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Anspruch wegen Kfz-Teilediebstahl bejaht, da die für den Versicherungsnehmer stehende Redlichkeitsvermutung nicht widerlegt ist und keine Tatsachen festzustellen sind, nach welchen eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung besteht.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.10.2021 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster (Az: 115 O 77/20) wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
2(gem. § 313a Abs. 1 ZPO ohne Tatbestand)
3I.
4Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
5Dem Kläger steht aus dem bestehenden Kaskoversicherungsvertrag der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 5.735,- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 01.11.2019 zu.
61.
7Der Kläger hat den Beweis für das das sog. äußere Bild eines Teilediebstahls durch die Angaben in seiner Anhörung vor dem Senat erbracht; die für den Kläger als Versicherungsnehmer streitende Redlichkeitsvermutung hat die Beklagte nicht zu widerlegen vermocht (a). Tatsachen, aus denen sich eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung ergeben würden, lassen sich nicht feststellen (b).
8a)
9Beim Teilediebstahl kommen dem Versicherungsnehmer in der Kaskoversicherung nach gefestigter Rechtsprechung Beweiserleichterungen zu. Der Versicherungsnehmer muss beweisen, dass er das Fahrzeug an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit mit den als entwendet behaupteten Teilen angestellt und ohne diese wiederaufgefunden hat (sog. äußeres Bild eines Diebstahls; vgl. etwa Klimke, in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, A.2.2.1 AKB 2015, Rn. 32 m.w.N.). Dieses äußere Bild hat der Versicherungsnehmer gemäß § 286 ZPO voll zu beweisen. Kann er den Beweis nicht mit Zeugen führen – vorhandene Zeugen sind zunächst zu vernehmen –, so kann die Darstellung des nach § 141 ZPO persönlich angehörten Versicherungsnehmers genügen (BGH, Urt. v. 24.04.1991, IV ZR 172/90, VersR 1991, 917; Klimke, in: Prölss/Martin, VVG, 31 Aufl. 2021, A.2.2.1 AKB2015, Rn. 32, 40). Dabei kommt dem Versicherungsnehmer eine Vermutung der Glaubwürdigkeit zu. Diese ist nur dann erschüttert, wenn unstreitige oder vom Versicherer bewiesene Indizien ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers ergeben (BGH, Urteil vom 22.01.1997 – IV ZR 320/95, juris Rn. 10).
10Hiernach gilt:
11Nachdem sich in der Verhandlung vor dem Senat ergeben hat, dass Zeugen weder für das Abstellen noch – jedenfalls bis auf den Zeugen Q. – für das Nichtwiederauffinden existieren, haben beide Parteien auf die Vernehmung der Zeugen insoweit verzichtet. Die Aussage des – vom Senat erneut vernommenen – Zeugen Q. hat das behauptete äußere Bild jedenfalls nicht in Frage gestellt. Erneut zu vernehmen war der Zeuge, weil er vor dem Landgericht durch einen anderen Richter vernommen worden war als der im Urteil erkennenden Richterin, obwohl das angefochtene Urteil auch auf der Glaubwürdigkeit des Zeugen beruhte und ein Vermerk des vernehmenden Richters zur Glaubwürdigkeit nicht vorliegt (vgl. dazu etwa Heinrich, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 355, Rn. 6).
12Der Kläger hat in seiner Anhörung vor dem Senat ausgeführt, dass er – als „Einmannbetrieb“ – alte Gebrauchtwagen ins Ausland verkaufe und zum Abstellen der Autos einen KfZ-Abstellplatz in U. angemietet habe, den er etwa zur Hälfte an den Zeugen Q. untervermietet habe, der ebenfalls mit gebrauchten KfZ handele. Er habe den versicherten BMW 520d am Tag der Abreise, dem 05.05.2019, in einen mit seiner Familie und der damaligen Freundin seines Sohnes geplanten einwöchigen New York-Urlaub in unversehrtem Zustand auf dem Firmengelände unter einem Carport abgestellt. Dieser Carport stehe in der Nähe der Grundstücksgrenze, an die sich der Park- und Rangierplatz eines Möbelhauses anschließe. Bei dem Abstellen des Fahrzeuges sei niemand zugegen gewesen. Er sei sodann mit einem größeren Fahrzeug mit seiner Familie und der damaligen Freundin seines Sohnes zum Flughafen gefahren, nachdem er zuvor von einem Bekannten von dem Firmengelände mitgenommen und nach Hause gefahren worden sei. Als er am 13.05.2019 nach Beendigung der Reise auf das Firmengelände zurückgekehrt sei, habe er das Fahrzeug mit eingeschlagener Scheibe und ohne die Rückbank, die Mittelkonsole, das Lenkrad und die Sitze vorgefunden. Der Abstellplatz sei bei seiner Rückkehr durch ein Tor und eine Kette mit einem Vorhängeschloss verschlossen gewesen. Er könne nur vermuten, dass die Täter die ausgebauten Teile über einen das Grundstück im Bereich des Carports einhegenden geflochtenen Drahtzaun – ähnlich eines beweglichen Weidezauns - gehoben oder unter diesem auf den angrenzenden Park- und Rangierplatz des Möbelhauses durchgeschoben und von dort aus weggebracht hätten, so dass ein Aufbrechen des Schlosses am Tor nicht notwendig gewesen wäre.
13Die Beklagte hat die zu Gunsten des Klägers streitende Redlichkeitsvermutung nicht zu erschüttern vermocht. Der gegen die Redlichkeitsvermutung von der Beklagten erstinstanzlich allein erhobene Einwand, dass sich der Kläger wegen der Verweigerung der Abgabe der Vermögensauskunft sowie wegen einer wahrheitswidrigen Falschbeantwortung einer schriftlich gestellten Frage nach gegen ihn gerichteten Mahn- und Klageverfahren oder Zwangsvollstreckungsverfahren nicht auf diese Vermutung berufen könne, hat sich bereits in erster Instanz als unzutreffend erwiesen, nachdem das Landgericht die Akten des Gerichtsvollziehers beigezogen und festgestellt hatte, dass das von der Beklagten in Bezug genommene Vollstreckungsverfahren nicht den Kläger, sondern dessen im wesentlichen namensgleichen Bruder betraf. Es lässt sich auch nicht etwa feststellen, dass der Diebstahl, so wie von der Beklagten behauptet, „technisch“ unmöglich wäre (dazu noch sogleich). Weitere Umstände, die gegen die Redlichkeitsvermutung sprechen könnten, trägt die Beklagte nicht vor und sind auch sonst nicht ersichtlich.
14Damit steht das äußere Bild des Diebstahls fest.
15b)
16Die Beklagte hat keine Tatsachen bewiesen, aus denen sich – auch aus einer Gesamtschau – die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung einer Entwendung ergibt (vgl. hierzu: Klimke, in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, A.2.2.1 AKB2015, Rn. 41; BGH, Urteil vom 05.10.1983 - IVa ZR 19/82, VersR 1984, 29; Stiefel/Maier, Kraftfahrversicherung 19. Aufl. 2017, AKB A 2.2, Rn. 182 m.w.N.). Auch sonst stehen solche Tatsachen nicht fest.
17Die von der Beklagten als Indiz ins Felde geführten örtlichen und zeitlichen Umstände der Tatbegehung sprechen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit für die Vortäuschung eines Versicherungsfalles. Nach den unwiderlegten Angaben des Klägers zu den örtlichen Verhältnissen (die von dem Zeugen Q. bestätigt worden sind) und den Erörterungen im Termin zu der Einzäunung des Abstellplatzes mit einem beweglichen Drahtzaun an drei Grundstückgrenzen – lediglich die Grundstücksgrenze an der Zufahrt war nach den Angaben des Klägers und des Zeugen Q. mit einem unbeweglichen Metallzaun und einem Tor gesichert – und den möglichen Wegen des Abtransports über den auf dem angrenzenden Grundstück gelegenen Park- und Rangierplatz des Möbelhauses, ist das behauptete Diebstahlsgeschehen trotz des mit der Tatausführung einhergehenden Zeit- und Arbeitsaufwandes und damit einhergehenden Entdeckungsrisikos nicht derart unwahrscheinlich, dass die Beklagte Tatsachen für eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung bewiesen hätte.
18Die Behauptung der Beklagten, dass das Fahrzeug über ein „Safe-Lock-System“ verfügt habe, welches ein Öffnen der verschlossenen Türen des Fahrzeugs von innen nach einem Einschlagen oder Herablassen der Fenster verhindere - was zum Herausschaffen jedenfalls der Rückbank und der Sitze aus dem Fahrzeug erforderlich gewesen sei -, ist nicht bewiesen. Nach dem Ergebnis des vom Senat eingeholten schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Y. vom 31.03.2023 kann bereits nicht festgestellt werden, dass in dem versicherten Fahrzeug ein derartiges „Safe-lock-System“ System überhaupt installiert gewesen ist. Da die Beklagte für die Umstände, die für die Vortäuschung eines Diebstahlsgeschehens sprechen, beweisbelastet ist, geht dieses non liquet zu ihren Lasten.
19Der behauptete Umstand, dass zum Vorteil des Versicherungsnehmers die Steckverbindungen zeitaufwändig sorgfältig gelöst worden seien, reicht – auch im Wege einer Gesamtschau – ebenfalls nicht für die Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung eines Versicherungsfalles aus. Es ist, wie im Termin erörtert, durchaus vorstellbar, dass auch ein Diebstahlstäter so vorgeht.
20Bei Gesamtwürdigung aller Umstände, u.a. auch bei Würdigung der Anhörung des Klägers und der Vernehmung des Zeugen Q., spricht nach der Beurteilung des Senats nicht mehr für eine Vortäuschung als für einen Diebstahl.
212.
22Eine – in erster Instanz von der Beklagten geltend gemachte – Obliegenheitsverletzung durch Falschbeantwortung der gestellten Frage nach gerichtlichen Mahn- und Klageverfahren und/oder Zwangsvollstreckungsverfahren in den letzten drei Jahren ist nicht gegeben, wie bereits ausgeführt worden ist. Auf eine solche Obliegenheitsverletzung hat sich die Beklagte in zweiter Instanz – wie in der Senatssitzung erörtert – auch nicht mehr berufen.
233.
24Die Höhe des zu ersetzenden Schadens in Höhe von 5.735,- € ist zwischen den Parteien unstreitig.
254.
26Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 BGB.
27II.
28Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
29Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).