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Im Rahmen des § 67d Abs. 6 S. 1 StGB ist es unerheblich, ob der Untergebrachte für die infolge der psychischen Zustands zu erwartenden künftigen Straftaten voraussichtlich teilweise oder voll verantwortlich wäre, wenn die psychische Erkrankung (Defektzustand) nach dem erreichten Stand der Behandlung noch immer vorliegt.
Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Zusatz:
2Auch das Beschwerdevorbringen sowie das Vorbringen in der Gegenerklärung vom 05. Juni 2023 rechtfertigen keine andere Beurteilung.
31.
4Entgegen der Ansicht der Verteidigung liegen die Voraussetzungen der Maßregel weiterhin vor. Insbesondere leidet der Untergebrachte nach wie vor an den psychischen Erkrankungen, die zu seiner Unterbringung im Maßregelvollzug geführt haben. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss wird diesbezüglich verwiesen. Diese Erkrankungen sind nahezu untherapiert und persistieren nach wie vor. Entgegen den Ausführungen der Verteidigung sind sie auch behandlungsbedürftig, jedoch konnte der Untergebrachte – wie es der Sachverständige O. in seinem schriftlichen Gutachten vom 18. Januar 2022 ebenso wie die Behandler in ihrer Stellungnahme vom 16. Februar 2022 nachvollziehbar und zutreffend ausgeführt haben – bislang nur begrenzt von therapeutischen Maßnahmen profitieren, zumal die therapeutische Beeinflussbarkeit von psychopathischen Persönlichkeitsstrukturen in der Regel äußerst schwierig und langwierig ist.
5Darüber hinaus ist es unerheblich, ob der Untergebrachte für die deswegen zu erwartenden künftigen Straftaten voraussichtlich teilweise oder voll verantwortlich wäre, wenn die psychische Erkrankung (Defektzustand) nach dem erreichten Stand der Behandlung noch immer vorliegt (OLG Braunschweig, Beschluss vom 20. Januar 2015 – 1 Ws 379/14 –, BeckRS 2015, 5027). In solchen Fällen ist – ohne dass es auf die Erheblichkeit einer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit ankommt – die Fortdauer der Unterbringung dann anzuordnen, wenn die Gefahr besteht, der Untergebrachte werde infolge seines Zustandes weitere erhebliche rechtswidrige Straftaten begehen (OLG Braunschweig a.a.O.).
62.
7Infolge des Zustandes des Untergebrachten sind auch weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden, so dass er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 63 Satz 1 StGB). Wie die Strafvollstreckungskammer zutreffend ausgeführt hat, hat sich die Gefährlichkeit des Untergebrachten nicht vermindert, sondern es besteht infolge seiner Erkrankungen nach wie vor die hohe Gefahr, dass er außerhalb des Maßregelvollzugs erneut anlassanaloge Straftaten begehen wird. Wie es auch bereits der Sachverständige O. in seinem schriftlichen Gutachten vom 18. Januar 2022 ausgeführt hat, sind die kriminogenen Faktoren in Form der dissozialen/psychopathischen Persönlichkeitsstörung und des Betäubungsmittelkonsums nicht ausreichend behandelt. Im Fall einer unstrukturierten Entlassung wäre der Beschwerdeführer mit selbständiger Lebensführung überfordert. Es wäre damit zu rechnen, dass er insbesondere auch wieder Betäubungsmittel konsumiert und zur Finanzierung seines Lebensunterhalts und seines Konsums insbesondere auch wieder – anlassanlog – unter anderem auch Raubtaten begehen würde. Dabei sind die von ihm begangenen Taten keinesfalls lediglich als „tragischerweise missglückte Trickdiebstähle“ zu qualifizieren, wie es die Verteidigung meint, sondern als erhebliche gewaltsame Übergriffe auf ihm deutlich unterlegene Personen, bei denen die Gefahr des Eintritts schwerer seelischer oder körperlicher Schäden besteht, wie es die Folgen der Tat vom 09. März 2015 eindrucksvoll belegen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer sich im Jahr 2016 eine Axt sowie einen Schlagstock besorgt hatte, letzteren demoliert in das Geschäft zurückbrachte, bei seinem Aufgriff durch die Polizei Pfefferspray eingesetzt werden musste und es auch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitpatienten gab. Schließlich konsumierte er noch während des Maßregelvollzugs THC.
8Unabhängig vom Ausgang (Einstellung) des zuletzt gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens ist im Fall einer unstrukturierten Entlassung naheliegend mit Beschaffungskriminalität und auch erheblichen körperlichen Übergriffen auf andere Personen zu rechnen. Insofern ist die Formulierung der Behandler in ihrer Stellungnahme vom 16. Februar 2023, dass derartige Taten „nicht auszuschließen“ seien, missverständlich. Vielmehr besteht die naheliegende und konkrete Gefahr derartiger Taten im Fall der Entlassung des Untergebrachten. Auch die Behandler haben ausgeführt, dass die bisherige Strafhistorie nahelegt, dass mit anlassdeliktanalogen Taten oder körperlichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit kriminellen Strukturen der Umgebung zu rechnen sei, sowohl zur Selbstverteidigung als auch als impulshafte Angriffe.
9Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Bewilligung der Langzeitbeurlaubung. Denn im Rahmen einer Langzeitbeurlaubung unterliegt der Untergebrachte immer noch der Kontrolle der Behandler und Betreuer, die – wie in der Vergangenheit geschehen – auf Fehlverhalten frühzeitig reagieren können.
103.
11Angesichts der drohenden Taten und der Schwere der dann zu erwartenden Folgen ist die Fortdauer der Maßregel auch nicht unverhältnismäßig, auch nicht unter Berücksichtigung der Dauer der Unterbringung von etwa sieben Jahren sowie der Tatsachen, dass der Untergebrachte bei Begehung der Taten erst 19 Jahre alt war und dass – insbesondere auch aufgrund fehlender intrinsischer Behandlungsmotivation –
12nur noch begrenzte therapeutische Möglichkeiten bestehen.
134.
14Aus den oben unter 2. genannten Gründen liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Maßregelvollstreckung zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB ebenfalls nicht vor.