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Zur Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Sachbetrug sowie zum unmittelbaren Ansetzen zum Versuch (§ 22 StGB) bei einer Tat nach dem „Wash-Wash-Verfahren“
Ist bei einer Tat nach dem „Wash-Wash-Verfahren“ der Tatentschluss des Täters darauf gerichtet, den Geschädigten durch Vortäuschung der Fähigkeit und Bereitschaft, Geldscheine zu vermehren, dazu zu bewegen, seinen Gewahrsam an den Geldscheinen lediglich zu lockern, um dann durch einen Trick unbemerkt die Geldscheine an sich zu nehmen, so dürfte es sich in rechtlicher Hinsicht um einen beabsichtigten Trickdiebstahl (§ 242 StGB) handeln. Ist der Tatentschluss hingegen darauf gerichtet, den Geschädigten durch Täuschung dazu zu bewegen, nicht nur seinen Gewahrsam an den Geldscheinen zu lockern, sondern dem Täter sogar eigenen Gewahrsam an den Geldscheinen einzuräumen – etwa indem er ihm vorspiegelt, die Vermehrung der Geldscheine müsse an einem anderen Ort stattfinden, weshalb der Täter das Geld mitnehmen müsse – so dürfte es sich in rechtlicher Hinsicht um einen beabsichtigten Sachbetrug (§ 263 StGB) handeln.
Bei einem versuchten Trickdiebstahl setzt ein unmittelbares Ansetzen zum Versuch (§ 242 StGB) voraus, dass sich eine Gewahrsamslockerung hinsichtlich der betroffenen Sache jedenfalls anbahnt.
Bei einem versuchten Sachbetrug ist für das unmittelbare Ansetzen erst diejenige Täuschungshandlung maßgeblich, die den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Verfügungsverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen soll. Diese Täuschung muss sich auf einen konkreten Vermögensgegenstand – hier konkrete Geldscheine – konkretisiert haben.
Die Revision der Staatsanwaltschaft wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht Rheine hat den Angeklagten mit Urteil vom 7. Oktober 2021 vom Vorwurf des versuchten Betruges freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft Münster vom 13. Oktober 2021 hat das Landgericht – 14. kleine Strafkammer – Münster mit Urteil vom 23. Januar 2023 verworfen.
4In der Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
5„Im Februar 2019 bot der Zeuge Q. über das Internet einen Baukran zum Kauf an. Der Angeklagte und der anderweitig verfolgte V. kontaktierten den Zeugen Q. und vereinbarten ein erstes Treffen. Bei diesem Treffen am 04.03.2019, an dem der Zeuge Q. sowie der Angeklagte und der anderweitig verfolgte V. teilnahmen, äußerten diese, noch weitere Baumaschinen im Wert von über 400.000 € kaufen zu wollen, wobei die Zahlung in bar erfolgen sollte. Bei einem weiteren vereinbarten Treffen am 10.03.2019 brachten der Angeklagte und der anderweitig verfolgte V. einen Tresor mit, in dem sich weißes Blankopapier befand. Dem Zeugen Q. teilten sie mit, dass in ihrem Heimatland bei Beträgen über 10.000 € es üblich sei, aus Sicherheitsgründen die Geldscheine in Papier umzuwandeln, und diese dann bei Bedarf erneut in Geldscheine umzuwandeln. Auf Verlangen gab der Zeuge Q. dem Angeklagten einen 50 €-Schein, den dieser zwischen zwei Blankopapiere legte. Der anderweitig verfolgte V. beträufelte das Papier mit einer Flüssigkeit. Während der Zeuge Q. abgelenkt wurde, wurden die beiden Papiere in zwei 50 €-Scheine umgetauscht, so dass der Zeuge Q. anschließend insgesamt drei 50 €-Scheine vorfand. Der Angeklagte und der anderweitig verfolgte V. vereinbarten mit dem Zeugen Q. ein weiteres Treffen und ließen den Tresor mit den in ihm befindlichen Blankopapieren zurück. Der Zeuge Q. verbrachte den Tresor in seine Garage. Anschließend suchte der Zeuge Q. eine Bank auf, die die Echtheit aller drei 50 €-Scheine bestätigte. Bei einem weiteren Treffen am 12.03.2019 wurde dem Zeugen Q. erklärt, dass sie 50.000 € benötigten, um das Blankopapier in Geld umwandeln zu können. Der Zeuge Q. erklärte, dass er lediglich zwischen 15.000 bis 20.000 € besorgen könne. Es wurde ein weiteres Treffen für den 20.03.2019 vereinbart, für das der Zeuge Q. das Geld besorgen und die Blankopapiere in Geldscheine umgetauscht werden sollten. Dem Zeugen Q. kamen indes Bedenken und er informierte die Polizei von dem Treffen. Am Tag vor dem 20.03.2019 rief der Angeklagte den Zeugen an und fragte, ob das Geld am nächsten Tag da sei, was dieser bejahte. Am 20.03.2019 erschienen absprachegemäß der Angeklagte sowie der anderweitig verfolgte V. im Büro des Zeugen Q.. Man sprach zwischen zwei bis fünf Minuten über alltägliches. Weder der Angeklagte noch der anderweitig verfolgte V. fragten nach, ob das Geld da sei und wo sich der Tresor befindet, oder verlangten vom Zeugen Q., dass dieser das Geld und die Blankoscheine bringt. Sodann erfolgte der Zugriff der Polizei und der Angeklagte sowie der anderweitig verfolgte V. wurden verhaftet.“
6In rechtlicher Hinsicht hat das Landgericht ausgeführt, dass die Feststellungen nicht ein für eine Versuchstat erforderliches unmittelbares Ansetzen im Sinne des § 22 StGB begründeten. Insoweit lauten die Ausführungen des Landgerichts:
7„Ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandverwirklichung ist dann gegeben, wenn der Täter objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, sodass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung einmündet. Ein unmittelbares Ansetzen ist dann anzunehmen, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, wobei aus dem Fehlen wesentlicher Zwischenakte folgt, dass ein Versuchsbeginn zu verneinen ist. Vorliegend hätte es nach dem Vorstellungsbild des Angeklagten mehrerer Akte bedurft, um den Tatbestand zu erfüllen, und zwar das Vorhandensein des Geldes und des Papieres, das Drapieren der Geldscheine zwischen den Blankoscheinen und das Beträufeln mit der Flüssigkeit. Keiner dieser wesentlichen Zwischenakte ist erfüllt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschritten hat. Es ist ferner nicht ersichtlich, dass er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt habe. Insoweit reicht, wie im vorliegenden Fall, weder der Anruf am 19.03.2019 mit der Frage, ob das Geld am nächsten Tag da sei, noch das bloße Aufsuchen des Tatortes am 20.03.2019 aus. Ein unmittelbares Ansetzen wäre nach Auffassung der Kammer vielmehr frühestens dann zu bejahen gewesen, wenn der Angeklagte, bzw. der anderweitig verfolgte V. vor Ort im Büro des Zeugen Q. nach dem Geld und dem Papier als die wesentlichen Tatmittel gefragt hätte. Insoweit ist das Aufsuchen des Tatortes lediglich als bloße Vorbereitungshandlung anzusehen und zwar auch vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte und der Zeuge Q. vor Ort vor dem polizeilichen Zugriff lediglich über „Gott und die Welt“, nicht aber über die angedachte Aktion selbst gesprochen haben. Schließlich folgt auch aus Rechtsgutgefährdungsgesichtspunkten, dass noch nicht in das Versuchsstadium eingetreten wurde, da der Angeklagte vor Ort keinerlei Handlungen vorgenommen hat, die das Vermögen des Zeugen Q. aus Sicht des Angeklagten konkret gefährdet hätten.“
8Gegen dieses am 23. Januar 2023 verkündete Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision vom 26. Januar 2023, mit der sie allein die Verletzung materiellen Rechts rügt. In ihrer Revisionsrechtfertigungsschrift vom 16. März 2023 führt sie mit näherer Begründung aus, ein unmittelbares Ansetzen sei zu bejahen, da die zugrundeliegende Täuschungshandlung bereits durchgeführt worden sei und es zur Tatbestandsverwirklichung keiner wesentlichen Schritte mehr bedurft hätte. Zudem wird mit der Revision beanstandet, die vom Landgericht getroffenen Feststellungen seien gerade mit Blick auf die notwendige Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Sachbetrug lückenhaft. Es habe näherer Feststellungen zu dem im Einzelfall beabsichtigten Vorgehen des Angeklagten bedurft.
9Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Revision der Staatsanwaltschaft Münster beigetreten und hat beantragt, das Urteil des Landgerichts Münster vom 23. Januar 2023 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückzuverweisen.
10Der Angeklagte hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.
11II.
12Die gemäß § 333 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision der Staatsanwaltschaft hat in der Sache keinen Erfolg.
13Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben, § 337 StPO.
14Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass aufgrund der getroffenen Feststellungen ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§ 22 StGB) nicht bejaht werden kann.
15Dabei kann es dahinstehen, ob der Tatplan des Angeklagten auf einen Trickdiebstahl (§ 242 StGB) oder auf einen Sachbetrug (§ 263 StGB) gerichtet war, denn nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Urteils ist hinsichtlich beider möglicher Tatvarianten ein unmittelbares Ansetzen zur Tatausführung nicht gegeben.
161.
17Sofern der Tatentschluss des Angeklagten darauf gerichtet war, den Zeugen Q. durch die Vortäuschung der Fähigkeit und Bereitschaft, Geldscheine zu vermehren, dazu zu bewegen, seinen Gewahrsam an den Geldscheinen lediglich zu lockern, um dann durch einen Trick unbemerkt die Geldscheine an sich zu nehmen, würde es sich in rechtlicher Sicht um einen beabsichtigten Trickdiebstahl handeln (vgl. zur allgemeinen Abgrenzung zum Sachbetrug Fischer, StGB, 70. Auflage 2023, § 242 Rn. 27; für gängige Fallgestaltungen des „Wash-Wash“-Tricks vgl. auch Kudlich, Anm. zu KG, Beschluss vom 3. September 2012, (2) 121 Ss 157/12 (33/12) NStZ-RR 2013, 138 – JA 313, 552 und Burghardt/Bröckers, JuS 2014, 238).
18Das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung besteht – auch bei einem Diebstahl - in einem Verhalten des Täters, das nach seiner Vorstellung von der Tat in ungestörtem Fortgang ohne weitere wesentliche Zwischenakte zur - vollständigen - Tatbestandserfüllung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet. Diese Voraussetzung kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt; regelmäßig genügt es, wenn der Täter ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht. Es muss aber immer das, was er zur Verwirklichung seines Vorhabens unternimmt, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16 –, juris Rn. 4). Hiernach ist es für den Versuch eines Diebstahls nach § 242 StGB grundsätzlich erforderlich, zum Gewahrsamsbruch anzusetzen (BGH, a.a.O., juris Rn. 5).
19Bei einem versuchten Trickdiebstahl setzt ein unmittelbares Ansetzen demnach voraus, dass sich eine Gewahrsamslockerung hinsichtlich der betroffenen Sache jedenfalls anbahnt.
20Hieran fehlt es jedoch in dem vorliegenden Fall. Nach dem Vorstellungsbild des Angeklagten wäre als weiterer wesentlicher Zwischenakt erforderlich gewesen, dass der Zeuge Q. ihm die betreffenden Geldscheine überhaupt erst einmal präsentiert. Bereits hierzu ist es nicht gekommen. Weiterhin wäre es erforderlich gewesen, dass der Zeuge Q. im Vertrauen auf die vermeintliche Fähigkeit und Bereitschaft des Angeklagten zur Geldvermehrung sich bereit erklärt hätte, die Geldscheine aus der Hand zu geben, wodurch sich eine Gewahrsamslockerung angebahnt hätte. Auch hierzu ist es nicht gekommen. Demnach lag aus Sicht des Angeklagten auch eine Gefährdung des geschützten Rechtsguts noch nicht vor.
212.
22Sofern der Tatentschluss des Angeklagten darauf gerichtet war, den Zeugen Q. durch Täuschung sogar dazu zu bewegen, nicht nur seinen Gewahrsam an den Geldscheinen zu lockern, sondern dem Angeklagten eigenen Gewahrsam an den Geldscheinen einzuräumen – etwa indem er ihm vorspiegelte, die Vermehrung der Geldscheine könne nicht in den Räumlichkeiten des Zeugen Q. stattfinden, weshalb der Angeklagte das Geld mitnehmen müsse – würde es sich in rechtlicher Sicht um einen beabsichtigten Sachbetrug handeln (vgl. allgemein zur Abgrenzung zum Trickdiebstahl Fischer, a.a.O., § 263 Rn. 77).
23Auch bei einem Betrug ist für das Erreichen des Versuchsstadiums regelmäßig ausreichend, dass der Täter bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands verwirklicht. Das kann schon mit der Täuschungshandlung bzw. bei dem Hervorrufen eines Irrtums bejaht werden. Jedoch muss wiederum das, was der Täter zur Verwirklichung seines Vorhabens getan hat, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand und dessen beabsichtigter Verwirklichung in Beziehung gesetzt werden. Handelt es sich dabei - wie im vorliegenden Fall - um ein mehraktiges Geschehen, so ist erst diejenige Täuschungshandlung maßgeblich, die den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Verfügungsverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen soll (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 – 1 StR 540/10 – juris Rn. 7; OLG Hamm, Beschluss vom 11. August 2011 – III-3 RVs 54/11 – juris Rn. 11).
24Hieran fehlt es vorliegend. Zwar hatte der Angeklagte den Zeugen Q. bereits insoweit getäuscht, als er ihm allgemein vorgespiegelt hat, er sei in der Lage und bereit, dessen Geldscheine zu vermehren. Es fehlt aber an einer Täuschungshandlung, die sich bereits auf einen konkreten Vermögensgegenstand konkretisiert hätte. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist bei dem Treffen am 20. März 2019 im Büro des Zeugen Q. lediglich über alltägliche Dinge gesprochen worden; über Geld oder die in dem Tresor befindlichen Blankoscheine ist hingegen nicht gesprochen worden. Daher war aus Sicht des Angeklagten ungeachtet des am Vortag stattgefundenen Telefonats nicht klar, ob der Zeuge Q. tatsächlich Geldscheine besorgt hatte und bejahendenfalls um welchen Betrag es sich handelte. Demnach fehlt es an derjenigen Täuschungshandlung, die den Zeugen Q. unmittelbar zur irrtumsbedingten Verfügungsverfügung, dem Überreichen oder Überlassen konkreter Geldscheine, bestimmen sollte. Die vorangegangene Täuschung war lediglich allgemeiner Art und diente dem Aufbau von Vertrauen, mithin der Vorbereitung der Tat. Das fremde Rechtsgut war aus Sicht des Angeklagten auch noch nicht konkret gefährdet, als sich die Polizeibeamten – wohl verfrüht – zum Zugriff entschlossen haben.
253.
26Nach alledem erweisen sich die getroffenen Feststellungen auch nicht als lückenhaft. Dem Senat war eine Überprüfung, ob das für die strafrechtliche Bewertung maßgebliche Geschehen am 20. März 2019 eine Verurteilung wegen versuchten Trickdiebstahls oder versuchten Sachbetruges rechtfertigt, uneingeschränkt möglich. Soweit für das unmittelbare Ansetzen (§ 22 StGB) erforderliche Handlungen nicht stattgefunden haben, können diese vom Tatgericht auch nicht festgestellt werden.
27III.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 2 StPO.