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Die Anträge des Klägers auf Aussetzung gem. § 148 ZPO sowie auf die Anordnung des Ruhens des Rechtsstreits werden zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das am 13.09.2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg (4 O 60/22) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt es nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 65.000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e :
2A.
3Der Kläger erwarb am 15.02.2017 in X. das streitgegenständliche Wohnmobil, einen Fiat Ducato 2,3l mit einem Aufbau Eura Mobil TT 710 HB zu einem Kaufpreis von 58.800,00 € als Neufahrzeug.
4Die Beklagte zu 1) ist Herstellerin des Basisfahrzeugs Fiat Ducato.
5Die Beklagte zu 2) ist Herstellerin des im Fahrzeug verbauten Motors.
6Das streitgegenständliche Basisfahrzeug ist ein Fahrzeug der EURO-5-Abgasnorm (Euro5) mit einem Motor Multijet der Reihe F1AE3481E und einer Leistung von 110kW.
7Das Fahrzeug ist weder von einem Rückruf der deutschen, noch der italienischen Behörden betroffen.
8In der Akte befindet sich ein nicht übersetztes vorgerichtliches Schreiben an die Beklagte zu 1) in englischer Sprache (Bl. I 626ff.), welches an diese in einem Paket mit einer nicht näher mitgeteilten Anzahl weiterer Schreiben von den Prozessbevollmächtigten des Klägers für weitere Mandanten übersandt, von der Beklagten aber nicht angenommen wurde.
9Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, in seinem Fahrzeug käme zumindest eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz.
10In der Motorsteuerungssoftware sei eine künstliche Deaktivierung der Abgasrückführung (AGR) enthalten, die einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 darstelle.
11Konkret erfolge die Prüfstandserkennung zeitabhängig.
12Die AGR bzw. Katalysatorfunktion werde nach 22 Minuten „auf null“ reduziert. Der Test auf dem Prüfstand dauere dagegen nur 20 Minuten. Diese Funktion gehe u.a. aus einer Kommunikation des Kraftfahrbundesamts (nachfolgend KBA) und der der F. GmbH (im Folgenden: Firma F.) hervor, die die Steuerungseinheit entwickelt habe. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob im Fahrzeug überhaupt eine solche Einheit der Firma F. verbaut sei, da die Bedatung ohnehin einheitlich sei. Zudem seien auch sämtliche Motoren der Baureihe F1A gleich zu beurteilen.
13Weiterhin habe das Kraftfahrtbundesamt (KBA) bereits in einer Mitteilung an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) vom 12.05.2016 das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei dem Fahrzeugtyp beanstandet. Diese sei dann auch Gegenstand weiterer Korrespondenz unter anderem des BMVI gewesen.
14Das KBA hätte zudem zwei Wohnmobile vom Typ Fiat Ducato getestet und auffällige Messergebnisse festgestellt. Dies sei auch im Rahmen einer Anfrage betreffend sein konkretes Fahrzeug am 26.11.2021 nochmals bestätigt worden (Bl. I 1002).
15Entsprechendes gelte für Messungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) für einen Fiat 500x. Die Ergebnisse beider Messungen ließen Rückschlüsse auf das klägerische Fahrzeug zu.
16In der Folge drohe seinem Fahrzeug eine Stilllegung durch die deutschen bzw. italienischen Behörden.
17Die Beklagten könnten sich daher nicht auf eine etwaige Tatbestandswirkung der Typengenehmigung berufen, da sie sich diese gegenüber der Genehmigungsbehörde erschlichen hätten. Jedenfalls entbinde diese die Gerichte nicht von einer eigenständigen Prüfung.
18Eine weitere Darlegung könne von einem Käufer mangels näherer Einsicht in die Funktionsweisen des Motors und die Abläufe auf der Beklagtenseite nicht verlangt werden.
19Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei auch davon auszugehen, dass das Fahrzeug bei Kenntnis vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht gekauft worden wäre.
20Der Nutzungsersatz sei auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 350.000 km bzw., soweit man dies bei Wohnmobilen für unpassend erachte, auf Basis einer Lebenserwartung von 30 Jahren zu berechnen.
21Er habe zudem Zubehör im Wert von 1.620,00 € erworben, dessen Kosten ihm als Aufwendungen ebenfalls zu erstatten seien.
22Die Beklagte zu 2) müsse sich aufgrund des Konzernverbundes etwaiges Handeln und Wissen der Beklagten zu 1) zurechnen lassen.
23Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
241. Die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) werden verurteilt, als Gesamtschuldner an ihn 53.969,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, die Beklagte zu 1) seit 29.07.2021, die Beklagte zu 2) seit Rechtshängigkeit, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Eura Mobil TT 710 HB mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer N01 sowie weitere 1.620,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, die Beklagte zu 1) seit 29.07.2021, die Beklagte zu 2) seit Rechtshängigkeit, zu zahlen;
252. Die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) werden verurteilt, ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.147,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen;
263. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs Eura Mobil TT 710 HB mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer N01 in Annahmeverzug befinden.
27Die Beklagten haben jeweils beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Die Beklagte zu 1) hat behauptet, im Typgenehmigungsverfahren vollständige Angaben gemacht zu haben. Die italienischen Behörden hätten, auch nach Anfrage des KBA und durchgeführten Untersuchungen, keinen Anlass zu Beanstandungen gehabt, sodass die Bindungswirkung der wirksamen Typengenehmigung auch im hiesigen Rechtsstreit zu beachten sei.
30Ohnehin arbeiteten sämtliche Funktionen des Fahrzeugs sowohl auf dem Prüfstand wie auch im normalen Straßenverkehr identisch, sodass es bereits an einem Prüfstandsbezug fehle.
31Der klägerische Vortrag erfolge insoweit nur ins Blaue hinein, da im klägerischen Fahrzeug weder ein Steuergerät der Firma F. noch überhaupt eine zeitabhängige Abschaltfunktion zum Einsatz kämen. Ohnehin kämen nur Funktionen zum Einsatz, die aus Sicherheits- bzw. Motorschutzgründen notwendig seien.
32Die Beklagte zu 2) hat behauptet, sie habe zwar die Motorhardware hergestellt, im Übrigen aber mit der Bedatung der Steuerungssoftware nichts zu tun gehabt. Selbst wenn der klägerische Vortrag zum Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung, der bereits unschlüssig sei, zuträfe, könne ihr daher kein Verschulden zur Last fallen.
33Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen.
34Im Hinblick auf den Schadensort sei das deutsche Recht anwendbar, sodass das Gericht gem. Art. 3 Nr. 1 lit.a EGBGB i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO zuständig sei.
35Die Beklagten hafteten nicht nach §§ 826, 31 BGB.
36Ein vorsätzliches und rechtswidriges Verhalten der Beklagten sei nicht festzustellen. Dabei komme einer möglichen Täuschung der Behörden eine besondere Bedeutung zu, wobei hier nur die italienischen Behörden maßgeblich seien. Hierzu habe der Kläger aber schon nichts Greifbares vorgetragen.
37Überhaupt sei schon das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht hinreichend dargetan, da es nicht ausreiche, wenn Messungen im Normalbetrieb auffällige Ergebnisse lieferten.
38Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB oder § 4 Nr. 11 UWG scheitere daran, dass weder eine vorsätzliche Täuschung noch eine Irreführungsabsicht feststellbar seien. Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 4, 5 VO (EG) Nr. 715/2007 scheide aus, weil diese für das als verletzt angeführte Rechtsgut nicht drittschützend seien.
39Der Kläger verfolgt mit der Berufung seine zuletzt gestellten Klageanträge weiter.
40Hierzu führt er aus, das angefochtene Urteil beruhe auf Rechtsverletzungen, und wiederholt zur Begründung wesentliche Teile seines erstinstanzlichen Vortrages.
41Das Landgericht habe die Anforderungen an die Darlegungslast überspannt. Nach Maßgabe der vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung VIII ZR 57/19 aufgestellten Grundsätze habe er hinreichenden Vortrag erbracht.
42Er wiederholt und vertieft in der Folge seinen erstinstanzlichen Vortrag, wonach das KBA für zwei Fahrzeuge vom Typ Fiat Ducato eine unzulässige Abschalteinrichtung durch Messungen bestätigt habe und vereinzelte Rückrufe angeordnet habe.
43Da sämtliche Motoren vom Typ F1A, jedenfalls solche mit einem NOx-Katalysator, identisch funktionierten, seien die Erkenntnisse auch auf sein Fahrzeug übertragbar und eine zeitbasierte Abschaltung nach 22 Minuten belegt.
44Auch das KBA sei daher verpflichtet, Maßnahmen auch in Form einer Stilllegung seines Fahrzeuges zu veranlassen, was belege, dass er durch das Vorgehen der Beklagten auch geschädigt worden sei. Auch die Erteilung der „TÜV-Plakette“ sei in Anbetracht der verbauten Funktion keinesfalls sicher.
45Dies alles belege einerseits das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung und andererseits auch das vorsätzliche Handeln auf Seiten der Beklagten.
46Der Kläger kündigt an zu beantragen,
47das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 13.09.2022 – I-4 O 60/22 - abzuändern und
481. die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 53.969,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, die Beklagte zu 1) seit 29.07.2021, die Beklagte zu 2) seit Rechtshängigkeit, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des am 15.03.2017 an ihn übereigneten Wohmobils des Typs Eura Mobil TT 710 HB mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer N01 sowie weitere 1.620,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, die Beklagte zu 1) seit 29.07.2021, die Beklagte zu 2) seit Rechtshängigkeit, zu zahlen;
492. die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) zu verurteilen, ihn als Gesamtschuldner von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.147,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen;
503. festzustellen, dass die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs Eura Mobil TT 710 HB mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer N01 in Annahmeverzug befinden.
51Die Beklagten kündigen jeweils an zu beantragen,
52die Berufung zurückzuweisen.
53Die Beklagte zu 2) verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.
54Der Senat hat mit Beschluss vom 15.02.2023 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung im Beschlusswege gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und hat dies wie folgt begründet:
55Die zulässige Berufung des Klägers hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
56Der Senat sieht in der Sache keine Veranlassung, das im Ergebnis zutreffende landgerichtliche Urteil abzuändern.
57Die gegen diese Entscheidung erhobenen Einwände rechtfertigen keine andere Entscheidung. Sie geben lediglich zu folgender ergänzender Begründung Anlass:
58I.
59Zur Beklagten zu 1):
601.
61Dem Kläger steht in der Sache kein Anspruch auf Zahlung gegen die Beklagte zu 1) gem. §§ 826, 31 BGB zu.
62a.
63Der Kläger hat bereits das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug nicht in beachtlicher Weise behauptet.
64Zwar ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, Tatsachen zu behaupten, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt aber nur dann, wenn und soweit sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2020, 1740 juris-Rn 8 m.w.N.). Zudem muss ein Kläger auch in diesem Fall, in dem er regelmäßig keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann und letztlich auf Vermutungen angewiesen ist, diese nach Lage der Verhältnisse zumindest für wahrscheinlich oder möglich halten und das auf ausreichend greifbare Gesichtspunkte stützen können (vgl. BGH, Beschluss vom 25.11.2021, III ZR 202/20 juris-Rn 12; BGH, Beschluss vom 28.01.2020, VIII ZR 57/19 Rn 8).
65Nach Angaben des Klägers handelt es ich bei dem Basisfahrzeug seines Wohnmobils um einen Fiat Ducato 2,3l, Euro5M mit Multijet-Motor der Reihe F1AE3481E, 110kW Leistung.
66Dies vorausgeschickt ist bereits nicht festzustellen, dass die klägerseits vorgetragenen Erkenntnisse überhaupt auf das streitgegenständliche Fahrzeug übertragbar wären, was der Kläger wiederholt behauptet.
67Denn es ist entgegen seiner Auffassung nicht ausreichend, dass die in Bezug genommenen Unterlagen (teilweise) Fahrzeuge vom Typ Fiat Ducato 2,3l Euro6 mit einem Motor der Reihe F1A, jenseits der weiteren Kennziffern/-Buchstaben und wechselnder Leistung betreffen. Vielmehr kommt es auf die konkrete Motorenspezifikation an (vgl. Urt. d. OLG Köln v. 06.09.2022, 3 U 8/22).
68Denn aus der allgemein zugänglichen und aus diversen sog. „Abgasverfahren“ gerichtsbekannten „Liste der betroffenen Fahrzeugvarianten außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des KBA“, auf die auch der Kläger Bezug nimmt und die nur einen einzigen Rückruf betreffend einen Fiat Ducato mit deutlich abweichenden Spezifikationen (u.a. 3,0l und einer Leistung von 130 kW) umfasst, ergibt sich, dass wesentlich mehr Parameter als das Fahrzeugmodell, der Hubraum und die Motorbezeichnung entscheidend sind, um Feststellungen dazu treffen zu können, ob ein Fahrzeug von bestimmten Feststellungen des KBA betroffen ist oder nicht. Hierzu gehören insbesondere auch die (vollständigen) Motorkennbuchstaben, Typ, Version und Variante, die Emissionsstufe sowie die Genehmigungsnummer für das Gesamtfahrzeug.
69Gleiches gilt dann auch für die Frage, inwiefern Feststellungen betreffend ein konkretes Fahrzeug auch auf andere Fahrzeuge übertragbar sind, weil diese aufgrund gleicher Spezifikationen vergleichbar wären.
70Insofern bestätigt die Tatsache, dass das Klägerfahrzeug nicht entsprechend zurückgerufen worden ist, dass den übrigen Parametern bzgl. des zurückgerufenen Fahrzeugtyps entscheidende Bedeutung zukommt, da sonst unverständlich wäre, wieso das KBA bei (nach dem Klägervortrag) identischen Abschalteinrichtungen nur ein einziges Fahrzeug vom Typ Ducato zurückruft.
71Dass eine generelle Übertagbarkeit nicht in Betracht kommt, folgt letztlich auch aus der Systematik der behördlichen Rückrufe. So weist das KBA bei Rückrufen, exemplarisch unter der Referenznummer 011336 zu einem Fiat Doblo und dem 500x auf Folgendes hin:
72„Da die angezeigten Mängel jedoch oftmals bestimmte Ausführungen (Motorisierung, Karosserieform oder sonstige Ausstattungsmerkmale) betreffen, sind in der Regel nicht alle Fahrzeuge des Typs auch tatsächlich von der Maßnahme betroffen.“
73Weiterhin belegt auch das von dem Kläger erstinstanzlich vorgelegte Schreiben des KBA, dass vorliegend tatsächlich nichts für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug spricht. Denn das KBA führt, anders als der Kläger meint, nicht nur aus, dass es bei zwei Fahrzeugen vom Typ Fiat Ducato 2,3l mit den Merkmalen: 96 kW Euro5 bzw. 110 kW, Euro6 mit NOx-Katalysator unzulässige Abschalteinrichtungen festgestellt hat, sondern erklärt vielmehr:
74„Weiter teile ich Ihnen mit, dass nach hiesigem Kenntnisstand kein angeordneter Rückruf hinsichtlich des Emissionsverhaltens zu dem oben genannten Fahrzeug mit der FIN N01 besteht.“ (Bl. I 1002f.)
75Zudem nimmt das KBA auf die Liste betroffener Fahrzeuge Bezug.
76Sofern aber tatsächlich irgendetwas für eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse allein aufgrund der Merkmale Fiat Ducato 2,3l, 110kW mit NOx-Katalysator nach der Abgasnorm Euro6 – im Übrigen aber mit deutlich abweichender Motorenspezifikation – spräche, wie der Kläger in der Berufungsbegründung meint, ist nicht verständlich, wieso das KBA mitteilt, es lägen keine Rückrufe betreffend das Fahrzeug des Klägers vor. Dies gerade auch in Anbetracht der Tatsache, dass ein einzelnes Fahrzeug Fiat Ducato mit abweichenden Spezifikationen einem Rückruf unterliegt.
77Weiterhin ist dem Senat aufgrund von verschiedenen Parallelverfahren, in denen zwei gerichtliche Gutachten in anderen Rechtsstreitigkeiten eingeholt worden sind, bekannt, dass dort keine zeitbasierte Abschaltfunktion festzustellen war. Auch wenn sich die Erkenntnisse natürlich nicht einfach auf den hiesigen Rechtsstreit übertragen lassen, belegen diese doch die Auffassung des Senats, dass die exakte Fahrzeug-/Motorenkombination relevant ist und nicht, wie der Kläger meint, faktisch alle Fahrzeuge vom Typ Fiat Ducato mit einem 2,3l Multijetmotor von den behaupteten Abschalteinrichtungen betroffen sein müssen.
78An diesen Darlegungserfordernissen gemessen, ist nicht zu erkennen, dass der Kläger greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei dem konkret in Rede stehenden Fahrzeug erbracht hätte.
79Er nimmt vielmehr nur auf andere Fahrzeughersteller (insbesondere IVECO), andere Fahrzeuge (insbesondere Fiat 500x) sowie andere bzw. unvollständig dargelegte Motorenkombinationen Bezug und behauptet nur pauschal eine Vergleichbarkeit bzw. Übertragbarkeit auf sein Fahrzeug bzw. den in diesem verbauten Motor. Insbesondere ist es, entgegen der wiederholt vertretenen Auffassung des Klägers, gerade nicht ausreichend, nur auf einen Teil der (bei Fiat-Fahrzeugen) aus neun Zeichen bestehenden Reihennummer der jeweiligen Motoren abzustellen.
80Im Einzelnen:
81aa.
82Soweit sich der Kläger zur Darlegung einer zeitgesteuerten Abschalteinrichtung auf ein Anschreiben des KBA vom 12.05.2016 (Bl. I 464f.) bezieht, betrifft das Schreiben den Fahrzeugtyp Fiat 500x.
83Im Hinblick auf diesen abweichenden Fahrzeugtyp, dessen Motorentyp ebenfalls völlig unbekannt ist, ist nicht ersichtlich, welche Erkenntnisse sich für das vorliegende Verfahren ableiten lassen sollten.
84bb.
85Auch aus dem vorgelegten Besprechungsprotokoll zwischen dem KBA und der Firma F. vom 19.04.2016 (Bl. I 453ff.) ergibt sich nur ein Bezug auf Motoren mit 1,6, 2,0, 2,2 und 2,6l. Nicht genannt wird jedoch ein 2,3l Motor, der im hier zur Entscheidung stehenden Fahrzeug verbaut sein soll.
86Im Hinblick auf diese dezidierte Aufzählung im Protokoll ist es auch fernliegend, dass gerade der 2,3l Motor lediglich versehentlich nicht genannt worden ist.
87Es wird auch im Übrigen nicht vorgetragen, dass bzw. wieso etwaige Erkenntnisse zu anderen Motorspezifikationen, die im Übrigen in der Besprechung nur als „Auffälligkeiten“ bezeichnet werden, auf das klägerische Fahrzeug übertragbar sein sollten.
88Letztlich ist auch das Vorhandensein eines Steuergeräts der Firma F. im klägerischen Fahrzeug bestritten, sodass zusätzlich aus diesem Grunde nicht, insbesondere nicht ohne dezidierte Begründung, ersichtlich ist, welche Erkenntnisse die Firma F. im Hinblick auf andere Steuergeräte haben sollte.
89cc.
90Auch aus dem Rechtsgutachten von X. (Bl. I 470ff.), auf das in der Klageschrift Bezug genommen wird, lässt sich nichts herleiten, da dieses einerseits keine eigenen Tatsachen feststellt und andererseits ein Bezug zum Fahrzeug-/Motorentyp des Klägerfahrzeugs nicht zu erkennen ist.
91dd.
92Die weiter vorgetragene Korrespondenz bzw. Verlautbarungen, u.a. des BMVI, enthalten keine (prüfbaren) eigenen Erkenntnisse, sondern stützen sich wesentlich auf die vorerwähnten und vorliegend nicht übertragbaren Erkenntnisse des KBA und geben daher ebenfalls nichts für den geltend gemachten Anspruch her.
93Im Übrigen ist auch insoweit nicht zu erkennen, dass tatsächlich vergleichbare Fahrzeug-/Motorentypen betroffen wären.
94ee.
95Nichts anderes gilt auch für die vorgelegten Messungen der DUH, die einen Fiat 500x betreffen.
96ff.
97Der Senat verkennt im Rahmen der Beurteilung, ob eine (un-)zulässige Abschalteinrichtung greifbar vorgetragen wurde, nicht, dass die Ausführungen des KBA oder der italienischen Behörden nicht die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG zulässig ist, einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung zu entziehen vermögen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 – VIII ZR 190/19, juris Rn. 80; Beschluss vom 14. Dezember 2021 – VIII ZR 386/20, juris Rn. 34).
98Gleichwohl ist der Umstand des fehlenden Rückrufs auch nicht gänzlich außer Acht zu lassen. Denn schließlich wird der Anspruch auf Schadensersatz vorliegend auch auf die Befürchtung und Behauptung gestützt, auch dem klägerischen Fahrzeug drohe ein Entzug der Zulassung.
99Gerade davon ist aber auf Grundlage des vorliegenden Sach- und Streitstandes nicht auszugehen.
100b.
101Selbst wenn man im Sinne des Klägers unterstellen würde, dass seinem Fahrzeug tatsächlich über eine der behaupteten, ggf. objektiv als unzulässig zu bewertende Abschalteinrichtung verfügt, wäre wiederum ein vorsätzliches und sittenwidriges Verhalten der für die Beklagten Handelnden nicht erkennbar.
102Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht der Umstand, dass die Abgasrückführung durch eine temperaturabhängige – entsprechend auch zeitabhängig – Steuerung des Emissionskontrollsystems bei geringeren Außentemperaturen reduziert (und möglicherweise ganz abgeschaltet) wird, für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben. Selbst wenn an dieser Stelle zugunsten der Klägerseite in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt würde, dass eine derartige zeitbeeinflusste Steuerung der AGR bzw. der Katalysatorfunktionen als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 II 1 VO (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren wäre, wäre der darin liegende Gesetzesverstoß auch dann, wenn die Beklagte mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinnen erstrebt hätte, für sich genommen nicht geeignet, deren Einsatz durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen.
103Hierfür bedurfte es vielmehr weiterer Umstände. Bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit setzt voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (BGH, Beschluss vom 25.11.2021, III ZR 202/20 juris-Rn 14 m.w.N.).
104Dies gilt insbesondere dann, wenn die in Rede stehende Abschalteinrichtung auf dem Prüfstand wie im Straßenverkehr im Grundsatz identisch arbeitet (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19 –, juris), hier also (unterstellt) zeitabhängig funktioniert.
105Dafür fehlen vorliegend greifbare Anhaltspunkte. Aus dem klägerischen Vortrag ergeben sich keine Umstände, die für ein solches Vorstellungsbild und Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen sprechen. Hier genügt es nicht, lediglich zu behaupten, die Beklagte habe die entsprechende Software bewusst in die Motorsteuerung eingebaut, um die Typgenehmigung zu Unrecht zu erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 25.11.2021, III ZR 202/20 juris-Rn 15).
106Vorliegend kann zunächst einmal nicht außer Acht gelassen werden, dass die zuständigen italienischen Behörden keinen Anlass zu Beanstandungen gesehen haben. Auch wenn der Senat berücksichtigt, dass das KBA und die EU-Kommission eine abweichende Auffassung vertreten, haben die italienischen Behörden ihre Auffassung damit begründet, dass eine zeitabhängige Funktion (i.e. die hier unterstellte Timerfunktion) ausnahmsweise zum Motorschutz zulässig sei, worauf sich auch die Beklagte beruft.
107Die weite Auslegung und damit eine im Vergleich zum KBA großzügigere Annahme von zulässigen Abschalteinrichtungen durch die italienischen Behörden ist entsprechend der Schlussanträge der Generalanwältin beim EuGH vom 30. April 2020 im Verfahren C-693/18 allgemein bekannt, in denen es auszugsweise heißt:
108„Meines Erachtens ist daher die weite Auslegung der italienischen Regierung zurückzuweisen, wonach der Begriff „Beschädigung“ derart ausgedehnt werden müsse, dass er die Abnutzung, den Effizienzverlust oder den Wertverlust des Fahrzeugs aufgrund des Verschleißes und der allmählichen Verschmutzung seines Motors erfasse“.
109(wie vor, zitiert nach juris, Rn. 138 ff.)
110Danach bewertet die italienische Typgenehmigungsbehörde die zeitbasierte Abgasrückführung nicht als unzulässige Abschalteinrichtung.
111Diese Bewertung stellt aber wiederum ein gewichtiges Indiz gegen die Annahme eines vorsätzlichen und sittenwidrigen Handelns dar, denn es ist nicht zu erkennen, dass die für die Beklagte handelnden Personen die (unterstellte) Unzulässigkeit der verwendeten Funktionen bereits zum Zeitpunkt der Entwicklung und Inverkehrgabe des Motors bzw. seiner Bedatung nicht nur erkannt hätten, sondern sich seinerzeit gerade in Kenntnis dieses Umstandes bewusst für einen Einsatz im Fahrzeug zu Täuschungszwecken entschieden hätten, wenn selbst die zuständigen Behörden unter Ansehung der aktuellen Entwicklungen insbesondere auf europäischer Ebene die Funktionen weiterhin für zulässig halten.
112c.
113Lediglich vorsorglich und unabhängig von den vorstehenden Bedenken ist anzumerken, dass der Kläger auch nichts zu seinen Vorstellungen zum Kaufzeitpunkt und seinen Erwerbmotiven vorgetragen hat, sodass schließlich auch die Kausalität einer (hier einmal unterstellten) Täuschung nicht prüfbar ist. Denn es ist dem Senat aus einer Vielzahl vergleichbarer Verfahren, in denen die Käufer auch persönlich angehört wurden, bekannt, dass sich nicht jede Person bei Kenntnis etwaiger Abschalteinrichtungen tatsächlich gegen den Kauf des entsprechenden Fahrzeugs entscheiden hätte.
1142.
115Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 EG-FGV besteht nicht, selbst wenn im Klägerfahrzeug eine Einrichtung verwandt würde, die gegen § 6 EG-FGV verstieße.
116a.
117Vorliegend stellen sich die Regelungen der Europäischen Union in der Form der RL 2007/46/EG und die VO 715/2007/EG, auch unter Ansehung der Schlussanträge des Generalanwalts in dem Verfahren C-100/21, nicht als drittschützend im Hinblick auf den Schaden dar, den der Kläger vorliegend als Käufer eines möglicherweise von einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffenen Fahrzeugs begehrt.
118Der geltend gemachte Schaden besteht nämlich in der Bindung an einen Vertrag, den der Kläger nach seinem Vortrag ohne die etwaige Täuschung der Beklagten nicht abgeschlossen hätte.
119Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in den Fällen des sog. „Dieselskandals“, mithin gerade auch in der hier zur Entscheidung des Senats stehenden Konstellation, das ggf. verletzte Schutzgut im wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrecht und damit dem Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrags zu sehen (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 10.02.2022 – III ZR 87/21).
120Das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht fällt nicht in den Schutzbereich der RL 2007/46/EG und der VO 715/2007/EG.
121Eine abweichende Beurteilung folgt auch aus den Ausführungen des Generalanwalts in den Schlussanträgen im vorerwähnten Verfahren nicht. Vielmehr geht auch der Generalanwalt davon aus, dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, die Regeln für die Art und Weise der Berechnung des Ersatzes des Schadens, der dem Erwerber entstanden ist, festzulegen, sofern dieser Ersatz in Anwendung des Effektivitätsgrundsatzes dem erlittenen Schaden angemessen ist.
122Dieser Rechtsschutz wird im deutschen Recht aber gegenüber den Verkäufern durch die kaufrechtlichen Regelungen einerseits und gegenüber den Herstellern durch etwaige Ansprüche aus § 826 BGB andererseits gewahrt, sofern die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind, was aus den oben dargestellten Gründen jedoch im vorliegenden Fall abzulehnen ist. Indes gibt diese Verneinung der Ansprüche aus § 826 BGB in der konkreten Konstellation keinen Anlass, den Schutzbereich des § 823 Abs. 2 BGB auszuweiten, da die Frage, ob das nationale Recht eine ausreichende Möglichkeit zur Kompensation gewährt, unabhängig davon zu beantworten ist, ob im konkreten Fall ein solcher Anspruch besteht oder nicht.
123Zudem hat sich auch der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 10.02.2022 – III ZR 87/21 – bereits mit dieser Frage auseinander gesetzt und einen Drittschutz in der vorliegenden Konstellation verneint, da sich die Argumente des Generalanwalts im vorgenannten Verfahren vor dem EuGH mit dem bereits länger bekannten Standpunkt der EU-Kommission anlässlich eines Vorabentscheidungsersuchens des Landgerichts Gera decken (vgl. die inzwischen aus dem Register des Gerichtshofs der Europäischen Union gestrichene Rechtssache C-663/19 vom 19. Dezember 2019 Rn. 75 ff; BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, BGHZ 225, 318 Rn. 75).
124Auch in dem weiteren Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 01.09.2021 – VII ZR 59/21 – heißt es, es sei unerheblich, ob die EU-Kommission bzgl. der außer Kraft getretenen Richtlinie 2007/46 und der Verordnung (EG) 715/2007 die Auffassung vertreten habe, diese bezweckten "den Schutz aller Käufer eines Fahrzeugs einschließlich des Endkunden vor Verstößen des Herstellers gegen seine Verpflichtung, neue Fahrzeuge in Übereinstimmung mit ihren genehmigten Typen bzw. den für ihren Typ geltenden Rechtsvorschriften nach Anhang IV zur Richtlinie 2007/46 einschließlich, unter Anderem der Verordnung 715/2007 sowie insbesondere ihres Artikels 5 in den Verkehr zu bringen". Denn dies besage für die allein interessierende Frage, ob damit auch der Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts und damit der Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrages erfasst sein soll, nichts. Es seien auch in dem dem BGH vorliegenden Verfahren keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen.
125b.
126Abgesehen davon müsste der klägerische Vortrag ein fahrlässiges Verhalten auf Seiten der Beklagten, d.h. eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB schlüssig darlegen. Fahrlässigkeit setzt aber – als intellektuelles Element – die Erkennbarkeit der sich aus dem jeweiligen Normkontext ergebenden haftungsbegründenden Umstände voraus (vgl. BeckOK-Schaub, BGB, Stand: 01.03.2022, § 276 Rn 60; MüKo-Grundmann, BGB, 9. Aufl. 2022, § 276 Rn 68). Mindestens wäre erforderlich, dass bei gehöriger Sorgfalt der mögliche Eintritt des schädigenden Erfolgs hätte vorausgesehen und verhindert werden können (vgl. Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 276 Rn 13).
127D.h. für die bei der Beklagten Handelnden müsste bereits bei dem Einsatz und der Entwicklung der sog. Timerfunktion erkennbar gewesen sein, dass diese in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht gesetzeskonform gewesen wäre.
128Dabei ist für die Beurteilung der Fahrlässigkeit allein auf den Zeitpunkt der Entwicklung und des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Motors und die Diskussion über die Zulässigkeit des Einsatzes der Timerfunktion in Pkw in Italien, da nur diese Rechtslage für die vorzunehmende Beurteilung maßgeblich ist, abzustellen und nicht etwa auf den aktuell fortgeschrittenen Diskussions- und Kenntnisstand, auch auf europäischer Ebene. Dabei wird auch klägerseits nicht weiter dazu vorgetragen, dass sich anhand der Diskussionen auf italienischer Ebene seinerzeit bereits ein Anlass für die Beklagte ergeben hätte, mit der Unzulässigkeit des in Rede stehenden Systems zu rechnen.
129Für ein fahrlässiges Verhalten der Beklagten spricht dabei auch kein Anscheinsbeweis. Denn dieser könnte nur dann angenommen werden, wenn das Schutzgesetz das geforderte Verhalten bereits so konkret umschreibt, dass mit der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Schluss auf einen subjektiven Schuldvorwurf naheliegt, etwa durch eine allgemein anerkannte Regel der Technik (BGH, Urteil vom 19.11.1991, VI ZR 171/91; BGH, Beschluss vom 17.01.1984, VI ZR 35/83; Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 823 Rn 81). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr kann vorliegend nicht außer Acht gelassen werden, dass die italienischen Behörden, wie ausgeführt, den Einsatz der Timerfunktion bis heute nicht für unzulässig erachtet haben.
130Zudem ist auch ein Irrtum des Schuldners geeignet, den Vorwurf der Fahrlässigkeit auszuschließen, falls er unvermeidbar war, auch wenn an die Unvermeidbarkeit strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGH, Urt. v. 27.09.1989 - IVa ZR 156/88 -, juris, Rn. 8; BGH, Urt. v. 17.12.1969 - VIII ZR 10/68 -, juris, Rn. 9). Ein Rechtsirrtum ist ganz ausnahmsweise unvermeidbar, wenn der Schuldner von einer bestimmten Annahme ausgegangen ist und die zuständige Aufsichtsbehörde im Falle einer Erkundigung die Rechtsfrage zugunsten des Schuldners beantwortet hätte (vgl. BGH, Urt. v. 27.06.2017 - VI ZR 424/16 -, juris, Rn. 17). In diesem Fall sind auch die sonst zu fordernden (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.1969 - VIII ZR 10/68 -, juris, Rn. 10) Erkundigungen des Schuldners über Bestand und Umfang seiner Verpflichtung entbehrlich (vgl. BGH, Urt. v. 27.06.2017 - VIZR 424/16 -, juris, Rn. 17; OLG Hamm, Urteil vom 24. Juni 2022 – 30 U 90/21 –, Rn. 92 - 97, juris).
131Hier ist im Hinblick auf die den italienischen Behörden durchgeführten Untersuchungen und das Nichtvorhandensein von Rückrufen für das konkret in Rede stehende Fahrzeug davon auszugehen, dass auch bei einer entsprechenden Erkundigung keine Bedenken der Behörden erhoben worden wären, sodass sich die Beklagte in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden hätte.
1323.
133Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheitert an der fehlenden sog. Stoffgleichheit zwischen erstrebtem Vermögensvorteil und eingetretenem Vermögensnachteil beim Geschädigten, da die Beklagte durch den Kaufvertragsabschluss mit dem Verkäufer keinen unmittelbaren Vorteil ziehen konnte und die Bereicherung des Verkäufers nicht notwendiges und beabsichtigtes Zwischenziel für die mit der verbilligten Produktion von Fahrzeugen verfolgten Gewinnerhöhungen war (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20, juris Rn. 24 ff.).
1344.
135§ 831 BGB scheidet bereits mangels Verwirklichung einer unerlaubten Handlung aus.
1365.
137Mangels Hauptsacheanspruchs stehen dem Kläger auch die geltend gemachten weiteren Ansprüche nicht zu.
138II.
139Zur Beklagten zu 2):
140Der Senat kann zunächst vollumfänglich auf die vorstehenden Ausführungen betreffend die Beklagte zu 1) unter Ziffer I. Bezug nehmen.
141Im Übrigen ist klägerseits bereits nicht näher vorgetragen worden, welche konkreten Einblicke die Beklagte zu 2) in die Funktionsweise der Software des in seinem Fahrzeug verbauten Motors hatte.
142Diesbezüglich hat die Beklagte zu 2) vorgetragen, den Motor physisch hergestellt, ihn aber nicht bedatet zu haben.
143Die Beklagte zu 1) hat demgegenüber konkret zu einzelnen Funktionsweisen der Motorsteuerung vorgetragen, mithin offenkundig Einblick in dieselben.
144Angesichts dessen ist es nicht ausreichend, dass sich aus der Homologation des klägerischen Fahrzeugs eine Herstellereigenschaft der Beklagten zu 2) bzgl. des Motors ergibt, da dies, ebenso wie eine etwaige gemeinsame Entwicklung des Motors, nicht belegt, dass die Beklagte zu 2) in die konkrete Bedatung des Motors Einsicht gehabt hätte.
145Weiterhin lässt sich auch aus einem Konzernverbund keine wie auch immer geartete Wissenszurechnung zwischen den Beklagten ableiten, da dies dem persönlichen Charakter der Ersatzpflicht nach § 826 BGB widerspräche (vgl. BGH Urteil vom 25. November 2021 – VII ZR 238/20 – juris).
146Soweit der Kläger erstinstanzlich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nach einem Urteil des OLG München hinsichtlich einer Wissenszurechnung zwischen der Volkswagen AG und der Audi AG vorgetragen hat (BGH im Urteil vom 25.11.2021 – VII ZR 238/20), verfängt dies ebenfalls nicht.
147Denn die Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfolgte „in Ermangelung eines zulässigen und begründeten Revisionsangriffs gemäß § 559 Abs. 2 ZPO“ (vgl. BGH im Urteil vom 25.11.2021 – VII ZR 238/20) im Hinblick darauf, dass das Oberlandesgericht München anhand der Umstände des dortigen Rechtsstreits zu einer entsprechenden Überzeugungsbildung gelangt ist (vgl. OLG München, Urteil vom 30.11.2020 – 21 U 3457/19 –, juris).
148Zwingend erscheint diese Überzeugungsbildung des Senats des Oberlandesgerichts München indes – nach den Ausführungen zur fehlenden Rüge ggf. auch aus der Sicht des Bundesgerichtshofs – nicht, was hier im Hinblick auf die Ausführungen unter Punkt I aber keiner vertieften Auseinandersetzung bedarf.
149C.
150Die Rechtssache hat darüber hinaus keine grundsätzliche Bedeutung, und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts; auch ist eine mündliche Verhandlung nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 2-4 ZPO).
151D.
152Es wird anheimgestellt, die Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten zurückzunehmen. Hierzu und zur eventuellen Stellungnahme zu den Ausführungen des Senats wird die aus dem Beschlusstenor ersichtliche Frist gesetzt.
153Der Kläger hat hierzu erwidert, der Senat habe die Anforderungen an die Darlegungslast verkannt.
154Nach der Rechtsprechung des BGH könne nur in Ausnahmefällen von einem Fehlen greifbarer Anhaltspunkte ausgegangen werden. Somit genüge bereits die bloße Behauptung, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug zumindest eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz kommt, um der Darlegungslast zu entsprechen.
155Sofern der Senat der Auffassung sei, es bedürfe weiterer Parameter für die Beurteilung einer Übertragbarkeit, entziehe sich dies regelmäßig der fachlichen Kenntnis von Gerichten und bedürfe der Einholung eines Gutachtens.
156In der Folge seien die Erkenntnisse des KBA sehr wohl auf das Fahrzeug des Klägers übertragbar.
157Es entspreche dem generellen Vorgehen des KBA bei der Prüfung eines Fahrzeugs, zunächst (nur) emissionsbezogene Untersuchungen durchzuführen. Nur wenn dabei ein begründeter Verdacht über eine mögliche Unzulässigkeit bestehe, führe das KBA eine vertiefte Analyse der Motorsteuerungssoftware durch.
158Überdies könne ein weiterer Nachweis vorgelegt werden. Durch die DUH sei ein unabhängiger Test eines Fiat Ducato mit F1A-Motor in der Version 130 Multijet Euro 6 ohne SCR-Katalysator durchgeführt worden.
159Anhand der Daten dort sei ersichtlich, dass es sich beim Motor im dort getesteten Fahrzeug um ein Exemplar aus der Baureihe F1AGL411 „handeln muss“. Das Fahrzeug sei 2019 hergestellt worden und unterfalle der Abgasnorm Euro6, verfüge über 2287 cm³ Hubraum sowie eine Leistung von 96 KW. Bei einem Kaltstart sei der gesetzliche Grenzwert der Norm Euro 6 um das bis zu 19fache überschritten worden. Nachdem sich sowohl die Temperatur des Motors und der Abgasreinigungsanlage als auch die Außentemperatur nach wiederholten Messreihen etwas erhöht hätten, sei dieser Wert bei der siebten Messrunde auf einen Wert gestiegen, der immerhin noch eine 7-fache Überschreitung der Grenzwerte darstelle. Nach Abkühlung des Fahrzeugs nach der siebten Testrunde sei der Stickoxidausstoß bei einem erneuten Kaltstart für eine achte Testrunde wieder auf einen Wert über 2.000 mg/km gestiegen.
160Die Messungen belegten das Vorliegen eines Thermofensters, welches nach der Rechtsprechung des EuGH ebenfalls als eine unzulässige Abschalteinrichtung einzuordnen sei (vgl. Bl. II 186/187).
161Der Senat könne sich auch einer eigenständigen Prüfung zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht dadurch entziehen, dass er auf das Fehlen eines Rückrufs abstelle. Dies sei ohnehin nur der momentane Stand, da dem Fahrzeug des Klägers bis heute latent die Stilllegung drohe.
162Der Senat könne zudem auch nicht auf Gutachten in Parallelverfahren zum Nachteil des Klägers abstellen; diese belegten zudem auch eine Überschreitung der Messwerte.
163Dem Kläger sei es vorliegend auch um die Darlegung einer seit langer Zeit praktizierten Abgasmanipulation gegangen, die das planmäßige Vorgehen der Beklagten, belege.
164Dies werde auch durch nunmehr vorgelegte Unterlagen der Firma F. untermauert, die auch eine Beteiligung der Beklagten zu 2) offenbarten. Überdies sei bei der Beurteilung des Verhaltens die Funktion des OBD-Systems in den Blick zu nehmen, welches die Grenzwertüberschreitungen nicht anzeige, was nur mit einer (weiteren) zielgerichteten Manipulation erklärlich sei. Überdies werde durch die Prüfstandsbezogenheit einer Funktion die Täuschung der Behörden im Typgenehmigungsverfahren indiziert und könne nicht mit einer vertretbaren Gesetzauslegung erklärt werden.
165Sollte der Senat dies anders beurteilen, sei das Verfahren gem. § 148 ZPO auszusetzen, bis über das Verfahren vor dem EuGH in der Sache C-100/21 entschieden sei, was auch vom BGH gefordert und von manchen anderen Gerichten praktiziert werde.
166Der Senat beanstande auch zu Unrecht fehlenden Vortrag zu seiner Kaufmotivation. Unter 2.a gehe der Senat selbst von einem Vortrag des Klägers hierzu aus. Zudem habe er in der Klageschrift auf Seite 33 unter 5.A und auf Seite 55 f hierzu ausreichend vorgetragen.
167Hinsichtlich der Ausführungen zu § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bezöge sich die vom Senat in Bezug genommene Entscheidung des BGH auf einen Gebrauchtwagenkauf, der hier nicht vorliege.
168B.
169Die Berufung des Klägers ist nicht begründet und kann durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden.
170I.
171Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO).
172Zur Begründung wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss des Senats vom 15.02.2023 Bezug genommen, in dem der Senat ausführlich die fehlende Erfolgsaussicht der Berufung begründet hat.
173Auch das weitere Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn darin wiederholt der Kläger im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und seine von der Ansicht des Senats abweichende Rechtsauffassung. Der Senat hält an seinen bereits dargestellten Gründen jedoch auch nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung der klägerischen Ausführungen fest.
1741.
175Die Annahme des Klägers, der Senat habe sich mit seinem Vortrag nicht hinreichend auseinandergesetzt und keine gebotene Prüfung des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Hinblick auf die behaupteten Funktionen vorgenommen, beruht auf der unzutreffenden Annahme, dass der Vortrag des Klägers hierzu irgendeinen Anlass bieten würde. Vielmehr würde eine etwaige Beweisaufnahme wie auch eine Prüfung der (rechtlichen) Zulässigkeit von einzelnen Funktionen voraussetzen, dass ein substantiierter Vortrag des Klägers dafür vorliegt, dass zumindest eine der behaupteten Funktionen überhaupt in seinem Fahrzeug zum Einsatz kommt.
176Denn es ist, anders als der Kläger meint, gerade nicht ausreichend, dass in irgendwelchen Fahrzeugen ggf. Funktionen zum Einsatz kommen mögen, die als unzulässige Abschalteinrichtungen zu qualifizieren sind, und sodann deren Vorhandensein im klägerischen Fahrzeug schlicht zu behaupten.
177Vielmehr legt der Kläger, jenseits seiner bloßen Behauptung, eine Übertragbarkeit sei insbesondere im Hinblick auf die Untersuchungen durch das KBA und die Tests der DUH anzunehmen, nichts für das Vorhandensein von unzulässigen Abschalteinrichtungen in seinem Fahrzeug dar.
178Zunächst einmal ist aber schon nicht ersichtlich, wieso die Angaben des KBA zu den Anforderungen an eine Übertragbarkeit behördlicher Maßnahmen, mit denen sich der Senat im Hinweisbeschluss vom 15.02.2023 dezidiert auseinandergesetzt hat, irgendwie unzutreffend wären. In der Folge liefe bereits eine Beweiserhebung zu den Voraussetzungen einer Übertragbarkeit, für die allein der Kläger darlegungs- und beweislastet ist, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf eine unzulässige Ausforschung hinaus.
179Dies gilt umso mehr, als in der Reaktion des KBA auf die Anfrage betreffend das konkrete Fahrzeug des Klägers explizit auf die weiteren getesteten Fahrzeuge Bezug genommen und gleichwohl mitgeteilt wird, es lägen keine Nebenbestimmungen betreffend sein eigenes Fahrzeug vor (Bl. I 1002f.). Dies wäre unverständlich, wenn man mit dem Kläger davon ausginge, die Abweichungen zu den getesteten Fahrzeugen seien für die Frage der Übertragbarkeit der Ergebnisse ohne Bedeutung.
180Weiterhin hat der Senat zu keiner Zeit Erkenntnisse aus anderen Verfahren irgendwie in den hiesigen Rechtsstreit eingeführt, denn jenseits der einzuhaltenden prozessualen Anforderungen müsste natürlich auch entsprechender Vortrag der Beklagten vorliegen, der den Anforderungen des Senats zur Übertragbarkeit von Erkenntnissen bei anderen Fahrzeugen genügt.
181Indes bestätigt sich die davon unabhängige Auffassung des Senats insoweit, als das Vorliegen von Timerfunktionen offenkundig vom konkreten Fahrzeug und dessen konkreten Spezifikationen abhängig ist, da die abweichenden Erkenntnisse nur über weitere abweichende Merkmale erklärlich sind, deren Darlegung der Senat für unabdingbar erachtet, um greifbare Rückschlüsse zu erlauben.
182In diesem Kontext verhilft es der Klage auch nicht zum Erfolg, dass nunmehr erstmals Emissionsmessungen der DUH betreffend Fahrzeuge vom Typ Fiat Ducato vorgelegt werden.
183Dabei offenbart der Kläger mit seinen Ausführungen in aller Deutlichkeit, dass es ich um reine Spekulation ohne jeden Bezug zu seinem Fahrzeug handelt. Denn er führt aus, dass es sich bei dem getesteten Fahrzeug der Abgasnorm Euro6 mit einer Leistung von 96kW um ein Exemplar aus der Baureihe F1AGL411 handeln „muss“. Jenseits der Tatsache, dass dies weder zwingend ist, noch einer vollständigen Darstellung der aus neun Zeichen bestehenden Motorenkennung entspricht, belegt diese Behauptung letztlich die fehlende Übertragbarkeit. Denn der Kläger verkennt bei seinem Vortrag offenkundig, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um ein Fahrzeug der EURO-5-Abgasnorm (Euro5) mit einem Motor Multijet der Reihe F1AE3481E und einer Leistung von 110kW handelt, d.h. um ein Fahrzeug mit einer völlig anderen Motorisierung.
1842.
185Soweit sich der Kläger ebenfalls erstmalig auf das Vorliegen eines Thermofensters beruft, fehlt es vollständig an Angaben zu einem etwaigen Temperaturrahmen.
186Auch die Bezugnahme auf die Entscheidungen des EuGH vom 14.07.2022 hilft insoweit nicht weiter. Denn die Entscheidungen beziehen sich nicht auf eine pauschale Unzulässigkeit von Thermofenstern gleich wie, sondern auf eng bedatete Thermofenster, konkret mit einem Rahmen von 15°C bis 33°C bei bis zu 1.000 Höhenmetern.
1873.
188Soweit es die Funktionsweise des OBD-Systems betrifft, ist diese für die Beurteilung des Rechtsstreits ebenfalls ohne Belang.
189Mangels Einfluss auf das Emissionsverhalten kann es sich schon nach dem klägerischen Vortrag nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handeln.
190Auch für die Beurteilung eines etwaigen Verschuldens bzw. der Sittenwidrigkeit des Verhaltens ergibt sich nichts. Denn es ist bereits begriffsimmanent, dass ein Diagnosesystem eine Überschreitung der hinterlegten Parameter, d.h. eine Fehlfunktion der übrigen Systeme anzeigt. Soweit diese aber innerhalb der vordefinierten Parameter funktionieren, sei es auch, den Klägervortrag insofern als zutreffend unterstellt, unter Verletzung der rechtlichen Vorgaben, ist gerade keine Manipulation, sondern vielmehr eine ordnungsgemäße Funktion des Diagnosesystems anzunehmen. Mithin kommt es allein darauf an, ob die im Übrigen verbauten Steuerungssysteme bei normaler Funktion als unzulässige Abschalteinrichtungen zu qualifizieren sind und die weiteren Voraussetzungen eines (deliktischen) Schadensersatzanspruchs vorliegen.
1914.
192Soweit der Kläger seinen zweitinstanzlichen Vortrag jetzt auch auf Erkenntnisse stützen will, die sich aus Unterlagen der Firma F. ergeben sollen, geben auch diese für den Erfolg der Klage nichts her, sodass der Senat offen lassen kann, ob der Vortrag gem. § 531 Abs. 2 ZPO zulassungsfähig ist.
193Es lässt sich bereits nur spekulieren, ob die vorgelegten Unterlagen, deren Alter im Hinblick auf die u.a. zwischen dem Jahr 2009 einerseits und 2015 andererseits wechselnden Urheberrechte unklar bleibt, überhaupt den in Rede stehenden Motortyp, geschweige denn das streitgegenständliche, später zugelassene Fahrzeugmodell betreffen, da der Vortrag des Klägers hierzu keinerlei Angaben enthält.
194Darüber hinaus berücksichtigt der Kläger bei seiner Auslegung der betreffenden Unterlagen nicht, dass diese eine „Zusammenstellung der Funktionen (darstellen), die ein besonderes Potenzial für behördenkonforme Applikation bieten“. Sie bieten damit eine Übersicht über „Potenziell kritische Verwendung“ der jeweils beschriebenen Funktionalität, sagen damit aber überhaupt nichts darüber aus, in welchen konkreten Fahrzeug- oder Motortypen sie überhaupt und/oder in tatsächlich „kritischer“ Weise eingesetzt werden. Allein das Potenzial, d.h. die Möglichkeit eines kritischen oder ggf. rechtswidrigen Einsatzes begründet keine Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Einsatz tatsächlich erfolgt. Dies gilt umso mehr, als nach dem erstinstanzlich unbestrittenen Vortrag der Beklagten im Fahrzeug des Klägers überhaupt kein Steuergerät der Firma F. zum Einsatz kommt.
195Zudem ist es in höchstem Maße zweifelhaft, dass die von dem Kläger intendierten Schlussfolgerungen bzgl. des Verhaltens der Beklagten allein aus den Unterlagen eines Dritten, hier der Firma F., abgeleitet werden können.
196Zwar behauptet der Kläger, die entsprechenden Funktionen seien „explizit bestellt“. Weder ergibt sich hierfür jedoch Konkretes aus den vorgelegten Unterlagen, noch substantiiert der Kläger diese Behauptung weiter, sodass auch diese nur als unerhebliche Behauptung „ins Blaue hinein“ angesehen werden kann.
1975.
198Auch hinsichtlich der Ausführungen zur Frage eines Verschuldens der Beklagten sieht der Senat keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
1996.
200Der Einwand des Klägers dazu, dass der Senat zu Unrecht Vortrag zu seiner Kaufmotivation vermisst, ist unbeachtlich.
201Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Ausführungen des Senats nicht in sich widersprüchlich.
202Der Senat geht unter Ziff. I.2.a nicht davon aus, dass der Kläger hinreichend dazu vorgetragen hat, dass er den Kaufvertrag über das Fahrzeug ohne eine etwaige Täuschung seitens der Beklagtenseite nicht abgeschlossen hätte. Die von dem Kläger in Bezug genommenen Ausführungen des Senats stellen darauf ab, dass der Kläger seinen Schaden aus einer Bindung an einen unerwünschten Vertrag ableitet.
203Überdies beanstandet der Kläger zu Unrecht, dass er in der Klageschrift zu seiner Kaufmotivation hinreichend vorgetragen habe. Die Ausführungen auf Seite 33 5.A beziehen sich auf die Motivation des Klägers bezüglich getätigter Aufwendungen für das Fahrzeug. Diese Aufwendungen will der Kläger im Vertrauen daraufhin vorgenommen haben, ein langfristig nutzbares Fahrzeug erworben zu haben, das selbstverständlich auch die gesetzlichen Abgasvorschriften einhält. Diese Aufwendungen wären ohne den Erwerb nicht vorgenommen worden.
204Der Vortrag bezieht sich dementsprechend auf die Motivation des Klägers für die Tätigung der Aufwendungen und nicht auf seine Kaufmotivation.
205Abgesehen davon lassen die Ausführungen, die sich auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Aufwendungen, also den 31.08.2020 (vgl. Bl. I 566), beziehen, keinen Rückschluss auf die Motivationslage zum Zeitpunkt des Erwerbs am 17.02.2017 zu.
206Das von dem Kläger weiterhin in Bezug genommene Vorbringen auf Seite 59 f. der Klageschrift verhält sich nicht zu seiner Kaufmotivation, sondern bezieht sich allgemein auf die Kaufmotivation eines Käufers.
2077.
208Hinsichtlich der Ausführungen des Senats zu einem abzulehnenden Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB ist im Hinblick auf die Einwendungen des Klägers lediglich zu ergänzen, dass auch bei einem Neufahrzeugkauf von einem Händler kein stoffgleicher Vermögensvorteil hierdurch bei dem Fahrzeughersteller anzunehmen ist.
209II.
210Eine Aussetzung oder die Anordnung des Ruhens des Rechtsstreits nicht geboten. Insofern wird zunächst auf die Rechtsausführungen im Beschluss vom 15.02.2023 sowie die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen, aus denen sich ergibt, dass es aus tatsächlichen Gründen auf den Ausgang des Verfahrens C-100/21 nicht ankommt.
211Auch der Bundesgerichtshof spricht sich mit Nichten für eine Aussetzung aus, sondern hat nur weitergehende Leitlinien angekündigt, sofern sich Gerichte dazu entscheiden sollten, ein Verfahren auszusetzen. Ein Anlass hierfür besteht indes nicht.
212III.
213Auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 Ziff. 2 und 3 ZPO sind erfüllt, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine tatsächliche Entscheidung in der Sache. Auch ist eine mündliche Verhandlung nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Ziff. 4 ZPO). Die Entscheidung betrifft den vorliegenden Einzelfall, insbesondere unter Berücksichtigung des im hiesigen Verfahren gehaltenen konkreten Sachvortrags. Im Übrigen folgt der Senat der geltenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
214IV.
215Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.