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1. Das Verfahren nach § 64 Abs. 2 S. 3 EStG betrifft nicht die Festlegung, welchem Elternteil das Kindergeld letztlich zusteht. Es dient nur der Verwaltungsvereinfachung dahingehend, dass für die Familienkasse der Bezugsberechtigte eindeutig feststeht.
2. Bieten bei gemeinsamer elterlicher Sorge und bei Betreuung des Kindes in einem paritätischen Wechselmodell beide Elternteile gleichermaßen die Gewähr dafür, dass das Kindergeld zum Wohle des Kindes verwendet wird, kommt dem Kontinuitätsgesichtspunkt maßgebliche Bedeutung zu und besteht im Regelfall keine Veranlassung, die bislang praktizierte Handhabung abzuändern.
Die Beschwerde des Antragsgegners vom 16.06.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Siegen vom 06.06.2023 wird als unzulässig verworfen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 600,- € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind rechtskräftig geschiedene Eheleute.
4Aus der Ehe ist der gemeinsame Sohn E. V., geboren am 00.00.2012, hervorgegangen. Das Kind wird von den Beteiligten im paritätischen Wechselmodell betreut.
5Zunächst wurde das Kindergeld für E. an die Antragstellerin gezahlt. Im Frühjahr 2023 begehrte der Antragsgegner bei der Familienkasse die Auszahlung des Kindergeldes an sich. Dem widersprach die Antragstellerin. Daraufhin stellte die Familienkasse die Zahlung des Kindergeldes bis zur Klärung der Bezugsberechtigung ein.
6Durch Schriftsatz vom 11.04.2023 hat die Antragstellerin den Antrag gestellt, sie gemäß § 64 EStG als Bezugsberechtigte des Kindergeldes zu bestimmen. Der Antragsgegner hat die Zurückweisung des Antrages beantragt und darauf verwiesen, dass die Antragstellerin ihm das hälftige Kindergeld vorenthalte.
7Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Antragstellerin zur Berechtigten bestimmt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Werde das Kind im paritätischen Wechselmodell betreut, gelte es als in den Haushalt beider Eltern aufgenommen. Die Bezugsberechtigung richte sich in diesem Fall nach dem Kindeswohl. Böten – wie hier – beide Eltern die Gewähr dafür, dass das Kindergeld zum Wohle des Kindes verwendet werde, bestehe wegen des Kontinuitätsgedankens keine Veranlassung, die bisherige Berechtigung der Antragstellerin abzuändern.
8Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Er verweist weiter darauf, dass ihm die Antragstellerin den Zugang zum hälftigen Kindergeld verwehre. Dadurch sei die finanzielle Versorgung des Kindes eingeschränkt. Der Antragsgegner habe neben seiner (neuen) Ehefrau drei weitere Kinder zu versorgen. Er sei daher auf das Kindergeld für seinen Sohn E. angewiesen.
9II.
10Der Senat kann im schriftlichen Verfahren entscheiden, da das Verfahren nach § 64 EStG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erfordert und deshalb auch im Beschwerdeverfahren von der Durchführung einer solchen abgesehen werden kann (Sternal, in: Keidel, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 68 Rn. 74).
11Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Sie bleibt indes ohne Erfolg.
121.
13Sie ist bereits unzulässig.
14Bei dem Verfahren auf Bestimmung des Kindergeldberechtigten nach § 64 Abs. 2 S. 3 EStG handelt es sich um eine vermögensrechtliche Unterhaltssache im Sinne von § 231 Abs. 2 FamFG. Eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist deshalb – wenn das Ausgangsgericht sie nicht gemäß § 61 Abs. 3 FamFG zulässt, was hier nicht erfolgt ist – gemäß § 61 Abs. 1 FamFG nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 600,- € übersteigt (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 12.09.2013 – 2 WF 29/13, FamRZ 2014, 595).
15Das kann hier nicht festgestellt werden.
16a)
17Der Wert des Beschwerdegegenstandes bemisst sich nach dem Interesse des Antragsgegners an der Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin. Dieses Interesse kann nicht pauschal nach § 51 Abs. 3 FamGKG bemessen werden, sondern ist in entsprechender Anwendung der §§ 3 ff. ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers zu bestimmen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 31.05.2023 – 13 WF 83/23, juris). Der Beschwerdeführer hat konkrete Umstände vorzutragen, aus denen sich ein wirtschaftliches Interesse seinerseits ergibt, das den Wert von 600,- € übersteigt (OLG Hamm, a.a.O.).
18b)
19Daran fehlt es hier.
20Ein Beschwerdewert von mehr als 600,- € ergibt sich nämlich nicht schon daraus, dass der Beschwerdeführer darauf verweist, die Antragstellerin habe ihm für einen gewissen Zeitraum das hälftige Kindergeld „vorenthalten“. Denn das Verfahren nach § 64 Abs. 2 S. 3 EStG betrifft nicht die Festlegung, welchem Elternteil das Kindergeld letztlich zusteht. Es dient nur der Verwaltungsvereinfachung dahingehend, dass für die Familienkasse der Bezugsberechtigte eindeutig feststeht (OLG Brandenburg, a.a.O.). Es ist dem Antragsgegner unbenommen, seinen Anspruch auf das hälftige Kindergeld in den dafür vorgesehenen Verfahren geltend zu machen, namentlich entweder bei der Bestimmung des durch ihn zu zahlenden Kindesunterhaltes (vgl. zur Berechnung des Kindesunterhaltes als Barunterhalt bei Praktizierung des paritätischen Wechselmodells BGH, Beschluss vom 11.01.2017 – XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437) oder, wenn ein solcher Kindesunterhalt nicht geschuldet ist, ggf. als isolierten familienrechtlichen Ausgleichsanspruch (siehe dazu OLG Schleswig, Beschluss vom 21.01.2015 – 12 UF 69/14, FamRZ 2015, 965).
21Sonstige konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das Interesse des Antragsgegners daran, dass der Antragstellerin nicht die Bezugsberechtigung für das Kindergeld zugewiesen wird, den Wert von 600,- € übersteigt, sind nicht ersichtlich. Insbesondere fehlt es – trotz eines ausdrücklichen Hinweises auf das Vorstehende durch den Senat mit Beschluss vom 28.07.2023 – an näherem Vortrag dazu, welche Regelungen die Beteiligten zum Kindesunterhalt praktizieren und wie sich vor diesem Hintergrund der Verbrauch des Kindergeldes durch die Antragstellerin für den Antragsgegner konkret auswirkt. In seiner Stellungnahme vom 07.08.2023 verweist der Antragsgegner erneut nur darauf, dass die Kindesmutter das Kindergeld „unberechtigt“ vereinnahmt habe.
222.
23Im Übrigen wäre die Beschwerde aber auch unbegründet.
24Das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass § 64 Abs. 2 S. 3 EStG keine Regelung darüber trifft, nach welchen Kriterien über die Bezugsberechtigung zu entscheiden ist. Dessen ungeachtet ist anerkannt, dass Maßstab hierfür das Kindeswohl ist (vgl. nur KG, Beschluss vom 26.08.2019 – 13 WF 69/19, NJW-RR 2019, 1412).
25Ebenso zutreffend hat das Amtsgericht darauf abgestellt, dass hier nichts dafür ersichtlich ist, dass das Kindergeld bei der Antragstellerin nicht zum Wohle des Kindes verwendet würde. Auch in seiner Stellungnahme vom 07.08.2023 bringt der Antragsgegner dazu nichts vor.
26Bieten wie hier bei gemeinsamer elterlicher Sorge und bei Betreuung des Kindes in einem paritätischen Wechselmodell beide Elternteile gleichermaßen die Gewähr dafür, dass das Kindergeld zum Wohle des Kindes verwendet wird, kommt dem Kontinuitätsgesichtspunkt maßgebliche Bedeutung zu und besteht im Regelfall keine Veranlassung, die bislang praktizierte Handhabung abzuändern (vgl. KG, a.a.O.).
27Dem kann der Antragsgegner nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass er neben E. noch drei weitere Kinder und seine jetzige Ehefrau finanziell zu versorgen habe und dass er deshalb auf das hälftige Kindergeld angewiesen sei. Wie schon ausgeführt trifft das Verfahren nach § 64 Abs. 2 S. 3 EStG ohnehin keine Aussage über die materielle Berechtigung hinsichtlich des Kindergeldes. Es ist dem Antragsgegner wie dargelegt unbenommen, diesen Anspruch auf das hälftige Kindergeld entweder bei der Bemessung des durch ihn zu zahlenden Kindesunterhaltes oder als selbstständigen Anspruch gegen die Antragstellerin geltend zu machen. Die Antragstellerin hat mehrfach unwidersprochen darauf verwiesen, dass das Einkommen des Antragsgegners ihr eigenes Einkommen deutlich übersteige. Danach kommt in Betracht, dass der Antragsgegner – trotz des praktizierten paritätischen Wechselmodells – nach den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen (Beschluss vom 11.01.2017 – XII ZB 565/15, FamRT 2017, 437) Barunterhalt für das Kind schuldet. Selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, könnte der Antragsgegner den Anspruch auf das hälftige Kindergeld wie schon dargelegt als selbstständigen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch verfolgen. Auf Einzelheiten dazu kommt es aber hier nicht an. Denn für das rein formale Verfahren über die Bestimmung der Bezugsberechtigung nach § 64 Abs. 2 S. 3 FamFG sind diese Gesichtspunkte ohnehin unmaßgeblich. Der finanzielle Ausgleich zwischen den Eltern in Sachen des Kindesunterhaltes – und damit in materieller Hinsicht auch wegen des Kindergeldes – ist allein Sache des Unterhaltsrechts (KG, Beschluss vom 26.08.2019 – 13 WF 69/19, NJW-RR 2019, 1412).
28III.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
30Rechtsbehelfsbelehrung:
31Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
32Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG).