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1. Eine Grenze für die Amtsermittlung ist erreicht, wenn diese „ins Blaue“ hinein geschähe oder das Gericht einer lediglich denkbaren, rein theoretischen Möglichkeit nachginge. Bei der Aufklärung haben die Beteiligten, wie sich aus § 27 Abs. 1 und 2 FamFG ergibt, durch eingehenden Tatsachenvortrag mitzuwirken. Ihrer Mitwirkungs- und Verfahrensförderungslast genügen sie, indem ihr Vortrag und die Bezeichnung geeigneter Beweismittel dem Gericht Anhaltspunkte dafür geben, in welche Richtung es seine Ermittlungen durchführen soll (im Anschluss an: OLG Düsseldorf, NJW-RR 2013, 782; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. April 2015 – 11 Wx 82/14 –, juris).
2. Die richterliche Aufklärungspflicht ist nicht verletzt, wenn das Beschwerdegericht dem Vorbringen eines Beteiligten nicht nachgeht, der erstmals im Beschwerdeverfahren geltend macht, bei der vor Beantragung eines Erbscheins erfolgten Erklärung der Ausschlagung der Erbschaft geschäftsunfähig gewesen zu sein, ohne dafür plausible Anhaltspunkte vortragen zu können.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 4. gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Herford vom 27.07.2023 wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 4. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 140.000,00 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten im Erbscheinsverfahren nach dem am 00.00.0000 im Alter von 89 Jahren in R. verstorbenen O. N. (geboren am 00.00.0000)
4Der verwitwet verstorbene Erblasser hinterließ kein Testament. Er hatte zwei Kinder, die Beteiligten zu 3. und 4.; die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Kinder des Beteiligten zu 4.
5Der Nachlass des Erblassers umfasst eine Immobilie (Wert: ca. 100.000,00 €), Bankguthaben (rd. 20.000,00 €) und ein Wohnmobil. Letzteres hatte der Beteiligte zu 4. schon vor dem Erbfall in seinem Besitz und nutzte es.
6Am Todestag holte der Beteiligte zu 4. aus dem Haus seines Vaters Versicherungsunterlagen für das Bestattungsunternehmen, den KFZ-Brief und Versicherungsunterlagen für das Wohnmobil.
7Am 22.03.2021 schlug der Beteiligte zu 4. die Erbschaft gegenüber dem Nachlassgericht aus jedem Berufungsgrund aus. Am 30.04.2021 übergab er das Familienstammbuch der Beteiligten zu 1.. Am 11.08.2021 meldete der Beteiligte zu 4. das Wohnmobil seines Vaters auf seinen Namen um. Am 19.10.2021 rief der Beteiligte zu 4. beim Nachlassgericht an und teilte mit, dass er die Erbausschlagung zurücknehmen wolle.
8Am 09.12.2021 hat die Beteiligte zu 1. beantragt, ihr einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, der sie, sowie die Beteiligten zu 2. und 3. als Miterben zu ¼ bzw. 1/2 ausweist (UR-NR. 1050/2021 des Notars Stefan Schröder in Bielefeld; Bl. 2 ff. GA I).
9Am 03.03.2022 hat der Beteiligte zu 4. beantragt, ihm einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, der ihn und seine Schwester, die Beteiligte zu 3., als Miterben zu je ½ ausweist (UR-Nr. 59/2022 des Notars Dr. jur. G. in T.; Bl. 14 ff. GA I).
10Durch Beschluss vom 01.07.2022 hat das Amtsgericht - Nachlassgericht - Herford die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1. erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Erbausschlagung des Beteiligten zu 4. sei rechtswirksam erfolgt. Insbesondere habe keine vorherige Annahme der Erbschaft vorgelegen. Durch die Inbesitznahme der Zulassungsunterlagen des Wohnmobils sei lediglich sein Besitz manifestiert worden. Damit sei er nicht Miterbe nach dem Erblasser geworden (Bl. 42 ff. GA I).
11Hiergegen hat der Beteiligte zu 4. mit Schreiben vom 22.07.2022 Beschwerde eingelegt (Bl. 48 GA I). Er hat sich auf seinen damaligen schlechten Gesundheitszustand berufen und behauptet, seine Kinder hätten ihn um sein Erbe betrogen.
12Der Senat hat durch Beschluss vom 10.03.2023 die Beschwerde des Beteiligten zu 4. zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Beteiligte zu 4. die Erbschaft nach seinem Vater gemäß §§ 1944 ff. BGB wirksam ausgeschlagen habe. Eine vorherige Annahme der Erbschaft gemäß § 1943 BGB sei nicht festzustellen. Soweit er sich nunmehr auf seinen schlechten Gesundheitszustand im Zeitpunkt der Erbausschlagung berufe, vermöge dies die Wirksamkeit der Erklärung vom 22.03.2021 nicht in Zweifel zu ziehen. Deren Unwirksamkeit lasse sich auch nicht daraus herleiten, dass der Beteiligte zu 4. behaupte, von seinen Kindern arglistig um seinen Erbteil gebracht worden zu sein (Bl. 119R- 121R GA I).
13Am 26.07.2023 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Herford den von der Beteiligten zu 1. beantragten Erbschein erteilt. Dieser weist die Beteiligte zu 3. als Erbin zu ½ und die Beteiligten zu 1. und 2. als Erben zu je ¼ nach dem Erblasser aus (Bl. 102 GA I). Mit Beschluss vom 27.07.2023 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Herford sodann den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 4. zurückgewiesen und diesbezüglich im Wesentlichen auf die Begründungen der vorangegangenen Entscheidungen verwiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses vom 27.07.2023 Bezug genommen (Bl. 104/105 GA I).
14Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 4. mit der Beschwerde. Im Übrigen beantragt er die Einziehung des auf Antrag der Beteiligten zu 1. erteilten Erbscheins.
15Er behauptet, zum Zeitpunkt seiner Ausschlagungserklärung nicht geschäftsfähig gewesen zu sein und nimmt unter anderem Bezug auf eine ärztliche Bescheinigung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. K. D. vom 03.08.2023.
16Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Herford hat der Beschwerde des Beteiligten zu 4. mit Beschluss vom 05.09.2023 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Hamm vorgelegt (Bl. 138 GA I).
17Der Beteiligte zu 4. hat daraufhin mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 18.10.2023 sowie vom 19.04.2024 nebst Anlagen (Bl. 18 ff, 38 ff. GA II) ergänzend Stellung bezogen.
18Die Akten 5 VI 217/21 Amtsgericht – Nachlassgericht – Herford sind informationshalber beigezogen worden.
19II.
20Die Beschwerde des Beteiligten zu 4. hat keinen Erfolg.
211.
22Das Rechtsmittel ist zwar zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß §§ 58 ff. FamFG eingelegt worden. Auch die Vorgabe des am 01.07.2023 in Kraft getretenen § 352e Abs. 3 n.F. wird gewahrt. Danach ist die Beschwerde gegen einen Feststellungsbeschluss in dem Fall, dass der Erbschein bereits erteilt worden ist, nur noch insoweit zulässig, als die Einziehung des Erbscheins verlangt wird. Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Herford den von der Beteiligten zu 1. beantragten Erbschein erteilt. Insofern macht der Beteiligte zu 4. im Beschwerdeverfahren zulässigerweise nunmehr die Einziehung des erteilten Erbscheins geltend.
232.
24Die Beschwerde ist jedoch in der Sache unbegründet. Denn das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 4. zu Recht zurückgewiesen. Für eine Einziehung des erteilten Erbscheins, § 2361 BGB, besteht demgemäß keine Veranlassung.
25a)
26Der Erblasser ist gem. § 1924 Abs.1, 3 BGB im Wege gesetzlicher Erbfolge von seiner Tochter, der Beteiligten zu 3., zu einem Anteil zu ½ und von den Kindern des Beschwerdeführers, den Beteiligten zu 1. und 2., zu je ¼ beerbt worden. An die Stelle des Beteiligten zu 4. als Sohn des Erblassers sind seine beiden Kinder getreten. Denn der Beteiligte zu 4. hat die Erbschaft nach seinem Vater durch formgerechte Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht am 22.03.2021 gem. §§ 1944 ff. BGB rechtswirksam ausgeschlagen.
27b)
28Der Wirksamkeit der Erbausschlagung steht nicht entgegen, dass der Beteiligte zu 4. im Zeitpunkt seiner Ausschlagungserklärung am 22.03.2021 geschäftsunfähig gewesen wäre. Hierzu lassen sich ausgehend von dem Vorbringen des Beteiligten zu 4. auch unter Berücksichtigung des vorliegend einschlägigen Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) keine tragfähigen Anhaltspunkte feststellen, die Anlass für weitere Prüfungen gegeben hätten.
29aa)
30Auch in Ansehung des Amtsermittlungsgrundsatzes gilt für das Erbscheinsverfahren eine objektive Feststellungslast. Danach trägt derjenige das Risiko, der für sich ein Erbrecht in Anspruch nimmt, für die Tatsachen, die sein Erbrecht begründen können. Dies wirkt sich hier zum Nachteil des Beteiligten zu 4. aus, der behauptet, Miterbe seines Vaters geworden zu sein, weil die von ihm am 22.03.2021 erklärte Erbausschlagung wegen seiner Geschäftsunfähigkeit unwirksam gewesen sei.
31Bei Erwachsenen kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sie geschäftsfähig sind, da die Geschäftsfähigkeit eines Erwachsenen nach dem Gesetz der Regelfall ist (MüKoBGB/Spickhoff, 9. Auflage 2021, BGB § 104 Rn. 61). Demgegenüber ist gemäß § 104 Nr. 2 BGB derjenige geschäftsunfähig, der sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Ein seiner Natur nach nicht nur vorübergehender, die freie Willensbildung ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit liegt vor, wenn der betroffene Mensch über einen länger andauernden Zeitraum hinweg zu freien Entscheidungen nach Abwägung des Für und Wider aufgrund einer sachlichen Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte nicht in der Lage ist, weil seine Erwägungen und Willensentschlüsse wegen krankhafter Geistesstörung oder Geistesschwäche nicht mehr auf einer der allgemeinen Verkehrsauffassung entsprechenden Würdigung der die Außenwelt prägenden Umstände und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden, krankhafte Vorstellungen und Gedanken oder durch unkontrollierte Triebe und Antriebskräfte oder die Einwirkung Dritter derart übermäßig beherrscht werden, dass von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann (Grüneberg/Ellenberger, 83. Auflage, § 104 BGB Rn. 3 ff.). Bloße Willensschwäche genügt für die Bejahung von Geschäftsunfähigkeit ebenso wenig wie fortschreitende Demenz. Selbst chronischer Alkoholmissbrauch rechtfertigt die Annahme von Geschäftsunfähigkeit nur dann, wenn durch den suchtbedingten Abbau der Persönlichkeit psychopathologische Störungen entstanden sind, die die freie Willensbildung ausschließen (OLG München, Urteil vom 02.11.2016, 3 U 1522/16, Rn. 24).
32bb)
33Nach § 354 in Verbindung mit §§ 352 ff. FamFG hat das Nachlassgericht unter Benutzung der vom Antragsteller angegebenen Beweismittel von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Dem entspricht verfahrensrechtlich § 26 FamFG, der verlangt, dass das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen hat. Welche Nachforschungen geboten sind, bestimmt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die von Amts wegen einzuleitenden und durchzuführenden Ermittlungen sind so weit auszudehnen, wie es die Sachlage erfordert; mit anderen Worten muss das Verfahren geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu erlangen. Die richterliche Aufklärungspflicht ist aber nur dann verletzt, wenn Ermittlungen, zu denen nach dem Sachverhalt als solchem und dem Vorbringen der Beteiligten Anlass bestand, nicht durchgeführt worden sind. Die Ermittlungen können abgeschlossen werden, wenn von weiteren Maßnahmen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist. Eine Grenze für die Amtsermittlung ist erreicht, wenn diese sozusagen „ins Blaue“ hinein geschähe oder das Gericht einer lediglich denkbaren, rein theoretischen Möglichkeit nachginge. Bei der Aufklärung haben die Beteiligten, wie sich aus § 27 Abs. 1 und 2 FamFG ergibt, durch eingehenden Tatsachenvortrag mitzuwirken. Ihrer Mitwirkungs- und Verfahrensförderungslast genügen sie, indem ihr Vortrag und die Bezeichnung geeigneter Beweismittel dem Gericht Anhaltspunkte dafür geben, in welche Richtung es seine Ermittlungen durchführen soll (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2013, 782; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. April 2015 – 11 Wx 82/14 –, juris).
34cc)
35Unter Zugrundelegung dieser Kriterien besteht - auch nach Auswertung der vom Beteiligten zu 4. eingereichten Unterlagen - keine Veranlassung, weitergehende Ermittlungen anzustellen. Vielmehr erscheint auch unter Berücksichtigung der nunmehr ergänzten ärztlichen Unterlagen die Behauptung des Beschwerdeführers, dass er bei Abgabe seiner Ausschlagungserklärung am 22.03.2021 geschäftsunfähig gewesen zu sein, substanzlos, mit der Folge, dass weitere Ermittlungen nicht geboten sind.
36(1)
37Durchgreifende Bedenken an der Plausibilität der Argumentation des Beteiligte zu 4. ergeben sich bereits daraus, dass er während des gesamten vorangegangenen Verfahrens sich selbst nicht auf eine vermeintliche Geschäftsunfähigkeit berufen hat, obwohl sich ein solcher Umstand – gerade auch aus juristischer Laiensicht – eigentlich hätte aufdrängen müssen. Seinen notariell beurkundeten Erbscheinsantrag vom 03.03.2022 stützte der Beteiligte zu 4. ausdrücklich nur auf die vermeintliche Annahme der Erbschaft (Bl. 14-16 GA I). Eine etwaige Geschäftsunfähigkeit im Zeitpunkt der Ausschlagungserklärung vom 22.03.2021 wurde hingegen nicht geltend gemacht, obwohl der Beteiligte zwischenzeitlich schon nahezu ein Jahr lang Zeit gehabt hätte, über die vorangegangenen Ereignisse zu reflektieren. Auch in seinem handschriftlichen Brief vom 15.06.2022 (Bl. 36 GA I) begründet der Beteiligte zu 4. die Unwirksamkeit der Erbschaftsausschlagungserklärung allein mit seiner vorherigen Annahme der Erbschaft. In dem selbstverfassten Beschwerdeschreiben des vorangegangenen Verfahrens (Bl. 48-50 GA I) schilderte der Beteiligte zu 4. zwar seinen nach einem stationären Krankenhausaufenthalt geschwächten Zustand, führte diesen aber auf ein schweres Herz- und Lungenversagen zurück. Im Übrigen brachte er zum Ausdruck, sich von seinen Kindern getäuscht zu fühlen. Ein Zusammenhang mit einer etwaigen eigenen Geschäftsunfähigkeit wird jedoch von dem Beteiligten zu 4. selbst nicht hergestellt und lässt sich auch anhand der detaillierten Schilderungen des Ablaufs der Vorbereitung und der Protokollierung der Erbausschlagungserklärung nicht anderweitig herleiten. Dementsprechend ist auch dem zuständigen Rechtspfleger bei der Entgegennahme der Ausschlagungserklärung am 22.03.2021 kein konkretes Anzeichen für eine mögliche geistige Beeinträchtigung des Beteiligten zu 4. aufgefallen (Bl. 54R GA I).
38(2)
39Die Widersprüchlichkeiten in dem Vorgehen des Beteiligten zu 4. lassen sich auch nicht anhand der vorgelegten ärztlichen Atteste auflösen. Denn sie liefern allesamt keine tragfähigen Anknüpfungspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit des Beteiligten zu 4. am 22.03.2021.
40(a)
41Der vorläufige „Entlassbrief“ des Klinikums T. vom 05.03.2021 (Bl. 21/22 und Bl. 52- 55 GA II) lässt zwar erkennen, dass der Beteiligte zu 4. in der Zeit nach dem Tod des Erblassers schwer erkrankt war. Seine stationäre Behandlung endete jedoch bereits am 05.03.2021 und erfolgte zudem in der Kardiologie (17.02.2021-22.02.2021) und in der Pneumologie (22.02.2021-05.03.2021). Eine „Reaktive Depression“ und „Borderline, Angststörung, Z.n. Suizidalität“ werden zwar in der Rubrik „Vorerkrankungen“ aufgeführt. Ein aktueller Zusammenhang mit einer Erkrankung, die auf eine Geschäftsunfähigkeit auch nur ansatzweise hindeuten könnte, wird daraus hingegen nicht ersichtlich. Unter „Allgemeiner körperlicher Untersuchungsbefund“ heißt es sogar: „ … Herr K. liegt ruhig auf der Liege, wirkt angespannt, er berichtet flüssig, aktuell keine Dyspnoe, keine erkennbaren Beschwerden, er berichtet weiterhin einen Druck im Kopf, der RR liegt aktuell bei 166/96 mmHg, der Pat. ist aufheiterbar, kann lachen. …“
42(b)
43Das Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K D. vom 16.03.2023 (Bl. 69 GA I, Bl. 45 GA II) schildert zwar, dass bei dem Beteiligten zu 4. auf die Beerdigung des Erblassers eine „ … lange Phase der psychischen und physischen Instabilität folgte. …“ . Dies mag als richtig unterstellt werden, lässt aber keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit am 22.03.2021 erkennen.
44Das weitere Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K D. vom 03.08.2023 beschränkt sich auf die pauschale Aussage, dass der Patient „aufgrund seiner psychischen Erkrankung“ am 22.03.2021 nicht geschäftsfähig gewesen sei (Bl. 20 GA II). Dabei wird kein konkreter Bezug zu eigenen Beobachtungen und Untersuchungen der attestierenden Ärztin hergestellt, so dass nicht ansatzweise verständlich wird, auf welche Tatsachenbasis und welchen Zeitpunkt sie ihre pauschale Bewertung stützen möchte.
45Soweit die Fachärztin für Allgemeinmedizin noch auf einen „Entlassungsbericht der Psychiatrie“ hinweist ( Bl. 20 GA II), konnte inzwischen geklärt werden, dass ein solcher nicht existiert. So hat die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K D. ihr vorgenanntes Attest mit Schreiben vom 08.04.2024 und klargestellt, dass der Beteiligte zu 4. zwar in eine psychiatrische Tagesklinik eingewiesen worden sei. „ Diese Therapie musste bereits am ersten Tag abgebrochen werden, ein Entlassungsbericht wurde konsekutiv nicht erstellt .“ ( Bl. 51 GA II). Damit können hieraus auch keine konkreten Rückschlüsse auf eine möglicherweise vorliegende Beeinträchtigung der Geschäftsfähigkeit gezogen werden.
46(c)
47Die ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. A. B. vom 14.03.2023 (Bl. 70 GA I, Bl. 47 GA II) ist für das vorliegende Verfahren nicht aussagekräftig. Der Mediziner führt darin selbst aus, dass er den Beteiligten nach einer Konsultation im April 2020 erst wieder am 15.02.2023 gesehen habe. In seiner weiteren ärztlichen Bescheinigung vom 15.06.2023 beschreibt er lediglich eine damals bestehende, schwere depressive Episode seines Patienten mit akuter Suizidgefahr wegen einer drohenden Insolvenz und Pfändung seines Eigenheimes (Bl. 48 GA II). Tragfähige Anhaltspunkte für den Zustand des Beteiligten zu 4. am maßgeblichen Stichtag der Ausschlagungserklärung, also am 22.03.2021, können hieraus nicht gezogen werden.
48Das gilt ebenso für das Schreiben des sozialpsychiatrischen Dienstes des Kreises T. vom 23.06.2023, in dem beschrieben wird, dass sich der Beteiligte zu 1. „fürchtet, durch Maßnahmen der Finanzbehörde sein Wohnhaus verlassen zu müssen“ (Bl. 49 GA II ). Denn auch dieses Schreiben bezieht sich wiederum auf die im Jahr 2023 diagnostizierte depressive Episode des Beteiligten zu 4.. Dementsprechend nimmt die Verfasserin, Dr. C. E., Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie, ihrerseits auch Bezug auf die von Dr. med. A. B. am 14.03.2023 und 15.06.2023 diagnostizierte Suizidgefahr bei dem Beschwerdeführer (Bl. 49/50 GA II).
49III.
50Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
51Die Festsetzung des Wertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40 I, 61 I GNotKG. Insofern ist der gesamte Nachlass in Bezug zu nehmen, zumal das Anliegen des Beteiligten zu 4. im Beschwerdeverfahren nunmehr auf die Einziehung des Erbscheins ausgerichtet ist.
52Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 70 Abs. 2 FamFG). Der Beschluss stellt eine Einzelfallentscheidung dar, deren wesentliche Grundlage die spezifische Würdigung des konkret-individuellen Sachverhalts bildet. Die Rechtssache besitzt weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.