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Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.02.2020 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hagen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „A“ wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:
1. „Schnelle Wundheilung“,
jeweils sofern dies geschieht wie in Anlage K3, K4 und K5 wiedergegeben;
2. „Schnell. Effektiv. Für alle Wunden im Alltag.“,
sofern dies geschieht wie in Anlage K17 wiedergegeben.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und an den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH der Beklagten zu vollziehen ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Soweit sie zur Unterlassung verurteilt worden ist, kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 € abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e
2A.
3Der in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eingetragene Kläger ist ein eingetragener Verein mit Sitz in C. Zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Überwachung der Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs. Zu seinen (unmittelbaren oder mittelbaren) Mitgliedern gehören u.a. zahlreiche Ärzte und Apotheker sowie diverse Arzneimittel- und Medizinproduktehersteller (Übersicht Blatt 6-7 der Gerichtsakte sowie Mitgliederliste Blatt 52-112 der Gerichtsakte).
4Die Beklagte stellt Arzneimittel und Medizinprodukte her. Zu ihrem Sortiment an Medizinprodukten gehört seit mehreren Jahren ein hydroaktives Lipogel mit Zink und Eisen zur Behandlung akuter und chronischer Wunden, das sie ursprünglich – jedenfalls bis 2014 – unter der Produktbezeichnung „B® Wund- und Heilgel“ vertrieb und derzeit – jedenfalls seit 2018 – unter der Produktbezeichnung „A® SCHNELLE WUNDHEILUNG“ vertreibt.
5In den Monaten Juni und Juli 2014 führte die „E Institut für Angewandte Dermatologische Forschung GmbH“ mit Sitz in D eine von der Beklagten als „Sponsorin“ unterstützte klinische Studie zu den Wundheilungseigenschaften des streitgegenständlichen, damals noch unter der Produktbezeichnung „B® Wund- und Heilgel“ vertriebenen Produktes durch (englischsprachige Fassung des klinischen Studienberichts [auszugsweise]: Blatt 167-174 der Gerichtsakte; deutschsprachige Fassung des klinischen Studienberichts [auszugsweise]: Blatt 175-189 der Gerichtsakte; englischsprachige Veröffentlichung zu den Studienergebnissen in Aufsatzform: Blatt 300-308 sowie Blatt 386-394 der Gerichtsakte; deutschsprachige Veröffentlichung zu den Studienergebnissen in Aufsatzform: Blatt 313-333 sowie Blatt 395-415 der Gerichtsakte). Im Rahmen dieser randomisierten, beobachterverblindeten Studie mit intraindividuellem Vergleich wurden den Probanden mittels einer autoklavierten Handbürste an den Unterarmen jeweils drei standardisierte oberflächlich-abrasive Schürfwunden mit einem Durchmesser von jeweils ca. 1,0 cm beigebracht. Die jeweils erste Wunde wurde mit dem streitgegenständlichen Produkt behandelt, die jeweils zweite Wunde wurde lediglich durch eine schlichte Pflasterabdeckung behandelt, die jeweils dritte Wunde wurde mit dem (marktführenden) Konkurrenzprodukt „F Wund- und Heilsalbe“ behandelt. Nach 15 Tagen waren die mit dem streitgegenständlichen Produkt behandelten Wunden vollständig verschlossen, die mit dem Konkurrenzprodukt behandelten Wunden waren nahezu verschlossen (verbleibende mittlere offene Wundfläche: 0,003 cm2), die lediglich mit einer schlichten Pflasterabdeckung behandelten Wunden wiesen hingegen eine verbleibende mittlere offene Wundfläche von 0,075 cm2 auf (vgl. hierzu die Ergebniszusammenfassung auf Seite 8 der deutschsprachigen Fassung des klinischen Studienberichts [=Blatt 180 der Gerichtsakte]). Zudem wiesen die mit dem streitgegenständlichen Produkt behandelten Wunden zwischen dem dritten und dem achten Tag nach der Beibringung der Wunden im Vergleich zu den lediglich mit einer Pflasterabdeckung behandelten Wunden eine deutlich höhere Geschwindigkeit bei der Verringerung der verbleibenden offenen Wundfläche auf (vgl. hierzu das Liniendiagramm [Kurvenschar] links oben auf Blatt 391 der Gerichtsakte). Sonstige Studien zu den Wundheilungseigenschaften des streitgegenständlichen Produktes existierten bis zum Jahre 2020 nicht.
6Das streitgegenständliche Produkt wird an Verbraucher in einer Kunststofftube, die sich in einer Kartonumverpackung befindet, verkauft. Die Kunststofftube trug jedenfalls im Jahre 2018 auf ihrer Vorderseite folgende Aufschrift (Abbildung Anlage K4 = Blatt 141 der Gerichtsakte):
7„A® SCHNELLE WUNDHEILUNG
8Hydroaktives Lipogel mit Zink und Eisen zur Behandlung akuter und chronischer Wunden“
9Die gleiche Aufschrift befand sich jedenfalls im Jahre 2018 auch auf der Vorderseite der Kartonumverpackung (Abbildung Anlage K5 = Blatt 144 der Gerichtsakte). In der seit April 2018 verwendeten und ebenfalls mit dem Text „A® SCHNELLE WUNDHEILUNG – Hydroaktives Lipogel mit Zink und Eisen zur Behandlung akuter und chronischer Wunden“ überschriebenen Gebrauchsanweisung (Packungsbeilage) für das Produkt (Ablichtung [auszugsweise] Anlage K3 = Blatt 138 der Gerichtsakte) findet sich unter der Zwischenüberschrift „Zweckbestimmung“ folgender Text:
10„A® Schnelle Wundheilung ist ein Lipogel zur äußerlichen Behandlung von akuten Wunden (z. B. Schürf-, Schnitt-, Kratz- und Bisswunden* sowie Platz- und Risswunden) und Verbrennungen 1. und 2. Grades (Blasenbildung) sowie Sonnenbrand. A® Schnelle Wundheilung kann auch bei gereinigten, mäßig nässenden, nicht infizierten chronischen Wunden (Dekubitus 2. Grades) – hier nur unter Aufsicht von medizinischem Fachpersonal – verwendet werden.
11* Bei Bisswunden muss für die Erstbehandlung aufgrund der hohen Infektionsgefahr unbedingt ein Arzt aufgesucht werden.“
12Die Beklagte unterhält zum Zwecke der Werbung für das streitgegenständliche Produkt den Internetauftritt „www.a.de“. Jedenfalls bis zum 12.10.2018 enthielt dieser Internetauftritt in Bezug auf das streitgegenständliche Produkt unterhalb der Produktbezeichnung „A® SCHNELLE WUNDHEILUNG“ die Werbeaussage „SCHNELL. EFFEKTIV. Für alle Wunden im Alltag.“ (Internetausdruck Anlage K17 = Blatt 284-286 der Gerichtsakte).
13Im Juli 2018 bewarb die Beklagte das streitgegenständliche Produkt in der Zeitschrift „G Zeitung – Die Zeitschrift der deutschen Apotheker“ mit einer Werbeanzeige, die u.a. die folgende Werbeaussage enthielt: „A® überzeugt durch eine bis zu 5x schnellere Wundheilung.“ (Ablichtung Anlage K20 = Blatt 296-297 der Gerichtsakte).
14Mit Schreiben vom 12.10.2018 (Anlage K6 = Blatt 147-155 der Gerichtsakte) mahnte der Kläger die Beklagte, gestützt auf das Lauterkeitsrecht, ab. Die Werbeaussage „SCHNELL. EFFEKTIV. Für alle Wunden im Alltag.“ in dem Internetauftritt „www.a.de“ und die Werbeaussage „A überzeugt durch eine bis zu 5x schnellere Wundheilung.“ seien irreführend und damit unlauter. Der Kläger forderte die Beklagte zur Unterlassung und zur Erstattung von Abmahnkosten (Abmahnkostenpauschale) in Höhe von 178,50 € auf. Die Beklagte wies die erhobenen Forderungen mit Schreiben vom 22.10.2018 (Anlage K7 = Blatt 160-163 der Gerichtsakte) zurück.
15Im Jahre 2019 ließ die Beklagte über die Testplattform „PTA-In-Love“ eine Umfrage zu dem streitgegenständlichen Produkt bei Pharmazeutisch-Technischen Assistenten/Assistentinnen (PTA) durchführen (Ergebnisübersicht: Blatt 607-609 sowie Blatt 620-622 der Gerichtsakte).
16Im Jahre 2020 veröffentlichten die Mediziner H und I eine Studie über die Wundheilungseigenschaften des streitgegenständlichen Produktes bei Patienten mit Punktion der Vena jugularis (Halsvene) nach Entfernung eines Shaldon-Katheters (Dialysekatheter zur Akutdialyse) (deutschsprachige Fassung der Veröffentlichung in Aufsatzform: Blatt 749-762 der Gerichtsakte; englischsprachige Fassung der Veröffentlichung in Aufsatzform: Blatt 726-743, Blatt 769-785 sowie Blatt 891-899 der Gerichtsakte).
17Der Kläger hat gegenüber dem Landgericht erklärt, er mache mit der vorliegenden Klage ausschließlich Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geltend. Die in der Produktbezeichnung „A® SCHNELLE WUNDHEILUNG“ enthaltene Werbeaussage „Schnelle Wundheilung“ sowie die Werbeaussagen „SCHNELL. EFFEKTIV. Für alle Wunden im Alltag.“ und „A überzeugt durch eine bis zu 5x schnellere Wundheilung.“ seien irreführend und damit unlauter. Das Versprechen einer „schnellen Wundheilung“ im Rahmen der Produktbezeichnung sowie die Werbeaussage „SCHNELL. EFFEKTIV. Für alle Wunden im Alltag.“ verstehe der angesprochene Verkehr zum einen dahin, dass nach der Anwendung des Produktes „schnell“ ein Erfolg in Form einer Wundheilung eintrete, und zum anderen dahin, dass die angepriesene „schnelle“ Heilung bei allen von der Beklagten auf den Produktverpackungen und in der Gebrauchsanweisung (Packungsbeilage) genannten Wundarten – d.h. bei allen akuten und chronischen Wunden (jedenfalls „Alltags“-Wunden) – eintrete. Ein Verbraucher, der das Produkt als medizinischer Laie erwerbe, rechne damit, dass seine jeweilige Wunde nach der Anwendung des Produktes „innerhalb kurzer Zeit“ – d.h. innerhalb von wenigen Tagen – verheile. Ein entsprechendes Verständnis wecke die Werbung der Beklagten auch bei Ärzten und Apothekern. Diese Werbeversprechen der Beklagten seien indes wissenschaftlich nicht belegt. Die klinische Studie aus dem Jahre 2014 belege die Werbeversprechen der Beklagten nicht. Die darin beschriebenen Wundheilungseigenschaften (Wundheilungsgeschwindigkeiten) des streitgegenständlichen Produktes stellten keinesfalls eine „schnelle Wundheilung“ im Sinne des Verständnisses der angesprochenen Verkehrskreise, insbesondere der von der Werbung der Beklagten angesprochenen Verbraucher, dar. Zudem seien die Ergebnisse der Studie auf andere Wundarten als die in der Studien untersuchten – letztlich praxis- und alltagsfernen – unter sterilen Bedingungen beigebrachten oberflächlich-abrasiven Schürfwunden nicht übertragbar. Die im Jahre 2020 veröffentlichte – neue – Studie sei für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Relevanz, weil sie im hier in Rede stehenden Tatzeitraum – im Jahre 2018 – noch nicht existiert habe.
18Der Kläger hat beantragt,
19I. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „A“ wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:
201. „Schnelle Wundheilung“,
21jeweils sofern dies geschieht wie in Anlage K3, K4 und K5 wiedergegeben;
222. „Schnell. Effektiv. Für alle Wunden im Alltag.“,
23sofern dies geschieht wie in Anlage K17 wiedergegeben;
243. „A überzeugt durch eine bis zu 5x schnellere Wundheilung.“,
25sofern dies geschieht wie in Anlage K20 wiedergegeben;
26II. die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
27Die Beklagte hat beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die in der klinischen Studie aus dem Jahre 2014 beschriebenen Wundheilungseigenschaften (Wundheilungsgeschwindigkeiten) des streitgegenständlichen Produktes stellten eine „schnelle Wundheilung“ dar. Die Studie belege, dass die Anwendung des Produktes zu einer Wundheilung führe, die im Vergleich zu einer (abgesehen von einer Pflasterabdeckung) unbehandelten Wundheilung schneller sei. Die vom Kläger beanstandeten Werbeaussagen stellten genau auf diesen Umstand ab und seien damit zutreffend. Die Ergebnisse der Studie seien auch auf alle anderen Wundarten übertragbar, weil die Wundheilung bei allen Wundarten grundsätzlich nach denselben Abläufen und biologischen Gesetzmäßigkeiten erfolge. Es sei daher unzutreffend, dass zur Untersuchung der Wundheilungseigenschaften des streitgegenständlichen Produktes jede einzelne Wundart gesondert zu untersuchen sei. Die Beklagte hat hierzu auf eine von ihr vorgelegte Stellungnahme des Facharztes für Dermatologie H vom 22.01.2017 (Blatt 427-441 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
30Im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Parteien, nachdem es insoweit zwischen ihnen zu einer außergerichtlichen Einigung gekommen war, den Rechtsstreit teilweise, nämlich hinsichtlich der Klageanträge zu I.3. und II., übereinstimmend für erledigt erklärt.
31Mit dem angefochtenen, am 28.02.2020 verkündeten Urteil hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hagen die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits zu 2/3 dem Kläger und zu 1/3 der Beklagten auferlegt. Die Kostenentscheidung zum Nachteil der Beklagten betrifft den von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärten Teil des Rechtsstreits und beruht auf § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO.
32Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
33Der Kläger beantragt,
34das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „A“ wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:
351. "Schnelle Wundheilung“,
36jeweils sofern dies geschieht wie in Anlage K3, K4 und K5 wiedergegeben;
372. „Schnell. Effektiv. Für alle Wunden im Alltag.“,
38sofern dies geschieht wie in Anlage K17 wiedergegeben.
39Die Beklagte beantragt,
40die Berufung zurückzuweisen.
41Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
42Der Senat hat durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und durch mündliche Anhörung des Sachverständigen K Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 31.03.2022 (Blatt 1057-1082 der Gerichtsakte) und auf das Sitzungsprotokoll vom 01.12.2022 (Blatt 1132-1135 der Gerichtsakte) verwiesen.
43Soweit in den Gründen dieses Urteils weitere Fundstellen in der Gerichtsakte angegeben sind, wird wegen der Einzelheiten auf die dort befindlichen Dokumente verwiesen.
44B.
45Die – zulässige – Berufung des Klägers ist begründet. Die Klage ist, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, zulässig und begründet.
46I. Zulässigkeit der Klage
47Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger für die vorliegende Unterlassungsklage klagebefugt nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die Beklagte stellt die Klagebefugnis des Klägers und die Behauptungen des Klägers hierzu spätestens seit ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 13.12.2019 (Blatt 687-689 der Gerichtsakte) nicht mehr in Abrede.
48II. Begründetheit der Klage
49Die Klage ist, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, in vollem Umfang begründet. Die vom Kläger mit seinen Berufungsanträgen zu 1. und 2. geltend gemachten Unterlassungsansprüche finden ihre Grundlage jeweils in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 a.F., § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 n.F. UWG. Die vom Kläger mit seinen Berufungsanträgen zu 1. und 2. beanstandeten Werbeaussagen der Beklagten enthalten, jedenfalls soweit sie sich an Verbraucher richten, zur Täuschung geeignete Angaben über die von der Verwendung des Produktes „A“ zu erwartenden Ergebnisse bei der Wundheilung. Die hierin liegenden Irreführungen der Verbraucher sind auch jeweils geschäftlich relevant.
50Wird – wie im vorliegenden Falle – in der Werbung auf die Gesundheit Bezug genommen, gelten besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen (BGH, GRUR 2002, 182 [Das Beste jeden Morgen]). Dies rechtfertigt sich durch die besondere Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und die hohe Werbewirksamkeit gesundheitsbezogener Aussagen (BGH, GRUR 2013, 649 [Basisinsulin mit Gewichtsvorteil]; BGH, GRUR 2021, 513 [J]). Mit einer gesundheitsfördernden Wirkung eines Präparats darf nicht geworben werden, wenn diese Wirkung wissenschaftlich umstritten ist (BGH, GRUR 2002, 273 [L]), es sei denn, in der Werbung wird auf die Gegenmeinung hingewiesen (BGH, GRUR 2013, 649 [Basisinsulin mit Gewichtsvorteil]). Generell sind Angaben mit fachlichen Aussagen nur dann zulässig, wenn der Werbende die wissenschaftliche Absicherung seiner Aussage dartun kann (BGH, GRUR 1991, 848 [M]; BGH, GRUR 2013, 649 [Basisinsulin mit Gewichtsvorteil]; BGH, GRUR 2021, 513 [J]). Diesen Anforderungen werden die vom Kläger beanstandeten Werbeaussagen der Beklagten nicht gerecht.
511. Berufungsantrag zu 1.
52a) „Schnelle Wundheilung“ (Anlage K3)
53aa) Die Werbeaussage „Schnelle Wundheilung“ (als Bestandteil der Produktbezeichnung des streitgegenständlichen Produktes) in der Überschrift und im Text der Gebrauchsanweisung (Packungsbeilage) enthält zur Täuschung geeignete Angaben über die von der Verwendung des Produktes zu erwartenden Ergebnisse bei der Wundheilung.
54(1) Die Werbeaussage richtet sich jedenfalls auch an Verbraucher. Die Mitglieder des erkennenden, ständig mit lauterkeitsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten befassten Senats gehören diesem Verkehrskreis an und können dessen Verkehrsverständnis im Hinblick auf die Werbeaussage der Beklagten aus eigener Sachkunde und Erfahrung selbst beurteilen. Zugrundezulegen ist hierbei das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt. Hiernach gilt Folgendes:
55(a) Das Verkehrsverständnis der von der Werbeaussage angesprochenen Verbraucher entspricht nicht dem Verständnis des von der Aussage ebenfalls angesprochenen Fachkreises der beruflich mit der Behandlung von Wunden befassten Ärzte, das der gerichtlich bestellte Sachverständige K dem Senat beschrieben hat. Danach ist für den Mediziner eine „schnelle Wundheilung“ eine Wundheilung, bei der die physiologischen Heilungsprozesse möglichst ungestört und möglichst gut ineinandergreifend hintereinander ablaufen, was bei der sogenannten „feuchten Wundheilung“ – z.B. durch Anwendung des streitgegenständlichen Produktes – grundsätzlich gewährleistet sei. Der medizinisch regelmäßig nicht vorgebildete Durchschnittsverbraucher legt hingegen bei der Bewertung der hier in Rede stehenden Werbeaussage den Fokus nicht auf die – ihm regelmäßig im Einzelnen auch gar nicht bekannten – physiologischen und biologischen Prozesse, die bei einer Wundheilung hintereinander ablaufen. Er hat keinerlei Veranlassung, das Adjektiv „schnell“ in dem Begriff „schnelle Wundheilung“ nicht als unmittelbaren Hinweis auf die „Wundheilungsgeschwindigkeit“ als Quotienten aus „Wundheilung“ (im Sinne eines für den Anwender sichtbaren Wundheilungserfolges) und „Zeit“ aufzufassen.
56(b) Bei der Ermittlung des Verbraucherverständnisses ist neben diesem begrifflichen Verständnis auch die Art und Weise, in der die Beklagte die in Rede stehende Werbeaussage präsentiert, zu berücksichtigen. Der Begriff „schnelle Wundheilung“ ist als Bestandteil der Produktbezeichnung in der Gebrauchsanweisung (Packungsbeilage) nicht nur an prominenter, besonders herausgehobener Stelle in der Überschrift, sondern bei jeder Erwähnung des Produktes im Text zu finden und damit omnipräsent. Eine derart plakative – „vollmundige“ – Herausstellung einer Werbeaussage korrespondiert nach dem Verständnis der angesprochenen Verbraucher auch mit einem besonders hervorhebungswürdigen Inhalt dieser Werbeaussage. Der angesprochene Verbraucher geht davon aus, dass die „schnelle Wundheilung“ ein besonderes Merkmal des streitgegenständlichen Produktes ist, das dieses Produkt im Wettbewerbsumfeld von Produkten zur Wundversorgung und –behandlung besonders auszeichnet, und dass das streitgegenständliche Produkt den Verbrauchererwartungen an eine „schnelle Wundheilung“, d.h. an die durch die Anwendung des Produktes hervorgerufene „Wundheilungsgeschwindigkeit“, in besonders hervorzuhebender Weise genügt. Die Verbrauchererwartungen an eine „schnelle Wundheilung“ betreffen dabei nicht nur den Endzeitpunkt der Wundheilung, also den Zeitpunkt, zu dem die Wundheilung vollständig abgeschlossen ist, und nicht nur „Zwischenphasen“ im Verlauf der Wundheilung, sondern auch – wenn nicht sogar in ganz besonderem Maße – den Beginn der Wundheilung, also den Zeitpunkt unmittelbar nach der Entstehung der Wunde, weil der Durchschnittsverbraucher davon ausgeht, dass gerade eine „frische“ Wunde besonders anfällig für Infektionen, Entzündungen und Fehlentwicklungen im Wundheilungsprozess, die später zu einer Narbenbildung führen können, ist. Vor diesem Hintergrund versteht der Verbraucher die in Rede stehende Werbeaussage – entgegen der von der Beklagten im Verlaufe des Rechtsstreits geäußerten Auffassung – nicht lediglich dahin, dass die Anwendung des streitgegenständlichen Produktes im Vergleich mit einer lediglich mit einem herkömmlichen Pflaster abgedeckten Wunde zu einer – und sei es auch nur geringfügig – schnelleren Wundheilung führt, sondern vielmehr dahin,
57dass die Wundheilung bei Anwendung des streitgegenständlichen Produktes in jeder Phase des Wundheilungsprozesses – also auch und gerade zu Beginn des Wundheilungsprozesses unmittelbar nach der Entstehung der Wunde – mit einer deutlich/signifikant höheren Wundheilungsgeschwindigkeit abläuft als bei einer gleichartigen unbehandelten (gegebenenfalls lediglich mit einem Pflaster abgedeckten) Wunde und
dass dies für alle in der Gebrauchsanweisung genannten Wundarten gleichermaßen gilt.
Aussagen, die dieses Verkehrsverständnis zu Gunsten der Beklagten relativieren könnten, enthält die Gebrauchsanweisung nicht. Dass die von der Beklagten in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführte „PTA-In-Love“-Umfrage, die nicht einmal ansatzweise den anerkannten wissenschaftlichen Standards für die demoskopische Ermittlung des Verkehrsverständnisses einer bestimmten Aussage genügt, für die Bestimmung des maßgeblichen Verbraucherverständnisses ohne Relevanz ist, bedarf keiner näheren Erläuterung.
61(2) Eine derartige Wirksamkeit des streitgegenständlichen Produktes ist wissenschaftlich nicht belegt. Im hier in Rede stehenden Tatzeitraum – im Jahre 2018 – existierte zur Wirksamkeit des streitgegenständlichen Produktes allein die klinische Studie aus dem Jahre 2014. Diese Studie trägt die hier in Rede stehende Werbeaussage im Sinne des oben dargestellten Verbraucherverständnisses indes nicht.
62(a) Die Ergebnisse dieser Studie im Hinblick auf die Wundheilungsgeschwindigkeit ergeben sich aus dem Liniendiagramm links oben auf Blatt 391 der Gerichtsakte. Diese graphische Darstellung zeigt indes, dass das streitgegenständliche Produkt (in der Graphik mit „Product“ gekennzeichnet) in den ersten drei Tagen nach der Wundentstehung lediglich zu einer – im Vergleich zur bloßen Abdeckung mit einem Pflaster (in der Graphik mit „Traditional“ gekennzeichnet) – geringfügig (und nicht deutlich oder signifikant) höheren Wundheilungsgeschwindigkeit führt. Eine deutlich höhere Wundheilungsgeschwindigkeit verursacht das streitgegenständliche Produkt lediglich zwischen dem dritten und dem achten Tag, also nur in einer „Zwischenphase“ des Wundheilungsprozesses; dies entspricht im Übrigen auch im Wesentlichen den Beobachtungen zu dem ebenfalls dem Bereich der „feuchten Wundheilung“ zuzurechnenden Konkurrenzprodukt „F Wund- und Heilsalbe“ (in der Graphik mit „Reference“ gekennzeichnet). Dieses Studienergebnis bleibt hinter der durch die hier in Rede stehende Werbeaussage geweckten Verbrauchererwartung zurück.
63(b) Selbst wenn – was nicht der Fall ist – die vorstehend dargestellten Studienergebnisse zur Wundheilungsgeschwindigkeit den Verbrauchererwartungen zu einer „schnellen“ Wundheilung entsprächen, existierte im hier in Rede stehenden Tatzeitraum – und existiert letztlich bis zum heutigen Tage – kein wissenschaftlicher Beleg dafür, dass diese Studienergebnisse auf andere Wundarten als die in der Studie untersuchten oberflächlich-abrasiven Schürfwunden übertragbar sind. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat zwar ausgeführt, dass das Ergebnis der klinischen Studie aus dem Jahre 2014 nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis insoweit auf andere Wundarten übertragbar sei, als die Studie gezeigt habe, dass das streitgegenständliche Produkt die Wundheilung fördere, und als die Studie eine Tendenz habe erkennen lassen, dass die Anwendung des streitgegenständlichen Produktes „besser“ für die Wundversorgung gewesen sei als die (bloße) Versorgung mit einem Pflaster. Dieses „allgemein formulierte“ Ergebnis der Studie stellt der Kläger auch gar nicht in Abrede. Auf ausdrückliche Nachfrage des Senats bei seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige indes ausgeführt, es könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass bei der Behandlung anderer Wundarten mit dem streitgegenständlichen Produkt eine konkrete Entwicklung der Wundheilungsgeschwindigkeit zu beobachten sein werde, die dem Kurvenverlauf in dem Liniendiagramm links oben auf Blatt 391 der Gerichtsakte entspreche. Dies müsse vielmehr für andere Wundarten konkret untersucht werden. Diese Aussage des Sachverständigen ist überzeugend: So hat die im Jahre 2020 veröffentlichte – weitere – Studie für den dort untersuchten speziellen Wundtyp eine Entwicklung der Wundheilungsgeschwindigkeit gezeigt (vgl. die graphische Darstellung auf Blatt 742 der Gerichtsakte), die mit der aus dem Liniendiagramm links oben auf Blatt 391 der Gerichtsakte hervorgehenden Entwicklung der Wundheilungsgeschwindigkeit in ihren Einzelheiten nicht übereinstimmt.
64(3) Der Senat kann vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen dahinstehen lassen, ob die hier in Rede stehende Werbeaussage auch deshalb irreführend ist, weil die Gebrauchsanweisung für das streitgegenständliche Produkt in der dem Senat vorliegenden Form (Anlage K3 = Blatt 138 der Gerichtsakte) keinen hinreichenden Hinweis darauf enthält, dass das streitgegenständliche Produkt bei infizierten oder entzündeten Wunden nicht angewendet werden sollte. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat bei seiner mündlichen Anhörung durch den Senat überzeugend ausgeführt, dass das Produkt bei infizierten oder entzündeten Wunden nicht angewendet werden sollte, weil ein feuchtes Wundmilieu zur Vermehrung von Keimen führen kann. Die Gebrauchsanweisung für das streitgegenständliche Produkt in der dem Senat vorliegenden Form enthält einen entsprechenden Hinweis indes allenfalls für die darin erwähnten chronischen Wunden (Dekubitus) und für Bisswunden. Für alle anderen in der Gebrauchsanweisung aufgeführten Wundarten fehlt ein derartiger Hinweis, so dass der Leser der Gebrauchsanweisung sogar den – unzutreffenden – Umkehrschluss ziehen könnte, dass eine Wundinfektion oder Entzündung bei diesen anderen Wundarten keine Kontraindikation für die Anwendung des Produktes ist.
65bb) Die Irreführung durch die Beklagte ist auch geschäftlich relevant. Die in Rede stehende Werbeaussage der Beklagten ist insbesondere dazu geeignet, den Verbraucher zu einem Nachkauf des Produktes zu bewegen, auch wenn die Anwendung des Produktes nach dem erstmaligen Erwerb nicht seinen Erwartungen zur Wundheilungsgeschwindigkeit entsprochen hat.
66cc) Anhaltspunkte, die geeignet wären, die aufgrund der begangenen Wettbewerbsverletzung tatsächlich zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.
67b) „Schnelle Wundheilung“ (Anlage K4)
68Die Werbeaussage „Schnelle Wundheilung“ auf der Kunststofftube, die dort ebenso plakativ und besonders herausgestellt erscheint wie die gleichlautende Aussage in der Gebrauchsanweisung, ist nach dem Vorgesagten ebenfalls irreführend. Die Ausführungen oben unter a) aa) gelten mit der Maßgabe entsprechend, dass der Verbraucher, dem lediglich die Tube vorliegt, die Wirkungsangabe „schnelle Wundheilung“ für das streitgegenständliche – ohne Verschreibungspflicht frei verkäufliche – Produkt auf alle alltäglichen Wundarten bezieht, zu denen der Verbraucher die in der Gebrauchsanweisung aufgeführten chronischen Wunden (Dekubitus) nicht zählen dürfte.
69Die Irreführung ist auch geschäftlich relevant. Die Ausführungen oben unter a) bb) gelten entsprechend.
70Anhaltspunkte, die geeignet wären, die aufgrund der begangenen Wettbewerbsverletzung tatsächlich zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.
71c) „Schnelle Wundheilung“ (Anlage K5)
72Ein Unterlassungsanspruch besteht auch wegen der Werbeaussage „Schnelle Wundheilung“ auf der Kartonumverpackung. Die Ausführungen oben unter b) gelten insoweit entsprechend.
732. Berufungsantrag zu 2.
74Ein Unterlassungsanspruch besteht schließlich auch wegen der Werbeaussage „Schnell. Effektiv. Für alle Wunden im Alltag.“ in der Anlage K17. Diese Werbeaussage findet sich dort in unmittelbarer Nähe zu der Angabe der Produktbezeichnung „A® SCHNELLE WUNDHEILUNG“ und wird vom angesprochenen Verkehr, jedenfalls soweit es sich um Verbraucher handelt, als schlichte Wiederholung der Wirkungsangabe „schnelle Wundheilung“ in einer leicht abgewandelten Formulierung verstanden. Vor diesem Hintergrund gelten die Ausführungen oben unter 1. für diese Werbeaussage entsprechend.
75C.
76Die Kostenentscheidung im Hinblick auf die mit den Berufungsanträgen zu 1. und 2. geltend gemachten Ansprüche beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, verbleibt es bei der vom Landgericht getroffenen Kostenentscheidung; die Beklagte hat diese Kostenentscheidung nicht angefochten.
77Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
78Anlass für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) besteht nicht.