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Eine § 463 Abs. 4 StPO entsprechende Regelung zur Beauftragung externer Gutachter bei der Exploration Sicherungsverwahrter existiert nicht. Die für die Fortdauerentscheidungen bei Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus geltenden verfassungsrechtlichen Prinzipien gelten aber grundsätzlich auch für den Vollzug der Sicherungsverwahrung. Insoweit folgen die Anforderungen an die Einholung von Sachverständigengutachten und die Bestimmung der Gutachter unmittelbar aus dem Gebot bestmöglicher Sachaufklärung gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
Ob eine Verletzung des Gebots der bestmöglichen Sachaufklärung vorliegt, weil eine erneute Beauftragung eines Sachverständigen mit der Gefahr einer repetitiven Routinebeurteilung verbunden ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dies bedeutet gleichzeitig, dass nicht jede erneute Beauftragung eines Sachverständigen gegen das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung verstößt.
Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht entkräftet werden, auf dessen Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen
Zusatz:
2Mit Blick auf die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft, die Beschwerdebegründung sowie die Gegenerklärung vom 17. Juli 2023 bemerkt der Senat lediglich ergänzend Folgendes:
31) Soweit die Generalstaatsanwaltschaft die Auffassung vertritt, die angefochtene Entscheidung sei verfahrensfehlerhaft ergangen, weil ein Verstoß gegen § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO vorliege, weist der Senat darauf hin, dass § 463 Abs. 4 StPO die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus betrifft (vgl. § 463 Abs. 4 Satz 1 StPO), während hier die Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung vollstreckt wird.
42) Ein Verstoß gegen den Grundsatz bestmöglicher Sachaufklärung ist nicht gegeben.
5Eine § 463 Abs. 4 StPO entsprechende Regelung zur Beauftragung externer Gutachter bei der Exploration Sicherungsverwahrter existiert nicht. Für den hier u.a. zur Anwendung gelangten Prüfungsmaßstab des § 67d Abs. 3 StGB sieht § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO lediglich vor, dass das Gericht zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 StGB sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 StGB das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen hat, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind.
6Obwohl es somit für den Bereich der Sicherungsverwahrung einfachrechtlich an einer § 463 Abs. 4 Satz 2 StPO entsprechenden Regelung fehlt, gelten die für die Fortdauerentscheidungen bei Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus geltenden verfassungsrechtlichen Prinzipien grundsätzlich auch für den Vollzug der Sicherungsverwahrung. Insoweit folgen die Anforderungen an die Einholung von Sachverständigengutachten und die Bestimmung der Gutachter unmittelbar aus dem Gebot bestmöglicher Sachaufklärung gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht auch in Bezug auf die Sicherungsverwahrung angenommen, dass der Richter der Gefahr repetitiver Routinebeurteilungen durch die sorgfältige Auswahl des Gutachters entgegenwirken muss (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28. September 2020 – 2 BvR 1235/17 –, juris, Rdnr. 43, vom 22. April 2021 – 2 BvR 320/20 –, juris, Rdnr. 30 und vom 9. März 2022 – 2 BvR 1419/18 –, juris, Rdnr. 29; KK-StPO/Appl, 9. Aufl. 2023, § 463 Rdnr. 4a).
7Hier hat die Strafvollstreckungskammer die Gefahr einer repetitiven Begutachtung und damit eine mögliche Verletzung des Gebots bestmöglicher Sachaufklärung erkannt (Seite 36 f. der Beschlussgründe) und eine solche mit zutreffender Begründung verneint.
8Ob eine Verletzung des Gebots der bestmöglichen Sachaufklärung vorliegt, weil eine erneute Beauftragung eines Sachverständigen mit der Gefahr einer repetitiven Routinebeurteilung verbunden ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9. März 2022 – 2 BvR 1419/18 –, juris, Rdnr. 32, vom 22. April 2021 – 2 BvR 320/20 –, juris, Rdnr. 33). Dies bedeutet gleichzeitig, dass nicht jede erneute Beauftragung eines Sachverständigen gegen das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung verstößt.
9Indiz für eine derartige Gefahr einer repetitiven Routinebeurteilung kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere sein, dass der Sachverständige mehrere Gutachten in einer engen zeitlichen Abfolge erstattet hat. Entscheidend sei insoweit die Häufigkeit und die Intensität der Vorbefassung des beauftragten Sachverständigen. Verstärkt werde diese Gefahr, wenn der Betroffene zu einer Exploration durch den Sachverständigen nicht bereit ist und das Gutachten daher nach Aktenlage erstellt werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. März 2022 – 2 BvR 1419/18 –, juris, Rdnr. 32).
10Hier hatte die Sachverständige A zwar im vorangegangenen Überprüfungsverfahren unter dem 3. April 2022 ein Gutachten erstattet. Jedoch handelte es sich hierbei um ihr erstes den Beschwerdeführer betreffendes Sachverständigengutachten, so dass es sich bei dem im Rahmen des gegenständlichen Überprüfungsverfahrens maßgeblichen Gutachten vom 31. März 2023 (erst) um ihr zweites Gutachten in dieser Sache handelte. Demgegenüber betrafen die den o.g. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegenden Konstellationen jeweils eine vierte Begutachtung des Verurteilten durch denselben Sachverständigen. Eine „Routine“ im o.g. Sinne vermag der Senat daher vorliegend nicht zu erblicken.
11Zum Zeitpunkt der mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 25. Oktober 2022 erfolgten (erneuten) Beauftragung der Sachverständigen war der Strafvollstreckungskammer überdies auch noch nicht bekannt, dass der Betroffene eine Exploration durch die Sachverständige A verweigern würde. Zwar war der Beschwerdeführer einer erneuten Beauftragung der Sachverständigen A mit Anwaltsschriftsatz vom 13. Oktober 2022 „entgegengetreten“. Jedoch war darin (noch) nicht mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer an einer erneuten Exploration – zuvor hatte er sich von der Sachverständigen A explorieren lassen – nicht mitwirken werde bzw. wolle. Dies hatte er erst mit Anwaltsschriftsatz vom 8. November 2022 mitgeteilt.
12Darüber hinaus hat der Senat in diesem Zusammenhang auch berücksichtigt, dass es zumindest ausweislich des Führungsberichts der Justizvollzugsanstalt Werl vom 7. September 2022 seit der letzten Begutachtung durch die Sachverständige A beim Beschwerdeführer ohnehin keine – in für den Beschwerdeführer positiver Hinsicht – prognoserelevanten Veränderungen gegeben hatte. Solche werden im Übrigen auch durch den Beschwerdeführer nicht behauptet. Inzwischen ist sogar Gegenteiliges festzustellen: Der u.a. suchtkranke Beschwerdeführer ist am 13. März 2023 u.a. wegen aufgesetzten Alkohols disziplinarisch in Erscheinung getreten.
133) Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sieht, vermag der Senat dem ebenfalls nicht zu folgen. Denn die Strafvollstreckungskammer hatte die Ausführungen des Verteidigers im Schriftsatz vom 13. Oktober 2022 ausweislich des entsprechendes Vermerks vom 24. Oktober 2022 (Bl. 921R Duplo VH B) ausdrücklich zur Kenntnis genommen und eine Gefahr repetitiver Beurteilung verneint. Warum es sich bei der erneuten Beauftragung der Sachverständigen A nach Auffassung der Beschwerde um eine „Überraschungsentscheidung“ gehandelt haben sollte, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, zumal die Strafvollstreckungskammer den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 6. Oktober 2022 zu der von ihr beabsichtigten erneuten Beauftragung der Sachverständigen angehört hatte.
144) Da die Auswahl des Sachverständigen dem Gericht obliegt (vgl. Senat, Beschluss vom 21. August 2018 – 3 Ws 312/18 –, juris, Rdnr. 14) sieht der Senat in der Nichtberücksichtigung der vom Beschwerdeführer benannten Sachverständigen schließlich auch weder eine Verletzung des Grundsatzes auf ein faires Verfahren noch eine willkürliche Verfahrensgestaltung.