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Der grundsätzlich zuständige Rechtspfleger hat nach § 1 Abs. 1 Satz 2 RichtVorAufhebV NW in Verbindung mit § 19 Abs. 2 RPflG die Sache dem Richter vorzulegen, soweit gegen den Erlass eines b beantragten Entscheidung Einwände erhoben werden.
Allein maßgeblich ist, dass Einwände als solche erhoben werden. Es kommt nicht darauf an, ob der Rechtspfleger diese für stichhaltig hält oder nicht.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Beteiligten zu
1) vom 05.06.2023 auf Erteilung eines Erbscheins an den zuständigen Nachlassrichter des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Rheda-Wiedenbrück zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Der Erblasser war mit der Beteiligten zu 1) im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Aus der Ehe sind die beiden Töchter O. und C., die Beteiligten zu 2) und 3), hervorgegangen. Weitere Abkömmlinge des Erblassers sind nicht vorhanden.
4Der Erblasser befand sich seit dem 10.05.2023 zur stationären Behandlung im Krankenhaus. Die Beteiligte zu 1) errichtete am 00.00.20XX ein privatschriftliches Testament mit folgendem Wortlaut:
5I., den 00.00.20XX
6Wir die Eheleute E. 00.00.19XX y Y * 00.00.19XX setzen und gegenseitig zum alleinigen Vollerben unseres gesamten Vermögens ein.
7*X.
8Testamento
9Nosotros la parega easada E. 00-00.19XX y Y. 00.0019XX Conprometemos mutuamente a ser el unica heredero pleno de todas nuestros activos.
10*X.
11Neben der Unterschrift der Beteiligten zu 1) („O.“) findet sich unter dem Text des Testaments ein aus den Buchstaben „J“ und „o“ bestehendes Namenskürzel.
12Die Beteiligte zu 1) stellte am 05.06.2023 einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der sie als alleinige Erbin ausweist. Der Rechtspfleger wies, nachdem die Beteiligte zu 1) eine vom Erblasser unterzeichnete notarielle Vorsorgevollmacht vorgelegt hatte, mit Verfügung vom 11.07.2023 darauf hin, dass die Erteilung des beantragten Erbscheins nicht möglich sei, weil die Unterschrift unter dem Testament nicht annähernd identisch sei mit der sonst vom Erblasser verfassten Unterschrift.
13Die vermeintliche Unterschrift entbehre auch jedweder Charakteristik, da individuelle Züge der Handschrift des Erblassers nicht erkennbar seien. Mit Schriftsatz vom 13.07.2023 zeigte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3) an, diese im Erbscheinsverfahren zu vertreten, und wies darauf hin, dass Bedenken bezüglich der Wirksamkeit des Testaments bestünden.
14Die Beteiligte zu 1) hat vorgetragen, eine eigenhändige Unterschrift des Erblassers sei gegeben. Die Identität des Erblassers gehe aus dem Testament hinreichend deutlich hervor. Der Erblasser habe das Testament einen Tag vor seinem Tod mit letzter Kraft unterzeichnet, als sich sein Gesundheitszustand bereits deutlich verschlechtert hatte.
15Der Rechtspfleger hat den Erbscheinsantrag durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es liege kein wirksames Testament vor. Das gemeinschaftliche Testament sei nicht vom Erblasser unterschrieben. Die einzelnen Buchstaben ließen nicht den Vornamen des Erblassers erkennen. Es fehle jegliche Charakteristik für eine Unterschrift. Individuelle Züge der Handschrift des Erblassers seien nicht erkennbar.
16Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die zur Begründung vorträgt, der Beschluss sei aufzuheben, weil er nicht durch den zuständigen Richter erlassen worden sei. Die Rechtsauffassung, dass das Testament unwirksam sei, sei unrichtig. An das Erfordernis der Unterschrift seien keine strengen Anforderungen zu stellen. Die Unterschrift müsse nicht lesbar sein. Dass es sich um die Unterschrift des Erblassers handele, könnten sie selbst und auch die Beteiligte 2) bestätigen. Sie und die behandelnden Ärzte könnten auch bestätigen, dass der Erblasser uneingeschränkt testierfähig gewesen sei.
17Die Beteiligte zu 3) tritt der Beschwerde entgegen und trägt vor, das Nachlassgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass das Testament unwirksam errichtet worden sei. Das Testament lasse die Urheberschaft des Erblassers nicht zweifelsfrei erkennen. Das Namenskürzel weise keine charakteristischen Merkmale auf. Die beiden Buchstaben seien keine hinreichende Namensunterschrift. Es bestünden Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers. Vor Unterzeichnung des Testaments sei dem Erblasser wegen eines starken Anfalls Morphium verabreicht worden. Der Erblasser sei so schwach gewesen, dass er seine Augen nicht mehr habe öffnen können. Der Rechtspfleger sei funktionell zuständig gewesen. Einwände gegen die beantragte Entscheidung seien nicht erhoben worden.
18Der Rechtspfleger hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
19II.
20Die gegen die Ablehnung des Erbscheinsantrages gerichtete, nach § 58 FamFG statthafte und gemäß §§ 63 ff. FamFG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde
21der Beteiligten zu 1) hat in der Sache vorläufig Erfolg, weil der angefochtene Beschluss hier von dem funktionell unzuständigen Rechtspfleger erlassen worden ist.
22Nimmt ein Rechtspfleger ein ihm nach dem Gesetz nicht übertragenes und auch nicht übertragbares Geschäft wahr, so ist seine Entscheidung nach § 8 Abs. 4 S. 1 RPflG unwirksam und im Rechtsmittelverfahren – unabhängig von ihrer etwaigen inhaltlichen Richtigkeit – aufzuheben (BGH, Beschluss vom 02.06.2005 – IX ZB 287/03; Sternal/Sternal, FamFG, Einl. Rn. 114). Dieses gilt auch dann, wenn der Rechtspfleger gegen den im Landesrecht geregelten Richtervorbehalt des § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG verstößt (OLG Braunschweig, Beschluss vom 10.08.2020 - 3 W 92/20; OLG Hamburg, Beschluss vom 07.03.2018 - 2 W 31/16). Da in einem solchen Fall keine wirksame Sachentscheidung vorliegt, ist die Sache nach § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen (OLG Hamm, Beschluss vom 25.04.2013 – 15 W 398/12; Beschluss vom 25.05.2016 – 15 W 210/16). Ein solcher Fall liegt hier vor.
23Im Ausgangspunkt ist die Entscheidung über Nachlassachen, und damit auch über die Erteilung von Erbscheinen (vgl. § 342 Abs. 1 Nr. 6 FamFG) gemäß § 3 Nr. 2 c) RPflG dem Rechtspfleger übertragen. Dies gilt allerdings nur vorbehaltlich der in den
24§§ 14 bis 19 b) RPflG aufgeführten Ausnahmen. Zu diesen zählt der in § 16 Abs. 1 Nr. 6 RpflG statuierte Richtervorbehalt für die Erteilung von Erbscheinen. Diesbezüglich ist dann jedoch wiederum zu bedenken, dass § 19 Abs. 1 Nr. 5 RPflG dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, in den Fällen gewillkürter Erbfolge den Richtervorbehalt für Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins aufzuheben. Von dieser Möglichkeit ist in Nordrhein-Westfalen durch § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Aufhebung von Richtervorbehalten und zur Übertragung von Aufgaben des Rechtspflegerdienstes auf die Urkundsbeamtinnen und Urkundsbeamten der Geschäftsstelle NRW vom 25. November 2021 (RichtVorAufhebV NW) in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Nr. 5 RPflG Gebrauch gemacht worden. Der Richtervorbehalt ist aufgehoben worden, so dass nunmehr grundsätzlich der Rechtspfleger für die Erteilung von Erbscheinen auch dann zuständig ist, wenn diese - so wie im vorliegenden Fall - aufgrund einer Verfügung von Todes wegen erfolgen. Der somit grundsätzlich zuständige Rechtspfleger hat allerdings nach § 1 Abs. 1 Satz 2 RichtVorAufhebV NW in Verbindung mit § 19 Abs. 2 RPflG die Sache dann wiederum dem Richter vorzulegen, soweit gegen den Erlass der beantragten Entscheidung Einwände erhoben werden. Die seit dem 01.01.2022 geltende Norm ist hier anwendbar, weil das Verfahren vor dem 31.12.2021 noch nicht anhängig war (vgl. § 1 Abs. 2 RichtVorAufhebV NW).
25Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Hier bestand für den ursprünglich sachbearbeitenden Rechtspfleger eine Pflicht zur Vorlage an den Richter, denn die Beteiligte zu 3) hatte schon vor Erlass des angefochtenen Beschlusses mit Schriftsatz vom 13.07.2023 Einwände gegen den Erlass des beantragten Alleinerbscheins erhoben. Im Rahmen ihrer Anhörung hat die Beteiligte zu 3) ausdrücklich erklärt, dass „Bedenken bezüglich der Wirksamkeit des Testaments vom 13.05.2023“ bestehen. Dass die Beteiligte zu 3) diese „Bedenken“ nicht näher spezifiziert hat, ist unerheblich. Zum einen ist es ohnehin allein maßgeblich, dass
26Einwände als solche erhoben werden, und es kommt nicht darauf an, ob der Rechtspfleger diese für stichhaltig hält oder nicht. Zum anderen drängt sich vorliegend angesichts des sehr spezifischen Sachverhalts aber auch ohne nähere Erläuterung auf, worin die Ansatzpunkte für die „Bedenken“ der Beteiligten zu 3) an der Wirksamkeit des Testaments liegen könnten. Bereits mit dem Eingang des Schriftsatzes vom 13.07.2023 hätte daher die Vorlage an den zuständigen Nachlassrichter zur weiteren Bearbeitung erfolgen müssen, da eine funktionelle Zuständigkeit des Nachlassrechtspflegers nicht mehr bestand (vgl. dazu OLG Hamm, Beschluss vom 21.11.2023 – 15 W 373/23).
27III.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG. Es entspricht den Grundsätzen billigen Ermessens vorliegend am besten, wenn für das Beschwerdeverfahren keine Gerichtskosten erhoben werden und wenn jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
29Da Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden, ist eine Wertfestsetzung nicht veranlasst.
30Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.