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Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e
2I.
3Die Beteiligten streiten um den Ansatz einer Dokumentenpauschale nach Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG.
4Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren notariellen Kostenrechnungen vom 28.03.2022. Über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) beantragte sie am 19.07.2022 den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) gegen den Schuldner. Diesen erließ das Vollstreckungsgericht am 16.08.2022 (43 M 809/22 AG Arnsberg) und übersandte ihn auf Antrag der Gläubigerin mit gerichtlicher Verfügung vom 18.08.2022 an die Beschwerdegegnerin zur Veranlassung der Zustellung an die Drittschuldnerin (§ 192 ZPO). Diese fertigte zwei Ausdrucke/Abschriften des aus acht Seiten bestehenden PfÜB, beglaubigte diese und stellte sie an die Drittschuldnerin persönlich und an den Schuldner per Post zu (§ 193 I 3 ZPO).
5In ihrem Kostenansatz vom 28.08.2022 (DR I 161/22) berücksichtigte die Beschwerdegegnerin die von ihr gefertigten 16 Kopien mit einer Dokumentenpauschale nach Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG in Höhe von 8,00 €.
6Gegen diesen Kostenansatz hat die Beschwerdeführerin Erinnerung erhoben, weil der Ansatz der Dokumentenpauschale zu Unrecht erfolgt sei. Denn die weitere Voraussetzung für deren Ansatz, dass der Auftraggeber es unterlassen habe, die erforderliche Anzahl von Mehrfertigungen beizufügen, sei nicht erfüllt. Seit dem 01.01.2022 seien Rechtsanwälte gem. § 130d S. 1 ZPO verpflichtet, sämtliche Anträge – somit auch Anträge auf Erlass eines PfÜB – als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gem. § 133 I 2 ZPO und § 193 I 1 Nr. 2 und S. 3 ZPO bedürfe es bei der Einreichung von Anträgen und Zustellungsaufträgen als elektronisches Dokument der Beifügung von Abschriften nicht, sodass im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen von Nr. 700 Ziff. 1 b) KV GvKostG nicht erfüllt seien, die angesetzte Dokumentenpauschale also nicht entstanden sei.
7Die Beschwerdegegnerin ist dem entgegengetreten. Für den Ansatz der Pauschale nach Nr. 700 KV GvKostG sei nicht relevant, ob Anträge auf Erlass eines PfÜB elektronisch gestellt würden. Rechtsanwälte stellten diese Anträge beim Gericht, welches diesen erlasse. Die fehlenden beglaubigten Abschriften dieses Beschlusses fertige der Gerichtsvollzieher selbst an, sodass maßgebend sei, wie die erlassenen Beschlüsse bei diesem eingingen. Im Übrigen gelte der § 130d ZPO nur für Rechtsanwälte und Behörden, sodass bei Aufträgen von Inkassobüros ebenfalls die Kosten angesetzt würden. Damit sei klargestellt, dass § 130d ZPO nicht mit dem Ansatz der KV 700 GvKostG in Verbindung zu setzen sei.
8Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin handele es sich bei den nach § 193 I 3 ZPO vom Gerichtsvollzieher zu fertigenden Abschriften ebenfalls um Ausdrucke, die gefertigt würden, „weil der Auftraggeber es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen“, also um einen klaren Anwendungsfall der Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG. Dass der Gläubiger nicht verpflichtet sei, bei elektronischer Übermittlung Abschriften beizufügen, es sich also nicht um ein vorwerfbares Unterlassen handele, sei unerheblich. Es stehe dem Gläubiger frei, den „Service des Gerichtsvollziehers“ nach § 193 I 3 ZPO in Anspruch zu nehmen. Mit der Dokumentenpauschale solle lediglich der dadurch entstehende Aufwand abgegolten werden. Der Ansatz der Dokumentenpauschale sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gerichtsvollzieher die Ausdrucke von Amts wegen zu fertigen habe, denn der Ansatz der Dokumentenpauschale sei nach dem Gesetz für diesen Fall nicht ausgeschlossen.
9Die Tatsache, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei elektronisch eingereichten Schriftstücken der Auslagentatbestand nach Nr. 9000 Ziff.1 KV GKG nicht erfüllt sein solle (BT-Drs.15/4067, S. 31), habe keinen Einfluss auf den Auslagentatbestand nach Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG. Die Ausführungen in der zitierten BT-Drucksache bezögen sich auf § 133 ZPO, welcher das Erkenntnisverfahren betreffe, in dem nach § 130d ZPO eine weitgehende Verpflichtung zur elektronischen Einreichung von Anträgen bestehe. Eine solche sei jedoch bei Parteizustellungen betreffenden Aufträgen gemäß § 193 ZPO gerade nicht gegeben.
10Der Gläubiger werde durch den Ansatz der Dokumentenpauschale auch nicht unangemessen benachteiligt, weil er diesen ohne Weiteres verhindern könne, indem er sich den PfÜB vom Vollstreckungsgericht übersenden lassen, die erforderlichen Abschriften selbst herstellen und diese dem Gerichtsvollzieher zur Zustellung übermitteln könne. Umgekehrt würden Gerichtsvollzieher im Hinblick auf die Verpflichtung, die Ausdruck bei elektronisch übermittelten Dokumenten nach § 193 I 3 ZPO selbst herstellen zu müssen, erheblich zusätzlich wirtschaftlich belastet. Insofern liege zumindest eine planwidrige Regelungslücke vor, die eine analoge Anwendung ermögliche.
11Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 20.03.2023 zurückgewiesen. Die Voraussetzungen der Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG seien erfüllt, weil es die Gläubigerin unterlassen habe, die für die Zustellung im Parteibetrieb an den Schuldner und Drittschuldner erforderlichen Mehrfertigungen beizufügen. Zwar sei es nach § 133 I 2 ZPO für elektronisch übermittelte Dokumente nicht erforderlich, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften der Schriftsätze und deren Anlagen beizufügen. Vielmehr habe die Geschäftsstelle nach der Gesetzesbegründung dafür Sorge zu tragen, dass elektronische Dokumente ausgedruckt und dem Gegner in der gesetzlich vorgeschriebenen Form übermittelt würden.
12Im vorliegenden Fall habe die Gläubigerin jedoch gewählt, die Gerichtsvollzieherin mit der im Parteiwege zu erfolgenden Zustellung des PfÜB gem. § 192 S.1, 2 ZPO unter Vermittlung der Geschäftsstelle des Gerichts zu beauftragen. In diesem Fall fertige die Gerichtsvollzieherin die erforderlichen Abschriften und beglaubige diese. Der Gläubigerin hätte es freigestanden, die Übersendung des PfÜB an sich selbst zu beantragen und die Beschwerdegegnerin unmittelbar selbst mit der Zustellung im Parteibetrieb zu beauftragen, und zwar unter Übermittlung des zuzustellenden Dokumentes an die Gerichtsvollzieherin unter Beifügung der erforderlichen Abschriften (§ 193 I Nr. 1 ZPO). In diesem Fall hätte es einer Fertigung von Abschriften durch die Gerichtsvollzieherin nicht bedurft, sodass keine Dokumentenpauschale angefallen wäre.
13Nach Auffassung des Gerichtes sei es unter Berücksichtigung dieser Wahlmöglichkeit sachgerecht, den Tatbestand der Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG auch bei Antragstellung auf elektronischem Wege als erfüllt anzusehen, weil in diesen Fällen der mit der Gebühr abzugeltende Aufwand beim Gerichtsvollzieher tatsächlich anfalle.
14Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt, zu deren Begründung sie ihre bereits dargestellte Rechtsauffassung wiederholt. Die Wahlmöglichkeit nach § 193 I ZPO ändere aus Sicht der Landeskasse nichts daran, dass die Gläubigerin als Rechtsanwältin seit dem 01.01.2022 gem. § 130d ZPO verpflichtet gewesen sei, sämtliche Anträge – also auch Zustellungsanträge – als elektronisches Dokument zu übermitteln. Für die Kostenregelung sei darauf abzustellen, wie der Auftrag bei Gericht eingegangen sei bzw. habe eingehen müssen. Dabei sei grundsätzlich davon auszugehen, dass der Auftrag bei Gericht in der korrekten Form eingegangen sei; bei Zweifeln müsse der Gerichtsvollzieher bei Gericht nach der tatsächlichen Eingangsform fragen und hierüber einen entsprechenden Vermerk fertigen. § 133 ZPO finde Anwendung und wer elektronisch einreiche, solle nicht mit zusätzlichen Kosten in Form einer Dokumentenpauschale belastet werden.
15Sie hat zudem darauf verwiesen, dass für die Beglaubigung der von Gerichtsvollziehern selbst gefertigten Abschriften auch keine Beglaubigungsgebühr KV 102 GvKostG erhoben werde (vgl. § 10a DBGvKostG). Soweit durch § 193 I 3 ZPO Mehrkosten bei den Gerichtsvollziehern entstünden, könne dies nur durch eine Änderung der Kostenregelung abgefangen werden.
16Die Kammer des Landgerichts hat die Beschwerde mit Beschluss vom 22.05.2023 zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die in Ansatz gebrachte Dokumentenpauschale sei nicht zu beanstanden, weil nach Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG die Pauschale von 0,50 € für jede Kopie oder jeden Ausdruck entstehe, welche der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher entgegen einer gesetzlichen Pflicht vollständig zu übergeben versäumt habe.
17Eine solche Pflicht finde sich in § 193 I 1 Nr. 1 ZPO, wonach die Parteien ein als Schriftstück zuzustellendes Dokument in Papierform mit den erforderlichen Abschriften zu übermitteln habe. Bei fehlenden Abschriften dürfe der Gerichtsvollzieher diese selbst herstellen (§ 193 I 2 ZPO) und die hierfür verauslagten Kosten unstreitig über Nr. 700 Ziff. 1 b) KV GvKostG in Rechnung stellen. Gleiches gelte nach Auffassung der Kammer, wenn ein Dokument als Schriftstück zugestellt werden solle und die Partei dieses dem Gerichtsvollzieher nach § 193 II 1 Nr. 2 ZPO als elektronisches Dokument übermittele, denn auch in diesem Fall fertige der Gerichtsvollzieher die Abschriften als Ausdrucke selbst und beglaubige diese (§ 193 I 3 ZPO). Schon der Wortlaut des § 193 I 3 ZPO stelle entscheidend auf die „Erforderlichkeit“ anzufertigender Abschriften ab und greife somit die gleichermaßen in Nr. 700 Ziff. 1 b) KV GvKostG verwendete Begrifflichkeit auf.
18Nr. 700 Ziff. 1 b) KV GvKostG sei anwendbar, auch wenn – anders als in § 193 I 2 ZPO – in § 193 I 3 ZPO nicht auf „fehlende“ Abschriften abgestellt werde, was auf ein Unterlassen hindeute. Denn systematisch könne die Regelung nur so verstanden werden, dass der Gerichtsvollzieher unabhängig von der Darstellungsform des zuzustellenden Dokuments von den ihm für die Anfertigung von Abschriften entstandenen Kosten befreit werde. Nr. 700 Ziff. 1 b) KV GvKostG habe zudem den Zweck, solche vom Gerichtsvollzieher in Ausführung des Zustellungsauftrages notwendigerweise verauslagten Kosten auf den Auftraggeber abwälzen zu können, um so für Kostengerechtigkeit zu sorgen. Diese Kostengerechtigkeit solle durch die in § 193 I Nr. 2 ZPO im Zuge des Ausbaus des elektronischen Rechtsverkehrs neu geschaffene Wahlmöglichkeit bei der Übermittlung von zuzustellenden Dokumenten nicht einseitig zu Lasten des Gerichtsvollziehers abgeschafft werden. Schließlich habe die den Zustellungsauftrag erteilende Partei stets die Wahl, ob sie das als Schriftstück zuzustellende Dokument in Papierform oder – wie hier durch Vermittlung des Vollstreckungsgerichts nach § 192 S. 1, 2 ZPO – in elektronischer Form an den Gerichtsvollzieher übermittelt. Dass bei für den Gerichtsvollzieher unverändertem Arbeitsaufwand eine kostenmäßige Begünstigung all jener erfolgen solle, die statt der Übermittlung in Papier diejenige in elektronischer Form wählten, entspreche gerade nicht dem Grundsatz der gerechten Kostenverteilung.
19Dem stünden auch die Regelungen der §§ 130d, 133 I 2 ZPO nicht entgegen. Zum einen handele es sich bei dem elektronisch übermittelten Schriftsatz der Gläubigerin lediglich um den Antrag auf Erlass des PfÜB und somit nicht um das nach § 193 ZPO zuzustellende Dokument, welches vielmehr der erst noch vom Rechtspfleger zu erlassende PfÜB selbst sei. Zum anderen fänden die zitierten Vorschriften nur im Anwalts- und Parteiprozess Anwendung, regelten also die Zustellung unter den Parteien. Weder der Gerichtsvollzieher noch der Drittschuldner als Zustellungsempfänger eines PfÜB seien Parteien oder Prozessgegner in diesem Sinne.
20Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer weiteren Beschwerde, zu deren Begründung sie ergänzend darauf verweist, dass – anders als vom Landgericht angenommen – die Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts die Ausfertigung des in elektronischer Form erlassenen PfÜB im vorliegenden Fall in Papierform und nicht auf elektronischem Wege an die Gerichtsvollzieherin zur Veranlassung der Zustellung an die Drittschuldnerin und den Schuldner übersandt habe, und zwar ohne Beifügung beglaubigter Abschriften. Maßgeblich sei jedoch, wie der betreffende Antrag auf Erlass des PfÜB und Zustellungsauftrag beim Amtsgericht eingegangen sei bzw. habe eingehen müssen.
21Die Gläubigerin habe den Antrag auf Erlass des PfÜB sowie die Zustellung durch den zuständigen Gerichtsvollzieher durch Vermittlung der Geschäftsstelle pflichtgemäß (§§ 753 V, 130d ZPO) auf elektronischem Wege über das elektronische Anwaltspostfach beantragt. Gem. §§ 133 I 2, 193 I 1 Nr. 2, S. 3 ZPO habe sie daher keine Abschriften beifügen müssen, sodass ihr kein Unterlassen vorzuwerfen sei. Da § 133 ZPO zum Allgemeinen Teil der ZPO gehöre, finde er auch für das Zwangsvollstreckungsverfahren des 8. Buches Anwendung. Das Zwangsvollstreckungsverfahren sei auch ein Parteiverfahren zwischen Gläubiger und Schuldner.
22Es sei daher vorliegend auch von einer Übermittlung des Zustellungsantrags nach § 193 I Nr. 2 ZPO auszugehen und daher § 193 I 3 ZPO anzuwenden. Da § 193 I 3 ZPO nicht von „fehlenden“ erforderlichen Abschriften als Ausdrucke spreche, welche der Gerichtsvollzieher selbst fertige, und die Gläubigerin es nicht unterlassen habe, erforderliche Mehrfertigungen beizufügen, seien die Voraussetzungen für den Ansatz der Dokumentenpauschale nach Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG nicht erfüllt.
23Schließlich sei zu beachten, dass Gläubiger gem. § 829 IV ZPO verpflichtet seien, für einen Antrag auf Erlass eines PfÜB ein Formular zu verwenden, welches bereits den zu erlassenden Beschluss enthalte. Soweit das Gericht insoweit keine Mängel im Antrag und Beschlussentwurf feststelle, werde der Beschluss nur noch durch Unterschrift bzw. Signatur erlassen, ohne dass das Gericht ein neues Dokument erstelle.
24Die Kammer hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem zuständigen Senat zur Entscheidung vorgelegt.
25Am 21.07.2023 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die angefochtene Entscheidung nach vorläufiger Beratung im Ergebnis richtig sein dürfte. Wegen der Einzelheiten dieses Hinweises wird auf Bl. III 7 d.eA. verwiesen.
26Die Beschwerdegegnerin hat auf diesen Hinweis noch einmal hervorgehoben, dass eine unterschiedliche kostenrechtliche Behandlung bei elektronischem bzw. Papiereingang ihrer Auffassung nach nicht gegeben sei und daher die Dokumentenpauschale nach Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG sehr wohl entstehen könne. Die bisherige Rechtsprechung zu § 133 ZPO sei weiterhin anwendbar, weil sie darauf abstelle, dass es sich bei dem zuzustellenden Schriftstück um den Beschluss des Vollstreckungsgerichts und nicht den eingereichten Antrag handele. Dieser sei im Wege der Parteizustellung zuzustellen. Es handele sich nicht um eine Amtszustellung, auch wenn es die Amtspflicht des Gerichtsvollziehers sei, diese Zustellung vorzunehmen. In diesem Zusammenhang sei es zudem seine Amtspflicht, die für die Zustellung erforderlichen Ausdrucke herzustellen. Das gelte sowohl für die Übermittlung eines PfÜB in Papierform als auch als elektronisches Dokument. In beiden Fällen habe es der Gläubiger unterlassen, die für die Parteizustellung notwendigen Unterlagen beizufügen, was auch unmöglich sei, weil der PfÜB erst durch das Vollstreckungsgericht erlassen und an den Gerichtsvollzieher vermittelt werde.
27II.
28Die nach § 5 II 2 GvKostG i.V.m. § 66 IV 1 GKG statthafte und zulässige weitere Beschwerde (..) ist unbegründet.
29Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche Ansatz der Dokumentenpauschale im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden ist.
301.
31Nach Auffassung des Senats sind die Voraussetzungen zum Ansatz einer Dokumentenpauschale nach Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG – anders als das Landgericht und die Beschwerdegegnerin meinen – jedoch nicht erfüllt, wenn der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher das als Schriftstück zuzustellende Dokument gem. § 193 I 1 Nr. 2 ZPO als elektronisches Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg übermittelt.
32Nach § 193 I 1 ZPO hat die Partei die Wahl, dem Gerichtsvollzieher das zuzustellende Dokument in Papierform mit den erforderlichen Abschriften (Nr. 1) oder als elektronisches Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg (Nr. 2) zu übermitteln.
33a)
34Entscheidet sich der Gläubiger für den unter Nr. 2 genannten Übermittlungsweg, bedeutet das zum einen, dass die Partei in diesem Fall nicht gehalten ist, dem Dokument erforderliche Abschriften beizufügen. Dies ergibt sich nicht nur aus § 133 I 2 ZPO, sondern inzwischen – seit Inkrafttreten zum 01.01.2022 – aus der Vorschrift des § 193 I 1 ZPO selbst. Denn in Nr. 2 des § 193 I 1 ZPO ist – im Unterschied zu Nr. 1 – nicht davon die Rede, dass die Partei das Dokument „zusammen mit den erforderlichen Abschriften“ zu übermitteln hat. Zudem würde die Notwendigkeit, einem elektronischen Dokument Abschriften beizufügen, die ebenfalls in elektronischer Form vorlägen, in diesem Zusammenhang keinen Sinn ergeben.
35Insofern ist zu beachten, dass es auf die Diskussion, ob § 133 I 2 ZPO an dieser Stelle Anwendung findet oder nicht, die Gegenstand der umfassend auch im vorliegenden Verfahren zitierten Rechtsprechung ist, jedenfalls inzwischen nicht mehr ankommt. Die Rechtsprechung bezieht sich (soweit ersichtlich) nahezu ausnahmslos auf den Gesetzesstand vor dem 01.01.2022, der inzwischen überholt ist. Insofern überzeugt auch die Entscheidung des LG Oldenburg (NJW-RR 2023, 639) nicht, welches den Ansatz der Dokumentenpauschale unter Verweis auf die vorgenannte Rechtsprechung für gerechtfertigt hält, weil § 133 I 2 ZPO für den Antrag auf Erlass des PfÜB gelte, nicht aber für die zur weiteren Erledigung des Auftrags – nach Erlass des beantragten PfÜB – erforderlichen Abschriften (Rn 8). Weiter beachtet das Landgericht Oldenburg in dieser Entscheidung nicht die Differenzierung in § 193 I 1 ZPO und meint, da der Gerichtsvollzieher die erforderlichen Abschriften nicht erhalten habe, „konnte er sie gem. § 193 I 3 ZPO selbst herstellen“; insbesondere rechtfertige die Eilbedürftigkeit die Selbstherstellung (Rn 11). Diese Ausführungen zeigen, dass die Kammer insoweit verkannt hat, dass § 193 I 3 ZPO, der bei Einreichung des zuzustellenden Dokuments in digitaler Form gilt, im Unterschied zu § 193 I 2 ZPO, der bei Einreichung des Schriftstücks in Papierform gilt, dem Gerichtsvollzieher kein Ermessen einräumt, ob er die betreffenden Abschriften/Ausdrucke selbst fertigt. Nichts anderes ergibt sich auch aus § 16 II GVGA, der schon seinem Wortlaut nach nur für den Fall gilt, wenn der Rechtsanwalt, der eine Partei vertritt, dem Gerichtsvollzieher das zuzustellende Dokument in Papierform übermittelt (§ 16 II 1 GVGA).
36b)
37Die Übermittlung nach Nr. 2 bedeutet also zum anderen, dass es dem Gerichtsvollzieher in diesem Fall obliegt, die erforderlichen Abschriften als Ausdrucke selbst zu erstellen und zu beglaubigen (§ 193 I 3 ZPO). Eines wie auch immer gearteten Auftrags/Antrags diesbzgl. oder einer Ermessensentscheidung, wie sie in § 192 I 2 ZPO bzw. § 16 II 5 GVGA vorgesehen ist, bedarf es hier nicht. Der Gerichtsvollzieher hat die Abschriften an dieser Stelle nach der gesetzlichen Regelung von Amts wegen zu erstellen.
38Solche, von Amts wegen zu erstellende Abschriften lösen keine Dokumentenpauschale nach Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG aus.
39(1)
40Schon in der Begründung zur Einführung des GvKostG hat der Gesetzgeber ausgeführt, dass sonstiger Aufwand des Gerichtsvollziehers, insbesondere solcher für Abschriften, die von Amts wegen angefertigt werden, zu den Gemeinkosten gehört, die durch die Gebühren nach Nr. 716 KV GvKostG abgegolten werden (Drs. 14/3432, S. 33). Damit wird klargestellt, dass alle Abschriften, die „von Amts wegen“ angefertigt werden, keine Dokumentenpauschale auslösen (vgl. Kindl/Meller-Hannich-Kawell, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl. 2021, Nr. 700 KV GvKostG Rn 8; Schneider/Volpert/Fölsch-Kawell, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage 2021, Nr. 700 KV GvKostG Rn 8; BeckOK Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn-Herrfurth, Kostenrecht, Edition: 41, Stand. 01.04.2023, Nr. 700 KV GvKostG Rn 4 / Nr. 716 KV GvKostG Rn 6; anders Toissant-Uhl, Kostenrecht, 53. Aufl. 2023, Nr. 716 KV GvKostG Rn 17 zu „von Amts wegen“, der davon ausgeht, dass von Amts wegen angefertigte Abschriften überhaupt nicht auslagenpflichtig sein sollen).
41(2)
42Die Voraussetzungen des Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG sind nicht erfüllt.
43Nach der Regelung kann die Pauschale erhoben werden für Kopien und Ausdrucke, die angefertigt werden, weil der Auftraggeber es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen.
44Für ein Ermessen des Gerichtsvollziehers bei der Erhebung der Dokumentenpauschale ist an dieser Stelle kein Raum. Der Gerichtsvollzieher kann nur in den in Nr. 700 KV GvKostG genannten Fällen Dokumentenpauschalen ansetzen (Kindl/Meller-Hannich-Kawell, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl. 2021, Nr. 700 KV GvKostG Rn 2; Schneider/Volpert/Fölsch-Kawell, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage 2021, Nr. 700 KV GvKostG Rn 2).
45Wie ausgeführt ist eine Partei nach § 193 I Nr. 2 ZPO nicht verpflichtet, dem als Schriftstück zuzustellenden Dokument, wenn es in elektronischer Form übermittelt wird, Abschriften beizufügen. Insofern werden die betreffenden Abschriften im Anschluss nicht gefertigt, weil der Auftraggeber es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen, sondern weil der Gerichtsvollzieher nach § 193 I 3 ZPO verpflichtet ist, die betreffenden Ausdrucke selbst zu fertigen, nachdem der Auftraggeber die elektronische Übermittlung des Dokuments gewählt hat.
46(3)
47Insofern liegt auch keine planwidrige Regelungslücke vor, die eine analoge Anwendung der Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG rechtfertigen könnte.
48§ 193 I ZPO betrifft den Fall, dass „ein Dokument als Schriftstück“ zugestellt werden soll. Aus der Gesetzesbegründung zu §§ 137, 143 ZPO ergibt sich, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass der Begriff des Schriftstücks an die Papierform gebunden ist, während der Begriff des „Dokuments“ umfassender zu verstehen ist (BT-Drs.15/4067, S. 31 vom 28.10.2004). Dementsprechend regelt § 193 die Zustellung von Schriftstücken, § 193a ZPO die Zustellung elektronischer Dokumente (BT-Drs. 19/31119, S. 4 vom 23.06.2021).
49§ 193 I ZPO fußt also auf der zwingenden Annahme, dass im Falle eines elektronisch eingereichten Zustellungsantrags/-auftrags Schriftstücke in Papierform hergestellt werden müssen. Dem hat der Gesetzgeber erkennbar durch § 193 I 3 ZPO Rechnung getragen.
50Dass der Gesetzgeber planwidrig die Kostenfolgen dieser Vorschrift nicht geregelt hätte, ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 133 ausdrücklich ausgeführt,
51„Falls zum Zwecke der Zustellung überhaupt noch ein Ausdruck erforderlich ist, weil der Prozessgegner nicht über einen elektronischen Zugang verfügt, hat die Geschäftsstelle dafür Sorge zu tragen, dass das elektronische Dokument ausgedruckt und dem Gegner in der gesetzlich vorgeschriebenen Form übermittelt wird. Dadurch, dass die Verpflichtung beseitigt wird, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften im Falle der elektronischen Übermittlung beizufügen, entfällt nicht nur die Verpflichtung zur Zahlung von Auslagen nach Nummer 9000 Ziffer 1 des Gebührenverzeichnisses des Gerichtskostengesetzes, sondern auch die Verpflichtung, die Auslagen für den Medientransfer nach Nummer 9000 Ziffer 2 des Gebührenverzeichnisses des Gerichtskostengesetzes zu zahlen“ (BT-Drs.15/4067, S. 31 vom 28.10.2004).
52Ihm sind die Kostenfolgen einer solchen Regelung also bewusst und er hat klargestellt, dass die – im Wesentlichen – zu Nr. 700 KV GvKostG wortgleiche Nr. 9000 KV GKG nicht anwendbar ist, wenn eine Partei sich des elektronischen Rechtsverkehrs bedient und Abschriften gefertigt werden müssen, soweit eine Weiterverwendung des Dokuments in elektronischer Form (noch) nicht möglich ist. Der Gesetzgeber hat damit erkennbar eine Kostenverschiebung – an dieser Stelle zu Lasten der Justiz – in Kauf genommen, ist jedenfalls davon ausgegangen, dass die Partei, die sich des elektronischen Rechtsverkehrs bedient, dadurch nicht mit weiteren/zusätzlichen Kosten belastet werden soll.
53Gleichzeitig liefe es dem Gesetzeszweck des § 193 I ZPO – dem weiteren Ausbau des elektronischen justiziellen Rechtsverkehrs (BT-Drs. 19/31119, S. 4 vom 23.06.2021) – zuwider, die Übermittlung des zuzustellenden Dokuments auf elektronischem Wege, für den gerade nicht die Beifügung von Abschriften vorgesehen ist, kostentechnisch mit der Konstellation gleichzustellen, in der das zuzustellende Dokument (wie bisher) in Papierform übermittelt wird und die Abschriften nur deshalb angefertigt werden müssen, weil der Auftraggeber es unterlassen hat, die erforderliche Anzahl von Mehrfertigungen beizufügen. Gleiches gälte für die Alternative, die zur Vermeidung zusätzlicher Kosten durch den Gläubiger angenommen wird, dieser könne von einer Vermittlung des Zustellungsauftrags durch das Amtsgericht nach § 192 S. 2 ZPO absehen, um das betreffende Dokument selbst in Papierform und mit Abschriften zu erstellen und nach § 193 I 1 Nr. 1 ZPO an den Gerichtsvollzieher übermitteln. Diese Alternative erscheint auch im Hinblick auf die grundsätzliche Zeitsensibilität von Zwangsvollstreckungssachen eher theoretischer Natur und realitätsfern.
54Der Senat verkennt an dieser Stelle die wirtschaftlichen Folgen seiner Entscheidung nicht, ist aber auch der Auffassung, dass diese nur durch den Gesetzgeber und eine Anpassung der Kostenregelungen abgeändert werden können.
55(3)
56Auf die Frage, ob Rechtsanwälte wie die Gläubigerin im vorliegenden Fall sogar gem. § 130d ZPO verpflichtet sind, (auch) den Zustellungsauftrag an den Gerichtsvollzieher auf elektronischem Wege zu erteilen, kommt es aus den genannten Gründen aus Sicht des Senats im Ergebnis nicht an. Bei Annahme einer solchen Übermittlungspflicht, für die zumindest § 753 V ZPO spricht, gälte es aber umso mehr, dass diese Verpflichtung nicht dazu führen kann, Gläubiger mit Kosten für die dann erforderliche Erstellung der Ausdrucke durch den Gerichtsvollzieher zu belasten, zumal der o.g. „Umweg“ ohne Anwendung von § 192 S. 2 ZPO in diesem Fall nicht zulässig wäre.
572.
58Dennoch ist die Entscheidung des Landgerichts im vorliegenden Fall im Ergebnis richtig, denn die Dokumentenpauschale ist von der Beschwerdegegnerin in der konkreten Konstellation zu Recht angesetzt worden.
59Wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt, ist für die Frage, ob die Dokumentenpauschale nach Nr. 700 Ziff. 1. b) KV GvKostG anfällt oder nicht, aus Sicht des Senats (allein) darauf abzustellen, wie der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher das als Schriftstück zuzustellende Dokument nach § 193 I 1 ZPO übermittelt hat. Auf die Frage, wie der vorausgegangene Antrag auf Erlass des PfÜB beim Amtsgericht eingegangen ist bzw. eingehen musste, kommt es an dieser Stelle nicht an (so zumindest im Ergebnis auch AG Wilhelmshaven, Beschluss vom 23.11.2022, Az. 14 M 4566/22 juris-Rn 7). Auch wenn entsprechend der zu verwendenden amtlichen Formulare der Antrag auf Vermittlung der Zustellung durch die Geschäftsstelle nach § 192 S. 2, 3 ZPO bereits mit dem ursprünglichen Antrag auf Erlass des PfÜB zu stellen ist, erfolgt die Beauftragung des Gerichtsvollziehers erst durch und mit der Übermittlung des zuzustellenden Dokuments an diesen (§ 193 I ZPO).
60Wie die Beschwerdeführerin zuletzt mitgeteilt hat, ist der zuzustellende PfÜB im vorliegenden Fall vom Amtsgericht jedoch – obwohl im Rahmen der elektronischen Akte erlassen – in Papierform an die Beschwerdegegnerin übermittelt worden, ohne Beifügung der erforderlichen Mehrausfertigungen.
61Dies geht an dieser Stelle zu Lasten der Gläubigerin, auch wenn diese, soweit ersichtlich, hierauf keinen unmittelbaren Einfluss genommen hat und sie ihren ursprünglichen Antrag elektronisch gestellt hatte. Da sie sich gem. § 192 S. 2, 3 ZPO der Geschäftsstelle des Amtsgerichts zur Vermittlung des Auftrags bedient hat, muss sie sich deren Handlungen gem. §§ 164 I, 166 I, 278 BGB zurechnen lassen (vgl. MüKo-Häublein/Müller, ZPO, 6. Aufl. 2020, § 192 Rn 6).
62Eine andere Handhabung erscheint dem Senat auch weder sinnvoll noch praktikabel. Insbesondere ist es aus Sicht des Senats nicht zielführend, vom Gerichtsvollzieher zu verlangen, dass dieser sich – ggf. je nach Person des Gläubigers und dessen etwaiger Pflicht zur elektronischen Einreichung von Anträgen – zunächst beim Amtsgericht zu erkundigen hat, in welcher Form der ursprüngliche Antrag beim Amtsgericht eingegangen ist.
63III.
64Die Kostenentscheidung folgt aus § 5 II 2 GvKostG i.V.m. § 66 VIII GKG.