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Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 23.09.2022 -3 O 494/20- abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 55.005,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 30.10.2020 Zug um Zug gegen Übergabe des Wohnmobils Z.— ZFAN01, WKNN02, zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache i.H.v. 5.196,04 € erledigt ist.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs ab dem 30.10.2020 in Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 5 % der Klägerin und zu 95 % der Beklagten auferlegt. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten werden zu 5 % der Klägerin auferlegt. Im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 65.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
2A.
3Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Wohnmobil.
4Die Klägerin erwarb bei der Beklagten, einer gewerblichen Wohnmobilhändlerin, mit Bestellung vom 01.10.2019 und Auftragsbestätigung vom 29.10.2019 (Bl. 14-I d.A.) ein Wohnmobil Typ Z. mit einem Kilometerstand von 1 km zu einem Kaufpreis von 64.059,11 €. Wegen der Einzelheiten des Vertrags wird auf die als Anlage K1 zur Akte gereichte Kopie der Rechnung vom 19.03.2020 (Bl. 14-I d.A.) Bezug genommen. Die Beklagte hatte das Fahrzeug ihrerseits bei der Streithelferin als Neufahrzeug erworben (Bl. 134-I d.A.). Für das Basisfahrzeug existiert eine Garantie des Herstellers J..
5Das Wohnmobil wurde am 23.03.2020 an die Klägerin in N. ausgeliefert. Hierüber erstellten die Parteien ein (maschinenschriftliches) Übergabeprotokoll gleichen Datums (Anlage B1, Bl. 141-I d.A.), in welchem die Klägerin mit ihrer Unterschrift bestätigte, das „Fahrzeug im einwandfreiem Zustand und ohne Schäden, wie besichtigt, mit dem bei Kaufvertrag aufgeführten Zubehör ordnungsgemäß übernommen zu haben“. Am 03.04.2020 wurde das Wohnmobil auf die Klägerin zugelassen. Die Klägerin zahlte den Kaufpreis an die Beklagte.
6Die Klägerin und ihr Ehemann, der Zeuge R., bemängelten in der Folge gegenüber der Beklagten -erstmals mit Email vom 05.04.2020 (Anlage K2, Bl. 20-I d.A.)- das Vorliegen diverser Mängel am Fahrzeug, wie etwa „eine kleine mini Beule“ und eine „nicht so schön(e)“ Lackierung an der Fahrertür. Die Klägerin verbrachte das Fahrzeug noch im April 2020 zur Reparatur zur Beklagten, wo ein Teil der gerügten Mängel beseitigt wurde. Erstmals mit Email vom 24.05.2020 (Anlage K6, Bl. 44-I d.A.) und dann in der Folgezeit rügten die Klägerin und der Zeuge R. das Vorliegen weiterer Mängel am Fahrzeug, wie etwa von innen angelaufene Scheinwerfer, einen Defekt des Autoradios, eine zu geringe Leistung der Klimaanlage, eine fehlerhafte Montage des Duschkopfs und der Spotlights in der Decke des Wohnmobils sowie die Anzeige unrealistischer Geschwindigkeitswerte im „Head-Up-Display“. Fermer rügte die Klägerin mit Email vom 14.06.2020, dass es bei Regen an der Heckklappe des Wohnmobils zu einem Wassereintritt (auf die Matratze) kommt (Anlage K8, Bl. 63-I d.A.). Am 15.06.2019 wurden weitere Nachbesserungsarbeiten bei der Beklagten durchgeführt. Nachdem die Klägerin mit dem Ergebnis dieser Arbeiten nicht zufrieden war, wurde das Fahrzeug absprachegemäß in der KW 34/2020 erneut zu der Beklagten gebracht. Es wurde versucht, den Mangel Wassereintritt am Heck zu beseitigen, indem ein Dichtband über die bereits vorhandenen Dichtungen und in der Mitte der Hecktür noch ein weiteres Dichtband auf das originale und auf das zusätzliche weitere Dichtband geklebt wurde. Von wem diese Arbeiten durchgeführt wurden -von der Beklagten, von einer J.-Fachfirma oder von der Klägerin oder einem von ihr beauftragten Unternehmen selbst-, ist zwischen den Parteien im Streit.
7Mit -im Prozess nicht vorgelegtem- anwaltlichem Schreiben der Klägerin vom 21.09.2020 wurde die Beklagte aufgefordert, die bereits mehrfach angezeigten Mängel an der Tür (Beule und Lackierung), den Fehler am Head-Up-Display (fehlerhafte Werte) sowie den Mangel an der Hecktür (unsachgemäße Mangelbeseitigung/nicht fachgerechte Reparatur) zu beseitigen. Der Beklagten wurde insoweit nochmals eine Frist bis zum 02.10.2020 gesetzt. Hierauf teilte die Beklagte mit Email vom 30.09.2020 mit, dass auf das Schreiben des Unterzeichners erst ab dem 20.10.2020 Stellung genommen werden könne, da sich der zuständige Sachbearbeiter im Urlaub befinde.
8Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.10.2020 (Anlage K19, Bl. 104-I d.A.) erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag und machte einen Betrag i.H.v. 63.402,34 € (Kaufpreis i.H.v. 64.059,11 € zzgl. Nutzungsvorteil Zins i.H.v. 640,00 €, zzgl. Wegegeld i.H.v. 49,50 €, abzüglich Nutzungsentschädigung i.H.v. 1.346,27 €) geltend.
9Mit Schriftsatz vom 11.03.2021 focht die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit -im Hinblick auf eine unterlassene Aufklärung der Beklagten vor Vertragsschluss über ihre vermeintliche Kenntnis von Lackproblemen bei Fahrzeugen dieses Herstellers- ihre auf Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung auch wegen arglistiger Täuschung an (Bl. 168-I d.A.).
10Die Klägerin hat gemeint, dass sie zum Rücktritt berechtigt sei. Dazu hat sie behauptet, dass das Fahrzeug weiterhin einen Teil der gerügten Mängel aufweise, deren Vorliegen bei Übergabe ihrer Meinung nach gemäß § 477 BGB vermutet werde. So schließe die Heckklappe des Fahrzeugs nicht dicht, so dass Wasser eindringen könne. Zudem weise der Holm der Tür der Beifahrerseite eine Beule auf. Des weiteren befinde sich an der Fahrertür unten eine unregelmäßige Lackierung bzw. ein Defekt in der Lackierung. Ferner bestünden weiterhin -unstreitig- die fehlerhaften Angaben im Head-Up-Display. Hinsichtlich des Feuchtigkeitseintritts habe die Beklagte zwar Nachbesserungsarbeiten durch Überkleben der Dichtung mit einem weiteren Dichtungsband erbracht. Diese Art der Nachbesserung sei aber weder sach- noch fachgerecht erfolgt. Sie, die Klägerin, habe -entgegen der ins Blaue hinein vorgetragenen Behauptung der Beklagten- auch keine -ihrer Meinung nach im Übrigen näher erläuterungsbedürftige- „Justierarbeiten" an der Heckklappe vorgenommen. Es entspreche nicht den Tatsachen, dass sie, die Klägerin, „bereit war, eine Garantieleistung der Firma J. in Anspruch zu nehmen." Sie habe stets mit ihrem Vertragspartner -der Beklagten- kommuniziert und stets darauf hingewiesen, dass sie sich an ihren Vertragspartner halte. Aufgrund der unstreitig aufgetretenen diversen Fehler/Mängel am Wohnmobil sei ferner davon auszugehen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Wohnmobil um ein sog. „Montagsfahrzeug" handele. Nach dem erklärten Rücktritt seien noch weitere, von der Klägerin näher dargestellte Mängel am Wohnmobil aufgetreten (Bl. 173-I d.A.).
11Ein Nachbesserungsangebot der Beklagten in einem Telefonat am 11.09.2020 sei -jedenfalls hinsichtlich der Heckklappenproblematik- nicht erfolgt (Bl. 171-I d.A.).
12Die zum Zeitpunkt des Ausspruchs des Rücktritts noch vorliegenden Mängel überschritten im Übrigen auch die Geringfügigkeitsschwelle. Dies ergebe sich losgelöst von der Höhe der Mangelbeseitigungskosten im Rahmen der Gesamtabwägung schon daraus, dass es sich bei einem Wasserschaden in einem Kraftfahrzeug per se um einen erheblichen Mangel handele.
13Die Rückabwicklungspflicht ergebe sich auch aus der erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Dazu hat die Klägerin behauptet, dass der Beklagten das Problem der mangelhaften Lackierung bei dem Hersteller des streitgegenständlichen Fahrzeugs bekannt gewesen sei. Da die Beklagte davon habe ausgehen können, dass sie, die Klägerin, in Kenntnis dieses Umstandes den Vertrag nicht oder nur zu geänderten Bedingungen schließen würde, sei das Verschweigen seitens der Beklagten auch arglistig erfolgt.
14Neben dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises habe sie einen Anspruch auf Herausgabe des Zinsvorteils der Beklagten aus § 347 BGB. Dieser betrage 2 % und könne auch geschätzt werden. Für den Zeitraum Oktober 2019 (Anzahlung in Höhe von 6.470,00 €) sowie Erhalt des restlichen Kaufpreises in Höhe von 57.589,11 € am 20.03.2020 betrage der Zinsvorteil und somit der zu erstattende Nutzungsersatz 640,00 €. Für die erfolgten Fahrten zur Gewährung der Nachbesserung stehe ihr ferner ein Anspruch auf Ersatz des hierfür entstandenen Wegegeldes in Höhe von 49,50 € (3 Termine mit insgesamt 165km x 0,3 € /km) zu.
15Bei der Berechnung der anzurechnenden Nutzungsentschädigung sei eine Laufleistung von „lediglich" 250.000 km und eine Lebenserwartung von „lediglich" 20 Jahren anzusetzen. Diese Werte seien bei einem Wohnmobil Z. zu erwarten und üblich.
16Die Klägerin hat beantragt,
17191. die Beklagte zu verurteilen, an sie 63.402,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab dem 30.10.2020 Zug um Zug gegen Übergabe des Wohnmobils Z. — ZFAN01, WKNN02, zu zahlen;
182. festzustellen, dass sich die Beklagte spätestens ab dem 30.10.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands im Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte hat beantragt,
2021die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat das Vorliegen von Mängeln und deren Vorliegen bei Übergabe sowie substantiierte Mängelrügen der Klägerin bestritten.
22Hinsichtlich der Heckklappe hat die Beklagte bestritten, dass zum Zeitpunkt der Übergabe eine diesbezügliche Undichtigkeit vorgelegen habe bzw. bereits in der Konstruktion angelegt gewesen sei. Eine etwaige Undichtigkeit hätte bei den von ihr vorgenommenen Reinigungsarbeiten vor Übergabe des Wohnmobils auffallen müssen (Bl. 212-I d.A.). Wenn tatsächlich eine Undichtigkeit habe festgestellt werden können, sei diese nachträglich entstanden, möglicherweise durch eine nicht ordnungsgemäße Justierung der Heckklappe (Bl. 128-I d.A.). Sie sei insoweit berechtigt gewesen, die Klägerin auf Garantieleistungen der Herstellerfirma zu verweisen. Die Klägerin, vertreten durch ihren Ehemann, sei im Übrigen bereit gewesen, der vorgeschlagenen Vorgehensweise zu folgen und insoweit eine Garantieleistung der Firma J. in Anspruch zu nehmen. Die Fachfirma J. habe dann für die Klägerin eine Reparaturmaßnahme hinsichtlich der Hecktür durchgeführt. Durch das Aufbringen des weiteren Dichtbandes, so hat die Beklagte zunächst behauptet, habe die Firma J. die Undichtigkeit beseitigt (Bl. 130-I d.A.). Selbst wenn der gewählte Reparaturweg nicht sach- und fachgerecht wäre, wären insoweit allenfalls Ansprüche der Klägerin gegenüber der Garantiegeberin respektive dem Reparaturunternehmen gegeben. Eine vollständige und ordnungsgemäße Abdichtung der Heckklappe habe durch J. nicht erfolgen können, weil aufgrund der Corona-Krise Zulieferschwierigkeiten hinsichtlich der für die Abdichtung erforderlichen Zubehörmaterialien bestanden hätten. Insoweit habe J. lediglich eine provisorische Lösung finden und zumindest dafür Sorge tragen können, dass eine vorübergehende Dichtigkeit erzielt worden sei (Bl. 215-I d.A.). Mit Schriftsatz vom 28.08.2021 (Bl. 307-I ff d.A.) hat die Beklagte -nach eigenen Angaben nach Erkundigungen bei dem zuständigen J.-Vertragspartner- vorgetragen, dass der J.-Vertragshändler entgegen ihrer ursprünglichen Annahme überhaupt keine Dichtbänder oder sonstige Abdichtvorrichtungen installiert habe. Damit stehe fest, dass bei Übergabe des Fahrzeuges die monierten Undichtigkeiten überhaupt nicht vorgelegen hätten. Zumindest stehe in jedem Fall fest, dass nach den Justierarbeiten der Heckklappe durch die Firma J. Undichtigkeiten nicht mehr gegeben gewesen seien. Hinsichtlich der möglicherweise unsachgemäß aufgebrachten Abdichtmaterialien scheine die Klägerin selbst tätig geworden zu sein oder habe möglicherweise ein anderes Unternehmen zwischenzeitlich mit derartigen Maßnahmen beauftragt. Jedenfalls habe die Firma J. respektive die Firma T. GmbH die hier beanstandeten Abdichtarbeiten nicht vorgenommen (Bl. 307/08-I d.A.).
23Eine Beule an der Fahrertür und eine vermeintlich „mangelhafte Lackierung“ an der Fahrertür hätten jedenfalls bei Übergabe nicht vorgelegen; die Klägerin habe mit dem Übergabeprotokoll vom 23.03.2020 bestätigt, dass das „Fahrzeug im einwandfreien Zustand und ohne Schäden“ sei. Bei einer Aufblühung des Lacks an der Fahrertür handele es sich nicht um einen Mangel, da die Lackierung dem Stand der Technik zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses entspreche. Die Lackierung eines Wohnmobils als Nutzfahrzeug müsse nicht den höheren Anforderungen genügen, die an die Lackierung eines PKW zu stellen seien. Sie habe insoweit in ihrer Email vom 06.04.2020 durchaus nachvollziehbar zum Ausdruck gebracht, dass es sich hier bei den von der Klägerin thematisierten Lackproblemen gerade nicht um einen Sachmangel handele, sondern dass die Lackierung dem Standard bei Fahrzeugen dieser Art und Güte entspreche. Von einem arglistigen Verschweigen irgendwelcher Sachmängel könne insoweit keine Rede sein. Die Anfechtung der Klägerin greife daher ebenfalls nicht. Ohnehin sei der Anfechtungserklärung -unstreitig- keine Vollmacht beigefügt gewesen (Bl. 211-I d.A.).
24Die hier streitgegenständlichen Mängel seien hinsichtlich Umfang und Ausprägung in keiner Weise vergleichbar mit der Art und Anzahl der Mängel, welche bei Anwendung der sogenannten Montagsfahrzeug-Rechtsprechung erforderlich seien.
25Weiter sei zu beanstanden, dass ihr, der Beklagten, die erforderliche Nacherfüllung nicht ermöglicht worden sei. Auf das anwaltliche Aufforderungsschreiben vom 21.09.2020 habe von ihr zunächst nicht Stellung genommen werden können, da sich der mit der Sache befasste Sachbearbeiter bis zum 19.10.2020 im Urlaub befunden habe. Im Übrigen sei zwischen den Parteien eine andere Vorgehensweise -bei einem Telefonat am 11.09.2020 zwischen dem Zeugen L. auf Beklagtenseite und dem Zeugen R. auf Klägerseite- besprochen worden, nämlich dass sich die Klägerin respektive ihr Ehemann mit der Beklagten telefonisch in Verbindung setze zwecks Abstimmung eines Werkstatttermins, insbesondere auch hinsichtlich der Heckklappenproblematik. Diese Absprache sei klägerseits nicht eingehalten worden. Unter anderem auch vor diesem Hintergrund sei der mit anwaltlichem Schreiben vom 15.10.2020 erklärte Rücktritt rechtsgrundlos. Ohnehin bedürfe es für ein ordnungsgemäßes Nacherfüllungsverlangen der Absprache eines entsprechenden Reparaturtermins und der Verbringung des Fahrzeugs in die Werkstatt der Beklagten.
26Im Übrigen sei, selbst wenn man einmal den Sachvortrag der Klägerseite hinsichtlich der Mängel als richtig zugrunde lege, die sogenannte Erheblichkeitsschwelle für einen wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag nicht erreicht. Die zu erwartenden Reparaturkosten würden keinesfalls einen Betrag von mehr als 5 % des Kaufpreises übersteigen.
27Ihr Zinsvorteil hinsichtlich des erhaltenen Kaufpreises betrage „0“. Im gewerblichen Bereich gebe es keine Bank, die derzeit für einen Guthabenbetrag 2 % Zinsen anbiete. Im Gegenteil: Mittlerweile würden sämtliche Banken Negativzinsen beanspruchen (Bl. 310-I d.A.).
28Bei der Nutzungsentschädigung sei von einer Laufleistung von 150.000 km und einer Lebenserwartung von allenfalls 15 Jahren auszugehen.
29Die Streithelferin der Beklagten ist der Klage unter näheren Ausführungen ebenfalls entgegen getreten (Bl. 223-I ff d.A.). Es fehle insbesondere an einem Sachmangel, einer ordnungsgemäßen Nacherfüllungsaufforderung sowie der Erheblichkeit der Mängel. Unstreitig sei durch die Herstellerin des Basisfahrzeugs, J., Mitte August 2020 eine Nachbesserung an der Beanstandung durchgeführt worden. Ausweislich der Klageschrift, S. 6, sei ein Dichtband über die bereits vorhandene Dichtung angebracht worden, in der Mitte der Hecktür zusätzlich ein weiteres über das originale und das zusätzliche neue Dichtband (Bl. 233-I d.A.). Ein Mangel liege insoweit nicht vor, einen Wassereintritt auch nach den Reparaturarbeiten durch J. mache die Klägerin nicht geltend.
30Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R., L. und C. sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Diplom-Ingenieur M. Y. und dessen ergänzende mündliche Anhörung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2021 (Bl. 314-I ff. d.A.) sowie das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 28.01.2022 (Bl. 468-I ff. d.A.) und die Anhörung des Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung am 02.09.2022 (Bl. 657-I ff d.A.) Bezug genommen.
31Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
32Die Klage sei unbegründet. Der Klägerin stehe gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere folge ein solcher Anspruch nicht aus §§ 433, 434, 437 Ziffer 2 BGB. Der am 15.10.2020 erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag entfalte keine Wirksamkeit, da zu diesem Zeitpunkt kein zum Rücktritt berechtigender Grund vorgelegen habe. Zwar hätte die Beweisaufnahme neben dem unstreitigen Mangel am Head-Up-Display auch das Vorliegen der weiteren von der Klägerin behaupteten Mängel bewiesen. Die Beklagte habe auch nicht die Vermutung aus § 477 BGB widerlegen können, wonach die Mängel bereits im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin vorgelegen hätten. Die Klägerin habe der Beklagten auch die erforderliche Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nämlich zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es keine Vereinbarung der Beklagten mit dem Ehemann der Klägerin gegeben habe, dass dieser trotz Ablauf der Frist bereit gewesen sei, sich auf eine ihm angebotene Nacherfüllung einzulassen. Dem Anspruch der Klägerin auf Rückabwicklung des Kaufvertrags stehe indes entgegen, dass der Mangel gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB unwesentlich sei. Da es sich durchweg um behebbare Mängel handele, sei im Hinblick auf deren Bewertung als unwesentlich vor allem auf die Höhe der Kosten für ihre Beseitigung abzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung jedenfalls beim Neuwagenkauf in der Regel nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von 5% des Kaufpreises übersteige. Dies sei vorliegend auch dann nicht der Fall, wenn der gesamte Aufwand zur vollständigen, fachgerechten und dauerhaften Behebung des Mangels berücksichtigt werde. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Kosten zur vollständigen Beseitigung jedenfalls nicht mehr als 3.000,80 € (brutto) betragen. Auf diesen Betrag habe sich der Sachverständige von den in seinem schriftlichen Gutachten angegebenen Betrag von 3.698,00 € in seiner mündlichen Anhörung am 02.09.2022 korrigiert. Mit einer Quote von 4,68 % lägen die erforderlichen Kosten zur Mangelbeseitigung selbst dann unter 5% des Kaufpreises, wenn – entgegen der Auffassung der Beklagten – eine Lackierung infolge der Beseitigung der Beule und eine vollständige Lackierung der Fahrertür erforderlich wären. Auch bei Gesamtwürdigung aller Umstände sei nicht von einer Erheblichkeit der Mängel auszugehen. An der Behebbarkeit der Mängel habe nie ein Zweifel bestanden. Auch das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung sei vorliegend nicht geeignet, die Wesentlichkeit des Mangels trotz der relativ geringen Mangelbeseitigungskosten zu begründen. Schließlich führe – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch die Tatsache, dass beim Eindringen von Wasser auch die Dämmung in Mitleidenschaft hätte gezogen werden können, zu keiner abweichenden Bewertung. Zum einen sei nach Ausführung der vom Sachverständigen dargestellten Maßnahmen der Abdichtung nicht mehr mit weiterem Eindringen von Wasser zu rechnen. Zum andere behaupte auch die Klägerin das Vorliegen weiterer Wasserschäden nicht.
33Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageziele weiterverfolgt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:
34Das angegriffene Urteil weise erhebliche Rechtsfehler auf. Das Landgericht gehe ersichtlich davon aus, dass ein behebbarer Mangel stets als unerheblich angesehen werden müsse und nicht zum Rücktritt berechtige, wenn die Beseitigungskosten 5 % des Kaufpreises nicht überschreiten, und habe dies hinsichtlich der Mängel „Head-Up-Display“, Karosserie- und Lackschaden“ unter Umständen auch noch nachvollziehbar begründet. Hinsichtlich des geltend gemachten Mangels „Wassereintritt“ sei die Würdigung des erstinstanzlichen Gerichts zur „Unwesentlichkeit des Mangels“ aber nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern schlichtweg falsch. Es komme nicht darauf an, dass der Mangel beseitigt werden könne, sondern darauf, dass das Wasser seit Gefahrübergang bis heute ungehindert -wie der Sachverständige in dem Gutachten vom 28.01.2022 unstreitig festgestellt habe- sowohl „im Stand“ als auch „während der Fahrt“ ins Fahrzeuginnere habe gelangen können. Bei einem Wassereintritt in ein (Neu-)Fahrzeug gehe aber jeder objektive Dritte von einem erheblichen Mangel -so günstig die Beseitigung des Mangels im Endeffekt auch sei- aus, was wohl auch der Ansicht der obergerichtlichen Rechtsprechung entspreche. Die Beklagte habe den Mangel trotz umgehender Mängelanzeige und Nacherfüllungsaufforderung nicht beseitigt, sondern habe die unsachgemäßen, indiskutablen und im Übrigen auch unstreitig nicht zur Beseitigung des Wassereintritts förderlichen Maßnahmen für ausreichend gehalten. Darüber hinaus habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass sie das Wohnmobil für Reisen (d.h. für Fahrten und fürs Wohnen) aufgrund des Wassereintritts überhaupt nicht richtig habe nutzen könne, was auch die geringe Laufleistung des Wohnmobils erkläre. Durch den Wassereintritt sei -nachweislich- zumindest die Matratze nass geworden, so dass ein Wohnen bzw. Verweilen/Schlafen auf dieser nicht möglich gewesen sei. Im Übrigen führe der Wassereintritt auch dazu, dass sich Schimmel an verschiedenen Stellen bilden könne, welcher zum Zeitpunkt der Begutachtung oder zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch nicht sichtbar/noch nicht gesundheitsgefährdend gewesen sei. Für die Annahme eines wesentlichen Mangels spreche im Übrigen auch, dass sie bei einer Veräußerung den Käufer über den Wassereintritt in das Fahrzeug aufzuklären habe, was dazu führen würde, dass ein möglicher Interessent entweder vom Kauf Abstand nehme oder das Wohnmobil nur zu einem geringeren Preis weiterveräußert werden könne.
35Ferner habe sie nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens festgestellt, dass sich bei vergleichbaren Wohnmobilen der Fa. Q. das Dachseitenfenster nicht mehr öffnen lasse. Auf entsprechende Nachfrage sei mitgeteilt worden, dass die Möglichkeit des Öffnens wegen des Eintritts von Abgasen der Standheizung zu unterbleiben habe. Sie sei insoweit auf die DIN E 1949 verwiesen worden. Da sich das Dachseitenfenster bei Betrieb der Standheizung des hier streitgegenständlichen Fahrzeugs aber öffnen lasse, dürfte noch ein weiterer Mangel vorliegen, der zu einer Gefahr für Leib und Leben führe.
36Mit Schriftsatz vom 09.05.2023 (Bl. 139-II ff d.A.) teilt die Klägerin mit, dass sie -nach erfolgloser Aufforderung der Beklagten zur Zahlung der Beseitigungskosten- zwischenzeitlich den Mangel, welcher zum Wassereintritt an der Hecktür geführt habe, sach- und fachgerecht durch die Fachwerkstatt O. GmbH & Co KG habe beseitigen lassen. Entgegen den Angaben im Gerichtsgutachten sei hierbei aber auch eine Lackierung der rechten Hecktür erforderlich gewesen, da der Farbton und die Struktur nicht sach- und fachgerecht habe nachgestellt werden können. Für die Beseitigung des Mangels „Wassereintritt Hecktür“ habe sie an die Fa. O. -anstelle der geschätzten Kosten von brutto 1.600,00 €- einen Betrag in Höhe von insgesamt 2.461,79 € zahlen müssen (Anlage K23, Rechnung der Fa. O. vom 20.02.2023, Bl. 143-II ff d.A.).
37Mit Schriftsatz vom 24.10.2023 (Bl. 224-II ff d.A.) trägt die Klägerin ergänzend vor. Der aktuelle Kilometerstand betrage, was die Beklagte im Senatstermin unstreitig gestellt hat, derzeit 11.284 km (Lichtbild vom 23.10.2023, Bl. 227-II d.A.). Anhand einer Mittelbewertberechnung aus den gutachterlich festgestellten Parametern Gesamtlaufleistung von 250.000 km und Gesamtnutzungsdauer von 20 Jahren errechne sich eine Nutzungsentschädigung von 7.184,32 €. Die Beklagte müsse sich aber noch ihren Zinsvorteil i.H.v. 2 % des Kaufpreises für den Zeitraum 19.03.2020 bis 29.10.2020 (insgesamt 787,61 €) und für den Zeitraum 30.10.2020 bis 02.11.2023 (= Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat) den gesetzlichen Verzugszins in Höhe von insgesamt 5.508,61 € (Zinsen addiert 6.296,22 €) anrechnen lassen. Unter weiterer Berücksichtigung des Wegegeldes würde sich folgende Berechnung ergeben:
38Kaufpreis 64.059,11 €
39Nutzungsvorteil Zins: 6.296,22 €
40Wegegeld: 49,50 €
41Zwischensumme 70.404,83 €
42./. Nutzung Wohnmobil -7.184,32 €
43Summe 63.220,51 €
44Im Übrigen, so meint die Klägerin, habe die Beklagte ihr auch die von ihr, der Klägerin, aufgewandten Reparaturkosten i.H.v. 2.461,79 € zu erstatten.
45Die Klägerin hat zunächst beantragt,
4649das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 23.09.2022, Az. 3 O 494/20 abzuändern und
471. Die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 63.402,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab dem 30.10.2020 Zug um Zug gegen Übergabe des Wohnmobils Z. – ZFAN01, WKNN02, zu zahlen.
482. Festzustellen, dass sich die Beklagte spätestens ab dem 30.10.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrags zu 1. bezeichneten Gegenstands im Annahmeverzug befindet.
Die Klägerin beantragt nunmehr (sinngemäß),
5053das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 23.09.2022, Az. 3 O 494/20 abzuändern und
511. Die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 63.220,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus 57.711,90 € ab dem 03.11.2022 Zug um Zug gegen Übergabe des Wohnmobils Z. – ZFAN01, WKNN02, zu zahlen.
522. Festzustellen, dass sich die Beklagte spätestens ab dem 30.10.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrags zu 1. bezeichneten Gegenstands im Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte beantragt,
5455die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Es stelle sich, so die Beklagte, bereits die Frage, inwieweit das Landgericht überhaupt zutreffend die Beanstandungen der Lackierung sowie die „Beule" als Sachmangel im Sinne des § 434 BGB habe bewerten können. Selbst wenn man dieser Rechtsauffassung nicht folgen wollte, habe das erstinstanzliche Gericht letztendlich zutreffend erkannt, dass unabhängig von dem Vorliegen der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen eines Rücktritts ein Anspruch der Klägerin auf Rücktritt vom Kaufvertrag nicht bestehe, da insoweit einer solchen Rückabwicklung § 323 Abs. 5 S. 2 BGB entgegenstehe. Zutreffend habe das Landgericht nach entsprechender Beweisaufnahme den Mangel als „unwesentlich" qualifiziert, und dabei richtiger Weise auf die Behebbarkeit der Mängel und die Höhe der Mangelbeseitigungskosten abgestellt. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung meine, dass allein aufgrund der „Möglichkeit" des Eintritts von Feuchtigkeit nicht mehr von einer Unwesentlichkeit des Mangels gesprochen werden könne, sei dieser Rechtsauffassung nicht zu folgen. Die Klägerin habe weder erstinstanzlich noch im Rahmen ihrer Berufungsbegründung auch nur annähernd substantiiert vorgetragen, dass weitere feuchtigkeitsbedingte Schäden in ihrem Fahrzeug entstanden seien. Soweit nunmehr erst zweitinstanzlich klägerseits vorgetragen werde, die Klägerin hätte das Wohnmobil für Reisen überhaupt nicht nutzen können und durch den Wassereintritt sei zumindest die Matratze so nass geworden, dass ein Wohnen/Verweilen/Schlafen im Wohnmobil nicht möglich gewesen wäre, sei dieser Sachvortrag als verspätet zurückzuweisen und überdies inhaltlich zu bestreiten. Selbst wenn in einem Wohnmobil von außen durch Feuchtigkeitseintritt oder gegebenenfalls von innen durch versehentliches Verschütten von Flüssigkeiten derartige Substanzen zu einer partiellen Durchnässung führten, trockneten diese selbstverständlich auch wieder ab, wobei dieser Prozess durch ein Beheizen und Belüften des Innenraumes noch beschleunigt werden könne. Dass es sich „wohl nach Ansicht der obergerichtlichen Rechtsprechung" stets um einen erheblichen Mangel handeln soll, wenn in das Innere eines Fahrzeuges Wasser eintrete, sei in dieser Form wohl nicht richtig. Die Klägerin verkenne, dass es sich hier nicht um einen normalen PKW handele. Bei den Nahtstellen und Dichtungen im Rahmen der mehrstufigen Herstellung eines Wohnmobils handele es sich naturgemäß um äußerst sensible Bereiche, welche im Rahmen einer Nutzung -anders als bei einem PKW- früher oder später undicht werden. Soweit die Klägerin ausführe, dass Wassereintritt zu Schimmelbildung an verschiedenen Stellen führen würde, sei auch dies technisch nicht zutreffend; die von der Klägerin allein beschriebene „Möglichkeit“ reiche ohnehin nicht aus, um einen Sachmangel zu begründen. Bei einer sach- und fachgerechten Reparatur einer Undichtigkeit bestünden auch keine Probleme mit der Weiterveräußerung und auch keine Offenbarungspflicht. Der Vortrag der Klägerin zum Dachfenster in der Berufungsinstanz werde bestritten und als verspätet gerügt, wie die Beklagte im Einzelnen ausführt.
56Die Streithelferin hat im Berufungsverfahren keine inhaltliche Stellungnahme abgegeben.
57Der Senat hat den Sachverständigen im Senatstermin am 02.11.2023 ergänzend mündlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll und den Berichterstattervermerk vom 02.11.2023 Bezug genommen.
58Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
59B.
60Die gemäß §§ 511 ff ZPO zulässige Berufung der Klägerin ist zum überwiegenden Teil begründet, im Übrigen unbegründet.
61Der von der Klägerin erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag ist wirksam. Die Beklagte ist danach zur Rückabwicklung des mit der Klägerin über das streitgegenständliche Wohnmobil abgeschlossenen Kaufvertrages verpflichtet. Das Wohnmobil war bei Übergabe an die Klägerin mit diversen, bereits vom Landgericht zutreffend festgestellten Mängeln i.S.d. § 434 BGB behaftet, hinsichtlich derer die Klägerin die Beklagte vor Rücktrittserklärung -ungeachtet der Entbehrlichkeit gemäß § 440 BGB- auch gemäß § 323 Abs. 1 BGB zur Beseitigung aufgefordert hatte. Anders als vom Landgericht angenommen, sind die festgestellten Mängel jedenfalls nach ergänzender Anhörung des Sachverständigen und (erneuter) Vornahme einer Gesamtabwägung durch den Senat als nicht unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB zu bewerten. Der aus der Wirksamkeit des Rücktritts resultierende Rückabwicklungsanspruch ist um eine Nutzungsentschädigung i.H.v. 9.102,87 € zu kürzen, die um 1.918,55 € höher ausfällt, als von der Klägerin zuletzt auf ihre Klageforderung angerechnet. In Höhe von 5.196,04 € war festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Nutzungsvergütung i.H.v. 2 % Zinsen besteht nicht. Dagegen hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des geltend gemachten Wegegeldes und zwar unabhängig von der Wirksamkeit des Rücktritts. Ebenfalls begründet sind -in Höhe der zugesprochenen Hauptforderung- der Zinsanspruch sowie schließlich der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs.
62Im Einzelnen:
63I.
64Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung gekürzten Kaufpreises i.H.v. 54.956,24 € gemäß §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 434 Abs. 1, 323 Abs. 1 BGB. Ferner hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung eines Wegegeldes i.H.v. 49,50 € aus § 439 Abs. 2 BGB.
65Die Klägerin ist wegen Mängeln am Head-Up-Display, an den Türen sowie der Heckklappe des streitgegenständlichen Wohnmobils mit anwaltlichem Schreiben 15.10.2020 wirksam von dem zwischen den Parteien über das streitgegenständliche Wohnmobil geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten.
661.
67Es kommen vorliegend die kaufvertraglichen Regelungen in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung zur Anwendung (Art. 229 § 58 EGBGB). Zitierungen des BGB beziehen sich auf die Vorschriften in dieser Fassung, soweit nicht anders vermerkt.
682.
69Das Fahrzeug verfügt mit den von dem Sachverständigen am Head-Up-Display, an den Türen sowie der Heckklappe festgestellten Beeinträchtigungen über Sachmängel i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.
70a)
71Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (Nr. 1), sonst wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit ausweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (Nr. 2). Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein Kraftfahrzeug grundsätzlich nur dann, wenn es eine Beschaffenheit aufweist, die weder seine (weitere) Zulassung zum Straßenverkehr hindert noch ansonsten seine Gebrauchsfähigkeit aufhebt oder beeinträchtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019-VIII ZR 225/17). Vergleichsmaßstab für die Üblichkeit ist die übliche Beschaffenheit bei Sachen gleicher Art, d.h. bei Sachen (auch anderer Hersteller) mit demselben Qualitätsstandard (vgl. Grüneberg/Weidenkaff, § 434 BGB, Rn 29, m.w.N.). Die Erwartung des Käufers muss objektiv berechtigt sein und orientiert sich in der Regel an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sachen (vgl. Grüneberg/Weidenkaff, § 434 BGB, Rn 30, m.w.N.). Dabei ist für das, was der Käufer berechtigterweise erwarten darf, auch der vereinbarte Kaufpreis von Bedeutung (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 25.07.2008-14 U 125/07).
72b)
73Die Funktionsbeeinträchtigung des Head-Up-Displays durch fehlerhafte Geschwindigkeitsanzeigen ist zwischen den Parteien unstreitig und stellt nach zutreffender Bewertung beider Parteien einen Sachmangel im vorgenannten Sinne dar.
74c)
75Ebenfalls ein Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist die unregelmäßige Lackierung bzw. der Defekt in der Lackierung (Lackaufblühung) an der Fahrertür des Fahrzeugs. Soweit die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung der entsprechenden Wertung des Landgerichts entgegentritt, folgt der Senat dem nicht. Von einer Üblichkeit i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Lackschaden nach den Angaben des Sachverständigen „auf Fehler bei der Lackverarbeitung“ zurückzuführen ist (S. 29 des Sachverständigengutachtens, Bl. 496-I d.A.).
76d)
77Entsprechendes gilt für die Beule am Holm der Beifahrertür als weiterer Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Auch diese Veränderung ist -entgegen der Berufungserwiderung- nicht üblich. Bei der in der B-Säule vorhandenen Beule (Wölbung nach außen) handelt es sich nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen um einen Karosserieschaden, da es sich nicht um eine serienmäßige Erhebung handelt (S. 21 des Sachverständigengutachtens, Bl. 488-I d.A.).
78e)
79Einen weiteren Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB stellt schließlich die undichte Heckklappe des Fahrzeugs dar. Soweit die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung auf den Qualitätsunterschied zwischen Wohnmobil und PKW bei der Dichtigkeit abstellt (Bl. 80-II d.A.) und im Rahmen der Erörterungen vor dem Senat die Mangelhaftigkeit eines Wohnmobils wegen auftretender Undichtigkeiten in Zweifel zog, geht auch dieser Einwand fehl. Auch wenn ein Wohnmobil aufgrund des mehrstufigen Herstellungsvorgangs und seiner Konstruktion mit vielen Nahtstellen und Dichtungen in diesen Bereichen fehleranfälliger ist als ein PKW, entspricht es zweifellos nicht der Üblichkeit, dass bei einem Neufahrzeug die Übergabe die Heckklappe defekt ist und Feuchtigkeit in das Wohnmobil eintritt. Mit solchen Eigenschaften entspricht es nicht der geforderten Beschaffenheit (S. 10 des Sachverständigengutachtens, Bl. 477-I d.A.). Hinzu kommt, dass nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen die nach Übergabe an die Klägerin vorgenommenen Abdichtungsmaßnahmen im undichten Bereich als vollkommen unfachgerecht zu bezeichnen sind (S. 10 des Gutachtens, Bl. 477-I d.A.). Durch den nicht fachgerechten Einsatz der zusätzlichen Abdichtung wurde die originale Dichtung unbrauchbar gemacht (S. 13 des Gutachtens, Bl. 480-I d.A.). Durch diese Maßnahmen wurden die Türdichtungen zerstört (S. 14 des Gutachtens, Bl. 481-I d.A.). Derartige Beschädigungen haben nichts mehr mit den konstruktiven Besonderheiten eines Wohnmobils zu tun.
80f)
81Soweit die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz als weiteren Mangel das Dachseitenfenster geltend macht, welches sich entgegen der maßgeblichen DIN-Vorschriften beim streitgegenständlichen Wohnmobil öffnen lassen soll, kann dahin gestellt bleiben, ob das Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO prozessual zu berücksichtigen ist. Ein etwaiger Sachmangel könnte schon deshalb nicht in die rechtliche Bewertung einfließen und einen Rücktritt rechtfertigen, da es insoweit an der erforderlichen Nachfristsetzung i.S.d. § 323 Abs. 1 BGB fehlt. Darauf hat der Senat bereits in seiner Terminsverfügung hingewiesen.
82g)
83Soweit die Klägerin in ihrer erstinstanzlichen Replik unter dem Stichwort „Montagsauto“ (Bl. 173-I d.A.) noch weitere Mängel am Wohnmobil angeführt hat, hat ihr Prozessbevollmächtigter im Senatstermin klargestellt, dass diese Mängel nicht Streitgegenstand sein sollen.
843.
85Die Sachmängel lagen gemäß § 446 BGB bei Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin vor.
86a)
87Zeigt sich im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs i.S.d. §§ 474 ff BGB innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird gemäß § 477 BGB vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. Im Anwendungsbereich dieser Vorschrift genügt der Käufer seiner Darlegungslast, wenn er vorträgt (und erforderlichen falls beweist), dass sich in diesem Zeitraum ein mangelhafter Zustand (Mangelerscheinung) gezeigt hat. Der Käufer ist dann durch die genannte Vorschrift des Vortrags und des Nachweises enthoben, auf welche Ursache der zu Tage getretene mangelhafte Zustand zurückzuführen ist, sowie dass diese Ursache in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt (ständige Rechtsprechung des BGH seit dem Urteil vom 12.10.2016-VIII ZR 103/15, Tz 36; zuletzt wieder BGH, Urteil vom 10.11.2021-VIII ZR 187/20, Tz 72, m.w.N.). Eine gesetzliche Vermutung wie die des § 477 BGB kann nur durch den Beweis des Gegenteils (§ 292 ZPO) zur vollen Überzeugung des Gerichts widerlegt werden, eine Erschütterung der Vermutung genügt nicht (vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2016-VIII ZR 103/15, Tz 60, m.w.N.).
88b)
89Für sämtliche der festgestellten Mängel greift beim vorliegenden Verbrauchsgüterkauf die vorgenannte Vermutungswirkung. Die Beklagte vermochte den ihr obliegenden Gegenbeweis nicht zu erbringen. Das Landgericht war aufgrund der Angaben des Sachverständigen sogar positiv davon überzeugt, dass die Sachmängel bei Übergabe vorlagen. Diese -auch in der Sache überzeugenden- Feststellungen sind für den Senat mangels Angriffs der Beklagten hierauf in der Berufungsinstanz bindend i.S.d. § 529 Abs. 1 ZPO. Auf die Frage, ob und inwieweit das Übergabeprotokoll zu Änderungen hinsichtlich der Vermutungswirkung des § 477 BGB führt, kommt es danach nicht an.
904.
91Auch die weitere noch vom Landgericht bejahte Rücktrittsvoraussetzung -ein ordnungsgemäßes Nacherfüllungsverlangen oder dessen Entbehrlichkeit (§§ 323, 440 BGB)- ist gegeben. Es ist bereits von einer ordnungsgemäßen Nachfristsetzung i.S.d. § 323 Abs. 1 BGB auszugehen. Jedenfalls wäre ein Nacherfüllungsverlangen mit Fristsetzung gemäß §§ 323 Abs. 2, 440 BGB entbehrlich gewesen.
92a)
93Hier hat die Klägerin mit (nicht vorgelegtem) Schreiben vom 21.09.2020 die Beklagte zur Beseitigung der Mängel bis zum 02.10.2020 aufgefordert. Das Landgericht hat hierin eine ordnungsgemäße Nachfristsetzung i.S.d. § 323 Abs. 1 BGB gesehen und die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe sich auch nach Fristablauf auf eine Nacherfüllung eingelassen, mit näherer Begründung als nicht erwiesen angesehen. Die -auch in der Sache überzeugenden- Feststellungen dazu werden von der Berufungserwiderung nicht angegriffen und sind für den Senat erneut gemäß § 529 Abs. 1 ZPO bindend. Soweit die Beklagtenseite in erster Instanz formelle Einwände zum Inhalt des Nacherfüllungsverlangen vom 21.09.2020 angedeutet hat, hätte es an ihr gelegen, das Schreiben vorzulegen und den Einwand zu konkretisieren.
94b)
95Ohnehin war eine Nachfristsetzung wegen Fehlschlags der Nachbesserung und wegen Unzumutbarkeit gemäß § 440 BGB entbehrlich.
96(a)
97Außer in den Fällen des § 281 Abs. 2 BGB und des § 323 Abs. 2 BGB bedarf es gemäß § 440 Satz 1 BGB der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 4 BGB verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. Eine Nachbesserung gilt gemäß § 440 Satz 2 BGB nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.
98Ein Fehlschlag liegt vor, wenn durch die Nacherfüllung entweder der alte Mangel nicht beseitigt oder ein neuer verursacht worden ist. Der Begriff der Nachbesserung bzw. des Nachbesserungsversuchs wird zugunsten der Käufer weit verstanden (vgl. Reinking/Eggert, Rn 968). Auch eine unzureichende Untersuchung oder eine unzureichende Diagnose können als Nachbesserungsversuch gewertet werden (vgl. Reinking/Eggert, Rn 966 ff, 969a). Die Beendigung des Versuchs setzt außer der Entgegennahme durch den Käufer voraus, dass der gerügte Mangel uneingeschränkt für beseitigt erklärt wird (vgl. Reinking/Eggert, Rn 977).
99Maßgeblich für die Frage der Unzumutbarkeit ist der Erkenntnisstand des Käufers zum Zeitpunkt der Ausübung des Rücktrittsrechts (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 28. August 2019 – 2 U 94/18 –, Rn. 31, juris). Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers, diesem vorzuwerfende Nebenpflichtverletzungen oder der Umstand, dass der Verkäufer bereits bei dem ersten Erfüllungsversuch, also bei Übergabe, einen erheblichen Mangel an fachlicher Kompetenz hat erkennen lassen und das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2015 – VIII ZR 80/14 –Rn. 22, juris).
100(b)
101Nach dem unstreitigen Parteivorbringen war das Fahrzeug insgesamt drei Mal im Bereich der Beklagten zur Reparatur angezeigter Mängel:
102-im April 2020
103-am 15.06.2020
104-in KW 34/2020.
105Hier ist zwar hinsichtlich der Heckklappe -anders als hinsichtlich der weiteren Mängel- nur von einem Reparaturversuch, und zwar in der KW 34/2020 auszugehen, nachdem hinsichtlich der Arbeiten am 15.06.2020 bei Anwendung der obigen Grundsätze nicht von einem fehlgeschlagenen Reparaturversuch gesprochen werden kann. Der Zeuge R. hat nämlich insoweit ausgesagt, dass ihm bei Abholung am 15.06. von dem Mitarbeiter der Beklagten gesagt worden sei, dass der Mangel an der Heckklappe noch nicht beseitigt worden sei (Seite 3 des Protokolls vom 13.09.2021, letzter Satz, Bl. 316-I d.A., letzter Satz). Der Klägerin sind jedoch hinsichtlich der Heckklappe weitere Nachbesserungsversuche durch die Beklagte unzumutbar. Bei einem nur unzureichend abgedichteten Feuchtigkeitsschaden eines Wohnmobils ist im Einzelfall ein Recht des Käufers zum Rücktritt ohne Gewährung eines zweiten Nachbesserungsversuchs wegen Unzumutbarkeit zu bejahen, wenn dem Verkäufer beim ersten Nachbesserungsversuch gravierende Ausführungsfehler unterlaufen oder der erste Nachbesserungsversuch von vornherein nicht auf eine nachhaltige, sondern nur eine provisorische Mängelbeseitigung angelegt war (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.03.2011-28 U 131/10). So liegt der Fall hier. Über die Frage, ob vorliegend eine angemessene Nachfristsetzung (auch) unter dem Aspekt eines sogenannten „Montagsauto“ entbehrlich gewesen wäre, musste der Senat nicht entscheiden.
1065.
107Die festgestellten Sachmängel sind -entgegen der Auffassung des Landgerichts- auch nicht unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB.
108a)
109Nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung unerheblich ist, das heißt, wenn der Mangel geringfügig ist (BGH, Urteile vom 29. Juni 2011 - VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 19; vom 6. Februar 2013 - VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365, Rn. 16). Dabei ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers abzustellen (BGH, Urteile vom 15. Juni 2011 - VIII ZR 139/09, NJW 2011, 3708 Rn. 9 mwN; vom 6. Februar 2013 - VIII ZR 374/11, aaO., Rn. 18). Die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls (BGH, Urteile vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 70/07, juris Rn. 23 m.zahlr.w.N.; vom 6. Februar 2013 - VIII ZR 374/11, aaO., Rn. 16). Im Rahmen dieser umfassenden Interessenabwägung ist bei einem behebbaren Mangel grundsätzlich auf die Kosten der Mängelbeseitigung und nicht auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung abzustellen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wird die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB jedenfalls in der Regel bereits dann als erreicht anzusehen sein, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet (vgl. BGH, Urteil vom 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, juris Rn. 12). Für die tatsächlichen Voraussetzungen der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung trägt der Verkäufer die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Reinking/Eggert, aaO., Rn. 1064 m.w.N.). Steht die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nicht fest, kommt es auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung an (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.2011-VIII ZR 202/10, zit nach juris).
110b)
111Die zur Überzeugung des Senats feststehenden Sachmängel stellen sich, wovon auch die Parteien ausgehen, als behebbare Mängel dar. Die für die Erheblichkeit maßgebliche 5 %-Grenze im Sinne der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt hier maximal bei 3.202,96 €. Nach der ergänzenden mündlichen Anhörung des Sachverständigen ist der Senat davon überzeugt, dass im Zeitpunkt des Rücktritts ein Mängelbeseitigungsaufwand erforderlich war, der die vorgenannte 5 %-Grenze überschreitet.
112(a)
113Die Mangelbeseitigungskosten betragen nach den Feststellungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten vom 28.01.2022 (Bl. 468-I ff d.A.):
114-Heckklappe: 1.336,96 € netto = 1.590,98 € brutto
115-Beule Holm Beifahrerseite: 429,78 € netto = 511,44 € brutto
116-Lackschäden Fahrertür: 1.139,44 € netto = 1.355,93 € brutto
117-Head-Up Display ca. 200,00 € netto (Hardware-Lösung) = 238,00 € brutto oder 123,00 € netto = 146,37 € brutto (Software-Lösung)
118Der Sachverständige und ihm folgend das Landgericht haben bei dem Head-Up Display mit dem höheren Wert (200,00 € netto) gerechnet, was auch aus Sicht des Senats angemessen erscheint.
119Daraus ergab sich bei cent-genauer Berechnung ein Betrag i.H.v. 3.106,18 € netto = 3.696,35 € brutto.
120(b)
121Der Sachverständige hat mit Rundungen gearbeitet: Vorgenannte Beträge belaufen sich danach auf 1.350,00 € netto/1.600,00 € brutto + 430,00 € netto/510,00 € brutto + 1.140,00 € netto/1.350,00 € brutto + 200,00 € netto/238,00 € brutto, insgesamt: 3.120,00 € netto = 3.712,80 € brutto. Auch dies erscheint zur Feststellung der Mängelbeseitigungskosten angemessen.
122(c)
123In seiner mündlichen Anhörung am 02.09.2022 (Bl. 657-I ff d.A.) hat der Sachverständige zunächst seine Feststellungen zu den Mangelbeseitigungskosten betreffend Tür und Beifahrertür -überzeugend und von der Berufungserwiderung auch nicht mehr aufgegriffen- gegen die erstinstanzlichen Einwendungen der Beklagten verteidigt. Die Beule an der Beifahrertür lässt sich danach nicht mit der Dellendrückmethode entfernen. Auch ist die Lackierung des Türschwellers aufgrund der Lackmängel an der Tür erforderlich (Bl. 658/59-I d.A.). Der Sachverständige hat indes seine Kalkulationen im schriftlichen Gutachten dahingehend korrigiert, dass die unter dem Punkt „Rüstzeit“ bei den ersten drei Mängeln jeweils angesetzten Kosten i.H.v. 221,60 € -da alle Mängel gleichzeitig beseitigt werden können- nur einmal anfallen, so dass die kalkulierten Gesamtkosten um 443,20 € zu reduzieren sind. Da auf diese Art und Weise auch jeweils 35 % Lackmaterial eingespart werden, entsteht nach den Angaben des Sachverständigen ein Abzug von den zu kalkulierenden Kosten für die Mangelbeseitigung von netto 598,32 €. Danach verbleiben netto 2.521,68 € = brutto 3.000,80 €. Das sind 4,68 % des Kaufpreises.
124(d)
125Ungeachtet dessen, dass auch bei einem derartigen Mängelbeseitigungsaufwand bei einer Gesamtabwägung im vorliegenden Einzelfall nicht mehr von einem bloß unerheblichen Mangel auszugehen ist (s.u.), sind nach Auffassung des Senats im Lichte der von der Klägerin in der Berufungsinstanz vorgelegten Rechnung der Firma O. vom 20.02.2023 (Anlage K23, Bl. 143-II d.A.) für die Position Heckklappe höhere Mängelbeseitigungskosten anzusetzen als vom Sachverständigen veranschlagt.
126aa)
127Die Rechnung und der entsprechende Vortrag der Klägerin sind gemäß § 531 Abs. 2 ZPO prozessual zu berücksichtigen, da die vorgenannte Reparatur erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung erfolgte.
128bb)
129Die Abweichung der sich auf netto 1.978,73 € = 2.354,69 € brutto belaufenden Rechnung von den vom Sachverständigen für die Beseitigung der Mängel an der Heckklappe angesetzten Kosten beruht nach den Angaben des Sachverständigen in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat neben der zwischenzeitlichen Erhöhung des Stundensatzes von den vom Sachverständigen kalkulierten 123,75 € auf von der Firma O. in Rechnung gestellte 130,00 € im Wesentlichen darauf, dass die rechte Tür mitlackiert wurde. Auch wenn der Sachverständige angegeben hat, dass nach seiner ersten Einschätzung die rechte Hecktür zur fachgerechten Mängelbeseitigung nicht mitlackiert werden musste, hat der Sachverständige auf Nachfrage des Senats bestätigt, dass sich das Erfordernis, die rechte Hecktür mitzulackieren, auch im Rahmen einer sonst ordnungsgemäßen Reparatur ergeben kann. Der Sachverständige hat hierzu in seiner Anhörung die -üblichen- Arbeitsgänge einer Lackierung beschrieben. Wenngleich er -naturgemäß- zum tatsächlichen Ablauf der von der Firma O. vorgenommenen Arbeiten nichts sagen konnte, ergibt sich aus der Rechnung der Firma O. -darauf verwies auch der Sachverständige-, dass die rechte Tür mitlackiert werden musste, da der Farbton und die Struktur nicht fach- und sachgerecht nachgestellt werden konnten. Einen solchen Arbeitsablauf hielt auch der Sachverständige für plausibel. Nach Auffassung des Senats müssen auch derartige Arbeitsschritte, die sich nicht zwangsläufig bei einer Reparatur ergeben müssen, aber auch bei ordnungsgemäßer Reparatur ergeben können, bei der Prüfung der Mängelbeseitigungskosten und der Unerheblichkeit des Mangels bzw. der Pflichtverletzung Berücksichtigung finden.
130cc)
131Zieht man von den vom Sachverständigen in erster Instanz zuletzt angesetzten 2.521,68 € einen Betrag von 1.350,00 € (gerundet) für die Mängelbeseitigung an der Heckklappe ab und addiert die Mängelbeseitigungskosten der Firma O. i.H.v. 1.978,73 €, so ergibt sich ein Nettogesamtbetrag von 3.150,41 €, was einen Bruttogesamtbetrag von 3.748,99 € ergibt. Das sind 5,85 % des Kaufpreises und damit ein Betrag, der oberhalb der genannten 5 %-Erheblichkeits-Grenze liegt.
132d)
133Auch in der gebotenen Gesamtabwägung ist eine Erheblichkeit der festgestellten Mängel anzunehmen. Dies gilt selbst dann, wenn man erstinstanzlich zuletzt vom Sachverständigen errechnete Mängelbeseitigungskosten von netto 2.521,68 € = brutto 3.000,80 € = 4,68 % des Kaufpreises ansetzen würde.
134(a)
135Dabei begegnen die Ausführungen des Landgerichts zur fehlenden Erheblichkeit, soweit es um die Lackschäden an der Fahrertür, die Beule an der Beifahrertür und das Head-Up-Display geht, -wovon letztlich auch die Klägerin ausgeht- im Ergebnis keinen Bedenken. Die Argumentation des Landgerichts zum Feuchtigkeitseintritt ist dagegen mit der Berufung nicht überzeugend:
136aa)
137Dass ein Mangel nach der Reparatur beseitigt ist, ist ersichtlich kein geeignetes Kriterium, um die Unerheblichkeit eines Mangels festzustellen. Das Landgericht hat insoweit eine Form der „Doppelverwertung“ vorgenommen, indem es einen behebbaren Mangel angenommen hat, um damit maßgeblich auf die Mangelbeseitigungskosten abstellen zu können, um dann bei der Gesamtabwägung noch einmal die Behebbarkeit des Mangels „zu Lasten“ der Klägerin zu verwerten.
138bb)
139Soweit das Landgericht darauf abstellt hat, dass die Klägerin nicht das Vorliegen weiterer Wasserschäden behauptet habe, geht dies ebenfalls fehl. Die Klägerin hat schon in erster Instanz vorgetragen, dass durch Feuchtigkeit die Matratze nass geworden ist. Das ergab sich sowohl aus der Mängelanzeige als auch aus der Aussage des Zeugen R. (Bl. 316-I d.A.), die sich die Klägerin jedenfalls stillschweigend zu eigen gemacht hat. Ferner hat die Klägerin bereits im Schriftsatz vom 22.03.2022 (Bl. 564-I d.A.) auf eine mögliche Schimmelgefahr etc. hingewiesen. Vor diesem Hintergrund handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch ersichtlich nicht um ein verspätetes Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz.
140(b)
141Vielmehr ergibt die umfassende Würdigung die Gesamtumstände, dass vorliegend nicht mehr von bloß unerheblichen Pflichtverletzungen bzw. Mängeln i.S.d. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgegangen werden kann.
142aa)
143Dabei fällt ins Gewicht, dass die Mängel an der Hecktür jedenfalls in weiten Teilen auf eine erhebliche Pflichtverletzung der Beklagten bei Durchführung der Nachbesserungsarbeiten zurückzuführen sind. Dabei muss sich die Beklagte, soweit geschehen, auch eine Pflichtverletzung der Garantiegeberin gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, da die Klägerin allein ihre Sachmängelgewährleistungsrechte wahrgenommen hat und die Garantiegeberin in diesem Pflichtenkreis tätig geworden wäre.
144bb)
145Nach zutreffender Auffassung stellt ein Feuchtigkeitseintritt nicht nur bei einem PKW (vgl. BGH vom 05.11.2008-VIII ZR 166/07, Tz 19 und 21 sowie -explizit zu einem Wassereintritt am Heck- KG, Urteil vom 20.07.2009-8 U 96/09, zit nach beck-online) sondern auch bei einem Wohnmobil (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.03.2011-28 U 131/10, Tz 39) regelmäßig einen nicht nur unerheblichen Mangel dar. Anders als die Beklagte meint, ist wegen des üblichen Verarbeitungsstandards von Wohnmobilen keine differenzierte Betrachtung im Vergleich zu Personenkraftwagen geboten. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass Wohnmobile auch dem Wohnen dienen und ein Feuchtigkeitseintritt und/oder Feuchtigkeitsschäden den Komfort mindestens genauso beeinträchtigen können wie bei einem PKW. Das wird gerade auch im Streitfall deutlich, in welchem die eintretende Feuchtigkeit eine Matratze der Klägerin betroffen hat. Von einem bloß unerheblichen Mangel ist auch im Lichte der ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat nicht auszugehen. Zwar ist nach seinen Schilderungen ein Feuchtigkeitseintritt bei einem -wie hier- mit Blech verarbeiteten Wohnmobil nicht so gravierend wie bei einem mit Plastik/Kunststoff verarbeiteten Wohnmobil, bei dem sich die Feuchtigkeit in die Innenverkleidung einsaugt, zumal vorliegend von der Undichtigkeit allein die aus Bleck verarbeitete Hecktür betroffen ist. Gleichwohl ist der Feuchtigkeitseintritt auch beim vorliegenden Modell aus Blech problematisch, wie der Sachverständige bestätigt hat und sich letztlich schon daraus ergibt, dass die klägerische Matratze von der eindringenden Feuchtigkeit betroffen war.
1467.
147Als Rechtsfolge sind § 346 Abs. 1 BGB im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Die Beklagte hat danach an die Klägerin im Ergebnis einen Betrag von 55.005,74 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs zu zahlen.
148a)
149Im Ausgangspunkt ist gemäß § 346 Abs. 1 BGB der Kaufpreis i.H.v. 64.059,11 € zurückzuzahlen.
150b)
151Dagegen hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsvergütung für den gezahlten Kaufpreis i.H.v. 2 % Zinsen und zwar weder auf Zahlung der (bislang) für den Zeitraum Oktober 2019 bis 20.03.2020 geltend gemachten Zinsen i.H.v. 640,00 € noch auf Zahlung der mit Schriftsatz vom 24.10.2023 für den Zeitraum 19.03.2020 bis zum 29.10.2020 geltend gemachten Zinsen i.H.v. 787,61 €.
152(a)
153Dabei sind im Falle des Rücktritts aus dem empfangenen Kaufpreis tatsächlich erzielte Zinserträge vom Verkäufer nach § 346 Abs. 1 BGB herauszugeben, d.h. gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB dem Wert nach zu ersetzen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Ob und Wie der tatsächlichen Nutzungsziehung liegt beim Käufer, wobei sie durch Lebenserfahrungssätze, eine sekundäre Darlegungslast des Verkäufers sowie durch § 287 ZPO erleichtert wird (vgl. Reinking/Eggert, Rn 1151, m.w.N.).
154(b)
155Vorliegend hat die Beklagte einen entsprechenden Zinsvorteil auf ihrer Seite hinreichend substantiiert bestritten. In dem maßgeblichen Zeitraum herrschte noch das sogenannte „Zinstief“. Hier war es, worauf der Senat im Senatstermin hingewiesen hat, an der Klägerin gelegen, substantiiert vorzutragen und ggf. konkrete Zinsangebote für den gewerblichen Bereich für den maßgeblichen Zeitraum vorzulegen. Erst recht fehlt es an einem Beweisantritt.
156(c)
157Schuldhaft nicht erwirtschaftete Zinsen i.S.d. § 347 Abs. 1 Satz 1 BGB werden von der Klägerin schon nicht geltend gemacht. Aus den vorgenannten Gründen ist auch dafür nichts ersichtlich.
158c)
159Dagegen hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Wegegeldes aus § 439 Abs. 2 BGB (vgl. dazu Reinking/Eggert, Rn 760, m.w.N.). Eine Position wie das Wegegeld aus § 439 Abs. 2 BGB bleibt auch dann ersatzfähig, wenn anschließend der Rücktritt erklärt wird (vgl. jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn 120, m.w.N.). Der Senat schätzt diese -von der Beklagten bestrittene- Position gemäß § 287 ZPO auf die von der Klägerin geltend gemachten 49,50 €. Die Klägerin macht für 3 Nachbesserungsversuche (s.o.) eine Kilometerpauschale von 0,3 € pro Kilometer für 165 km geltend. Angesicht einer einfachen Entfernung zwischen dem Wohnort der Klägerin in N. und der Niederlassung der Beklagten in Lage von etwa 27/28 km (nach einem Routenplaner aus dem Internet) ist die Berechnung der Klägerin plausibel.
160d)
161Die Klägerin hat ferner einen Anspruch auf Verzinsung der Hauptforderung i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz am dem 30.10.2020. Durch das Rückabwicklungsverlangen vom 15.10.2020 wurde die Beklagte gemäß § 286 BGB ab dem 30.10.2020 in Verzug gesetzt. Die Klägerin hat darin sinngemäß die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung aufgefordert und im Gegenzug sowohl die Rückgabe (Bl. 105-I d.A.) als auch die Rückübereignung (Bl. 106-I d.A.) angeboten. Das Schreiben enthält auch keine nicht nur unerhebliche Zuvielforderung. In dem Aufforderungsschreiben wurde zwar nicht nur unberechtigter Weise ein Nutzungsvorteil Zins i.H.v. 640,00 € geltend gemacht, sondern auch die anzurechnende Nutzungsentschädigung -vom damaligen Zeitpunkt aus gerechnet- im Ergebnis i.H.v. 284,21 € zu gering angesetzt. Dies rührt daher, dass die Klägerin im Rahmen der Mischkalkulation statt mit einer zu erwartenden Lebensleistung von 15 Jahren mit einer zu erwartenden Lebensleistung von 20 Jahren gerechnet hat (s.u.). Zusammen mit dem Nutzungsvorteil Zins entspricht dies im Ergebnis einer Zuvielforderung von insgesamt 924,11 €, was bei einer Gesamtforderung von 63.402,34 € einen Anteil von 1,46 % ausmacht. Der BGH hat eine Zuvielforderung von 2.254,04 € bei einer Gesamtforderung von 25.403,83 € (Anteil 8,87 %) als nicht nur unerhebliche Zuvielforderung bewertet (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.2021-VI ZR 130/20). Dem entspricht die vorliegende Zuvielforderung bei weitem nicht.
162e)
163Wie bereits von der Klägerin im Grundsatz berücksichtigt, ist gemäß § 346 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB eine Nutzungsentschädigung in Abzug zu bringen. Diese beläuft sich indes nicht -wie zuletzt mit Schriftsatz vom 24.10.2023 von der Klägerin berechnet- auf 7.184,32 €, sondern -die Differenzierung beruht auf einer vom Senat lediglich mit 15 Jahren veranschlagten Gesamtlebensdauer- auf 9.102,87 €.
164(a)
165Dabei ist mit der Klägerin für die Berechnung eine Mischkalkulation aus der zu schätzenden Gesamtfahrleistung und der zu schätzenden Gesamtnutzungsdauer in der Weise vorzunehmen, dass aus beiden Werten der Mittelwert zu bilden ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 18.12.2014-28 U 135/13, Tz 39).
166aa)
167Hinsichtlich der Gesamtfahrleistung folgt der Senat den Berechnungen der Klägerin und den Angaben des Sachverständigen und legt insoweit einen Wert von 250.000 km zugrunde.
168bb)
169Hinsichtlich der Gesamtnutzungsdauer rechnet der Senat dagegen entgegen der Berechnung der Klägerin und der Empfehlung des Sachverständigen mit 15 Jahren statt mit 20 Jahren. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Sachverständige eine Vielzahl von Angeboten bei der Internetseite „mobile.de“ ermittelt hat, in denen die angebotenen „Kastenwagen bis 3,5 Tonnen“ älter als 15 Jahre und sogar älter als 20 Jahre alt waren. Dieser Vergleich erfolgte dabei herstellerübergreifend. Der Senat ist indes schwerpunktmäßig mit Bearbeitung von Abgassachen betreffend Wohnmobile des (Basis-)Fahrzeugherstellers J. (konkret: U.) befasst. Auch das streitgegenständliche Basisfahrzeug stammt von J., wie die Parteien im Senatstermin bestätigt haben. Aufgrund seiner Erfahrung mit einer mittleren dreistelligen Anzahl von entsprechenden Verfahren schätzt der Senat die Gesamtnutzungsdauer bei entsprechenden Wohnmobilen und damit auch für das vorliegende auf 15 Jahre (vgl. ebenso etwa OLG Celle, Beschluss vom 03.08.2023-7 U 186/22, n.v.; OLG Stuttgart, Urteil vom 12.05.2016-1 U 133/13, Rn 123, letzteres unter Hinweis auf die Einschätzung des im dortigen Verfahren bestellten Sachverständigen; vgl. ferner Reinking/Eggert Rn 3579).
170cc)
171Daraus ergibt sich folgende Berechnung:
172(aa) Nutzungswert Kilometerabrechnung
17364.059,11 € x (11.284 km – 1 km) = 2.902,72 €
174249.000 km (= 250.000 km – 1 km)
175(bb) Nutzungswert Lebenserwartung
17664.059,11 € x 3 Jahre 7 Monate = 15.303,01 €
17715 Jahre (= 180 Monate)
178(cc) Mittelwert:
1792.902,72 € + 15.303,01 € = 9.102,87 € Nutzungsentschädigung
1802
181f)
182Die Zahlung von 55.005,74 € hat -wie von der Klägerin beantragt- gemäß § 348 BGB Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu erfolgen. Soweit darüber hinaus bei der Zug-um-Zug zu erbringenden Rückabwicklung auch die Rückübereignung des Kaufgegenstandes verlangt werden kann (vgl. Grüneberg/Weidenkaff, § 437 BGB, Rn 46; Reinking/Eggert, Rn 1093), hat die Beklagte dies nicht geltend gemacht. Der Senat geht aber davon aus, dass die Rückabwicklung des Kaufvertrags (einvernehmlich) auch die Rückübereignung des Wohnmobils an die Beklagte umfassen wird.
183II.
184Der Senat legt die gemäß §§ 264 Nr. 2, 533 ZPO zulässige Klageänderung der Klägerin im Senatstermin, was die angerechnete Nutzungsentschädigung anbelangt, als teilweise Erledigungserklärung i.H.v. 5.838,05 € aus (= Aktuell angerechnete Nutzungsentschädigung i.H.v. 7.184,32 € abzüglich ursprünglich angerechnete Nutzungsentschädigung i.H.v. 1.346,27 €). In Höhe von 5.196,04 € war festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Es handelt sich um die Differenz zwischen der bei Klageerhebung auf der Grundlage der Parameter des Senats zur Berechnung der Nutzungsentschädigung berechtigten Kaufpreisforderung i.H.v. 62.070,83 € (= 64.059,11 € Kaufpreis abzüglich 1.988,28 € Nutzungsentschädigung) und der zuletzt geltend gemachten Kaufpreisrückforderung i.H.v. 56.874,79 € (= 64.059,11 € Kaufpreis abzüglich 7.184,32 € Nutzungsentschädigung).
185III.
186Der Feststellungsantrag der Klägerin ist zulässig und begründet. Die Beklagte befindet sich seit dem 30.10.2020 in Annahmeverzug (s.o.).
187C.
188Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin unterliegt mit der Kaufpreisrückforderung i.H.v. 1.918,55 €, mit der Nutzungsvergütung Zinsen i.H.v. 787,61 € und mit der teilweisen Erledigung i.H.v. 642,01 €. Dies ergibt insgesamt 3.348,17 € und damit eine Unterliegensquote ausgehend von der Ursprungsforderung i.H.v. 5,28 %. Der Senat hat diesen Betrag im Rahmen der Kostenentscheidung auf 5 % abgerundet. Da die Verlustquote rechnerisch höher als 5 % liegt, hat der Senat keinen Gebrauch von der Regelung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gemacht.
189D.
190Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
191E.
192Die Revision war nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).