestehenden Sachlage abhängig zu machen (MüKoBGB/Leipold, 9. Auflage 2022, BGB § 2074 Rn. 9).
32Hier können bereits Zweifel bestehen, ob eine Bedingung im Sinne der §§ 2074, 158 ff. BGB vorliegt, da zum Zeitpunkt des Erbfalls die für eine Bedingung grundsätzlich immanente Ungewissheit nicht gegeben ist. Es steht bereits fest, ob die sanktionierte Handlung vorgenommen wurde oder nicht (vgl. Staudinger/Otte (2019) BGB § 2074, Rn. 17). Selbst wenn eine entsprechende Bedingung vorliegend anzunehmen sein sollte, so wäre diese dennoch wirksam. § 4 lit. a) widerspricht nicht der Regelung der Ziffer 2 des gemeinschaftlichen notariellen Testaments vom 02.12.1990 und verstößt nicht gegen § 2270 BGB (unter 1)). Sie ist auch nicht sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB (unter 2)).
331) Die Regelung in § 4 lit. a) des notariellen Testaments vom 26.08.2011 steht zunächst nicht im Widerspruch zu der Ziffer 2 des gemeinschaftlichen Testaments vom 02.12.1990. Nach der Ziffer 2 Satz 1 hatten sich der Erblasser und seine Ehefrau gegenseitig zu unbeschränkten Alleinerben eingesetzt. In dem gemeinschaftlichen notariellen Testament heißt es ausdrücklich in Ziffer 2 Satz 2, dass
34„der Überlebende von uns, dieses ist uns bewusst, berechtigt (ist), frei zu testieren und somit seinen Erben oder seine Erben zu bestellen. Wir verpflichten uns aber gegenseitig, bei dieser Testierung in bezug auf den Nachlass des Überlebenden von uns nur unsere Kinder als Erben oder Vermächtnisnehmer einzusetzen.“
35Aus dieser Ziffer geht eindeutig hervor, dass sich die Ehegatten ausschließlich für den Fall, dass der Überlebende testieren wird, sich gegenseitig verpflichtet haben, die gemeinsamen Kinder als Erben oder Vermächtnisnehmer zu bedenken. Sie haben es jedoch dem überlebenden Ehegatten überlassen, einen oder mehrere Erben oder Vermächtnisnehmer einzusetzen. Dies geht insbesondere aus der Formulierung „seinen Erben oder seine Erben“ hervor, indem sie sowohl die Singular- als auch die Pluralform gewählt haben. Daraus folgt weiterhin, dass für den Fall der Testierung und der Erbeinsetzung einer der Töchter nicht zugleich die anderen gemeinsamen Kinder ebenfalls als Erben oder Vermächtnisnehmer zu bedenken waren. Ebenso verhält es sich zu Bedingungen, die der überlebende Ehegatte in sein Testament aufnehmen konnte. Anders lässt sich die Formulierung „der Überlebende von uns, dieses ist uns bewusst, (ist) berechtigt, frei zu testieren“ nicht verstehen. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig, sodass sich die Notwendigkeit einer darüber hinausgehenden Auslegung nicht stellt.
36Weiterhin verstößt die Regelung nicht gegen § 2270 BGB (analog). Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat nach § 2270 Abs. 1 BGB die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge. Treffen Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament ihre Verfügung jeweils im Hinblick auf die Verfügung des anderen und schafft dieser Zusammenhang des Motivs eine so starke Abhängigkeit der Verfügungen voneinander, dass beide Verfügungen miteinander stehen und fallen, ist es geboten, den Bestand der Verfügung des einen von der Wirksamkeit der Verfügung des anderen abhängig sein zu lassen (MüKo-BGB/Musielak, 9. Auflage 2022, BGB § 2270 Rn. 1). Wechselbezüglich sind mithin Verfügungen im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB, die nach dem Willen der Erblasser so eng miteinander verbunden sind, dass die eine nicht ohne die andere getroffen worden wäre, sie also miteinander stehen und fallen sollen (MüKoBGB/Musielak, 9. Auflage 2022, BGB § 2270 Rn. 2). Eine Wechselbezüglichkeit kann allein in der gegenseitigen unbeschränkten Einsetzung als Alleinerben der Eheleute gesehen werden. Eine darüberhinausgehende, gemäß § 2271 Abs. 2 BGB bindende wechselseitige Verfügung, welche die bedingte Vermächtnisanordnung zugunsten der Antragstellerin unwirksam werden ließe, haben die Eheleute nicht getroffen. Der Erblasser und seine Ehefrau wollten sich bezüglich der Schlusserben gerade nicht gegenseitig verpflichten, alle Kinder zu Erben oder zumindest zu bedingungslosen Vermächtnisnehmern einzusetzen. Sie wollten dem Überlebenden die Möglichkeit der freien Testierung einräumen. Lediglich für den Fall der Testierung sollten ausschließlich ihre Kinder als Erben oder Vermächtnisnehmer eingesetzt werden.
37Dem ist der Erblasser nachgekommen. Welches Kind oder welche Kinder Erbe(n) oder Vermächtnisnehmer werden sollten, haben die Eheleute nicht geregelt. Insofern ist der Wortlaut des gemeinschaftlichen Testaments eindeutig. Es kann auf die vorherigen Ausführungen verwiesen werden.
382) Die Bedingung ist auch nicht sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB (unter a)). Für den Fall, dass eine Sittenwidrigkeit bejaht werden sollte, wäre die Antragstellerin nicht Vermächtnisnehmerin (unter b)).
39a) Die unter § 4 lit. a) festgehaltene Vermächtnisregelung verstößt unter Berücksichtigung der durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Testierfreiheit des Erblassers nicht gegen § 138 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Der Erblasser will durch Anordnungen in seiner letztwilligen Verfügung auf das Verhalten des Zuwendungsempfängers nach dem Erbfall einwirken. Die Frage, wann eine Bedingung in Verfügungen von Todes die Grenze der Sittenwidrigkeit überschreitet, wird je nach Einzelfall unterschiedlich entschieden.
40aa) So hat die Rechtsprechung vor Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Grundgesetzes Bedingungen, mit denen Erblasser die Entscheidungsfreiheit der Begünstigten in rein persönlichen Angelegenheiten beeinflussen wollten, als unwirksam angesehen. Solche Angelegenheiten sollten allein vom freien sittlichen Entschluss der Begünstigten abhängen und nicht mit Vermögensvorteilen verbunden sein (OLG Rostock, Urteil vom 08.12.1890, BeckRS 1890, 1; RG, Urteil vom 18.09.1913 - IV 200/13, BeckRS 1913, 00002). Der Bundesgerichtshof entschied im Jahr 1956, dass die Bedingung, ein Abkömmling müsse sich von seiner Ehefrau scheiden lassen, um erben zu können, nicht sittenwidrig sei. Der Erblasser hatte das Verhalten der Schwiegertöchter als schwerwiegende Kränkung seiner und der Familienehre gewertet und sie für ungeeignet gehalten, den Hof zu übernehmen (BGH, Urteil vom 28.01.1956 - IV ZR 216/55, BeckRS 1956, 31385658).
41Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22.03.2004 entschieden, dass Bedingungen in Erbverträgen daraufhin geprüft werden müssen, ob sie die grundrechtlich geschützte Eheschließungsfreiheit eines eingesetzten Erben zumindest mittelbar beeinflussen können (BVerfG, Beschluss vom 22.03.2004 - 1 BvR 2248/01, NJW 2004, 2008 „Hohenzollern“). Es hat in sogenannten Ebenbürtigkeitsklauseln eine mögliche Beeinflussung erblickt. Diese Klauseln verpflichteten Nachkommen, eine standesgemäße Ehe gemäß der Hausverfassung einzugehen, um das Familienvermögen zu sichern. Andernfalls drohte der Verlust der Erbenstellung. Eine abschließende Bewertung, unter welchen Umständen andere Klauseln die Eheschließungsfreiheit mittelbar beeinflussen könnten, wurde vom Bundesverfassungsgericht jedoch nicht vorgenommen.
42Das Oberlandesgericht Frankfurt sah die Grenze zur Sittenwidrigkeit in einem Testament überschritten, das die Erbeinsetzung der Enkelkinder an regelmäßige Besuche bei dem Erblasser knüpfte (OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.02.2019 – 20 W 98/18 –, juris). Diese Bedingung wurde als unzumutbarer Druck auf die Entscheidungsfreiheit der Begünstigten gewertet, da sie Verhaltensweisen erzwingen sollte, die auf einer freien, inneren Überzeugung basieren sollten. Das Oberlandesgericht Naumburg beurteilte eine Klausel, die verlangte, eine bestimmte Person bis drei Jahre nach dem Tod des Erblassers nicht zu heiraten, als sittenwidrig (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 03.11.1998 – 9 U 110/98 –, juris). Die Bedingung habe aufgrund der Größe des Nachlasses einen unverhältnismäßigen Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der Erbin ausgeübt. Schließlich wird im Rahmen von Potestativbedingungen vertreten, dass es dem Erblasser gestattet sei, Bedingungen aufzunehmen. Die Grenze der Sittenwidrigkeit dürfe hierbei nicht überschritten werden. Es könne gegen die guten Sitten verstoßen, wenn der Erblasser durch den Einfluss seines Vermögens versuche, die Entscheidungen des Bedachten zu beeinflussen. Werde durch eine angeordnete Bedingung massiver Druck auf die Freiheitsrechte des Bedachten ausgeübt, könne dies mit der Testierfreiheit des Erblassers kollidieren. Hier sei es Sache der Rechtsordnung, entsprechende Grenzen zu ziehen (BeckOK BGB/Litzenburger, 71. Ed.1.8.2024, BGB § 2074 Rn. 9).
43In gefestigter Rechtsprechung zieht das Bundesverfassungsgericht aufgrund der durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Vertragsfreiheit immer dann Grenzen, wenn die Vertragsparität gestört ist, das heißt ein Partner den Vertragsinhalt faktisch einseitig so bestimmen kann, dass das Selbstbestimmungsrecht des anderen sich zur Fremdbestimmung verkehrt. Diese Rechtsprechung kann zwar nicht auf einseitige erbrechtliche Verfügungen übertragen werden, da es bei diesen wesensgemäß keine Störung der Vertragsparität geben kann. Die dahinterstehende Überlegung, dass der Staat verpflichtet ist, den Bürger vor einer die Entscheidungsfreiheit ausschließenden Fremdbestimmung durch andere zu schützen, gilt jedoch auch hier (BeckOK BGB/Litzenburger, 71. Ed. 1.8.2024, BGB § 2074 Rn. 9). Demnach ist bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe sowie bei der Anwendung der Generalklauseln, insbesondere der §§ 138, 242 BGB, das in den Grundrechten zum Ausdruck kommende Wertesystem als Maßstab der Entscheidung heranzuziehen. Allerdings darf dies nicht dazu führen, dass die richterliche Kontrolle zu einer Fremdbestimmung des Erblassers führt. Nur bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in Grundrechte des Bedachten ist daher eine Korrektur zulässig (BeckOK BGB/Litzenburger, 71. Ed. 1.8.2024, BGB § 2074 Rn. 9, 10).
44bb) Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Entscheidungen liegt ein Verstoß gegen die guten Sitten hier nicht vor.
45Zunächst ist die Regelung in § 4 lit. a) nicht vor dem Hintergrund sittenwidrig, dass der Erblasser durch das gemeinsame mit seiner Ehefrau am 02.12.1990 errichtete Testament insoweit gebunden gewesen sein soll, die Kinder zu Erben oder - in ergänzender Auslegung gemäß § 133, 157 BGB - zu bedingungslosen Vermächtnisnehmern einzusetzen. Das gemeinschaftliche Testament weist weder eine dahingehende Bindung der Eheleute auf noch bietet es Anlass zu einer etwaigen ergänzenden Auslegung nach §§ 133, 157 BGB. Der Wortlaut ist eindeutig. Insofern kann auf die Ausführungen unter 1) verwiesen werden.
46Es kann ferner dahinstehen, ob die Antragstellerin bereits zu Lebzeiten des Erblassers Kenntnis von der Bedingung hatte oder nicht. Für den Fall, dass sie erst mit Testamentseröffnung von der Bedingung erfahren hat, so kann diese keinen Druck auf die Antragstellerin ausgeübt haben. Die Bedingung war bereits nicht mehr erfüllbar, da sie zum Zeitpunkt des Todes vorgelegen haben musste. Sollte die Antragstellerin noch zu Lebzeiten des Erblassers Kenntnis von der Bedingung gehabt haben, sei es durch eine Äußerung des Erblassers oder Vorhalt des Testaments, mag es sich allein um ein möglicherweise moralisch zu missbilligendes Verhalten des Erblassers gehandelt haben. Denn vor dem Erbfall haben weder der nach dem Gesetz als künftiger Erbe Berufene noch der in einer Verfügung von Todes wegen Eingesetzte bereits eine gesicherte Rechtsposition im Sinne eines Anwartschaftsrechts, sondern nur eine tatsächliche Aussicht auf dessen Vermögen, also eine rechtlich begründete Erwartung auf das Erbrecht. Jeder Anwärter kann seine Stellung jederzeit dadurch einbüßen, dass er den Erbfall nicht erlebt, § 1923 Abs. 1 BGB, oder dass sie ihm vom Erblasser genommen wird, indem dieser durch Verfügung von Todes wegen eine die gesetzliche Erben nicht berücksichtigende Regelung trifft oder eine getroffene Erbeinsetzung widerruft (BeckOK BGB/Müller-Christmann, 72. Ed. 1.8.2024, BGB § 1922 Rn. 115; vgl. Gutmann, NJW 2004, 2347). Diesen Unsicherheiten unterliegt auch der potentielle Vermächtnisnehmer, dessen Anspruch gegen den Erben erst mit dem Erbfall entsteht, § 2176 BGB (BeckOK BGB/Müller-Christmann, 72. Ed. 1.8.2024, BGB § 1922 Rn. 118).
47Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich mithin von Fällen, bei denen das Verhalten nach dem Erbfall maßgeblich ist. Nur in dieser Konstellation entsteht für den Begünstigten ein echter Entscheidungskonflikt: Ab dem Erbfall muss er entscheiden, ob er sich dem Willen des Erblassers fügt, um die Erbschaft (oder Zuwendung) zu erhalten, oder ob er diesen Willen ignoriert und dadurch die Zuwendung verliert. Erst in dieser Situation kann der Begünstigte zudem eine verlässliche wirtschaftliche Bewertung vornehmen, da sich der Wert der Zuwendung oder des Nachlasses erst ab diesem Zeitpunkt konkret bestimmen lässt. In Fällen hingegen, in denen die Bedingung an ein Verhalten vor dem Erbfall anknüpft, mag die Aussicht auf Enterbung für den potenziellen Begünstigten unangenehm sein. Eine rechtlich relevante Beeinträchtigung liegt jedoch nicht vor, da der Begünstigte in der Regel weiß, dass der Erhalt der Zuwendung - deren Höhe er ohnehin nur schätzen kann - unabhängig von seinem Verhalten unsicher ist. Zum einen bleibt ungewiss, ob der Begünstigte den Erbfall überhaupt erlebt, und zum anderen, ob der Erblasser tatsächlich „Wort hält“ und das Verhalten mit einer testamentarischen Zuwendung belohnt, die zudem auch wirtschaftlich werthaltig sein müsste. Selbst wenn die Antragstellerin im Zeitpunkt des Todes des Erblassers - in Kenntnis oder ohne Kenntnis des Wunsches des Erblassers, dass seine Töchter im Güterstand der Gütertrennung leben - einen entsprechenden Gütertrennungsvertrag abgeschlossen hätte, hätte sie keine Gewissheit in Richtung eines Vermächtnisses haben können. Denn der Erblasser hätte das Testament widerrufen können, sodass die Antragstellerin nicht mehr als bedingte Vermächtnisnehmerin berücksichtigt gewesen wäre. Zwar mag die Antragstellerin den Pflichtteilsverzicht im Jahre 1990 in der Vorstellung, gesetzliche oder testamentarische Erbin des überlebenden Ehegatten zu werden, abgegeben haben. Durch einen Pflichtteilsverzicht wird der Erblasser jedoch grundsätzlich nicht gebunden in einer bestimmten Art und Weise zu testieren. Dem Erblasser steht weiterhin die grundrechtlich geschützte Testierfreiheit zu.
48Weiterhin führt eine Abwägung zwischen den jeweiligen grundrechtlich geschützten Rechten des Erblassers und der Antragstellerin nicht zu einer Sittenwidrigkeit der Bedingung. In die Abwägung waren die Testierfreiheit des Erblassers sowie die Freiheitsrechte der Antragstellerin einzubeziehen, bei der die Testierfreiheit im Ergebnis überwiegt.
49Es ist stets zu überprüfen, ob die Zuwendung von ihrem Gewicht her geeignet ist, die Entscheidungen des Bedachten zu beeinflussen. Es sind solche Bedingungen erlaubt, die das Schicksal des Vermögens des Erblassers sicherstellen. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Anordnung derartiger Bedingungen mittelbarer Einfluss auf die persönliche Lebensführung des Bedachten genommen wird (Seiler-Schopp/Rudolf in: Praxiskommentar Erbrecht, § 2074 BGB, Rn. 19). Trifft der Erblasser Verfügungen, welche die Verwaltung des Nachlasses betreffen, oder ordnet er an, dass der Bedachte verpflichtet ist, im Fall einer Heirat den Güterstand der Gütertrennung zu vereinbaren oder auch das ererbte Vermögen durch Vereinbarung vom Zugewinnausgleich auszunehmen, widerspricht dies nicht den guten Sitten, wenn die Anordnung einer derartigen Bedingung auf nachvollziehbaren Erwägungen beruht (Seiler-Schopp/Rudolf in: Praxiskommentar Erbrecht, § 2074 BGB, Rn. 20).
50Eine derartige nachvollziehbare Erwägung lag hier vor. Der Erblasser verfolgte mit der Bedingung den Zweck, das Firmenvermögen und das aufgrund der Selbständigkeit erworbene Vermögen im Familienbesitz zu belassen. Durch den Abschluss eines notariellen Vertrags im Sinne des § 1414 BGB erfolgt eine vollständige Trennung des Vermögens beider Ehepartner, ohne dass es nach dem Ende der Ehe zu einem etwaigen Zugewinnausgleich kommt. Jeder Ehepartner behält das, was er bereits vor der Ehe erworben hatte, und auch das, was er während der Ehe erwirbt, als eigenes Vermögen. Die Eheleute können ihr Vermögen unabhängig voneinander verwalten und ohne Einschränkungen frei darüber verfügen. Der Wunsch des Erblassers ist angesichts des nach den Angaben der Antragstellerin bestehenden Misstrauens des Erblassers gegenüber seinem Schwiegersohn und der hohen Scheidungsrate nachvollziehbar.
51Der Antragstellerin war nicht die Eheschließung als solche untersagt. Der Erblasser wollte lediglich den Einfluss einer bestimmten Person auf den von seiner Familie aufgebauten Betrieb verhindern und auf diese Weise sein Lebenswerk sichern. Dass er hierfür auf das Erbrecht zurückgegriffen hat, mag menschlich fragwürdig erscheinen, ist jedoch rechtlich hinzunehmen. Die Antragstellerin hätte trotz Gütertrennung unbeeinträchtigt ihre Ehe fortführen können. Erst im Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes hätte sich die Gütertrennung maßgeblich ausgewirkt. Insofern vermag das Vorbringen der Antragstellerin, ihr Ehepartner sei von der Güterstandsklausel betroffen gewesen, nicht durchzugreifen. Auf diesen sind die Erwägungen bezüglich des geringen Einflusses der Gütertrennung übertragbar. Zudem war er von der Vermächtnisanordnung nicht – auch nicht mittelbar - betroffen.
52Schließlich ist die vorliegende Regelung nicht mit einer Hinauskündigungsklausel im Gesellschaftsrecht vergleichbar. In ständiger Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass gesellschaftsvertragliche Regelungen, die einem Gesellschafter, einer Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, grundsätzlich wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind (u.a. BGH, Urteil vom 19. März 2007 – II ZR 300/05 –, juris). Diese Wertung begründet der Bundesgerichtshof damit, dass das freie Kündigungsrecht eines Gesellschafters von dem betroffenen Mitgesellschafter als Disziplinierungsmittel empfunden werden kann. Dadurch könnte er aus Sorge, der Willkür des ausschließungsberechtigten Gesellschafters ausgeliefert zu sein, nicht frei von seinen Mitgliedschaftsrechten Gebrauch machen oder seinen Gesellschafterpflichten nicht nachkommen, sondern sich den Vorstellungen der anderen Seite beugen. Die Kündigungsmöglichkeit schwebe wie ein Damokles-Schwert über ihm.
53Der Senat hat bereits Bedenken, diese Rechtsprechung zum Gesellschaftsrecht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Unabhängig davon kann der Erblasser frei testieren. Auch gesetzliche Erben können von der Erbfolge ausgeschlossen und damit auf ihren Pflichtteil gesetzt werden. Sie haben weder einen Anspruch auf eine Erbeinsetzung noch Vermächtnisanordnung und können somit keine Rechte geltend machen beziehungsweise müssen keine Pflichten erfüllen.
54b) Selbst wenn man entgegen den bisherigen Ausführungen von einer sittenwidrigen und damit nichtigen Bedingung ausginge, wäre die Antragstellerin nicht (bedingungslose) Vermächtnisnehmerin.
55Die Frage, ob eine sittenwidrige und damit nichtige Bedingung die gesamte Verfügung unwirksam macht oder ob diese als unbedingte Verfügung bestehen bleibt, lässt sich nicht anhand von § 139 BGB oder § 2085 BGB beurteilen. Dies liegt daran, dass es sich nicht um trennbare Teile eines Rechtsgeschäfts im Sinne dieser Vorschriften handelt. Nach dem Willen des Erblassers und dem Inhalt der Erklärung bildet die Verfügung einschließlich der Bedingung eine untrennbare Einheit. Im Gegensatz zu § 2085 BGB kann daher nicht von einem typischen Willen des Erblassers ausgegangen werden, die Zuwendung auch ohne die Bedingung gelten zu lassen.
56Infolgedessen erscheint es zwar naheliegend, eine Aufrechterhaltung der Verfügung im Wege der Umdeutung gemäß § 140 BGB zu ermöglichen. Dabei würde der hypothetische Wille des Erblassers im Einzelfall entscheiden, ob die unwirksame bedingte Verfügung als wirksame unbedingte Verfügung bestehen bleibt.
57Diese Lösung wirft jedoch Probleme auf, da die Anwendung von § 140 BGB die dominierende Bedeutung des Erblasserwillens betont. Die Unwirksamkeit von Bedingungen zielt jedoch auf eine Begrenzung der Privatautonomie des Erblassers ab, insbesondere, um die Freiheit des Bedachten vor unzumutbarem Druck zu schützen. Wenn dem Erblasser aber das zur Bedingung gemachte Verhalten so wichtig ist, dass es nicht lediglich als unverbindlicher Wunsch zu betrachten ist, ist es regelmäßig so, dass er die Verfügung ohne die Bedingung überhaupt nicht getroffen hätte.
58Die Annahme der Unwirksamkeit der gesamten Verfügung, die sich daraus ergeben würde, hätte jedoch nachteilige Folgen für den Bedachten. Denn selbst wenn dieser das gewünschte Verhalten zeigt, bleibt ihm die Zuwendung verwehrt (MüKoBGB/Leipold, 9. Auflage 2022, BGB § 2074 Rn. 28). Vor diesem Hintergrund erscheint es sach- und interessengerecht im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung zu ermitteln, ob und in welchem Umfang die Zuwendung trotz Unwirksamkeit der Bedingung nach dem Willen des Erblassers als unbedingte fortgelten soll (NK-BGB/Selbherr Rn. 28; Litzenburger ZEV 2008, 369).
59Dem Testament des Erblassers lässt sich im vorliegenden Fall aber nicht der hypothetische Wille des Erblassers entnehmen, an der Vermächtnisanordnung zugunsten der Antragstellerin ohne Erfüllung der Bedingung festzuhalten. Dem Erblasser kam es aufgrund des Familienunternehmens sowie -vermögens entscheidend darauf an, dass dieses im Familienbesitz verbleibt. Zu dieser Absicherung war für ihn der Güterstand der Gütertrennung der erfolgsversprechende Weg. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in Gütertrennung gelebt hat und er seinen gesamten Nachlass bei ihr wissen wollte. Dies wird weiterhin dadurch deutlich, dass die Antragstellerin auch nicht zur Ersatzerbin ihrer Schwester eingesetzt worden ist. Schließlich spricht der Umstand, dass der Erblasser die bedingte Vermächtnisanordnung unmittelbar vor der Schlussbemerkung und damit am Ende des Testaments angeordnet und der Erbeinsetzung der Antragsgegnerin entgegengesetzt hat, dafür, dass es ihm auf den Ausschluss der Antragstellerin von dem Vermächtnisanspruch ankam, sofern keine Gütertrennung vereinbart sein sollte.
60III.
61Eine Kostenentscheidung ist wegen§ 127 Abs. 4 ZPO entbehrlich.
62Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 574 Abs. 3 ZPO. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.