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Aus der durch eine vorangegangene Abmahnung begründeten wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung eigener Art kann sich für den Verletzer, der sich nicht des der Abmahnung beigefügten Entwurfs einer Unterlassungserklärung bedient, sondern stattdessen eine eigene Erklärung formuliert, eine Pflicht zur Aufklärung ergeben, inwieweit er hierdurch seine Unterlassungspflichten – stillschweigend und insofern womöglich auf eine gewisse Art und Weise „listig“ – abweichend von den üblichen Gepflogenheiten begrenzen will, wenn er gleichzeitig in einem Begleitschreiben den Eindruck vermittelt, sämtliche Beanstandungen des Abmahnenden vorbehaltlos zu akzeptieren (hier bejaht, Fortführung von BGH, Versäumnisurteil vom 09.02.2023 – I ZR 61/22 – Kosten für Abschlussschreiben III).
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das am 16.08.2022 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum (Az. 16 O 22/22) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.02.2022 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, insgesamt höchstens zwei Jahre, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern ihrer Komplementär-GmbH, zu unterlassen, im Internet zu Zwecken des Wettbewerbs
1. visuell wahrnehmbar für ein bestimmtes Modell eines Haushaltsgeschirrspülers, einer Kühl- und/oder Gefrierkombination und/oder eines Backofens zu werben und/oder werben zu lassen und dabei das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen nicht anzugeben, wenn dies wie aus den Anlagen K4, K5, K6, K9 und K10 ersichtlich geschieht,
und/oder
2. für ein bestimmtes Haushaltselektrogerät zu werben und/oder werben zu lassen und dabei nicht die Typenbezeichnung anzugeben, wenn dies wie aus den Anlagen K4 und K5 ersichtlich geschieht;
und/oder
3. visuell wahrnehmbar für ein bestimmtes Modell eines Haushaltsgeschirrspülers zu werben und/oder werben zu lassen und dabei nicht die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Energieeffizienzklassen in einer korrekten Darstellung eines grafischen Pfeils anzugeben, wenn dies wie aus der Anlage K7 ersichtlich geschieht;
und/oder
4. im Fernabsatz eines Haushaltsgeschirrspülers nicht dessen aktuell gültiges Label bereitzustellen, wenn dies wie aus der Anlage K7 ersichtlich geschieht.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 440,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 220,00 € seit dem 12.02.2022 und aus weiteren 220,00 € seit dem 19.02.2022 zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 60.000,00 € abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 71.000,00 € festgesetzt. Hiervon entfallen 23.667,00 € auf die Berufung des Klägers und 47.333,00 € auf die Berufung der Beklagten.
Gründe:
2I.
3A nimmt die Beklagte, die an fünf Standorten Einrichtungshäuser sowie einen Onlineshop („Internet-Adresse 01“) betreibt, auf Unterlassung, Zahlung von zwei Vertragsstrafen sowie Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
4Die Parteien streiten u. a. um die Frage, ob sich die Verpflichtung zur Angabe des Spektrums der verfügbaren Effizienzklassen bei der Bewerbung von bestimmten Elektrogeräten – hier: Haushaltsgeschirrspülern, Kühl-/Gefrierkombinationen und Backöfen – unmittelbar aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) der Verordnung (EU) 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2017 zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/30/EU (im Folgenden: VO (EU) 2017/1369) ergibt, oder ob es insoweit erst des Erlasses Delegierter Rechtsakte für die jeweilige Produktgruppe bedarf.
5Mit Schreiben vom 10.08.2020 (Anlage K1) mahnte der Kläger die Beklagte wegen eines – seiner Ansicht nach erfolgten – Verstoßes gegen die VO (EU) 2017/1369 ab und forderte sie unter Fristsetzung bis zum 17.08.2020 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, weil die Beklagte Einbauküchen inkl. verschiedener Elektroeinbaugeräte (Backöfen, Kühlgeräte, Geschirrspüler, Dunstabzugshauben) beworben hatte, ohne dabei die Energieeffizienzklasse sowie das jeweilige Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Energieeffizienzklassen anzugeben. Mit anwaltlichem Antwortschreiben vom 21.08.2020 (Anlage K2), in welchem der jetzige Prozessbevollmächtigte der Beklagten – was er sowohl erstinstanzlich als auch im Senatstermin vom 11.05.2023 auf Nachfrage klargestellt hat – versehentlich die B GmbH & Co. KG, eine Schwestergesellschaft der Beklagten, als seine Mandantschaft bezeichnete, Erklärungen aber unstreitig namens und in Vollmacht der hiesigen Beklagten abgab, ließ die Beklagte darauf hinweisen, dass die von ihr online angebotenen Einbauküchen grundsätzlich ordnungsgemäß gekennzeichnet seien. Lediglich bei zwei Einbauküchen sei dies versehentlich entgegen bestehender Arbeitsanweisungen unterblieben, mittlerweile aber korrigiert worden. „Von daher“ bedürfe „es auch keiner weiteren rechtlichen Diskussionen dazu, dass die“ vom Kläger „beanstandeten Angaben bei den beanstandeten Küchen ebenfalls angegeben werden.“
6Die zugleich von den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten formulierte Unterlassungserklärung, wonach die Beklagte sich verpflichtete, „…es zu unterlassen,
7a)
8die Einbauküche C wie nachstehend wiedergegeben zu bewerben:
9…
10und/oder
11b)
12die Einbauküche D wie nachstehend wiedergegeben zu bewerben:
13…“
14und darüber hinaus erklärte „Für den Fall der zukünftigen, schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungserklärung verpflichtet sich unsere Mandantin zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 5.500,00 € an Ihre Mandantin.“ nahm der Kläger nach weiterer Korrespondenz (Anlage K3), auf die Bezug genommen wird, an.
15Nachdem der Kläger im Januar 2022 von der nunmehr streitgegenständlichen Werbung (Anlagen K4 bis K10) auf der Internetseite „Internet Adresse 01“ Kenntnis erlangt hatte, mahnte er die Beklagte mit Schreiben vom 26.01.2022 (Anlage K11) erneut ab, forderte sie unter Fristsetzung bis zum 11.02.2022 zur Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung sowie unter weiterer Fristsetzung bis zum 18.02.2022 zur Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 290,00 € auf. Zugleich forderte er die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 11.02.2022 zur Zahlung von Vertragsstrafen in Höhe von insgesamt 19.000,00 € auf – 2 x 5.500,00 € aus der Unterlassungserklärung vom 21.08.2020 und weitere 2 x 4.000,00 € aus einer anderen Unterlassungsvereinbarung vom 09.04.2014, wobei letztere Vertragsstrafenansprüche mit der vorliegenden Klage nicht weiterverfolgt werden.
16Ferner mahnte der Kläger die Beklagte mit demselben Schreiben erstmals wegen weiterer Verstöße im Zusammenhang mit Werbung für Haushaltsgeschirrspüler ab, forderte sie unter Fristsetzung bis zum 04.02.2022 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie unter weiterer Fristsetzung bis zum 11.02.2022 zur Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 290,00 € auf.
17Mit Antwortschreiben vom 11.02.2022 wiesen die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Ansprüche zurück, gaben aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wegen gerügter Verstöße betreffend Werbung für Geschirrspüler und Haushaltskühlgeräte im Onlineshop der Beklagten ab, die der Kläger jedoch für unzureichend hält.
18Im Termin vom 16.08.2022 hat der Kläger ausweislich des Protokolls die Anträge aus der Klageschrift vom 22.03.2022 gestellt, hinsichtlich der Klageanträge zu Ziff. II 1. und 3. jedoch mit der Maßgabe, dass es – konkretisierend – statt „Geschirrspüler“ dort „Haushaltsgeschirrspüler“ heißen solle.
19Der Kläger hat mithin beantragt,
20die Beklagte zu verurteilen,
21I. an sie 11.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.02.2022 zu zahlen,
22II. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, insgesamt höchstens zwei Jahre, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern ihrer Komplementär-GmbH, zu unterlassen, im Internet zu Zwecken des Wettbewerbs
231. visuell wahrnehmbar für ein bestimmtes Modell eines Haushaltsgeschirrspülers, einer Kühl- und/oder Gefrierkombination und/oder eines Backofens zu werben und/oder werben zu lassen und dabei das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen nicht anzugeben, wenn dies wie aus den Anlagen K4, K5, K6, K9 und K10 ersichtlich geschieht;
24und/oder
252. für ein bestimmtes Haushaltselektrogerät zu werben und/oder werben zu lassen und dabei nicht die Typenbezeichnung anzugeben, wenn dies wie aus den Anlagen K4 und 5 ersichtlich geschieht;
26und/oder
273. visuell wahrnehmbar für ein bestimmtes Modell eines Haushaltsgeschirrspülers zu werben und/oder werben zu lassen und dabei nicht die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Energieeffizienzklassen in einer korrekten Darstellung eines grafischen Pfeils anzugeben, wenn dies wie aus der Anlage K7 ersichtlich geschieht;
28und/oder
294. im Fernabsatz eines Haushaltsgeschirrspülers nicht dessen aktuell gültiges Label bereitzustellen, wenn dies wie aus der Anlage K7 ersichtlich geschieht;
30III. an den Kläger 440,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 220,00 € seit dem 12.02.2022 und aus weiteren 220,00 € seit dem 19.02.2022 zahlen.
31Soweit im Tatbestand des angefochtenen Urteils bei der Wiedergabe des Klageantrags zu Ziff. II. 1. gleichwohl die Worte „und/oder eines Backofens“ fehlen, handelt es sich um ein offensichtliche Unrichtigkeit (§ 319 Abs. 1 ZPO).
32Die Beklagte hat beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Sie hat mit näheren Ausführungen die Ansicht vertreten, der Klage stehe insgesamt der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG) entgegen, weil der Kläger vorprozessual offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen gefordert habe. Ungeachtet dessen seien die Vertragsstrafen aber auch nicht verwirkt.
35Die Unterlassungsanträge seien wegen Rechtsmissbrauchs bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Terminsprotokoll vom 16.08.2022 Bezug genommen.
37Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage mit Ausnahme des Zahlungsantrags zu Ziff. I. und des Unterlassungsantrags zu Ziff. II. 1. betreffend Backöfen stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei nicht wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig. Der Kläger habe jedenfalls keine offensichtlich überhöhten Vertragsstrafen gefordert.
38Die Verpflichtung, es zu unterlassen, visuell wahrnehmbar für ein bestimmtes Modell eines Haushaltsgeschirrspülers und/oder einer Kühl- und/oder Gefrierkombination zu werben und/oder werben zu lassen und dabei das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen nicht anzugeben, folge seit dem 01.03.2021 für Kühl- und Gefrierkombinationen aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 i. V. m. Art. 4c der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2016 und für Haushaltsgeschirrspüler aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 i. V. m. Art. 4c der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2017.
39Der Kläger habe gegen die Beklagte ferner einen Anspruch aus §§ 3, 5a, 8 UWG, es zu unterlassen, für ein bestimmtes Haushaltselektrogerät zu werben und/oder werben zu lassen und dabei nicht die Typenbezeichnung anzugeben. Die Typenbezeichnung der Haushaltselektrogeräte ist ein wesentliches Merkmal i. S. d. § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG, weil der Verbraucher nur in Kenntnis dieser Angaben eine informierte Kaufentscheidung treffen könne.
40Der Anspruch, es zu unterlassen, visuell wahrnehmbar für ein bestimmtes Modell eines Haushaltsgeschirrspülers zu werben und/oder werben zu lassen und dabei nicht die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Energieeffizienzklassen in einer korrekten Darstellung eines grafischen Pfeils anzugeben, folge aus §§ 3, 3a, 8 UWG i. V. m. Art. 4 d), Anhang VII Nr. 4, Abb. 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2017.
41Ferner habe der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 3, 3a, 5, 8 UWG i. V. m. Art. 4 b), Anhang VIII Nr. 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2017, es zu unterlassen, im Fernabsatz eines Haushaltsgeschirrspülers nicht dessen aktuell gültiges Label bereitzustellen.
42Die Unterlassungserklärung vom 11.02.2022 sei zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr jeweils nicht geeignet.
43Ein Anspruch, es zu unterlassen, visuell wahrnehmbar für ein bestimmtes Modell eines Backofens zu werben und/oder werben zu lassen und dabei das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen nicht anzugeben, bestehe indes nicht, weil die Beklagte zum Tatzeitpunkt im Januar 2022 gesetzlich nicht zur Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen verpflichtet gewesen sei. Eine derartige Verpflichtung ergebe sich weder unmittelbar aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 noch aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 i. V. m. den Bestimmungen der – zum vorgenannten Tatzeitpunkt geltenden – Delegierten Verordnung (EU) 65/2014. Andere Grundlagen für eine Verpflichtung zur Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen seien nicht ersichtlich.
44Auch habe der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Vertragsstrafen i. H. v. insgesamt 11.000,00 €. Aus der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 21.08.2020 ergebe sich keine Verpflichtung, es zu unterlassen, visuell wahrnehmbar für ein bestimmtes Modell eines Haushaltsgeschirrspülers und/oder einer Kühl-und/oder Gefrierkombination und/oder eines Backofens zu werben und/oder werben zu lassen und dabei das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen nicht anzugeben. Zwar sei die Erklärung grundsätzlich vor dem Hintergrund der zugrunde liegenden Abmahnung des Klägers vom 10.08.2020 auszulegen und deshalb anzunehmen, dass die Beklagte die Unterlassungserklärung in der Absicht abgegeben habe, die Wiederholungsgefahr aus den der Abmahnung vom 10.08.2020 zugrunde liegenden Wettbewerbsverstößen vollständig auszuräumen. Bei der Auslegung sei jedoch auch zu berücksichtigen, dass eine Wiederholungsgefahr nur insoweit durch die Erstbegehung überhaupt entstanden sein könne, wie eine gesetzliche Verpflichtung zu den in Rede stehenden Kennzeichnungen bestanden habe. Dies sei zum damaligen Zeitpunkt nicht der Fall gewesen. Dass die Beklagte sich durch Abgabe der Unterlassungserklärung vom 21.08.2020 über ihre zu diesem Zeitpunkt bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen hinaus habe verpflichten wollen, könne im Rahmen der erforderlichen Auslegung der Unterlassungserklärung grundsätzlich nicht angenommen werden.
45Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
46Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihren wechselseitig eingelegten Berufungen. Der Kläger verfolgt seine erstinstanzlich geltend gemachten, aber nicht zuerkannten Ansprüche weiter. Die Beklagte begehrt weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.
47Der Kläger beanstandet unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen, entgegen der Ansicht des Landgerichts habe schon vor Erlass entsprechender Delegierter Rechtsakte die Verpflichtung bestanden, bei einer Werbung das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Energieeffizienzklassen zu nennen. Diese Informationspflicht ergebe sich bereits unmittelbar aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369. Dem stehe auch nicht der Wortlaut der englischen und französischen Sprachfassungen entgegen, was der Kläger mit näheren Ausführungen begründet.
48Im Ergebnis könne dies jedoch offen bleiben, weil ihm, dem Kläger, jedenfalls ein vertraglicher Unterlassungsanspruch betreffend die unterbliebene Angabe des Spektrums der auf dem Etikett verfügbaren Energieeffizienzklassen auch für Backöfen zustehe. Die Unterlassungserklärung der Beklagten vom 21.08.2020 sei entsprechend auszulegen. Insoweit stützt sich der Kläger auf das Senatsurteil vom 24.11.2022 – 4 U 170/21 betreffend die Schwestergesellschaft B GmbH & Co. KG der Beklagten. Mit keinem Wort habe die Beklagte seinerzeit mitgeteilt, dass sie sich in Abweichung von der Abmahnung nur im Rahmen einer gesetzlichen Verpflichtung zur Unterlassung habe verpflichten wollen oder sich die Erklärung nur auf die Angabe der Energieeffizienzklasse habe beziehen sollen.
49Unzutreffend sei auch die Auffassung des Landgerichts, kein Unterlassungsschuldner sei üblicherweise bereit, sich über eine gesetzlich bestehende Verpflichtung hinaus zu unterwerfen. Insbesondere bei streitigen Rechtsauffassungen könne eine überobligationsmäßige Unterwerfung in Betracht kommen, um einer rechtlichen Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen. Vorliegend sei die Beklagte aber offenbar sogar selbst von einer tatsächlich bestehenden rechtlichen Verpflichtung ausgegangen, zumal die Auslegung, dass die Verpflichtung zur Angabe des Spektrums unmittelbar aus der Rahmenverordnung folge, zum damaligen Zeitpunkt unstreitig gewesen sei.
50Dementsprechend habe die Beklagte auch die geltend gemachten zwei Vertragsstrafen verwirkt.
51Letztlich sei die Kostenentscheidung des Landgerichts unzutreffend. Selbst wenn das angefochtene Urteil in der Hauptsache zutreffend sei, habe er, der Kläger, nicht ein Drittel der Kosten des Rechtsstreits zu tragen, sondern lediglich 23 %. Das Landgericht habe insoweit unberücksichtigt gelassen, dass es dem Klageantrag zu II. 1. überwiegend, nämlich wegen der Kennzeichnung von Geschirrspülern und Kühlgeräten, stattgegeben und ihn lediglich hinsichtlich Backöfen abgewiesen habe.
52Im Übrigen verteidigt der Kläger die angefochtene Entscheidung, soweit sie ihm günstig ist. Sein Vorgehen sei nicht rechtsmissbräuchlich i. S. v. § 8c Abs. 1 Nr. 4 UWG. Das Landgericht habe den Sachverhalt diesbezüglich in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zutreffend gewürdigt. Ungeachtet dessen seien die vertiefenden diesbezüglichen Ausführungen aus der Berufungsbegründung der Beklagten in der Sache (teilweise) falsch. Auch sei es abwegig, ihm, dem Kläger, zu unterstellen, er verlange bewusst außergerichtlich überhöhte Vertragsstrafen. Da ihm bekannt sei, dass derartige Ansprüche gegen die Beklagte und ihre Schwestergesellschaften stets gerichtlich durchgesetzt werden müssten, sei ein solches Vorgehen von vornherein sinnlos.
53Der Kläger beantragt,
54das am 16.08.2022 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum (Az. 16 O 22/22) teilweise abzuändern und
55I. die Beklagte über die erstinstanzlich erfolgte Verurteilung hinaus zu verurteilen,
561. an ihn 11.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.02.2022 zu zahlen und
572. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, insgesamt höchstens zwei Jahre, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern ihrer Komplementär-GmbH, zu unterlassen, im Internet zu Zwecken des Wettbewerbs visuell wahrnehmbar für ein bestimmtes Modell eines Backofens zu werben und/oder werben zu lassen und dabei das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen nicht anzugeben, wenn dies wie aus den Anlagen K4, K5, K6 und K10 ersichtlich geschieht sowie
58II. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
59Die Beklagte beantragt,
601. die Berufung des Klägers zurückzuweisen und
612. das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
62Die Beklagte beanstandet ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, das Landgericht habe das klägerische Vorgehen zu Unrecht nicht für rechtsmissbräuchlich gehalten. Die vorprozessual geltend gemachten Vertragsstrafen seien deshalb offensichtlich überhöht, weil die ursprüngliche Forderung von 19.000,00 € erkennbar ohne Berücksichtigung der zum Schuldnerschutz bestehenden rechtsstaatlichen Prinzipien und der in der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze bemessen worden sei. So habe der Kläger bei der von ihm geforderten Vertragsstrafe zum einen nicht berücksichtigt, dass die aus zwei Einzelakten bestehende Handlung nur als eine einheitliche Handlung zu bewerten sei und daher maximal eine einzige Vertragsstrafe auslöse. Zum anderen habe er unberücksichtigt gelassen, dass diese einheitliche Handlung auch im Falle eines Verstoßes gegen zwei Unterlassungserklärungen allenfalls eine Gesamt-Vertragsstrafe begründen könne. Dem Kläger als erfahrenem Wettbewerbsverband sei insoweit auch kein Versehen zugute zu halten. Es handele sich vielmehr um ein gezieltes, prozesstaktisches Vorgehen, welches er in einer Vielzahl von Fällen nutzte. Insoweit verweist die Beklagte auf das gegen ihre Schwestergesellschaft geführte Parallelverfahren 4 U 170/21.
63Die geltend gemachten Vertragsstrafen seien aber auch offensichtlich nicht verwirkt. Sie, die Beklagte, habe weder gegen die Unterlassungserklärung vom 09.04.2014, die sich ausschließlich auf Prospektwerbung beziehe, noch gegen die Unterlassungserklärung vom 21.08.2020 verstoßen. Letztere beziehe sich auf die Werbung für Einbauküchen ohne Angabe der Energieeffizienzklassen für die dort beworbenen Elektro-Einzelgeräte. Eine Unterlassungsverpflichtung, die isoliert eine fehlende Angabe des Spektrums der zur Verfügung stehenden Energieeffizienzklassen betreffe, könne der Unterlassungserklärung vom 21.08.2020 hingegen nicht entnommen werden. Auch aus diesem Grund seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG erfüllt.
64Hinsichtlich der Unterlassungsansprüche verweist die Beklagte ausschließlich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und stützt sich in rechtlicher Hinsicht auf die bisherige Senatsrechtsprechung betreffend die Frage, ob sich die Verpflichtung zur Angabe des Spektrums der verfügbaren Effizienzklassen bei der Bewerbung von bestimmten Elektrogeräten unmittelbar aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 ergibt.
65Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird ebenfalls auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie ferner das Protokoll des Senatstermins vom 11.05.2023 Bezug genommen.
66II.
67Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.
681.
69Der Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vertragsstrafen ergibt sich aus der – vom Kläger mit Schreiben vom 08.09.2020 angenommenen – strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 21.08.2020 i. V. m. §§ 339 Satz 2, 315 BGB, § 15a Abs. 2 UWG.
70a)
71Die Parteien haben unstreitig eine wirksame Vertragsstrafevereinbarung getroffen, die zur Überzeugung des Senats dahingehend auszulegen ist, dass die Beklagte sich ungeachtet einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung zum damaligen Zeitpunkt bereits (überobligatorisch) dazu verpflichten wollte, im Rahmen ihrer Werbung nicht nur die Energieeffizienzklasse eines beworbenen Geräts, sondern darüber hinaus auch das jeweilige – denknotwendig existierende – Spektrum anzugeben (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 24.11.2022 – 4 U 170/21).
72aa)
73Bei der Auslegung von Willenserklärungen kommt es grundsätzlich auf den objektiven Erklärungswert an, also darauf, wie sich die Erklärung nach Treu und Glauben für den Empfänger darstellt (st. Respr., vgl. BGH, Urteil vom 05.10.1961 – VII ZR 207/60, BGHZ 36, 30, Rn. 27, zit. nach juris). Der Erklärungsempfänger darf der Erklärung dabei nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen, sondern muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat (vgl. BGH, Urteil vom 21.05.2008 – IV ZR 238/06, NJW 2008, 2702, Rn. 30 mwN., zit. nach juris). Diese allgemein für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätze finden auch auf Unterlassungsverträge Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2006 – I ZR 32/03, GRUR 2006, 878, Rn. 18 mwN., zit. nach juris – Vertragsstrafevereinbarung). Maßgebend ist demnach der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien sowie deren Interessenlage heranzuziehen sind.
74bb)
75Gemessen an diesen Grundsätzen konnte der Kläger die im anwaltlichen Schreiben vom 21.08.2020 enthaltene, allerdings in weitere Ausführungen eingebettete Unterlassungserklärung nur so verstehen, dass die Beklagte sich – was ihr freisteht – aufgrund einer freiwilligen unternehmerischen Entscheidung ungeachtet der materiellen Rechtslage bereits zum damaligen Zeitpunkt – und somit ggf. überobligatorisch – dazu verpflichten wollte, im Rahmen ihrer Werbung nicht nur die Energieeffizienzklasse eines beworbenen Geräts, sondern darüber hinaus auch das jeweilige – denknotwendig existierende – Spektrum anzugeben.
76Für eine solche, unabhängig vom Erlass einschlägiger delegierter Rechtsakte gewollte Unterlassungspflicht spricht insbesondere der Umstand, dass der jetzige Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf die Abmahnung vom 10.08.2020, welche der Kläger ausdrücklich nicht nur auf die unterbliebene Angabe der Energieeffizienzklasse, sondern auch auf die nicht erfolgte Angabe des Spektrums der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen gestützt hatte, in seinem Schreiben vom 21.08.2020 u. a. mitgeteilt hat, es bedürfe „keiner weiteren rechtlichen Diskussionen dazu, dass die von Ihnen beanstandeten Angaben bei den beanstandeten Küchen ebenfalls angegeben werden.“
77Der Kläger weist in diesem Zusammenhang mit seiner Berufungsbegründung zutreffend darauf hin, dass die Beklagte schon durch die Wahl des Plurals („beanstandeten Angaben“) in ihrer Erklärung deutlich gemacht hat, dass sie in Zukunft nicht nur die Energieeffizienzklasse, sondern auch das Spektrum angeben werde und auf eine rechtliche Diskussion über eine etwa insoweit bestehende gesetzliche Verpflichtung verzichte. Hätte sie ihre Unterwerfung hingegen auf die Angabe der Energieeffizienzklasse beschränken und insofern vom Inhalt der Abmahnung abweichen wollen, hätte sie dies deutlich zum Ausdruck bringen müssen und sich nicht vorbehaltlos auf die in der Abmahnung „beanstandeten Angaben“ beziehen dürfen.
78Der von der Beklagten abgegebenen Erklärung durfte der Kläger mithin zwar nicht entnehmen, dass hiervon Wettbewerbsverstöße unter jeglichem denkbaren aus den in Bezug genommenen Anlagen ersichtlichen rechtlichen Gesichtspunkt umfasst sein sollten, jedenfalls aber die in der vorangegangenen Abmahnung konkret gerügten unlauteren Handlungen, zu denen – wie ausgeführt – auch auf die nicht erfolgte Angabe des Spektrums der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen gehörte.
79cc)
80Darüber hinaus ist die im anwaltlichen Schreiben vom 21.08.2020 enthaltene Unterlassungserklärung gemessen an den vorstehend unter aa) dargestellten Grundsätzen dahingehend auszulegen, dass nicht etwa nur kumulativ das Fehlen der Angabe der Energieeffizienzklasse und des dazugehörigen Spektrums erfasst sein sollten, sondern auch alternativ das Fehlen einer der beiden Angaben. Insofern gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend.
81(1)
82Berechtigte Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb begründen eine durch die Abmahnung oder auch durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung konkretisierte wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung eigener Art, die in besonderem Maße durch Treu und Glauben und das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme bestimmt wird. Daraus können sich abhängig von den konkreten Umständen Pflichten zur Aufklärung ergeben, insbesondere wenn dem anderen Teil als Folge des Verhaltens des Verletzers Kostenschäden drohen, die durch die Aufklärung unschwer zu vermeiden sind (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 09.02.2023 – I ZR 61/22, Rn. 24 mwN., zit. nach juris – Kosten für Abschlussschreiben III).
83(2)
84Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine der Intention der Abmahnung bewusst widersprechende Auslegung der Unterlassungserklärung.
85Der der Abmahnung vom 10.08.2020 (Anlage K1) beigefügte Entwurf einer strafbewehrten Unterlassungserklärung enthielt in der maßgeblichen Passage die (übliche) Formulierung „…und dabei nicht auf die Effizienzklasse und/oder das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen hinzuweisen,…“ und umfasste damit nicht nur einen kumulativen, sondern auch einen alternativen Verstoß.
86Aus der im anwaltlichen Schreiben vom 21.08.2020 enthaltenen Unterlassungserklärung ergibt sich insoweit keinerlei Einschränkung. Im Gegenteil vermitteln die die eigentliche Unterlassungserklärung einleitenden, jovial anmutenden Formulierungen, wonach es „keiner weiteren rechtlichen Diskussionen dazu (bedürfe), dass die von Ihnen beanstandeten Angaben bei den beanstandeten Küchen ebenfalls angegeben werden“ den Eindruck, dass die Beklagte sämtliche Beanstandungen des Klägers vorbehaltlos akzeptiert und seinem Begehren mit der unter Ziff. 2. des Schreibens vom 21.08.2020 formulierten Unterlassungserklärung vollumfänglich nachkommt.
87Hierbei verkennt der Senat nicht, dass die Beklagte sich gerade nicht des der Abmahnung beigefügten Entwurfs einer Unterlassungserklärung bedient, sondern mittels eingeblendeter Screenshots eine an der konkreten Verletzungsform orientierte Erklärung abgegeben hat, die aber – wie sich aus der nachfolgenden Korrespondenz (Anlage K3) ergibt – auch für kerngleiche Verstöße gelten sollte.
88In Ansehung der vorstehend dargestellten wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung eigener Art und den damit einhergehenden Pflichten zur Aufklärung ist es allerdings nicht Aufgabe des Klägers, darüber zu spekulieren, inwieweit der Verletzer durch eine vom Entwurf abweichende Unterwerfungserklärung seine Unterlassungspflichten – stillschweigend und insofern womöglich auf eine gewisse Art und Weise „listig“ – abweichend von den üblichen Gepflogenheiten begrenzen will. Vielmehr obliegt es dem Verletzer im Rahmen seiner Aufklärungspflicht, dies zur Vermeidung unnötiger Kosten eindeutig zu kommunizieren.
89dd)
90Entgegen der Ansicht der Beklagten sind von der Unterlassungserklärung ferner nicht nur Verstöße im Zusammenhang mit der Werbung für konkrete Einbauküchen und die zugleich beworbenen Elektrogeräte umfasst, sondern auch Verstöße im Zusammenhang mit Werbung für die in Betracht kommenden Elektrogeräte auf den sog. Übersichtsseiten (Anlagen K6 bis K10). Dabei stehen unvollständige bzw. falsche Angaben gänzlich unterbliebenen Angaben gleich.
91(1)
92Ob ein Verstoß vorliegt, ist durch Auslegung der Vertragsstrafevereinbarung zu ermitteln. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, ob von der Unterlassungserklärung auch kerngleiche Verstöße umfasst sind und ob Kerngleichheit vorliegt.
93Unterlassungsverträge sind – wie bereits vorstehend dargestellt – nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen. Maßgebend ist demnach der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien sowie deren Interessenlage heranzuziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2006 – I ZR 32/03, GRUR 2006, 878, Rn. 18 mwN., zit. nach juris – Vertragsstrafevereinbarung).
94Dabei sind die Parteien bei der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages frei. Ein unmittelbarer Rückgriff auf die Grundsätze, die für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten Unterlassungstitels gelten, kommt nicht in Betracht, weil einem Unterlassungsvertrag der Charakter eines vollstreckbaren Titels fehlt. Der Umstand, dass sich ein Unterlassungsvertrag seinem Wortlaut nach nur auf einen bestimmten Werbesatz bezieht, bedeutet nicht, dass sich die vertragliche Unterlassungspflicht auf diesen beschränken muss. Zweck eines Unterlassungsvertrages ist es regelmäßig, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr durch eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungsverpflichtung auszuräumen und damit die Einleitung oder Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr gilt jedoch nicht allein für die genau identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen. Der regelmäßig anzunehmende Zweck eines Unterlassungsvertrages spricht deshalb erfahrungsgemäß dafür, dass die Vertragsparteien durch ihn auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten. Zwingend ist dies aber nicht. Die Auslegung des Unterlassungsvertrages kann auch ergeben, dass dieser bewusst eng auf die bezeichnete konkrete Verletzungsform bezogen ist (vgl. BGH, Urteil vom 17.07.1997 – I ZR 40/95, GRUR 1997, 931, Rn. 22 ff. mwN., zit. nach juris – Sekundenschnell).
95(2)
96Gemessen an diesen Grundsätzen und in Ansehung des Umstandes, dass die Beklagte auf Nachfrage des Klägers ausdrücklich bestätigt hat, dass die Unterlassungsverpflichtung sich auch auf kerngleiche Verstöße beziehen sollte, sind auch Verstöße im Zusammenhang mit Werbung für die in Betracht kommenden Elektrogeräte auf den sog. Übersichtsseiten (Anlagen K6 bis K10) und nicht nur im unmittelbaren Zusammenhang mit Werbung für Einbauküchen nebst Elektrogeräten umfasst (hierzu nachstehend unter (a)). Ferner stehen unvollständige bzw. falsche Angaben gänzlich unterbliebenen Angaben gleich (hierzu nachstehend unter (b)).
97(a)
98Das Verbot eines Unterlassungstitels bzw. hier einer strafbewehrten Unterlassungserklärung umfasst über die mit der verbotenen Form identischen Handlungen hinaus auch im Kern gleichartige Abwandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (st. Respr., vgl. nur BGH, Urteil vom 19.05.2010 – I ZR 177/07, GRUR 2010, 855, Rn. 17 mwN. –Folienrollos).
99Das Charakteristische der konkreten Verletzungsform besteht vorliegend aber nicht darin, dass die Beklagte für eine bestimmte Einbauküche geworben hat, sondern dass es hinsichtlich der zugleich mit dieser Küche beworbenen typischen Elektroeinbaugeräte wie Backofen, Geschirrspüler usw. an der Angabe der Energieeffizienzklasse bzw. des Spektrums der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen fehlte. Entscheidend ist mithin nicht in erster Linie, dass für bloße Kücheneinbaumöbel geworben wird, die für sich genommen überhaupt nicht der in Rede stehenden Kennzeichnungspflicht unterfallen, sondern dass die Beklagte (auch) mit den passenden Elektroeinbaugeräten, die interessierte Kunden zugleich mit einer neuen Einbauküche erwerben, geworben hat.
100Eben diese typischen Küchen-Elektroeinbaugeräte finden sich aber auch auf den beanstandeten Übersichtsseiten (Anlagen K6 bis K10), wobei die Besonderheit zusätzlich darin besteht, dass die Beklagte keinen (reinen) Einzelhandel mit Elektrogeräten verschiedenster Art betreibt, sondern Einrichtungshäuser sowie einen entsprechenden Onlineshop. Das Angebot an Elektrogeräten versteht sich vor diesem Hintergrund in erster Linie so, dass Kunden, die an einer neuen Einbauküche interessiert sind, bei der Auswahl der hierzu passenden Elektroeinbaugräte die Wahl haben zwischen Geräten unterschiedlicher Preisklassen, Qualität und Marken. Die auf den beanstandeten sog. Übersichtsseiten offerierten und beworbenen Elektroeinbaugeräte sind daher nicht vollkommen unabhängig von den ebenfalls im Onlineshop beworbenen reinen Küchenmöbeln zu sehen, sondern gerade im Zusammenhang mit diesen. Dementsprechend finden sich die in Rede stehenden Elektrogeräte im Onlineshop ausweislich der zur elektronischen Gerichtsakte gereichten Screenshots auch – geordnet nach den unterschiedlichen Geräteklassen („Geschirrspüler“, „Kühl- & Gefrierschränke“, „Backöfen“ usw.) – sämtlich unter dem Menüpunkt „Küchen & Elektro“.
101(b)
102Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen ist ein kerngleicher Verstoß ebenfalls zu bejahen, wenn die geschuldeten Angaben zwar nicht gänzlich unterbleiben, aber unvollständig oder falsch sind. Dem Endverbraucher ist bei unvollständiger bzw. falscher Angabe des Spektrums die Einordnung der Effizienzklasse im Ergebnis ebenso wenig möglich ist wie bei einer gänzlich fehlenden Angabe.
103b)
104Gegen diese – im vorstehend dargestellten Sinn auszulegende – vertragliche Unterlassungsverpflichtung hat die Beklagte mit der beanstandeten Werbung gem. den Anlagen K4 und K5 einerseits sowie K6, K9 und K10 andererseits auf ihrer Internetseite „Internet-Adresse 01“ verstoßen, indem sie für keines der dort beworbenen Elektrogeräte das jeweils einschlägige Spektrum der Energieeffizienzklassen (vollständig bzw. korrekt) angegeben hat.
105c)
106Das Verschulden der Beklagten wird vermutet (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, § 13a UWG, Rn. 28 mwN.).
107d)
108Rechtlich hat der Kläger die bei insgesamt zwei beworbenen Einbauküchen („E“ gem. Anlage K4 und „F “ gem. Anlage K5) mit jeweils mehreren in diesem Zusammenhang beworbenen Küchenelektrogeräten unterbliebene Angabe der Spektren der Energieeffizienzklassen sowie die auf der Übersichtsseite gem. den Anlage K6, K9 und K10 erfolgte Bewerbung diverser Haushaltsgeschirrspüler, Kühl-/Gefrierkombinationen sowie Backöfen ohne bzw. mit unvollständiger/falscher Angabe des jeweiligen Spektrums der Energieeffizienzklassen zutreffend als zwei Verstöße gegen die Unterlassungsvereinbarung bewertet, weshalb die versprochene Vertragsstrafe von 5.500,00 € insgesamt zwei Mal verwirkt ist.
109aa)
110Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 09.07.2015 – I ZR 224/13, GRUR 2015, 1021, Rn. 29 – Kopfhörer-Kennzeichnung; Beschluss vom 17.12.2020 – I ZB 99/19, GRUR 2021, 767, Rn. 21, 34, jew. mwN. und zit. nach juris), der der Senat folgt (vgl. bspw. Senatsurteil vom 24.11.2022 – 4 U 170/21), richtet sich die Auslegung eines Unterlassungsvertrags nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen. Dabei ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien maßgebend (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen insbesondere die beiderseits bekannten Umstände, der Zweck der Vereinbarung, die Art und Weise ihres Zustandekommens, die wettbewerbsrechtlich relevante Beziehung zwischen den Vertragspartnern und deren Interessenlage zu berücksichtigen sind. Das Versprechen, eine Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ zu zahlen, kann dahin auszulegen sein, dass mehrere, fahrlässig begangene, zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Einzelverstöße, als eine einzige Zuwiderhandlung angesehen werden.
111Wenn es zu einer Mehr- oder Vielzahl von Verstößen gekommen ist, ist dabei zunächst zu prüfen, ob diese eine natürliche Handlungseinheit und damit nur eine Handlung darstellen. Das ist der Fall, wenn sie gegen dasselbe Verbot verstoßen und aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen. Kann bei natürlicher Betrachtungsweise hingegen angenommen werden, dass der Schuldner jeweils einen neuen Entschluss zum Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung gefasst oder einen bereits gefassten Entschluss bewusst bekräftigt hat, spricht dies gegen das Vorliegen einer natürlichen Handlungseinheit und für die Annahme von mehreren Zuwiderhandlungen.
112Wenn keine natürliche Handlungseinheit vorliegt, kann die Auslegung des Unterlassungsvertrags ergeben, dass mehrere fahrlässig begangene und zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Zuwiderhandlungen, die in der Weise zusammenhängen, dass sie gleichartig und unter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen worden sind, nur als ein Verstoß zu werten sind.
113bb)
114Gemessen an diesen Maßstäben liegt hinsichtlich der Bewerbung der Einbauküchen „E“ gem. Anlage K4 und „F“ gem. Anlage K5 eine natürliche Handlungseinheit und somit nur ein Verstoß gegen die Unterlassungsvereinbarung vor. Hiervon geht der Kläger zutreffend selbst aus.
115Ein weiterer Verstoß liegt allerdings in der jeweils fehlenden bzw. falschen/unvollständigen Angabe des Spektrums auf den Übersichtsseiten der Angebote für Geschirrspüler, Kühlschränke und Backöfen gem. den Anlagen K6, K9 und K10. Auch insoweit geht der Kläger zutreffend selbst von einer natürlichen Handlungseinheit aus.
116Zwischen dem Verstoß gem. den Anlagen K4 und K5 einerseits sowie dem Verstoß gem. den Anlagen K6, K9 und K10 andererseits besteht indes keine natürliche Handlungseinheit. Der Kläger weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass einerseits komplette Einbauküchen (mit Elektrogeräten) und andererseits Einzelgeräte beworben wurden, was dafür spricht, dass jeweils unterschiedliche Handlungsentschlüsse getroffen wurden. Auch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Handlungen ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
117Eine weitere Zusammenfassung unter dem Gesichtspunkt zeitlich nicht zu weit auseinanderliegender Zuwiderhandlungen, die aber in der Weise zusammenhängen, dass sie gleichartig und unter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen worden sind, ist ebenfalls nicht angezeigt.
118e)
119Der Höhe nach haben die Parteien einen fixen Betrag von 5.500,00 € pro Verstoß vereinbart. Insgesamt ergibt sich mithin eine Vertragsstrafe von 11.000,00 €.
120f)
121Hinreichende Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers i. S. v. § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG liegen nicht vor.
122aa)
123Gem. § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG ist eine missbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen, wenn offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder gefordert werden.
124Das Regelbeispiel bezieht sich sowohl auf den Fall des Abschlusses einer Unterlassungsvereinbarung, die mit einer betragsmäßig fixierten Vertragsstrafe bewehrt ist, als auch auf den – hier vorliegenden – Fall der Forderung einer Vertragsstrafe nach einem Verstoß gegen eine abgeschlossene Vertragsstrafenvereinbarung. Das Kriterium der „offensichtlichen“ Überhöhung soll dabei dem Umstand Rechnung tragen, dass die Bestimmung einer Vertragsstrafe mit vielen Unsicherheiten belegt ist, die nicht zuletzt in den Voraussetzungen zum Ausdruck kommen, die der Gesetzgeber in § 13a Abs. 1 UWG n. F. niedergelegt hat. Dementsprechend sollen nur eindeutige und ohne Weiteres erkennbare Fälle erfasst werden, nicht aber solche, in denen dem Abmahnenden bloße Flüchtigkeitsfehler unterlaufen sind oder die Forderung sich aus anfänglicher Sicht noch im üblichen Rahmen hielt. Die Höhe eines Vertragsstrafeverlangens kann einen Rechtsmissbrauch daher nur dann indizieren, wenn sie außerhalb des vertretbaren Bereichs angesiedelt ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, aaO., § 8c UWG, Rn. 20 mwN.).
125bb)
126Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landgericht ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers mit zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat anschließt, verneint. Aus dem Berufungsvorbringen der Beklagten ergeben sich keine Anhaltspunkte, die eine abweichende Beurteilung gebieten.
1272.
128Der Zinsanspruch hinsichtlich der Vertragsstrafe ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 26.01.2022 unter Fristsetzung bis zum 11.02.2022 zur Zahlung der verwirkten Vertragsstrafe aufgefordert. Seit dem 12.02.2022 befindet sich die Beklagte daher im Verzug.
1293.
130Der Unterlassungsantrag zu II. 1., den der Kläger mit seiner Berufung betreffend die unterbliebene Angabe des Spektrums der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen auch für Backöfen weiterverfolgt, ist ebenfalls zulässig und begründet.
131a)
132Wie bereits vorstehend unter 1. f) ausgeführt liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers i. S. v. § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG vor.
133b)
134Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger aus Vertrag, nämlich der von ihm angenommenen strafbewehrten Unterlassungserklärung der Beklagten vom 21.08.2020 zu.
135Aus diesem Grund bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers Veranlassung besteht, von der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 03.02.2022 – 4 U 89/20, GRUR-RR 2022, 323, sowie zuletzt Urteil vom 24.11.2022 – 4 U 170/21) abzuweichen, wonach ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG a. F. bzw. § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG n. F. i. V. m. Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 1369/2017 nicht besteht, weil sich weder unmittelbar aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 noch i. V. m. den Bestimmungen der – zum Tatzeitpunkt geltenden – VO (EU) 65/2014 (betr. Backöfen und Dunstabzugshauben) für Lieferanten oder Händler eine Verpflichtung ergibt, in ihrer Werbung für Backöfen auf das – hier allein maßgebliche – Spektrum der Energieeffizienzklassen hinzuweisen.
136aa)
137Wie bereits vorstehend unter 1. a) ausgeführt hat die Beklagte sich mit der vom Kläger angenommenen Unterlassungserklärung vom 21.08.2020 ungeachtet einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung vertraglich dazu verpflichtet, im Rahmen ihrer Werbung nicht nur die Energieeffizienzklasse eines beworbenen Geräts, sondern darüber hinaus auch das jeweilige – denknotwendig existierende – Spektrum anzugeben. Diese Verpflichtung bezog sich unter Berücksichtigung der der Unterlassungserklärung vorangegangenen Abmahnung des Klägers vom 10.08.2020 auch auf Backöfen.
138bb)
139Gegen diese vertragliche Unterlassungsverpflichtung hat die Beklagte mit der beanstandeten Werbung gem. den Anlagen K4, K5 und K10 auf ihrer Internetseite
140„ Internet-Adresse 01“ verstoßen, indem sie für keinen der dort beworbenen Backöfen das jeweils einschlägige Spektrum der Energieeffizienzklassen angegeben hat.
141Dem steht nicht entgegen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt im Januar 2022 weder ein einheitliches, ausschließlich die Buchstaben A bis G (vgl. Art. 2 Nr. 19 VO (EU) 1369/2017) enthaltendes Spektrum, noch eine Definition hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Hinweispflicht existierte. Die Unterlassungsvereinbarung ist im Hinblick darauf dahin auszulegen, dass bis zum Erlass einschlägiger Delegierter Rechtsakte denknotwendig auf das bisher für die jeweilige Geräteklasse einschlägige Spektrum der Effizienzklassen abzustellen und dies neben der Energieeffizienzklasse selbst in geeigneter Form anzugeben ist (vgl. Senatsurteil vom 24.11.2022 – 4 U 170/21).
142cc)
143Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund des bereits verwirklichten Verstoßes tatsächlich vermutet (st. Respr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 16.11.1995 – I ZR 229/93, GRUR 1997, 379, Rn. 18 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; Senatsurteil vom 10.09.2020 – 4 U 4/20, Rn. 49 mwN., jew. zit. nach juris).
144III.
145Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
1461.
147Das Landgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht zur Unterlassung verurteilt.
148a)
149Gegen die Zulässigkeit bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Wie bereits vorstehend unter II. 1. f) und II 3. a) ausgeführt, liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers i. S. v. § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG vor.
150b)
151Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche stehen dem Kläger auch in der Sache zu.
152Die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, greift die Beklagte mit ihrer Berufung nicht an (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO).
153Soweit das Landgericht die Ansprüche jeweils (auch) auf § 3a UWG gestützt hat, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2022 – I ZR 143/19, GRUR 2022, 930, Rn. 15 ff., zit. nach juris – Knuspermüsli II), der der Senat folgt, nicht länger nach § 3a UWG, sondern nach § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG a. F. bzw. § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG n. F. zu beurteilen ist. Denn bei den von Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 1369/2017 vorgeschriebenen Angaben handelt es sich um wesentliche Informationen i. S. v. § 5a Abs. 4 UWG a. F. bzw. § 5b Abs. 4 UWG n. F., die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen. Der Tatbestand des § 3a UWG hat insoweit keine eigenständige Bedeutung mehr (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, aaO., § 5b UWG, Rn. 1a mwN.; BGH, Urteil vom 07.04.2022 – I ZR 143/19, GRUR 2022, 930, Rn. 23 – Knuspermüsli II; OLG Frankfurt, Urteil v. 17.11.2016 – 6 U 231/15, GRUR-RR 2017, 62, Rn. 23 sowie Urteil vom 09.06.2022 – 6 U 102/21, WRP 2022, 1282, Rn. 23 ff., jew. mwN. und zit. nach juris).
1542.
155Letztlich steht dem Kläger auch der zuerkannte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten aus § 13 Abs. 3 UWG nebst Zinsen zu. Konkrete Berufungsangriffe (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO) hiergegen erhebt die Beklagte ebenfalls nicht.
156IV.
157Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709, 711 Satz 1 und 2 ZPO.
158Anlass, die Revision gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
159Die Frage nach etwaigen unmittelbaren Rechtswirkungen von Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 stellt sich vorliegend schon deshalb nicht, weil sich der geltend gemachte Vertragsstrafe- sowie der Unterlassungsanspruch betreffend Backöfen aus der zwischen den Parteien geschlossenen strafbewehrten Unterlassungsvereinbarung und nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG a. F. bzw. § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG n. F. i. V. m. Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 1369/2017 ergibt.