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Die Berufung des Klägers gegen das am 16.08.2022 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger verlangt von dem Beklagten, bei dem er eine Unfallversicherung unterhält, nach einem streitigen Sturzereignis im Oktober 2019 eine Invaliditätsleistung.
4Der Kläger meldete bei dem Beklagten mit der unter dem 16.01.2020 unterzeichneten und handschriftlich von ihm ausgefüllten Unfallanzeige (Bl. 119 der elektronischen Gerichtsakte erster Instanz; im Folgenden eGA-I bzw. eGA-II für die zweite Instanz) einen Unfall, der am 14.10.2019 - wie unter I. a) ausgeführt - wie folgt geschehen sein soll:
5„Auf unebenem Gelände nahe der Pferdekoppel auf den rechten Arm und Schulter gestürzt“.
6Unter I. b) wurde ausgeführt:
7„Bin gestolpert und gestürzt, mit rechtem Arm abgefangen“.
8Unter II 1. gab der Kläger zur Frage „Bei welchem Arzt, gegebenenfalls in welchem Krankenhaus, war die verletzte Person wegen des Unfalls erstmals in Behandlung?“ seien Hausarzt U. an. Er teilte nicht mit, dass er sich bei dem Arzt T. vorgestellt habe.
9Zudem überreichte der Kläger dem Beklagten den am 18.11.2020 durch den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie L. ausgefüllten Bogen „Anmeldung eines Anspruchs auf Invaliditätsleistung“ (eGA-I 40). In diesem Bogen wurde das Unfallereignis ebenfalls auf den 14.10.2019 datiert. Unfallschilderungen enthält der Bogen nicht.
10Im Rahmen der Prüfung der Leistungspflicht durch den Beklagten beauftragte die P. Versicherungs-AG G. als weiterer Unfallversicherer des Klägers auch für den Beklagten den Facharzt für Chirurgie und Notfallmedizin S. mit der Erstellung eines Gutachtens, der (Privatgutachten vom 21.12.2020 [eGA-I 102 ff.]) einen unfallbedingten Dauerschaden nicht feststellen konnte. Mit Schreiben vom 22.01.2021 lehnte der Beklagte die Erbringung von Invaliditätsleistungen unter Bezugnahme auf das Privatgutachten S. ab.
11Unter dem 22.03.2021 (eGA-I 96 ff.) gab S. eine ergänzende Stellungnahme zu einem außergerichtlichen Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 02.03. und 03.03.2021 ab. Darin führt er aus, dass der Kläger ihm gegenüber am 15.12.2020 kein Auskugeln der Schulter beschrieben habe, eine Verrenkung der Schulter auch nicht dokumentiert sei. Er hielt unter näheren Ausführungen an seiner Einschätzung fest, dass der Nachweis unfallbedingter Invalidität nicht geführt werden könne.
12In dem Schreiben vom 07.04.2021 (eGA-I 41 ff.) führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers erstmals abweichend zu den Angaben in der Unfallmeldung zum Unfallgeschehen aus, dass der Kläger auf dem unteren Teil seines Grundstücks auf einem geschotterten Platz von einer Heuballenpyramide aus ca. 3 Metern Höhe heruntergefallen sei und sich die Schulter ausgekugelt habe.
13Nachdem der Beklagte die Leistungserbringung erneut mit Schreiben vom 09.04.2021 abgelehnt hatte, überreichte der Kläger dem Beklagten mit Schreiben vom 16.06.2021 ein Privatgutachten des L. vom 26.04.2021 (eGA-I 51), in welchem das Unfallereignis nunmehr auf den 18.10.2019 datiert worden ist (eGA-I 51). In diesem Gutachten wird zu den Angaben des Klägers zum Unfallhergang durch den Arzt L. ausgeführt:
14„Herr C. gibt bei der heutigen Untersuchung an, am 18.10.19 beim Heu machen von einem gestapelten Heuballen (3m Höhe) gestürzt zu sein und den Sturz mit dem abduzierten/antevertierten rechten Arm abgefangen [zu haben]. Kein Medikamenten-, Alkohol- oder Rauschmitteleinfluss zum Unfallzeitpunkt.
15Bei der Erstvorstellung am 8.1.20 gab der Versicherte an, beim Heu machen auf dem eigenen Hof gestürzt zu sein und den Sturz nach vorn mit dem antevertieren / abduzierten rechten Arm abgefangen [zu haben].
16Ein Sturz aus 3m Höhe mit Erstluxation der rechten Schulter gab der Versicherte bei Erstvorstellung in meiner Sprechstunde nicht an, so dass im Folgenden auf den primär genannten Unfallmechanismus ohne Schulterluxation eingegangen wird. Des Weiteren gab der Versicherte diesen Unfallmechanismus ohne Luxation auch im Rahmen einer Begutachtung in Y. am 15.12.20 an. Eine Schulterluxation rechts wurde zu keinem Zeitpunkt als manifestes Erstschadensbild im Vollbeweis gesichert und in der Diskussion“
17Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, am 18.10.2019 im Beisein des Zeugen A. auf einem geschotterten Platz, der zur Lagerung von Heuballen genutzt werde, einen Unfall erlitten zu haben. Er habe, nachdem er auf eine Heuballenpyramide geklettert sei, um eine Plane über die Heuballen zu ziehen, auf der feuchten obersten Rolle den Halt verloren und sei aus ca. 3 m Höhe abgestürzt und auf den geschotterten Boden und die vor dem Heustapel befindliche Palette gestürzt. Hierbei habe er sich überschlagen und sich die rechte Schulter ausgekugelt. Der Zeuge A., der Ergotherapeut sei, sei ihm zur Hilfe geeilt, habe ihm die Jacke ausgezogen und die rechte Schulter wieder eingerenkt. An diesem Tag sei er nicht mehr in der Lage gewesen, einen Arzt aufzusuchen. Am 19.10.2019 habe er sich bei dem Facharzt für Innere Medizin T. vorgestellt, über das Unfallereignis vom Vortag berichtet und sei von diesem untersucht worden.
18In der Klageschrift ist das Unfalldatum noch mit 14.10.2019 angegeben; ein Besuch bei T. wird dort nicht erwähnt. Mit Schriftsatz vom 29.03.2022 (eGA-I 129, 133) hat der Kläger das Datum des Unfallgeschehens auf den 18.10.2019 datiert, T. erwähnt und diesen als Zeugen benannt.
19Der Beklagte hat den vom Kläger vorgetragenen Unfallhergang vor dem Hintergrund bestritten, dass der Kläger in der Unfallanzeige vom 16.01.2020 (eGA-I 119 f.) angegeben habe, auf unebenem Gelände nahe der Pferdekoppel gestolpert und auf den rechten Arm und die rechte Schulter gefallen zu sein. Auch bei der Vorstellung bei L. habe der Kläger weder das von ihm nunmehr mit der Klage vorgetragene Sturzereignis noch eine Schulterluxation angegeben. Zudem sei die ausgekugelte Schulter ein medizinischer Notfall und vor dem Einrenken durch einen Arzt samt Röntgenbild und MRT zu untersuchen.
20Hinsichtlich der erstinstanzlichen Anträge und des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
21Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung des Klägers und Beweiserhebung durch uneidliche Vernehmung des Zeugen A. abgewiesen. Es hat bereits das behauptete Unfallgeschehen nicht feststellen können.
22Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
23Er rügt insbesondere, das Landgericht habe den erstinstanzlich angebotenen Zeugen T. zu den diesem gegenüber gemachten Angaben zum Unfallhergang nicht vernommen und damit nicht sämtliche angebotenen Beweismittel ausgeschöpft.
24Der Kläger beantragt,
25unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Landgerichtes Münster vom 16.08.2022, AZ: 115 O 2/22,
261. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.702,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.06.2021 zu zahlen,
272. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 719,95 € an außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
28Der Beklagte beantragt,
29die Berufung zurückzuweisen.
30Er verteidigt mit näheren Ausführungen das angefochtene Urteil.
31Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens in zweiter Instanz wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
32Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A. und T.. Auf den Berichterstattervermerk wird Bezug genommen; ebenso auf ein von dem Zeugen T. im Termin überreichtes Schriftstück.
33II.
34Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
35Das Landgericht hat die auf Zahlung einer Invaliditätsleistung gerichtete Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil der Kläger die vertraglichen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs, auch unter Berücksichtigung der im Berufungsrechtzug erneut durchgeführten und ergänzten Beweisaufnahme, nicht nachgewiesen hat. Mangels Hauptforderung steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Erstattung gezahlter Rechtsanwaltsgebühren zu.
361. Die Voraussetzungen, unter denen der Beklagte zur Leistung einer Invaliditätsleistung verpflichtet ist, sind in Ziffern 2.1.1 in Verbindung mit Ziffer 1.1 und 1.3 AUB2014 in Verbindung mit §§ 1, 178 VVG geregelt.
37Der Kläger hat bereits den Eintritt eines Unfalls nach Ziffer 1.3 AUB2014 als Voraussetzung des Versicherungsfalles nicht beweisen können. Denn der (allein) behauptete Unfall, ein Sturz von Heuballen am 18.10.2019, ist nicht bewiesen.
38a) Der Nachweis eines Versicherungsfalles (mit Ausnahme der kraft Gesetzes vermuteten Unfreiwilligkeit, § 178 Abs. 2 Satz 2 VVG), also zunächst einmal des Unfallereignisses obliegt dem Versicherungsnehmer, hierfür gilt das Beweismaß des § 286 ZPO. Beweiserleichterungen, etwa in Gestalt eines „äußeren Bildes“, finden keine Anwendung (Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, § 178, Rn. 24; BGH, Urt. v. 18. Februar 1987 – IV a ZR 196/85, VersR 1987, 1007). Erforderlich ist die Überzeugung des Gerichts von der zu beweisenden Tatsache im Sinne eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie notwendigerweise völlig auszuschließen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. Juli 2008 - VI ZR 274/07, Juris Rn. 7).
39b) Der Senat vermag sich nach eingehender Anhörung des Klägers sowie Vernehmung der Zeugen A. und T. nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon zu überzeugen (§ 286 ZPO), dass der Kläger am 18. Oktober 2019 von Heuballen gestürzt ist. Der Senat hat vielmehr erhebliche Zweifel daran, dass dieses (allein) behauptete Unfallgeschehen eingetreten ist. Ein anderes Unfallgeschehen, also etwa ein Stolpern auf unebenem Gelände am 14. Oktober 2019 hat der Kläger, wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, nicht geltend gemacht.
40aa) Allerdings haben der Zeuge A. und der Zeuge T. den Vortrag des Klägers im Kern und auch in manchen Details bestätigt. So hat der Zeuge A. u.a. bestätigt, er habe den Kläger, seinen Cousin, im Oktober 2019 besucht, den Sturz von Heuballen aus dem Augenwinkel gesehen, dem Kläger die Schulter eingerenkt und diesen am nächsten Tag zu T. gefahren.
41Der Zeuge T. hat insbesondere bestätigt, dass der Kläger am Samstag, den 19.10.2019, bei ihm vorstellig geworden sei und ihm von einem Sturz von einem Heuballen einen Tag zuvor berichtet habe.
42bb) Der Senat hat dennoch erhebliche Zweifel daran, dass die Schilderungen des Klägers und der Zeugen zum Unfallgeschehen zutreffend sind. Es bestehen gravierende Ungereimtheiten im Vortrag des Klägers, die dieser nicht erklären konnte, und zudem bestehen Auffälligkeiten bei den persönlichen Angaben des Klägers im Termin und den Zeugenaussagen. Auch wenn diese noch darzustellenden Auffälligkeiten der Zeugenaussagen nicht das Gewicht haben, eine Würdigung der Bekundungen als glaubhaft gleichsam auszuschließen, besteht bei der gebotenen Gesamtwürdigung die ernsthafte, nicht etwa nur theoretische oder fernliegende Möglichkeit, dass das Unfallereignis „Sturz von Heuballen am 18.010.2019“ erst nachträglich konstruiert und abgesprochen wurde.
43(1) Die Angaben des Klägers sind von zahlreichen Ungereimtheiten geprägt, die er nicht erklären konnte.
44(a) Ganz gravierend ist der Umstand, dass sich der Kläger in der Unfallanzeige an den Beklagten und gegenüber dem behandelnden Arzt L. auf einen anderen Unfallhergang berufen hat, nämlich auf einen Sturz infolge eines Stolperns auf unebenem Gelände nahe der Pferdekoppel. Erst nachdem der von dem weiteren Unfallversicherer beauftragte Gutachter S., dem gegenüber der Kläger ein Auskugeln der Schulter ebenfalls nicht berichtet hatte, aufgrund des damals behaupteten Unfallgeschehens keine unfallbedingte Invalidität feststellen konnte, änderte der Kläger seinen Vortrag zum Unfallhergang dahingehend, dass er aus drei Metern von einer Heuballenpyramide gefallen sei und sich die Schulter ausgekugelt habe.
45Diese deutliche Änderung des Vortrags geschah also zu einem Zeitpunkt, als das Gutachten des S. vom 21.12.2020 (Bl. 102 ff. GA-I) eingegangen und eine Ablehnung des Versicherungsfalles durch den Beklagten zu erwarten war. Zudem wechselte der Kläger die Unfallschilderung gegenüber dem ihn behandelnden Arzt L. nachträglich aus, worauf dieser ausdrücklich in seinem Gutachten hinwies. Schließlich hat der Kläger in der Unfallanzeige den Zeugen T. nicht als Erstbehandler angegeben, diesen vielmehr erst im erstinstanzlichen Klageverfahren benannt und behauptet, diesem gegenüber im Anamnesegespräch einen Tag nach dem Unfall von einem Sturz von Heuballen berichtet zu haben.
46Die Angabe in der Schadenanzeige „auf unebenem Gelände nahe der Pferdekoppel auf den rechten Arm und Schulter gestürzt“ und „bin gestolpert und gestürzt“ machte der Kläger eigenhändig, wie er auch vor dem Senat nochmals eingeräumt hat.
47(b) Diese Umstände hat der Kläger in seiner Anhörung vor dem Senat nicht nachvollziehbar erklären können; sie sind – auf der Grundlage des Vortrags des Klägers – auch sonst nicht vernünftig zu erklären.
48Insbesondere hat der Kläger nicht erklären können, warum es zu einer Auswechslung des Vortrags zum Unfallhergang gekommen ist.
49Auf den Vorhalt des Senats, dass die im Prozess geltend gemachte Unfallschilderung mit der in der Unfallmitteilung vom 16.01.2020 nicht in Einklang zu bringen sei, hat er lediglich mitgeteilt, dass er, wenn er gewusst hätte, dass es darauf ankommt, und wenn ihm klar gewesen wäre, dass es auf die Angaben zum Gelände ankommt, dies anders aufgeschrieben hätte. Er könne sich die von ihm damals gewählte Formulierung nicht weiter erklären, ebenso wenig den Umstand, dass er mit dem 14.10.2019 ein falsches Datum angegeben habe.
50Hiernach ist – auf der Grundlage der Behauptung des Klägers (Sturz von Heuballen) – nicht vernünftig erklärbar, dass der Kläger so formulierte wie in der Schadenanzeige geschehen. Jedenfalls die Worte „auf unebenem Gelände“ passen offenkundig nicht zu einem Sturz von Heuballen – aus etwa 3 m (oder auch nur 2m) Höhe – und können auch nicht etwa mit einem Bestreben nach einer kurzen Beantwortung erklärt werden.
51(2) Im Aussageverhalten des Klägers vor dem Senat ist aufgefallen, dass dieser es bei vielen Tatsachenangaben vermied, die Senatsmitglieder anzuschauen und zögernd antwortete. Ganz im Gegensatz dazu hielt er Blickkontakt und äußerste sich sehr engagiert, als er berichtete, er sei vor dem Unfall vollständig gesund gewesen, habe alles arbeiten können und sei nun durch die Unfallfolgen erheblich beeinträchtigt.
52Auch dies ist ein Indiz dafür, dass es durchaus anders gewesen sein kann, als der Kläger es behauptet: Er meint, aus guten Gründen einen Anspruch auf Invaliditätsleistung zu haben, und sucht, diesen mit einem erdachten Unfallgeschehen durchzusetzen.
53(3) Die Zweifel i.S.d. § 286 ZPO an dem von dem Kläger geschilderten Unfallgeschehen werden durch die Angaben der Zeugen A. und T. nicht ausgeräumt.
54Der Senat verkennt – dies sei erneut erwähnt – hierbei nicht, dass der Zeuge A. die Angaben des Klägers weitestgehend bestätigt hat und auch der Zeuge T. die Angaben, die der Kläger diesem gegenüber gemacht haben will, bestätigt hat. Es sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass es vorliegend nicht darum geht, vorsätzliche Falschangaben der Zeugen positiv festzustellen (irrtümliche Falschangaben kommen im Streitfall praktisch nicht in Betracht). Entscheidend ist vielmehr: Der Senat hält es in Gesamtabwägung der aufgezeigten Ungereimtheiten der Angaben des Klägers und der Aussagen der Zeugen unter Berücksichtigung des Nachfolgenden keineswegs für ausgeschlossen, sondern für ernsthaft möglich, dass hier abgestimmte Aussagen vorliegen.
55(a) Der Zeuge A. hat ohne Veranlassung unmittelbar zu Beginn seiner Vernehmung, als er im Zusammenhang seine Erinnerungen schilderte, betont, dass das Unfallgeschehen am 18.10.2019 stattgefunden hat. Dies war – vor dem Hintergrund des Streits der Parteien darüber, ob der Unfall sich am 14.10. oder am 18.10. ereignete habe – auffällig. Zudem ist aufgefallen, dass sich der Zeuge A. trotz des nach eigenem Bekunden für ihn besonderen Erlebnisses an Einzelheiten, welche im Rechtsstreit bereits zur Sprache gekommen sind oder ganz naheliegend gefragt werden würden, erinnern konnte, an andere Umstände hingegen nicht (Geschehen vor dem behaupteten Sturz; Oberbekleidung des Klägers, welche der Zeuge dem Kläger vor dem Einrenken der Schulter ausgezogen haben will).
56Angesichts der Verbundenheit des Zeugen mit dem Kläger (Cousin, regelmäßige Besuche) hält der Senat es für ernsthaft möglich, dass der Zeuge sich zu einer Falschaussage bereitgefunden hat, insbesondere um dem Kläger zu einer „an sich berechtigten“ Invaliditätsleistung zu verhelfen.
57(b) Auch an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen T. hat der Senat bei der gebotenen Gesamtwürdigung erhebliche Zweifel.
58So ist es nach der allgemeinen Lebenserfahrung ganz unwahrscheinlich, dass der Kläger dem Zeugen T. bei der berichteten ausführlichen Anamnese zwar (wie auf dem von dem Zeugen überreichten Schriftstück vermerkt) von einem Sturz von einem Heuballen berichtet haben will, indes das (dort nicht vermerkte) Einrenken der Schulter unerwähnt gelassen haben soll. Der Zeuge hat hierzu berichtet, dass er den Kläger dahin verstanden habe, dass es nicht zu einer vollständigen Luxation, sondern zu einer Sub-Luxation gekommen sei und der Kläger es dann aber offenbar selber „hingekriegt und jedenfalls irgendwie wieder reingedreht bekommen“ habe. Ein Einrenken durch den Zeugen A. sei nicht berichtet worden. Dass dieser Umstand bei der Anamnese nicht zur Sprache gekommen ist, obwohl ein schmerzhaftes Einrenken erfolgt sein soll, erscheint aus Sicht des Senats schwer nachvollziehbar.
59Der Zeuge hat auf entsprechende Frage bekundet, nicht mehr zu wissen, ob er den Besuch des Klägers irgendwie berechnet habe. Er habe die Rechnungstellung an seine Angestellten delegiert. Er hat dann aber nicht erklären können, auf welcher Grundlage – welcher Aufzeichnungen auf dem überreichten DINA4-Zettel – seine damaligen Angestellten die für ihn die Abrechnung vorgenommen haben sollen, über die Frage einer Abrechnung hätten entscheiden sollen. Die Frage ließ er unbeantwortet und teilte lediglich mit, dass es sein könne, dass er den Besuch auch gar nicht abgerechnet habe. Dies habe er bei vielen Patienten gelegentlich so gemacht, er könne eine „Metrokiste gefüllt mit Beispielen“ dieser Art präsentieren.
60Zudem hat der Zeuge T. am Ende der Vernehmung, als der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Fragen zu der konkreten Abrechnung der Vorstellung des Klägers gestellt hatte und der Zeuge T. den Kläger duzte, eingeräumt, dass Kläger und Zeuge sich über ein seit Jahrzehnten bestehendes Arzt-/Patientenverhältnis hinaus auch einige Male im Jahr zu privaten Anlässen treffen. Die Art der Treffen hat er indes nicht näher erläutert, sondern hierzu ausweichend geantwortet und auf allgemeine Gepflogenheiten verwiesen.
61Nach alledem hält der Senat es für ernsthaft möglich, dass auch der Zeuge T. zu einer Falschaussage bereit war, wie gesagt, etwa um einen vermeintlich an sich bestehenden Anspruch des Klägers durchzusetzen.
62cc) Auch wenn der Senat aufgrund der ausgeführten Umstände einen Zeugenkomplott nicht als zur positiven Überzeugung des Senats nachgewiesen ansieht, verbleiben hiernach erhebliche Zweifel i.S.d. § 286 ZPO an dem Vortrag des Klägers, sodass der Kläger den Nachweis des von ihm geltend gemachten Versicherungsfalles nicht geführt hat.
632. Mangels Hauptanspruch steht dem Kläger auch der mit der Klage verfolgte Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht zu.
64III.
65Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
66Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).