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1. Weigert sich der Hauptprozessbevollmächtigte des klagenden Versicherungsnehmers an einer zum Zwecke der Geheimhaltungsverpflichtung (§ 174 Abs. 3 GVG) anberaumten mündlichen Verhandlung teilzunehmen, kann dies als Beweisvereitelung zu bewerten und der Vortrag des Versicherers als maßgeblich anzusehen sein (so auch hier, unter 2 c).
2. Das Verfahren nach § 174 Abs. 3 GVG ist in einem Rechtsstreit über eine Prämienanpassung – weiterhin – als geeignet anzusehen (Abgrenzung u.a. von OLG München, Beschluss vom 08.05.2023 – 38 U 6499/22).
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
G r ü n d e
2I.
3Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
4Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
5Die Berufungsangriffe aus der Berufungsbegründung vom 03.11.2023 (Bl. 2 ff. der elektronischen Gerichtsakte zweiter Instanz, im Folgenden: eGA-II und für die erste Instanz eGA-I) greifen nicht durch.
6Im Einzelnen:
71.
8Zur rechtlichen Beurteilung der Beitragsanpassungen sei Folgendes vorangestellt:
9Feststellungsinteresse bei Tarifbeendigung oder Heilung. Ein schutzwürdiges Interesse im Sinne von § 256 ZPO an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses kann dann bestehen, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft ergeben können (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, VersR 2021, 240 ff., Rn. 19). Solche möglichen Rechtsfolgen müssen grundsätzlich von einer klagenden Partei dargelegt werden.
10Die Zulässigkeit als Zwischenfeststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 2 ZPO setzt eine Vorgreiflichkeit des Rechtsverhältnisses voraus, dessen Feststellung die klagende Partei begehrt. Das für eine Zwischenfeststellungsklage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann vor, wenn das inzidenter ohnehin zu klärende streitige Rechtsverhältnis noch über den gegenwärtigen Prozess hinaus zwischen den Parteien Bedeutung hat oder jedenfalls gewinnen kann. Diese Vorgreiflichkeit macht das für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse entbehrlich. Wenn mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien mit Rechtskraftwirkung erschöpfend geregelt werden, ist bzw. wird die Zwischenfeststellungsklage unzulässig. Die Vorgreiflichkeit muss im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (noch) vorliegen (BAG, Urteil vom 07.02.2019, AZR 84/18, NJW 2019, 1833 ff., Rn. 18 mwN). Folglich ist die Zwischenfeststellungsklage unter anderem dann unzulässig, wenn die Hauptklage ohne Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis abzuweisen ist (BGH, Urteil vom 02.07.2007, II ZR 111/05, NJW 2008, 69 ff., Rn. 17 mwN; Becker-Eberhard in MünchKomm-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 256 Rn. 87; Foerste in Musielak/Voit, ZPO 19. Aufl. 2022, § 256 Rn. 41).
11Anforderungen im Allgemeinen. Das in § 203 Abs. 5 VVG normierte Begründungserfordernis hat den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat. Dazu muss zunächst die Rechnungsgrundlage angegeben werden, welche die Prämienanpassung ausgelöst hat (BGHZ 228, 56, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19). Wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat (ebd.), ergibt sich insbesondere auch aus der Gesetzgebungsgeschichte, dass das Begründungserfordernis in § 203 Abs. 5 VVG den Zweck hat, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, ob eine Veränderung bei den kalkulierten Leistungsausgaben oder bei den Sterbewahrscheinlichkeiten zu der Anpassung geführt hat. Denn unter Geltung der Vorgängerregelung des § 178g Abs. 4 VVG a.F. war nur eine Benachrichtigung vorgesehen, weil seinerzeit nur eine Veränderung bei den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Prämienanpassung auslösen konnte. Erst das Hinzutreten der Sterbewahrscheinlichkeiten als zweite Rechnungsgrundlage war für den Gesetzgeber Veranlassung, in § 203 Abs. 5 VVG das Begründungserfordernis zu normieren.
12Daneben muss sich aus der Begründung ergeben, dass es hinsichtlich der maßgeblichen Rechnungsgrundlage einen gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Schwellenwert gibt, dessen Überschreitung die Neukalkulation auslöst. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 31.08.2022 (IV ZR 252/20) einen Hinweis darauf gefordert, dass der Schwellenwert überschritten ist (Rn. 13). Da die Rechtsordnung in Rechtsfragen eine
„einheitliche Rechtsprechung“ (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) gebietet und dem Bundesgerichtshof die Letztentscheidung zugewiesen ist (ebd.), schließt der Senat sich dem an.
Nicht erforderlich ist es, dem Versicherungsnehmer etwa die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts oder die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitzuteilen.
14Die Beurteilung der Anpassungsbegründungen im Einzelfall obliegt – auch nach der ausdrücklichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – dem Tatrichter.
15Rechtsfolgen einer wirksamen Anpassung für frühere – unwirksame – Anpassungen. Rückforderungsansprüche des Versicherungsnehmers sind ausgeschlossen, soweit im jeweiligen Tarif zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere, wirksame Anpassung erfolgte. Denn eine solche bildet fortan die Rechtsgrundlage für die in ihrer Gesamthöhe festgesetzte Prämie unabhängig davon, ob frühere Anpassungen an einem formellen Mangel litten (BGH, Urteil vom 14.04.2021, IV ZR 36/20, Rn. 44 – zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, VersR 2021, 240, Rn. 55).
16Verjährung. Ein Anspruch auf Rückzahlung der Prämienanteile, die auf eine unwirksame Beitragsanpassung entfallen, verjährt in drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem die erhöhten Prämien gezahlt wurden. Die jeweiligen Bereicherungsansprüche im Sinne von § 199 Abs. 1 BGB entstehen mit der monatlichen Überzahlung der Prämie; ein Versicherungsnehmer erlangt mit Zugang der jeweiligen Begründungsschreiben auch Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, VersR 2022, 97 ff., Rn. 40 ff.).
172.
18Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich für die hier in Rede stehenden Anpassungen Folgendes:
19Tarif |
Datum |
Betrag |
Bewertung |
VCH2C |
01.01.2012 |
11,61 € |
Feststellungsantrag unzulässig |
01.01.2017 |
73,22 € |
wirksam |
|
01.01.2020 |
90,04 € |
wirksam |
|
01.01.2021 |
45,90 € |
wirksam |
|
GZN10 |
01.01.2012 |
1,16 € |
Feststellungsantrag unzulässig |
01.01.2017 |
7,32 € |
wirksam |
|
KH |
01.01.2019 |
0,87 € |
wirksam |
01.01.2022 |
0,02 € |
wirksam |
|
VC1Z |
01.01.2022 |
3,50 € |
wirksam |
a)
21Die Feststellungsklage ist bereits unzulässig, soweit sie die Beitragsanpassungen im Tarif VCH2C und GZN10 zum 01.01.2012 betrifft.
22Selbst bei unterstellter Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen zum 01.01.2012 bildete – was noch darzustellen ist – die wirksame Folgeanpassung zum 01.01.2017 fortan die Rechtsgrundlage für die erbrachten Beitragszahlungen in ihrer dort insgesamt festgesetzten Höhe.
23Es fehlt demnach an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Das „Rechtsverhältnis“ bezüglich der oben aufgeführten Prämienanpassungen ist durch die wirksame Neufestsetzung der Prämie „beendet“ worden.
24Ein schutzwürdiges Interesse iSv § 256 ZPO an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses kann zwar auch dann bestehen, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft ergeben können (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19). Solche möglichen Rechtsfolgen hat die Klägerin aber nicht dargelegt.
25Die Klage ist auch nicht als Zwischenfeststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Es fehlt nämlich an der erforderlichen Vorgreiflichkeit des Rechtsverhältnisses.
26Sämtliche Leistungsansprüche, welche der Kläger mit seiner Klage wegen der oben genannten Prämienerhöhungen (ab dem Jahr 2019) geltend macht, sind unabhängig von dem Bestehen des Rechtsverhältnisses abzuweisen. Diese Ansprüche bestehen wegen der zum 01.01.2017 erfolgten wirksamen Prämienanpassung nicht. Die Hauptklage ist daher ohne Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis abzuweisen.
27b)
28Die übrigen in Rede stehenden Beitragsanpassungen hat der Versicherer den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG entsprechend formell wirksam begründet. Dies hat der Senat bereits mit Beschlüssen vom 28.02.2023 – 20 U 343/22 – und 17.05.2023 – 20 U 75/23 – entschieden.
29aa)
30In dem Anpassungsschreiben vom 25.11.2016 für die Anpassung zum 01.01.2017 (Bl. 205 ff. eGA-I) heißt es:
31„(…) Leistungen und Beiträge müssen sich stets die Waage halten. Um das sicher zu stellen, sind alle Versicherer gesetzlich dazu verpflichtet, einmal im Jahr die kalkulierten mit den tatsächlich ausgezahlten Leistungen zu vergleichen. Dieser Vergleich hat ergeben, dass die Beiträge verschiedener Tarife angepasst werden müssen.“
32In dem beiliegenden Informationsblatt „Wichtige Hinweise zu Ihrer Krankenversicherung“ (Bl. 208 eGA-I für Anpassung 2018) wird sodann ausgeführt:
33„Um für ein ständiges Gleichgewicht zwischen Beiträgen und Leistungen zu sorgen, ist im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) vorgeschrieben, jährlich die tatsächlich erforderlichen mit den kalkulierten Leistungen zu vergleichen. Weichen die Werte in einem bestimmten, gesetzlich festgelegten Umfang voneinander ab, müssen die Beiträge nachkalkuliert werden. Dabei sind wir verpflichtet, neben den Leistungsausgaben auch alle anderen Rechnungsgrundlagen, wie zum Beispiel den Rechnungszins und die Lebenserwartung, zu aktualisieren. Übrigens: Ohne die Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders ist eine Beitragsanpassung nicht möglich.“
34Die Erläuterungen der Anpassungen in den Anschreiben und dem beiliegenden Informationsblatt legen zutreffend und unmissverständlich dar, dass die Beklagte gesetzlich verpflichtet ist, jährlich die kalkulierten mit den tatsächlich ausgezahlten Leistungen, also den Versicherungsleistungen, zu vergleichen. Hinweise auf eine Überprüfung anderer Rechnungsgrundlagen als auslösende Faktoren finden sich an keiner Stelle und werden vom Kläger auch nicht aufgezeigt. Das Informationsblatt weist lediglich – zutreffend – darauf hin, dass bei erheblichen Abweichungen von kalkulierten und tatsächlichen Leistungsausgaben auch alle anderen Rechnungsgrundlagen in die Neukalkulation einzubeziehen sind. Daraus kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer unschwer erkennen, dass die Anpassung durch erhebliche Abweichungen bei den Versicherungsleistungen ausgelöst wurde und die Anpassung nicht im Ermessen des Versicherers liegt. Zudem wird in dem Informationsblatt darauf hingewiesen, dass die Überschreitung eines gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Schwellenwertes für eine Beitragsüberprüfung erforderlich ist. Der vermisste Tarifbezug wird bereits im Anschrieben hergestellt, indem die von einer Beitragsanpassung betroffenen Tarife mit einem *-Zusatz gekennzeichnet worden sind, der oberhalb der Tabelle erläutert wird.
35bb)
36In dem Anpassungsschreiben vom 16.11.2018 zur Beitragsanpassung zum 01.01.2019 (Bl. 210 eGA-I) sowie im Anpassungsschreiben aus November 2019 für die Anpassung zum 01.01.2020 (Bl. 217 eGA-I) heißt es jeweils:
37„heute informieren wir Sie über die Änderung Ihres Beitrags.
38Alle Versicherer sind gesetzlich dazu verpflichtet, einmal im Jahr die kalkulierten mit den tatsächlich ausgezahlten Leistungen und die Veränderung der Lebenserwartung zu vergleichen. Dieser Vergleich hat ergeben, dass die Beiträge verschiedener Tarife angepasst werden müssen.
39Ein unabhängiger Treuhänder hat - wie vom Gesetzgeber festgelegt - die Änderungen geprüft und ihnen zugestimmt.
40Uns ist es sehr wichtig, dass Sie über die Hintergründe einer Beitragsanpassung informiert sind. Detaillierte Gründe für die Beitragsanpassung haben wir daher auf den folgenden Seiten für Sie zusammengestellt.
41Wie sich die Änderungen des Beitrags auf Ihren Vertrag auswirken, entnehmen Sie bitte der folgenden Aufstellung.“
42In der in den beiden Schreiben im Anschluss dargestellten Tabelle werden die von der Beitragsanpassung betroffenen Tarife mit einem „*“ gekennzeichnet.
43In dem beiliegenden Informationsblatt „Detaillierte Gründe und Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2019“ (Bl. 213 f. eGA-I) und „01.01.2020“ (Bl. 219 f. eGA-I) wird sodann wie folgt informiert:
44„Weshalb müssen die Beiträge angepasst werden?
45(…)
46Um dieses Leistungsversprechen erfüllen zu können, vergleichen wir jährlich für jeden Tarif die tatsächlichen Leistungsausgaben mit den kalkulierten Leistungen. Ergibt sich aus diesem Vergleich je nach Tarif eine Abweichung von über fünf bzw. zehn Prozent, müssen wir alle Beiträge eines Tarifs überprüfen. Verändert sich die tatsächliche Lebenserwartung von der eingerechneten um mehr als fünf Prozent, müssen die Beiträge ebenfalls überprüft werden. Ist die Abweichung nicht nur vorübergehend, passen wir die Beiträge an. Die genannten Prozentwerte sind lediglich Indikator dafür, dass die Beiträge insgesamt genauer zu überprüfen sind. Sie geben aber nicht vor, in welchem Umfang angepasst werden muss. Ist eine Anpassung erforderlich, müssen wir auch alle anderen Rechnungsgrundlagen aktualisieren.
47(…)
48Wie kommt es zu der Beitragsanpassung in meinen Tarifen?
49In Ihrem Vertrag sind Tarife von der Beitragsanpassung zum 01.01.2019 [01.01.2020] betroffen. Maßgeblicher Grund dafür ist die Änderung der Leistungsausgaben, die nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht nur vorübergehend ist.“ (Hervorhebung durch den Senat).
50D. VN wird noch nicht in dem Anpassungsschreiben über die angesprungene Rechnungsgrundlage informiert. Diese Information kann d. VN indes dem Beiblatt (Bl. 214 eGA-I für 2019, Bl. 220 eGA-I für 2020) entnehmen, in dem klar und unmissverständlich ausgeführt wird, dass der „maßgebliche Grund (..) die Änderung der Leistungsausgaben“ gewesen ist.
51Die Information über die auslösende Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ wird durch die nachfolgend abgedruckte Tabelle auch nicht verunklart. Denn in den Erläuterungen zur Tabelle wird ausgeführt, dass die abgebildeten Werte „die durchschnittliche Veränderung der zum 01.01.2019 neu berechneten Versicherungsleistungen im Vergleich zur jeweils letzten Beitragskalkulation“ darstellt und die übrigen in der Tabelle abgebildeten Werte als weitere Rechnungsgrundlagen bei der Neuberechnung des Beitrages zu berücksichtigen seien. Es wird folglich deutlich, dass sich – sofern Eintragungen in der Tabelle vorhanden sind – die jeweiligen Aspekte (Versicherungsleistung, Sterbetafel und Rechnungszins) auf die Beitragsanpassung auswirken können. D. VN wird dies aber wegen der klaren Aussage in dem zuvor zitierten Passus nicht dahin verstehen, dass die jeweiligen Veränderungen auch auslösend für die Prüfung einer Anpassung waren.
52Der Hinweis auf das Erfordernis einer Schwellenwertüberschreitung ist in den „Detaillierte[n] Gründe[n] und Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2019“ bzw. „01.01.2020“ enthalten, in denen der Anpassungsmechanismus zutreffend beschrieben wird.
53Der erforderliche Tarifbezug wird dadurch hergestellt, dass bereits im Anpassungsschreiben die betroffenen Tarife des Klägers mit einem „*“ gekennzeichnet sind.
54cc)
55In dem Anpassungsschreiben aus November 2020 für die Beitragsanpassung zum 01.01.2021 (Bl. 223 eGA-I) heißt es:
56„(…) Um das Leistungsversprechen halten zu können, sind alle Versicherer gesetzlich dazu verpflichtet, einmal im Jahr die kalkulierten mit den tatsächlich ausgezahlten Leistungen und die Veränderung der Lebenserwartung zu vergleichen. Dieser Vergleich hat ergeben, dass sich die Leistungsausgaben verändert haben. Aus diesem Grund müssen wir die Beiträge verschiedener Tarife anpassen.
57Sie können sich weiterhin auf Ihre hochwertige Gesundheitsversorgung verlassen. Hierfür zahlen Sie ab dem 01.01.2021: 476,52 EUR Beitrag im Monat (+ 45,90 EUR).
58Ein unabhängiger Treuhänder hat - wie vom Gesetzgeber festgelegt - die Änderungen geprüft und ihnen zugestimmt. Wie sich Ihr Beitrag zusammensetzt, können Sie der folgenden Tabelle entnehmen:“ (Hervorhebung durch den Senat).
59In der in dem Schreiben im Anschluss dargestellten Tabelle wird der von der Beitragsanpassung betroffene Tarif mit einem „*“ gekennzeichnet.
60In dem beiliegenden Informationsblatt „Detaillierte Gründe und Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2021“ (Bl. 227 ff ff. eGA-I) wird sodann ausgeführt:
61„(…) Um dieses Leistungsversprechen erfüllen zu können, vergleichen wir jährlich für jeden Tarif die tatsächlichen Leistungsausgaben mit den kalkulierten Leistungen. Ergibt sich aus diesem Vergleich je nach Tarif eine Abweichung von über fünf bzw. zehn Prozent, müssen wir alle Beiträge eines Tarifs überprüfen. Verändert sich die tatsächliche Lebenserwartung von der eingerechneten um mehr als fünf Prozent, müssen die Beiträge ebenfalls überprüft werden. Ist die Abweichung nicht nur vorübergehend, passen wir die Beiträge an. Die genannten Prozentwerte sind lediglich Indikator dafür, dass die Beiträge insgesamt genauer zu überprüfen sind. Sie geben aber nicht vor, in welchem Umfang angepasst werden muss. Ist eine Anpassung erforderlich, müssen wir auch alle anderen Rechnungsgrundlagen aktualisieren.
62(…)
63Wie kommt es zu der Beitragsanpassung in meinen Tarifen?
64In Ihrem Vertrag sind Tarife von der Beitragsanpassung zum 01.01.2021 betroffen. Maßgeblicher Grund dafür ist die Änderung der Leistungsausgaben, die nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht nur vorübergehend ist.“ (Hervorhebung durch den Senat).
65Bereits in dem Anpassungsschreiben wird d. VN unmissverständlich verdeutlicht, dass die Leistungsausgaben die auslösende Rechnungsgrundlage waren. Der Tarifbezug wird durch die Kennzeichnung des jeweiligen Tarifs mit einem „*“ gewährleistet. Der Hinweis auf das Schwellenwerterfordernis ist in den allgemeinen Erläuterungen im Beiblatt enthalten. Der Hinweis auf die angesprungene Rechnungsgrundlage ist sodann erneut auf Seite 2 der Informationen enthalten. Hinsichtlich der sich dann anschließenden Tabelle kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
66dd)
67In dem Anpassungsschreiben aus November 2021 für die Beitragsanpassung zum 01.01.2022 (Bl. 231 eGA-I) heißt es:
68„(…) Leistungen und Beiträge müssen sich stets die Waage halten. Dazu vergleichen wir einmal im Jahr sowohl die erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen als auch die erforderlichen mit den kalkulierten Sterbewahrscheinlichkeiten. Diese Gegenüberstellung hat bei den Versicherungsleistungen eine Abweichung von mehr als dem von uns zu beachtenden Prozentsatz ergeben. Diese Abweichung ist als nicht nur vorübergehend anzusehen.
69Daher müssen die Beiträge für Ihre unten dargestellten Tarife angepasst werden.
70Damit Sie jederzeit wie gewohnt Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung haben, zahlen Sie ab dem 01.01.2022: 480,04 EUR Beitrag im Monat (+ 3,52 EUR).“ (Hervorhebung durch den Senat).
71Auch hier werden die von einer Beitragsanpassung betroffenen Tarife in der aufgeführten Tabelle bezeichnet.
72In dem beiliegenden Informationsblatt „Ergänzende Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2022“ (Bl. 235 ff ff. eGA-I) wird sodann ausgeführt:
73„Weshalb müssen die Beiträge angepasst werden?
74(…)
75Um dieses Leistungsversprechen erfüllen zu können, vergleichen wir jährlich für jeden Tarif sowohl die erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen als auch die erforderlichen mit den kalkulierten Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt sich aus diesem Vergleich bezogen auf die Versicherungsleistungen eine Abweichung von mehr als dem im Gesetz oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz, werden alle Beiträge eines Tarifs überprüft und ggf. mit Zustimmung des Treuhänders angepasst.
76Dieser Prozentsatz - auch Schwellenwert genannt - beträgt bei den Versicherungsleistungen - je nach Tarif und den von uns zu beachtenden Regelungen - fünf oder zehn Prozent. Welcher Wert für die von einer Beitragsanpassung betroffenen Tarife in Ihrem Vertrag maßgeblich ist, entnehmen Sie bitte der unten aufgeführten Tabelle.
77Bei den Sterbewahrscheinlichkeiten beträgt dieser Prozentsatz dagegen immer fünf Prozent.“
78In der auf der folgenden Seite aufgeführten Tabelle wird der Schwellenwert sodann überobligatorisch erneut mit 10 % angegeben.
79Bereits im Anpassungsschreiben wird dem VN somit klar vor Augen geführt, dass es bei dem durchgeführten Vergleich bei den Versicherungsleistungen Abweichungen oberhalb des Schwellenwertes gab.
80c)
81Die Beitragsanpassungen sind auch materiell rechtmäßig erfolgt.
82Hiervon muss zu Lasten des Klägers ausgegangen werden.
83Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass in der Nichtwahrnehmung des zum Erlass einer Geheimhaltungsverpflichtung sowie zur Übergabe geheimhaltungsbedürftiger Unterlagen bestimmten Termins vor dem Landgericht durch den Hauptbevollmächtigten d. VN eine Beweisvereitelung seitens des Klägers hinsichtlich der Einholung eines Sachverständigengutachtens über die kalkulatorische Richtigkeit der Erhöhung zu sehen ist (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation bereits: Senatsurteil vom 26.06.2023 - 20 U 29/23).
84aa)
85Eine Beweisvereitelung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass eine Prozesspartei dem beweisbelasteten Gegner die Beweisführung erschwert oder unmöglich macht, wobei ein Verhalten vor oder während des Prozesses in Betracht kommt, mit dem vorhandene Beweismittel vernichtet oder vorenthalten werden oder ihre Benutzung erschwert wird. Der subjektive Tatbestand der Beweisvereitelung verlangt einen doppelten Schuldvorwurf: Das Verschulden muss sich sowohl auf die Zerstörung, Entziehung oder Erschwerung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung der Beweisfunktion beziehen, also darauf, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen. Das objektiv beweisvereitelnde und schuldhafte Verhalten muss außerdem unberechtigt und missbilligenswert sein. Daran fehlt es, wenn das Verhalten des Prozessgegners der beweisbelasteten Partei auf triftigen Gründen beruht, die über rein prozesstaktische Erwägungen hinausgehen. Die Rechtsfolge einer nach den vorstehenden Grundsätzen objektiven, schuldhaften und unberechtigten Beweisvereitelung besteht darin, dass dieses Verhalten im Rahmen der Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) zu Lasten des Vereitelnden gewürdigt werden kann. Dies erfordert allerdings mit Blick auf die Situation der beweisbelasteten Partei, dass diese durch das beweisvereitelnde und vorwerfbare Verhalten des Prozessgegners in eine Beweisnot geraten ist (vgl. zum Ganzen zuletzt: BGH, Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 222/20 –, juris Rn. 80 f. m.w.N.).
86bb)
87Hieran gemessen ist d. VN eine vorsätzliche Beweisvereitelung seines Hauptbevollmächtigten vorzuwerfen, die ihm zuzurechnen ist.
88(1)
89D. VN hat dem Versicherer die Beweisführung hinsichtlich der materiellen Richtigkeit der Anpassungen unmöglich gemacht, zumindest aber in unzumutbarer Weise erschwert.
90Mit der Klageerwiderung vom 08.10.2022 hat d. Versicherer ausgeführt, dass er „(…) dazu bereit [ist], sämtliche den Beitragsanpassungen zugrundeliegende kalkulatorische Unterlagen so, wie sie den Treuhändern vorlagen, vorzulegen bzw. einem gerichtlich bestellten Sachverständigen zur Verfügung zu stellen. Hierfür wäre zunächst die Geheimhaltung sicherzustellen“. Mit Schriftsatz vom 06.12.2022 (Bl. 349 eGA-I) hat der Versicherer erneut angeboten, die geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen in einem Verhandlungstermin unter Ausschluss der Öffentlichkeit und Anordnung der Verschwiegenheit vorzulegen und hat zudem ein Verzeichnis (Bl. 385 ff. eGA-I) der geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 30.01.2023 (Bl. 412 ff. eGA-I) hat der Versicherer schließlich einen USB-Stick mit den geheimhaltungsbedürftigen Daten übersandt und erneut darauf hingewiesen, dass die Aushändigung an die Gegenseite nur in nichtöffentlicher Verhandlung nach Anordnung der Verschwiegenheit erfolgen dürfe, wozu das persönliche Erscheinen des Klägers und das persönliche Erscheinen des Klägervertreters erforderlich sei. D. VN ist den Ausführungen zur Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht entgegengetreten. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Beklagte entgegen ihrem Vorbringen kein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung ihrer technischen Berechnungsgrundlagen haben sollte.
91Anders als d. VN meint, ist der Versicherer damit seiner Darlegungslast nachgekommen, so dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Durchführung einer Beweisaufnahme über die von dem Versicherer behauptete materielle Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Beitragsanpassungen gegeben waren. Insbesondere lag hinreichender Vortrag des Versicherers zur materiellen Wirksamkeit der Prämienerhöhungen vor. Bereits im Rahmen seiner Klageerwiderung hat der Versicherer vorgetragen, wegen schwellenwertüberschreitender Veränderungen bei welcher Rechnungsgrundlage die Überprüfung und Anpassung der Beiträge jeweils erfolgt sein soll. Er hat ferner eine Übersicht über die dem Treuhänder bezüglich der streitgegenständlichen Tarife überreichten Unterlagen übersandt und USB-Sticks mit den entsprechenden Unterlagen zur Verfügung gestellt. Damit ist der Versicherer der ihm obliegenden Darlegungslast nachgekommen. Einer schriftsätzlichen Wiedergabe des Inhalts der Unterlagen bedurfte es nicht; einer solchen hätte hier vor Erlass einer Geheimhaltungsverpflichtung im Übrigen insbesondere auch die Geheimhaltungsbedürftigkeit der entsprechenden Tatsachen entgegengestanden. Selbst wenn man verlangen wollte, dass die Beklagte darzutun hat, ob es für die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ein schriftliches Limitierungskonzept gab und dieses bejahendenfalls einzureichen hat bzw. verneinendenfalls die tatsächlich durchgeführte Limitierung schriftsätzlich zu beschreiben hat, wären diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt. Denn der Versicherer hat mit Schriftsatz vom 06.12.2022 (Bl. 387 ff. eGA-I) ein Anlagenverzeichnis vorgelegt, in dem die Unterlagen, die dem Treuhänder vorgelegt worden sein sollen, aufgeführt waren. Ausweislich des Anlagenverzeichnisses waren dort auch Unterlagen zur Verwendung der Limitierungsmittel enthalten (vgl. die als „BNL“ gekennzeichnete Unterlagen und die Ausführungen in der Legende). Auf der Grundlage dieser zur Verfügung gestellten Unterlagen wäre es einem gerichtlich beauftragten Sachverständigen möglich gewesen, festzustellen, ob die im Streit stehenden Beitragsanpassungen den Anforderungen - insbesondere auch im Hinblick auf das Limitierungskonzept betreffende Fragen - in materieller Hinsicht genügen oder nicht (vgl. OLG Köln, Urteil vom 01.09.2023 – 20 U 5/23, juris Rn. 51).
92Die Durchführung einer Beweisaufnahme kam hier indes deswegen nicht in Betracht, weil die Unterlagen im vorliegenden Fall nicht zum Bestandteil der mündlichen Verhandlung gemacht und damit nicht in den Prozess eingeführt werden konnten. Denn zur Wahrung des berechtigten Geheimhaltungsinteresses des Versicherers wäre der Erlass eines Geheimhaltungsbeschlusses nach § 174 Abs. 3 GVG erforderlich gewesen (Senatsbeschluss vom 22. März 2019 – I-20 W 4/19 –, Rn. 3; OLG Köln, Urteil vom 01.09.2023 – 20 U 50/23, juris Rn. 56 ff.).
93§ 174 Abs. 3 Satz 1 GVG bestimmt, dass die Geheimhaltungspflicht nur den „anwesenden Personen“ auferlegt werden kann. Eine Weitergabe der Treuhänderunterlagen oder eines später erstatteten Gutachtens durch den Unterbevollmächtigten an den – nicht mitverpflichteten – Hauptbevollmächtigten wäre diesem strafbewehrt untersagt (vgl. OLG Dresden, NJW-RR 2021, 1364 Rn. 8; OLG Köln, Urteil vom 01.09.2023 – 20 U 50/23, juris Rn. 57).
94Dem Landgericht ist auf dieser Grundlage eine gesetzmäßige, das rechtliche Gehör des Klägers wahrende Verhandlungsführung nicht mehr möglich gewesen. Dass der Kläger auf eine solche hat verzichten wollen, ist nicht anzunehmen, weil das Bestreiten der kalkulatorischen Richtigkeit jedes Sinnes entbehrte, wenn sich der Kläger zu diesem Punkt letztlich in keiner Weise äußern könnte. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein entsprechender Verzicht überhaupt wirksam wäre (vgl. § 295 Abs. 2 ZPO). Die Beklagte hat deshalb keine Möglichkeit gehabt, die Treuhänderunterlagen ohne Beeinträchtigung ihrer berechtigten Geheimhaltungsinteressen wirksam in den Prozess einzuführen.
95Ohne Erfolg verweist d. VN in der Berufungsbegründung zur Begründung seiner Ansicht, eine Beweisvereitelung liege nicht vor, auf die Beschlüsse des Oberlandesgerichts München vom 08.05.2023 (38 U 6499/22, juris) und 17.05.2023 (38 W 533/23, juris).
96Das OLG München ist der Auffassung, dass etwaigen Geheimhaltungsinteressen durch Anordnungen nach § 169 GVG i.V.m. § 174 Abs. 3 GVG nur unvollkommen nachgekommen werden könne, weil diese allein auf einen Ausschluss der Öffentlichkeit im Rahmen der grundsätzlich öffentlichen mündlichen Verhandlung sowie auf die Verpflichtung zur Geheimhaltung in Bezug auf bei der Verhandlung anwesenden Personen abziele und das Recht auf Akteneinsicht der Klagepartei und ihres anwaltlichen Vertreters nach § 299 ZPO davon unberührt bleibe und sich damit auch dann nicht beschneiden lasse, wenn diese nicht, sondern „nur“ ein Unterbevollmächtigter, an der maßgeblichen mündlichen Verhandlung teilgenommen hätten und diese deswegen nicht gem. § 174 Abs. 3 GVG zur Verschwiegenheit verpflichtet werden konnten. Zwar könne gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 3 ZPO das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden, um sodann in der mündlichen Verhandlung eine Geheimhaltungsanordnung zu treffen. Alleinige Sanktionsmöglichkeit im Falle des Nichterscheinens sei aber allenfalls die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gem. § 141 Abs. 3 ZPO, nicht jedoch der Verlust des Prozesses allein aufgrund des Nichterscheinens oder aufgrund einer dadurch vermeintlich begangenen Handlung der Beweisvereitelung zum Nachteil der anderen Partei. Auch könne jedenfalls das persönliche Erscheinen eines bestimmten Rechtsanwalts nicht angeordnet werden. Ein Anspruch der anderen Partei darauf, dass sich der Gegner ununterbrochen von einem bestimmten Rechtsanwalt vertreten lasse, sei dem Gesetz fremd. Der Versicherer müsse vielmehr vor Einreichung eines die geheimhaltungsbedürftigen Informationen enthaltenen Schriftsatzes auf den Abschluss einer strafbewährten Geheimhaltungsvereinbarung – wie in Patent- oder Urheberrechtsstreitigkeiten – hinwirken.
97Dem folgt der Senat nicht. Zwar besteht kein Anspruch der anderen Partei darauf, dass sich der Gegner ununterbrochen von einem bestimmten Rechtsanwalt vertreten lässt. Es obliegt der Partei jedoch, im Anwaltsprozess seine Vertretung durch den Rechtsanwalt seiner Wahl in einer Weise zu gewährleisten, dass eine im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften stehende und den berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Gegenpartei Rechnung tragende Führung des Verfahrens sichergestellt ist. Es steht d. VN prozessrechtlich jederzeit frei, den Unterbevollmächtigten als weiteren Hauptbevollmächtigten zu legitimieren. Auch für den Fall des Wechsels des Prozessbevollmächtigten oder der Mandatierung eines weiteren Prozessbevollmächtigten zu einem späteren Zeitpunkt wäre auch dieser - ggf. zu einem späteren Zeitpunkt - zur Verschwiegenheit zu verpflichten (vgl.: OLG Köln, Urteil vom 01.09.2023 – 20 U 50/23, juris Rn. 70).
98Die Ansicht des Senats, dass im Einzelfall eine Geheimhaltungsanordnung nach § 174 Abs. 3 GVG genügen kann und es nicht zwingend eines vorhergehenden Abschlusses einer Geheimhaltungsvereinbarung zwischen den Parteien bedarf, steht schließlich im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 09.12.2015, Az. IV ZR 272/15, eine Geheimhaltungsanordnung nach § 174 Abs. 3 GVG in Prämienanpassungssachen nach vorherigem Ausschluss der Öffentlichkeit zur Wahrung des berechtigten Geheimhaltungsinteresses des Versicherers an den technischen Berechnungsgrundlagen ausdrücklich als geeignetes Mittel gebilligt. Zudem ist die Anordnung der Geheimhaltung nach § 174 Abs. 3 GVG in Prämienanpassungsstreitigkeiten die einzige vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit für das Tatgericht, unabhängig vom Willen der Parteien eine Geheimhaltung anzuordnen und damit die Beweiserhebung prozessrechtlich zu ermöglichen.
99(2)
100Auch der subjektive Tatbestand der Beweisvereitelung ist erfüllt. D. VN war aufgrund des gerichtlichen Hinweises in der Ladungsverfügung vom 09.01.2023 (Bl. 402 eGA-I) bewusst, dass das Landgericht auf die Anordnung einer Verschwiegenheitsanordnung bestehen würde und hatte zu diesem Zweck das persönliche Erscheinen d. VN angeordnet. In der Umladung vom 10.03.2023 (Bl. 489 f. eGA-I) hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass eine Geheimhaltungsverpflichtung nur gegenüber einem Unterbevollmächtigten der Klägerseite nicht in Betracht komme, vielmehr zum Termin zwecks Auferlegung von Geheimhaltungspflichten einer der Hauptbevollmächtigten zu erscheinen habe. Ferner hat es erneut im Hinblick auf die Auferlegung von Geheimhaltungspflichten das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet. Nachdem im Termin am 09.06.2023 (Bl. 550 eGA-I) lediglich ein Unterbevollmächtigter erschienen war, hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit im Termin nicht in Betracht komme und es hat (erneut) Termin anberaumt. Mit Verfügung vom 18.08.2023 (Bl. 668 eGA-I) hat es sodann d. VN darauf hingewiesen, dass es an der geäußerten Rechtsansicht festhalte und eine Beweisvereitelung in Betracht komme. Im Termin am 01.09.2023 ist sodann erneut lediglich ein Unterbevollmächtigter neben dem persönlich erschienenen VN erschienen (Bl. 725 eGA-I).
101Damit hat das Landgericht der Sache nach zutreffend und hinreichend deutlich darauf hingewiesen, dass es zur erforderlichen Sicherstellung der Geheimhaltung der persönlichen Anwesenheit d. VN und seines Hauptbevollmächtigten bedarf. D. VN und seinen Prozessbevollmächtigten war deshalb bewusst, dass im Falle des Ausbleibens eine Beweisaufnahme nicht stattfinden würde und deshalb die Beklagte den ihr obliegenden Beweis nicht führen könnte. Im Übrigen hatte auch die Beklagte – wie ausgeführt - auf das Erfordernis eines Geheimhaltungsbeschlusses hingewiesen.
102(3)
103Die Weigerung des Hauptbevollmächtigen d. VN, zum Termin zu erscheinen, ist auch unberechtigt und missbilligenswert. Der Versicherer hat ein nachvollziehbares Interesse daran, dass der Hauptbevollmächtigte d. VN die Unterlagen nicht an – ggf. sachkundige – Dritte weiterleitet. Dass dem Hauptbevollmächtigten d. VN die persönliche Wahrnehmung von Verhandlungsterminen aufgrund des Massencharakters von Beitragsanpassungsstreitigkeiten lästig oder gar kaum möglich sein mag, ist von vornherein kein triftiger Grund für ein unentschuldigtes Fernbleiben. Missbilligenswert ist die Weigerung des Hauptbevollmächtigten d. VN deshalb, weil er durch seine Verfahrensführung offenkundig sein Interesse an einer aus seiner Sicht möglichst ökonomischen Verfahrensführung in Beitragssachen einseitig über die berechtigten Geheimhaltungsinteressen d. Versicherers stellt.
104(4)
105D. Versicherer befindet sich aufgrund der Weigerung des Hauptbevollmächtigten d. VN in einer für ihn unüberwindbaren Beweisnot. Ob dies in der Rechtsfolge dazu führt, dass die Behauptung der Beklagten zur materiellen Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassungen entsprechend § 371 Abs. 3 ZPO als erwiesen anzusehen ist (so LG Bonn, Urteil vom 20. Januar 2023 – 41 O 88/22 –,juris Rn. 80 ff.) oder aber nur eine Beweislastumkehr zur Folge hat (so OLG Köln, Urteil vom 01.09.2023 – 20 U 50/23, juris Rn. 62), kann dahinstehen, weil auch d. VN ohne Erlass eines Geheimhaltungsbeschlusses, dessen Erlass der Hauptbevollmächtigte d. VN schuldhaft vereitelt hat, einen ihm obliegenden Beweis spiegelbildlich zu den vorstehenden Ausführungen nicht hätte erbringen können.
106Es ist deshalb von der kalkulatorischen Richtigkeit der Beitragsanpassung auszugehen.
1073.
108Da die gerügten Beitragsanpassungen von Anfang an formell und materiell wirksam waren, steht d. VN der geltend gemachte Feststellungsanspruch ebenso wenig zu wie der geltend gemachte Rückforderungsanspruch der auf die Erhöhungsbeiträge gezahlten Beitragsbestandteile.
109Mangels Hauptforderung kann er auch die mit der Klage verfolgten Nebenforderungen nicht beanspruchen.
110Die Berufung ist folglich unbegründet.
111II.
112Der Senat kann gem. § 522 Abs. 2 entscheiden. Der Bundesgerichtshof hat – wie bereits ausgeführt – in Prämienanpassungssachen das Vorgehen nach § 174 Abs. 3 GVG zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen des Versicherers aus Anlass der Einholung eines Sachverständigengutachtens über die materielle Richtigkeit der Prämienkalkulation ausdrücklich gebilligt. Ob eine Geheimhaltungsanordnung nach § 174 Abs. 3 GVG im Einzelfall geboten ist, obliegt der tatrichterlichen Würdigung.
113III.
114Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.
115Auf den Hinweisbeschluss vom 14.12.2023 wurde die Berufung zurückgenommen.