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1. Die Umlegung gem. § 45 BauGB ist ein Instrument zur Umsetzung der Bauleitplanung. Sie dient nicht dazu, diese zu ersetzen.
2. Die Umlegung innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 BauGB gem. § 45 S. 2 Nr. 2 BauGB ist im Regelfall nur in einfach gelagerten Fällen statthaft, in denen die Aufstellung eines qualifizierten Bebauungsplans unnötiger Aufwand wäre. Die Norm gestattet die Umlegung nur für solche Grundstücksflächen, auf denen eine wirtschaftlich zweckmäßige oder bauordnungsrechtlich zulässige Bebauung wegen der vorhandenen Grundstücksstruktur nicht möglich ist und die Maßstäbe für die Umlegung aus einer baulich klaren Strukturierung im Sinne eines Planersatzes ermittelt werden können.
3. Für die Frage, ob eine baulich klare Strukturierung vorliegt, ist nicht nur auf die Bebauung abzustellen, die städtebaulich wünschenswert oder vertretbar erscheint. Nur singuläre Anlagen, die in einem auffälligen Kontrast zu der sie umgebenden, im Wesentlichen homogenen Bebauung stehen, sind regelmäßig als Fremdkörper unbeachtlich, soweit sie nicht ausnahmsweise ihre Umgebung beherrschen oder mit ihr eine Einheit bilden (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2006 – 4 C 11.05 –, juris, Rn. 9).
Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 12. Dezember 2017 verkündete Urteil des Landgerichts Köln – Kammer für Baulandsachen – abgeändert.
Der Umlegungsbeschluss des Antragsgegners vom 30.11.2016 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens I. Instanz werden dem Antragsgegner auferlegt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens haben der Antragsgegner und die Beteiligte zu 23. zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollsteckbar. Dem Antragsgegner und der Beteiligten zu 23. wird jeweils nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Antragstellers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Umlegungsbeschlusses des Antragsgegners. Der Rat der Stadt A (Beteiligte zu 23.) ordnete mit Beschluss vom 10.05.2016 die Umlegung betreffend das Umlegungsgebiet Nr. U1 in B an. Nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen eines Anhörungstermins am 06.10.2016 verabschiedete der Antragsgegner am 30.11.2016 den verfahrensgegenständlichen Umlegungsbeschluss. Hiernach soll der noch nicht bebaute, östliche Teil des Innenbereichs des von der C-Straße im Norden, dem D-Weg im Westen, der E-Straße im Süden und der G-Straße im Osten gebildeten Gevierts als Bauland erschlossen werden.
4Entlang der vorgenannten Straßen weist das Geviert eine geschlossene Straßenrandbebauung auf. Das Geviert ist zudem dadurch gekennzeichnet, dass mitten durch die vom Umlegungsgebiet nicht erfasste westliche Hälfte des Gevierts der H-Weg verläuft, welcher vom D-Weg abzweigt und als Sackgasse ohne Wendemöglichkeit im Umlegungsgebiet zwischen den bebauten Flurstücken F1 und F2 auf dem Wegeflurstück F3 endet. Entlang des H-Wegs und der von diesem abzweigenden Stichwege befindet sich eine Vielzahl von mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken unterschiedlicher Größe. Für das vorgenannte Geviert existiert kein Bebauungsplan.
5Das gesamte Umlegungsgebiet ist ca. 8.200 qm groß und umfasst knapp die Hälfte der Geviertfläche, wobei das Umlegungsgebiet insbesondere durch eine ca. 5.200 qm große Freifläche charakterisiert ist, die mit Bäumen und Sträuchern bewachsen ist und als Gartenland genutzt wird. Das Umlegungsgebiet erfasst zudem einen Teil der Randbebauung an der E-Straße. Zum Umlegungsgebiet gehört auch das Hausgrundstück E-Straße 29 (Flurstück F4/36), dessen Eigentümer der Antragsteller ist.
6Mit dem am 17.01.2017 bei dem Antragsgegner eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wendet sich der Antragsteller gegen den am 14.12.2016 im Amtsblatt der Stadt A bekannt gemachten Umlegungsbeschluss.
7Der Antragsteller hat erstinstanzlich gerügt, dass der Umlegungsbeschluss rechtswidrig sei, weil der Umlegung die Privatnützigkeit fehle, die Abgrenzung des Umlegungsgebiets fehlerhaft sei, die ökologische Bedeutung und der Erholungswert der vorhandenen Gartengrundstücke durch den Antragsgegner nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus werde bei den durch die Umlegung neu entstehenden Grundstücken die zulässige Höchstgrenze für die Grundflächenzahl überschritten und es drohten bodenrechtliche Spannungen.
8Das Landgericht – Kammer für Baulandsachen – hat mit dem angefochtenen Urteil den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen und zur Begründung im Kern ausgeführt, die beabsichtigte Umlegung sei gemäß § 45 S. 2 Nr. 2 BauGB für den umgrenzten Bereich zulässig, weil es sich bei diesem Ortsteil um einen solchen im Sinne des § 34 BauGB handele, für den sich aus der Eigenart der näheren Umgebung hinreichende Kriterien für die Neuordnung der Grundstücke ergäben und weil die vorgesehene Neuordnung der Grundstücke städtebaulich und wirtschaftlich günstige Grundstücke entstehen lasse.
9Ziel der Umlegung sei die Neugestaltung, um weitere Wohnhausgrundstücke zu erhalten. Das Maß deren baulicher Nutzung werde bestimmt durch die überbaubare Grundstücksfläche, die Anzahl der Geschosse und die maximale Höhe der Gebäude. Es lägen in dieser Hinsicht ausreichende Kriterien im Sinne von §§ 45 S. 2 Nr. 2, 34 BauGB für die Zulässigkeit der Umlegung in diesem Gebiet vor. Eine nähere Konkretisierung erfahre dies erst in den nach Durchführung der Umlegung ausstehenden einzelnen Baugenehmigungsverfahren.
10Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des zu Grunde liegenden Tatbestands einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
11Auf die Berufung des Antragstellers hat der Senat das angefochtene Urteil mit Urteil vom 27.02.2020 abgeändert und den Umlegungsbeschluss des Antragsgegners vom 30.11.2016 aufgehoben. Eine Umlegung nach Maßgabe des § 45 Satz 2 Nr. 2 BauGB scheide für die beabsichtigte Nachverdichtung des streitgegenständlichen Gevierts aus, weil nahezu die gesamte Fläche des vom Umlegungsbeschluss erfassten Umlegungsgebiets nicht Teil des sie umgebenden im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB sei.
12Nach der Wertung des Senats gehörten die Flurstücke F5, F6, F7, F8, F4, F9 und die südlichen Teile der Flurstücke F1 und F10, d.h. der größte Teil des Umlegungsgebiets dem sich aus der Umgebungsbebauung entlang der C-Straße im Norden, der E-Straße im Süden, der G-Straße im Osten und dem D-Weg im Westen ergebenden Bebauungszusammenhang nicht mehr an.
13Zudem scheitere eine Umlegung auch daran, dass es an der weiteren Voraussetzung des § 45 Satz 2 Nr. 2 BauGB fehle, nämlich dass sich aus der Eigenart der näheren Umgebung hinreichende Kriterien für die Neuordnung der Grundstücke ergeben.
14Die Neuordnungskriterien erwiesen sich als nicht hinreichend bestimmt, weil der Zulässigkeitsrahmen des § 34 BauGB infolge der inhomogenen Struktur der Straßenrandbebauung Wohngebäude mit zwei, drei, vier oder sogar fünf Geschossen zuließe. Derart massive Bauten in einem bislang ersichtlich dem Ruhe- und Erholungsbedürfnis der Bewohner dienenden Bereich habe auch der Antragsgegner nicht im Auge. Sie ließen sich jedoch ohne gemeindliche Steuerung kaum verhindern. Hinzu komme, dass derzeit Vorgaben für die Lage künftiger Wohnhäuser im Blockinneren gänzlich fehlten.
15Auf die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Antragsgegners und der Beteiligten zu 23. hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 17.02.2022 – III ZR 65/20 – das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, es seien keine Feststellungen dazu getroffen worden, ob und gegebenenfalls inwieweit das Umlegungsgebiet von der Umgebungsbebauung geprägt werde oder nicht. Dabei sei es durchaus fraglich und besonders begründungsbedürftig, dass das an allen Seiten mit Ortsteilcharakter umbaute Umlegungsgebiet so groß sei, dass es einer eigenen und von der Umgebung unabhängigen städtebaulichen Planung und Entwicklung zugänglich sei. Ebenso fraglich sei, ob die unbebaute Fläche des Umlegungsgebiets dem Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit zur Umgebungsbebauung derart entgegenstehe, dass sie den Bebauungszusammenhang unterbreche.
16Darüber hinaus lasse die Einschätzung, dass sich aus der Umgebungsbebauung entgegen § 45 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 (1. Alternative) BauGB keine hinreichenden Kriterien hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ergäben, weil sich die Blockrandbebauung mit zwei- bis fünfgeschossigen Wohngebäuden als inhomogen darstelle, wesentliche Umstände außer Acht.
17Die Würdigung des Berufungsgerichts, diese Bebauung sei hinsichtlich der Anzahl der Vollgeschosse inhomogen und biete deshalb keine hinreichenden Kriterien für die Grundstücksneuordnung, beruhe auf einer unzureichenden Auseinandersetzung mit den örtlichen Gegebenheiten. Maßgeblich sei gemäß § 45 Satz 2 Nr. 2 BauGB die nähere Umgebung des Umlegungsgebiets und damit die Bebauung entlang des Straßengevierts und des H-Weges, bei der eine zwei- bis dreigeschossige Bauweise vorherrsche. Insgesamt verfügten ausweislich der zu den Akten gereichten Katasterkarte nur vier Gebäude in der näheren Umgebung über mehr als drei Geschosse. Sie befänden sich damit in deutlicher Unterzahl gegenüber den dominierenden zwei- und dreigeschossigen Häusern. Im Hinblick darauf könnten sie als vereinzelte "Ausreißer" zu würdigen sein, denen keine prägende Wirkung auf das Umlegungsgebiet zukomme.
18Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, dass Vorgaben für die Lage künftiger Wohnhäuser im Blockinneren gänzlich fehlten, weil mit Ausnahme des Wohnhauses auf dem Grundstück E-Straße 41 keine Hinterlandbebauung existiere, sei nicht durch die Feststellungen im Urteil getragen, da keine Feststellungen dazu getroffen, ob und inwieweit die Umgebungsbebauung – und nicht die weitgehend unbebaute Umlegungsfläche selbst – Vorgaben für eine Positionierung von Gebäuden auf den neu zu schaffenden Baugrundstücken biete.
19Es stehe auf Grundlage der Urteilsfeststellungen auch nicht fest, dass der Umlegungszweck deshalb nicht erreicht werden kann, weil sich neu zu errichtende Wohngebäude - unter anderem nach Art und Maß der baulichen Nutzung - nicht gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügten. So sei weder festgestellt, dass eine Wohnbebauung im Blockinnenbereich entlang des fortgeführten H-Weges den aus der Umgebung ableitbaren Bebauungsrahmen im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB überschreiten würde, noch seien konkrete Anhaltspunkte dafür aufgezeigt worden, dass dadurch eine vorhandene Ruhelage gestört würde und daraus folgende boden-rechtliche Spannungen sich nur mittels einer Bauleitplanung bewältigen ließen.
20Überdies sei einzubeziehen, dass das Amt für Straßen und Verkehrstechnik der Beteiligten zu 22 hinsichtlich der Fortführung des H-Weges parallel zum Umlegungsverfahren ein "Planersatzverfahren" nach § 125 Abs. 2 BauGB durchführen werde, das vor Aufstellung des Umlegungsplans abgeschlossen sein solle. Im Rahmen eines planersetzenden Beschlusses nach § 125 Abs. 2 BauGB habe eine fehlerfreie Abwägung der in § 1 Abs. 5 bis 7 BauGB genannten öffentlichen und privaten Belange zu erfolgen, zu denen gemäß § 1 Abs. 5 und 6 Nr. 7 BauGB auch die Belange des Umwelt- und Naturschutzes sowie die umweltbezogenen Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit gehörten.
21Der Antragsteller verfolgt sein Ziel der Aufhebung des Umlegungsbeschlusses weiter. Es sei in Anbetracht der Ausmaße der im Umlegungsgebiet vorhandenen Freifläche gut vertretbar, von einem fehlenden Bebauungszusammenhang auszugehen. Zudem ergäben sich aus der näheren Umgebung keine hinreichenden Kriterien für eine bauliche Nutzung des Umlegungsgebiets. Ferner sei das Baulandumlegungsverfahren gem. § 45 S. 2 Nr. 2 BauGB auf eindeutige und einfach gelagerte Fälle zu beschränken, in denen die Durchführung eines Bebauungsplanverfahrens bloße Förmelei sei.
22Der Antragsteller beantragt,
2324unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Umlegungsbeschluss des Antragsgegners vom 30.11.2016 aufzuheben.
Der Antragsgegner und die Beteiligte zu 23. beantragen,
2526die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und tragen im Kern vor, dass erforderlich und ausreichend sei, dass sich die Zulässigkeit künftiger Bebauung in einem unbeplanten Innenbereich im Sinne von § 34 BauGB aus den durch die Umgebungsbebauung aufgestellten Kriterien ergebe. Der Haus- bzw. Wohnungsbau, wie er in dem Zuteilungsvorschlag des Umlegungsverfahrens vorgesehen sei, werde vom Bauaufsichtsamt als genehmigungsfähig angesehen, Vorhaben, die diesen Rahmen überschritten, hingegen nicht. Ohne Belang sei, ob und inwieweit die einbezogenen Flächen derzeit bebaubar wären.
27Die Umlegung sei zudem nicht unverhältnismäßig. Ein maßstabsgebender qualifizierter Bebauungsplan sei nicht erforderlich, weil sich die maßgeblichen Kriterien einer nach § 34 BauGB zulässigen Bebauung in hinreichender Weise feststellen ließen. Überdies fehlten dem Bauplanungsamt der Beteiligten zu 23. die personellen Ressourcen zur Durchführung eines Bebauungsplanverfahrens.
28Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in der Berufungsinstanz wird ergänzend auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
29Der Senat hat einen weiteren Ortstermin durchgeführt und das Umlegungsgebiet einschließlich der dieses umschließenden Bebauung im Geviert zwischen der G-Straße und dem D-Weg und zwischen der C-Straße und der E-Straße in B, den teilweise in dieses Gebiet führenden H-Weg nebst der an ihn angrenzenden Bebauung sowie das Innere der benachbarten Gevierte nördlich der C-Straße, westlich des D-Wegs, südlich der E-Straße und östlich der G-Straße in richterlichen Augenschein genommen. Zudem hat der Senat die Verfahrensbeteiligten, soweit sie sich mit Sachanträgen beteiligen, persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Inaugenscheinnahme wird auf das Protokoll des Ortstermins vom 30. Januar 2023 einschließlich der als Anlage zum Protokoll genommenen Lichtbilder, wegen des Ergebnisses der Anhörung der Beteiligten auf den Berichterstattervermerk vom 21. Januar 2020 verwiesen.
30II.
31Die zulässige Berufung des Antragstellers hat Erfolg. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist begründet. Der angefochtene Umlegungsbeschluss des Antragsgegners ist rechtswidrig und unterliegt deshalb der Aufhebung, §§ 221, 226 Abs. 2 S. 2 BauGB, 538 Abs. 1 ZPO.
32Die nach §§ 529 ZPO, 221 BauGB zugrunde zu legenden Tatsachen begründen eine andere, für den Antragsteller günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO. Entgegen der Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts lagen im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsakts (und liegen auch heute) die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Umlegung gem. §§ 45, 46 BauGB nicht vor.
33Gemäß § 45 S. 1 BauGB können zur Erschließung oder Neugestaltung von Gebieten bebaute und unbebaute Grundstücke durch Umlegung in der Weise neu geordnet werden, dass nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen.
34Die dafür erforderlichen Voraussetzungen des § 45 S. 2 BauGB liegen nicht vor.
351.
36Die Umlegung kann gemäß § 45 S. 2 BauGB im Geltungsbereich eines Bebauungsplans i.S.v. § 30 BauGB (§ 45 S. 2 Nr. 1 BauGB) oder innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 BauGB (§ 45 S. 2 Nr. 2 BauGB) erfolgen. Im Fall des hier allein in Betracht kommenden § 45 S. 2 Nr. 2 BauGB müssen sich zudem aus der Eigenart der näheren Umgebung oder einem einfachen Bebauungsplan im Sinne von § 30 Abs. 3 BauGB hinreichende Kriterien für die Neuordnung der Grundstücke ergeben.
37a)
38Das Umlegungsgebiet liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 BauGB. Ortsteil ist jeder Bebauungskomplex in dem Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich vor. Das Umlegungsgebiet nimmt auch an einem Bebauungszusammenhang dieses Ortsteils teil.
39Ausschlaggebend für das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Wie eng die Aufeinanderfolge von baulichen Anlagen sein muss, um noch eine zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern auf Grund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall vorliegenden konkreten Sachverhalts zu entscheiden. Zur Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gehören in der Regel nur bauliche Anlagen, die geeignet sind, dem Gebiet ein bestimmtes städtebauliches Gepräge zu verleihen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. April 2007 – 4 B 7.07 –, juris, Rn. 4 f., mit weiteren Nachweisen; OVG NRW, Beschluss vom 2. August 2022 – 10 A 2127/21 –, Rn. 6 - 7, juris).
40Das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs ist anhand der äußerlich wahrnehmbaren Verhältnisse zu ermitteln. Die Grenze des Bebauungszusammenhangs ist aufgrund einer Bewertung des konkreten Einzelfalls zu bestimmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2015 – 4 B 28.15 – Rn. 6, juris; OVG NRW, Urteil vom 08.10.2018 – 10 A 1803/16 – Rn. 34, juris).
41Es bestehen danach keine Zweifel, dass die Straßenrandbebauung des Gevierts C-Straße, G-Straße, E-Straße, D-Weg, in dem sich das Umlegungsgebiet befindet, und auch die Bebauung am H-Weg an einem Bebauungszusammenhang teilnehmen. Wie weit dieser Bebauungszusammenhang über das benannte Straßengeviert hinaus reicht, ist für die Entscheidung ohne Belang.
42Der Senat geht nach dem Ergebnis der erneuten Ortsbesichtigung davon aus, dass auch die Freifläche der Flurstücke F5, F6, F7/8, F8/8, 8/36 und F9/8 und der südlichen Teile der Flurstücke F1 und F10 als zur Wohnbebauung gehörende Garten- und Hofflächen an diesem Bebauungszusammenhang teilnehmen. Es handelt sich nicht um einen sogenannten Außenbereich im Innenbereich.
43Eine ringsum von Bebauung umgebene Freifläche, die so groß ist, dass sich ihre Bebauung nicht mehr als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung aufdrängt und die deshalb nicht als Baulücke erscheint, liegt nicht innerhalb eines Bebauungszusammenhangs im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB; sie ist damit bebauungsrechtlich Außenbereich. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich noch als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall vorliegenden konkreten Sachverhalts zu entscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 2005 – 4 BN 37.05 –, Rn. 3, juris).
44Ab welcher Größe ein Außenbereich im Innenbereich anzunehmen ist, lässt sich abstrakt nicht festlegen. Als Anhaltspunkt wird die Faustformel vorgeschlagen, dass ab einer Größe von mehreren Hektar die Vermutung eher für einen Außenbereich spricht und bei einer Größe der Freifläche von deutlich weniger als 1 ha ein Außenbereich im Innenbereich zumeist ausscheiden dürfte (vgl. Kuschnerus/Bischopink/Arnold, Das zulässige Bauvorhaben, 7. Aufl., Rdnr. 271).
45Nach diesen Grundsätzen und unter Berücksichtigung der verhältnismäßig geringen Größe der Freiflächen von insgesamt ca. 5.000 qm sowie ihrer wohnakzessorischen Funktion in Form der Nutzung als Hof- und Gartenland der umliegenden Wohnbebauung hält der Senat an seiner Einschätzung, es handele sich um eine als Außenbereich zu beurteilende Fläche nicht mehr fest.
46Im Rahmen der Inaugenscheinnahme der Freiflächen im hinteren Teil der Grundstücke E-Straße 29 (Flurstück F4/36) und 41 (Flurstück F6) hat der Senat festgestellt, dass die überwiegend als Zier- und Nutzgärten angelegten Freiflächen trotz ihrer handtuchartigen Zuschnitte und ihrer vergleichsweise großen Länge gleichwohl vollständig der Blockrandbebauung entlang der E-Straße als Gartenfläche zugerechnet werden können.
47Auch der Umstand, dass die im Umlegungsgebiet liegenden Freiflächen deutlich wahrnehmbar mit Bäumen und Sträuchern bewachsen sind, spricht nicht für einen Außenbereich im Innenbereich. Wie der Senat bei der erneuten Ortsbesichtigung bei der Begehung der Innenbereiche der vorgenannten Grundstücke ebenfalls feststellen konnte, weisen die Freiflächen eine größere Anzahl von zum Teil hochgewachsenen Nadel- und Laubbäumen auf, sowohl freistehend als Solitärgehölze als auch entlang der innerhalb des Gevierts verlaufenden Grundstücksgrenzen gepflanzt. Einen vergleichbaren Bewuchs mit Sträuchern und Bäumen konnte der Senat vor Ort in den Innenflächen der benachbarten Gevierte, namentlich der Gevierte nördlich der C-Straße, westlich des D-Wegs und südlich der E-Straße feststellen.
48Dabei schmälert der Umstand, dass der erneute Ortstermin am 30.01.2023 und damit außerhalb der jährlichen Vegetationsperiode stattgefunden hat, die Qualität der vor Ort zu gewinnenden Erkenntnisse und der getroffenen Feststellungen nicht. Denn der jahreszeitbedingt fehlende Blattbewuchs der Laubbäume betraf zu diesem Zeitpunkt sowohl die im verfahrensgegenständlichen Geviert befindlichen Laubbäume als auch diejenigen in den Nachbargevierten. Ein Vergleich der im Umlegungsgebiet vorhandenen Vegetation mit derjenigen der Nachbargevierte war vor diesem Hintergrund ohne Abstriche möglich, zumal der Senat die eindeutig während der Vegetationsperiode gefertigten und zur Akte gereichten Orthophotos des Umlegungsgebiets (Anlage 2 der Anlagenheftung) ergänzend als Feststellungsgrundlage herangezogen hat.
49b)
50Die weitere Voraussetzung, dass sich aus der Eigenart der näheren Umgebung hinreichende Kriterien für die Neuordnung der von der Umlegung betroffenen Grundstücke ergeben (§ 45 S. 2 Nr. 2 BauGB), ist jedoch – auch unter Zugrundelegung eines dem Antragsgegner insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums – nicht erfüllt. Dies ist der Fall, wenn die Bebauung der näheren Umgebung im Hinblick auf Art und Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubaren Grundstücksflächen ähnlich wie ein qualifizierter Bebauungsplan verlässlich angibt, welche Bebauung im Umlegungsgebiet zulässig ist. Es kann sich zumeist nur um relativ einfach gelagerte Fälle handeln, in denen die Aufstellung eines qualifizierten Bebauungsplans unnötiger Aufwand wäre (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juni 2014 – 16 U 7/13 –, Rn. 42, juris; Battis/Kreuzberger/Löhr/Reidt, 15. Aufl. 2022, § 45 BauGB, Rn. 3).
51Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Umlegung ein Instrument zur Umsetzung der Bauleitplanung ist, diese jedoch nicht ersetzen kann (vgl. Köster, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl., § 46 Rn. 9). § 45 Satz 2 Nr. 2 BauGB ist nur auf solche Flächen anwendbar, für die ein Planerfordernis nicht besteht, eine wirtschaftlich zweckmäßige oder bauordnungsrechtlich zulässige Bebauung wegen der vorhandenen Grundstückstruktur aber nicht möglich ist und die Maßstäbe für die Umlegung aus einer baulich klaren Strukturierung ermittelt werden können. Die Vorschrift soll es ermöglichen, „vorhandenes Bauland“ zweckmäßig zu gestalten. Die vorhandene bauliche und sonstige Nutzung soll im nicht beplanten Innenbereich dieselbe Funktion wie ein Bebauungsplan im beplanten Bereich erfüllen (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drs. 12/3944, S. 28; Ernst/Zinkahn/Bielenberger/Krautzberger/Otte, BauGB, 147. EL, Februar 2022, § 45 BauGB, Rn. 15a).
52Der die nähere Umgebung bildende Bereich reicht dabei so weit, wie sich die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 4 C 7.15 – Rn. 9, juris). Damit ist der maßgebliche Bereich der näheren Umgebung deutlich enger zu fassen als der für die Annahme eines Bebauungszusammenhangs maßgebliche Bereich. Der Bereich ist dabei für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2014 - 4 B 38.13 – juris), sodass die nähere Umgebung in diesem Sinne nicht pauschal als die Bebauung entlang des Straßengevierts und des H-Weges verstanden werden kann.
53Für das Maß der baulichen Nutzung ist weiter zu berücksichtigen, dass die vorhandene Bebauung eine planerische Ausweisung als Maßstab fast nie ersetzen kann. Insbesondere fehlen im unbeplanten Innenbereich konkrete Maßfestsetzungen, an denen das jeweilige Vorhaben gemessen werden könnte. Der aus der vorhandenen Bebauung zu gewinnende Maßstab ist notwendig grob und ungenau. Zudem sprechen Gründe einer praktisch handhabbaren Rechtsanwendung dafür, in erster Linie auf solche Maße abzustellen, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen. Ihre (absolute) Größe nach Grundfläche, Geschoßzahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur umgebenden Freifläche, prägen das Bild der maßgeblichen Umgebung und bieten sich deshalb vorrangig als Bezugsgrößen zur Ermittlung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung an. Damit ist eine Berücksichtigung der anderen Maßfaktoren zwar nicht ausgeschlossen. Soweit sie eine prägende Wirkung auf das Baugrundstück haben, sind auch sie zur Beurteilung der Frage, ob sich das Vorhaben einfügt, heranzuziehen. Die relativen Maßstäbe – die Grundflächen- und die Geschoßflächenzahl – werden allerdings vielfach nur eine untergeordnete Bedeutung oder, je nach den Umständen des Einzelfalls, auch gar keine Bedeutung für die Frage des Einfügens haben, weil sie in der Örtlichkeit häufig nur schwer ablesbar sind, vielmehr erst errechnet werden müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 1994 – 4 C 18.92 –, juris, Rn. 7).
54aa)
55Ausgehend von diesen Grundsätzen und nach der erneuten Ortsbesichtigung hält der Senat an seiner Einschätzung fest, dass die maßgebliche Blockrandbebauung und die Bebauung am H-Weg, in dem Bereich, der das Umlegungsgebiet umgibt und zu dem Sichtbeziehungen bestehen, mit zwei- bis fünfgeschossigen Wohngebäuden und unterschiedlichen Höhen der Gebäude keine hinreichenden Kriterien für die Neuordnung der Grundstücke bieten. Die Bebauung stellt sich als inhomogen dar. Einen in der Örtlichkeit klar ablesbaren Maßstab für die Gebäudehöhen und Geschossigkeit als Ersatz für eine planerische Festsetzung vermag der Senat nach den im Ortstermin gewonnenen Erkenntnissen nicht festzustellen.
56Im Einzelnen:
57(1)
58Die das verfahrensgegenständliche Geviert umgebende Blockrandbebauung einschließlich der Bebauung entlang des H-Wegs weist eine nicht unerhebliche Varianz sowohl hinsichtlich der Geschosszahl als auch hinsichtlich der Gebäudehöhen auf.
59(a)
60Es sind nach dem im Ortstermin getroffenen Feststellungen und der von dem Antragsgegner zur Akte gereichten aktualisierten Liegenschaftskarte (Blatt 475 d.A.) zwei- bis fünfgeschossige Gebäude vorhanden. In der aktualisierten Liegenschaftskarte ist die Anzahl der oberirdischen Vollgeschosse der Umgebungsbebauung gemäß den amtlichen Vorgaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums durch gut erkennbare römische Ziffern angegeben (vgl. Objektschlüssel [OS] 1033 auf S. 22 der Vorschriften für das automatisierte Zeichnen der Liegenschaftskarte in Nordrhein-Westfalen - Zeichenvorschrift-Aut NRW - [ZV-Aut], RdErl. des Innenministeriums vom 19. März 2004, MBl. NRW S. 404 i.d.F.d. RdErl. vom 14. Juli 2005, MBl. NRW S. 861).
61Die Blockrandbebauung entlang der C-Straße ist mit Ausnahme des auf dem Eckgrundstück C-Straße/G-Straße befindlichen Gebäudes G-Straße 16 (Flurstück F4/151), welches viergeschossig ausgebaut ist, durchgehend zweigeschossig.
62Die Blockrandbebauung entlang der G-Straße ist mit Ausnahme des vorgenannten Gebäudes G-Straße 16 und des zweigeschossigen Gebäudes G-Straße 28 durchgehend dreigeschossig.
63Die Randbebauung des Gevierts entlang der E-Straße weist zwei- bis fünfgeschossige Gebäude auf. So sind die Gebäude E-Straße 9, 11, 25, 27, 27a und 31 zweigeschossig, während die Gebäude E-Straße 5, 17, 19, 29, 33, 41, 43 und 45 dreigeschossig gebaut sind. Demgegenüber weisen die Gebäude E-Straße 7 und 21/23 ebenso wie das Gebäude D-Weg 39 (Flurstück F4/56), welches sich auf dem Eckgrundstück D-Weg/E-Straße befindet, eine viergeschossige Bauweise auf. Das Gebäude E-Straße 15 ist demgegenüber als einziges Gebäude im Geviert fünfgeschossig.
64Entlang des D-Wegs, der insoweit mangels Prägung des Umlegungsgebiets allerdings nicht mehr zur näheren Umgebung gehört, weist die Randbebauung des Gevierts eine ein- bis viergeschossige Bauweise auf. So weisen die Gebäude D-Weg 19, 29, 31 und 33 eine zweigeschossige Bauweise auf, wobei sich auf dem Grundstück D-Weg 19 zudem ein eingeschossiges Nebengebäude befindet. Die Gebäude D-Weg 11-13, 15-17, 35 und 37 sind dreigeschossig gebaut. Die Gebäude D-Weg 25, 27 und 39 weisen vier Geschosse auf.
65Entlang des H-Wegs und der von diesem abzweigenden Stichwege sind die Gebäude ausschließlich in ein- und zweigeschossiger Bauweise errichtet.
66Soweit die aktualisierte Liegenschaftskarte hinsichtlich der Bebauung der Grundstücke E-Straße 21/23 (Flurstück F11) und D-Weg 25 - 27 (Flurstücke F12 – F13, F14, F15, F16) von der mit Schriftsatz des Antragsgegners und der Beteiligten zu 23. vom 27. September 2018 zu den Akten gereichten großformartigen Liegenschaftskarte (Anlage 3 der Anlagenheftung) abweicht, gibt die aktualisierte Liegenschaftskarte gleichwohl die Liegenschaften zum Zeitpunkt der Aufstellung des angefochtenen Umlegungsbeschlusses im Jahre 2016 wieder.
67Denn die aktualisierte Liegenschaftskarte stimmt diesbezüglich mit der ebenfalls als Anlage zum Schriftsatz des Antragsgegners und der Beteiligten zu 23. vom 27. September 2018 zu den Akten gereichten, etwas kleiner formatigen Liegenschaftskarte (Anlage 2 der Anlagenheftung) überein. Darüber hinaus haben die Beteiligten im Rahmen der Ortsbesichtigung bei Gelegenheit der Inaugenscheinnahme des Gebäudes E-Straße 21/23 vom hinteren Bereich des Grundstücks E-Straße 29 aus übereinstimmend angegeben, dass in dem Geviert seit ca. 6 bis 7 Jahren nicht mehr gebaut worden sei. Insoweit sieht der Senat die mit Schriftsatz vom 22. November 2022 vorgetragene Mutmaßung des Antragsgegners und der Beteiligten zu 23., dass auf den Hausgrundstücken E-Straße 21-23 sowie im Bereich D-Weg 25-27 „offenbar neu gebaut bzw. aufgestockt“ worden sei, als widerlegt an.
68(b)
69Auch die Gebäudehöhen der Blockrandbebauung einschließlich des H-Wegs weisen nach dem in der Örtlichkeit gewonnenen Eindruck und ausweislich der von dem Antragsgegner und der Beteiligten zu 23. zu den Akten gereichten Liegenschaftskarte (Bl. 476 d.A.) deutliche Unterschiede auf.
70Entlang der C-Straße schwanken die Traufhöhen zwischen 6,30 Metern und 10,20 Metern (Eckgebäude C-Straße/G-Straße). So weist das Gebäude C-Straße 6 eine Traufhöhe von 6,30 Meter auf. Das Gebäude C-Straße 32 hat eine Traufhöhe von 6,40 Meter. Die Traufhöhe der Gebäude C-Straße 4, 22, und 24 beträgt 6,50 Meter, während die Bebauung auf den Grundstücken C-Straße 8, 10, 12, 14, 16 und 26 eine Traufhöhe von 6,60 Meter aufweist. Die Bebauung C-Straße 18 und 20 hat eine Traufhöhe von 6,70 Meter. Während sich die vorgenannten Gebäude damit hinsichtlich ihrer Traufhöhen lediglich um bis zu 40 cm unterscheiden, hat das Gebäude C-Straße 28-30 eine Traufhöhe von 7,60 Meter und das viergeschossige Eckgebäude G-Straße 16 eine Traufhöhe von 10,20 Meter.
71Entlang der G-Straße weisen die Gebäude eine Traufhöhe zwischen 6,70 Meter und 10,30 Meter auf. Das zweigeschossige Gebäude G-Straße 28 hat mit 6,70 Meter die geringste Traufhöhe der Blockrandbebauung entlang der G-Straße. Im Übrigen weisen die Gebäude Traufhöhen von 8,70 Meter (G-Straße 22, 24 und 26), 8,80 Meter (G-Straße 20), 9,60 Meter (G-Straße 18), 10,00 Meter (G-Straße 30, 32 und 34), 10,20 Meter (G-Straße 16) und 10,30 Meter (Eckgebäude E-Straße 45) auf.
72Entlang der E-Straße variieren die Traufhöhen zwischen 7,00 Meter und 12,00 Meter. Die viergeschossigen Gebäude E-Straße 7 und 21/23 und D-Weg 39 (Eckgebäude D-Weg/E-Straße) weisen Traufhöhen von 9,90 Meter (D-Weg 39), 10,80 Meter (E-Straße 7) und 12,00 Meter (E-Straße 21 und 23) auf. Das fünfgeschossige Gebäude E-Straße 15 hat eine Traufhöhe von 11,40 Meter. Die übrigen Gebäude weisen Traufhöhen von 7,00 Meter (E-Straße 27, 27a und 31), 7,30 Meter (E-Straße 25), 7,90 Meter (E-Straße 9 und 11), 8,40 Meter (E-Straße 29), 9,70 Meter (E-Straße 33, 41 und 43), 9,90 Meter (E-Straße 5), 10,30 Meter (E-Straße 45) und 11,40 Meter (E-Straße 17) auf.
73Die Blockrandgebäude entlang des D-Wegs weisen eine Traufhöhe zwischen 6,90 Meter und 10,10 Meter auf. Die viergeschossigen Gebäude D-Weg 25, 27 und 39 haben eine Traufhöhe von 7,60 Meter (D-Weg 25 und 27) sowie 9,90 Meter (D-Weg 39). Die übrigen Gebäude weisen Traufhöhen von 6,90 Meter (D-Weg 29, 31 und 33), 8,90 Meter (D-Weg 11-13, 15-17 und 19) sowie 10,10 Meter (D-Weg 37) auf.
74Entlang des H-Wegs liegt die Traufhöhe der Hauptgebäude zwischen 2,90 Meter und 7,00 Meter. Im Einzelnen weisen die Gebäude Traufhöhe von 2,90 Meter (H-Weg 14), 5,70 Meter (H-Weg 1 sowie 19/21), 5,80 Meter (H-Weg 8, 8a, 9, 10, 11, 12, 13, 15 und 17), 5,90 Meter (H-Weg 7), 6,00 Meter (H-Weg 2, 4 und 6), 6,10 Meter (H-Weg 23 und 25), 6,80 Meter (H-Weg 2 und 5) sowie 7,00 Meter (H-Weg 16) auf.
75(2)
76Ein großer Teil der unter Ziffer (1) beschriebenen Gebäude steht zu dem Umlegungsgebiet, insbesondere der Freifläche im Inneren des Umlegungsgebiets in Sichtbeziehung, sodass insoweit hinsichtlich der Geschossigkeit und Höhen der Gebäude von einer gegenseitigen Prägung im Bereich der maßgeblichen näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB auszugehen ist.
77So konnte der Senat im Rahmen der Ortsbesichtigung am 30.01.2023 feststellen, dass die Blockrandbebauung entlang der G-Straße vollständig von dem Umlegungsgebiet aus sichtbar ist (Lichtbilder 6, 17, 18 und 20, Anlage zum Protokoll vom 30.1.2023).
78Gleiches gilt für die Blockrandbebauung entlang der C-Straße (Lichtbilder 5, 16, 18 und 19 d.A.), wobei die Sicht auf die Baukörper der Gebäude C-Straße 24 bis 32 vollständig möglich ist, während von den Gebäuden C-Straße 4 bis 22 trotz der sich durch die Bebauung des Grundstücks C-Straße 22 (Flurstück F17) mit einem eingeschossigen Nebengebäude ergebende Sichtbehinderung vom Boden aus jedenfalls das Ober- und Dachgeschoss der Gebäude zu sehen ist (beispielhaft die am rechten Rand des Lichtbilds 19 erkennbare Bebauung). Es liegt aus Sicht des Senats auf der Hand, dass im Falle einer auch nur zweigeschossigen Bebauung der Freifläche im Umlegungsgebiet die Gebäude C-Straße 4 bis 22 jedenfalls aus dem Obergeschoss der zu errichtenden Gebäude vollständig zu sehen wären.
79Von der Bebauung entlang der E-Straße sind die Gebäude E-Straße 19 bis 45, soweit sie nicht ohnehin zum Umlegungsgebiet gehören, vollständig vom Inneren des Umlegungsgebiets sichtbar. Trotz der sich durch die Baukörper der Gebäude E-Straße 19 und 21/23 sowie der sich ungefähr auf der Grenze zwischen den Grundstücken E-Straße 19 und 21/23 befindlichen Mauer sind die Dachgeschosse der Gebäude E-Straße 7, 11 (hinterer Teil der Bebauung) und 15 ebenso von der Freifläche im Inneren des Umlegungsgebiets aus zu sehen wie das Dachgeschoss des Gebäudes D-Weg 37. Dies lässt sich beispielshaft anhand des Lichtbilds 1 veranschaulichen, auf dessen rechter Seite trotz der Fokussierung des Lichtbilds auf den Gebäudekomplex E-Straße 19/21/23 die Dachgeschosse der Gebäude E-Straße 7 und 11 sowie D-Weg 37 zu erkennen sind, während das Gebäude E-Straße 15 aus der Perspektive durch einen Baum verdeckt ist. Auch hinsichtlich der vorgenannten Gebäude ist der Senat nach Inaugenscheinnahme des Gebiets der Überzeugung, dass im Falle einer auch nur zweigeschossigen Bebauung der Freifläche im Umlegungsgebiet die Gebäude jedenfalls aus dem Obergeschoss der zu errichtenden Gebäude unabhängig von der Entfernung der Gebäude zum Umlegungsgebiet zumindest nahezu vollständig zu sehen wären.
80Deutlich vom Umlegungsgebiet aus sichtbar sind zudem die Gebäude H-Weg 14 bis 16 und 19 bis 25 (Lichtbilder 8 – 10) sowie in Teilen die Gebäude H-Weg 8 bis 12 (Lichtbild 9).
81Der Senat vermochte im Rahmen der Inaugenscheinnahme zugleich festzustellen, dass die Entfernung der genannten Gebäude vom Umlegungsgebiet im verfahrensgegenständlichen Gebiet für ihre Sicht- und Wahrnehmbarkeit aufgrund ihrer Dimensionen von nachrangiger Bedeutung ist.
82(3)
83Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und der Beteiligten zu 23. sind daher nicht lediglich die zwei- und dreigeschossigen Gebäude der Straßenrandbebauung der Geviertstraßen und des H-Weges als prägend anzusehen.
84Bei den aufgrund ihrer Lage und Sichtbeziehung zum Umlegungsgebiet zur näheren Umgebung gehörenden viergeschossigen Gebäuden E-Straße 21/23, E-Straße 7 und G-Straße 16 sowie dem fünfgeschossigen Gebäude E-Straße 15, aber auch dem zwar lediglich dreigeschossigen Gebäude D-Weg 37, welches jedoch mit einer Traufhöhe von 10,10 Meter eine deutlich wahrnehmbare Größe hat, handelt es sich nach den Feststellungen des Senats im Ortstermin nicht um Ausreißer, die nicht als prägend anzusehen wären.
85Denn für die insoweit anzustellende Bewertung ist alles an Bebauung in den Blick zu nehmen, was in der näheren Umgebung tatsächlich vorhanden ist. Entscheidend für eine Fremdkörpereigenschaft sind zum einen die Singularität und zum anderen die deutliche Andersartigkeit des als Fremdkörper zu wertenden Objekts. Ein vier- oder fünfgeschossiges Wohnhaus kann inmitten einer ein- und zweigeschossigen Bebauung ein Fremdkörper sein. Sind hingegen – wie hier – neben einem viergeschossigen Gebäude auch drei- und fünfgeschossige Gebäude und neben einem fünfgeschossigen Gebäudes auch drei- und viergeschossige Gebäude vorhanden, sind vier- und fünfgeschossige Gebäude regelmäßig nicht als Fremdkörper zu werten (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2006 – 4 C 11.05 -, juris Rn. 9, Kuschnerus/Bischopink/Arnold, Das zulässige Bauvorhaben, 7. Auflage, Rn. 317).
86So liegt der Fall hier. Nach dem im Ortstermin gewonnenen Eindruck handelt es sich bei den viergeschossigen Gebäuden E-Straße 21/23 (Flurstück F11), E-Straße 7 (Flurstück F18/8) und G-Straße 16 (Flurstück F4/151) sowie dem fünfgeschossigen Gebäude E-Straße 15 (Flurstück F19) angesichts der bereits dargelegten mehrgeschossigen Bebauung in der Umgebung nicht um eine sich in keiner Weise einpassende Bebauung.
87Gleiches gilt hinsichtlich der Traufhöhe der zur näheren Umgebung gehörenden Bebauung. Diese zeigt eine Schwankungsbreite von 5,70 Meter (H-Weg 19/21) bis 12,00 Meter, wobei – wie dargelegt – eine große Bandbreite von Traufhöhen bei der zur näheren Umgebung gehörenden Bebauung anzutreffen ist.
88Nach alledem sind sowohl nach der Anzahl als auch nach dem Kriterium der Andersartigkeit die in Rede stehenden Gebäude nicht als Ausreißer zu qualifizieren.
89Eine Beschränkung auf das, was von der vorhandenen Bebauung städtebaulich wünschenswert oder auch nur vertretbar ist, darf bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 34 BauGB nicht vorgenommen werden. Auch eine städtebaulich unerwünschte Bebauung darf bei der Bildung des Maßstabs nicht einfach von vornherein vernachlässigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 4 C 23.86 –, juris, Rn. 12). Diese Ausführungen müssen mit Blick auf die dargestellte Funktion des § 34 BauGB als Planersatz erst recht für die Frage gelten, ob eine klar strukturierte Bebauung vorhanden ist, die im Sinne eines Planersatzes hinreichende Kriterien für eine Neuordnung der Grundstücke im Sinne des § 45 Satz 2 Nr. 2 BauGB liefert. Dies ist aus den dargelegten Gründen vorliegend nicht der Fall.
90bb)
91Auch hinsichtlich der Lage künftiger Wohnhäuser im Blockinneren beziehungsweise der überbaubaren Grundstücksfläche im Umlegungsgebiet fehlt es an sich aus der Eigenart der näheren Umgebung ergebenden hinreichenden Kriterien für eine Neuordnung der Grundstücke im Sinne des § 45 Satz 2 Nr. 2 BauGB. Vielmehr handelt es sich bei dem Umlegungsgebiet weitgehend um nicht überbaubare Grundstücksflächen.
92Im Einzelnen:
93(1)
94Die Eigenart der näheren Umgebung ist in diesem Bereich – wie bereits ausgeführt – maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass sich im Hinterland der straßenrandnahen Blockbebauung wohnakzessorische Gartennutzung befindet.
95Die anders gestaltete Bebauung am H-Weg prägt insoweit nach dem in der Örtlichkeit gewonnenen Eindruck den hier in Rede stehenden weitgehend unbebauten Bereich nicht wesentlich. Vor Ort war diesbezüglich eine deutliche Zäsur mit dem Ende der Wohnbebauung am H-Weg erkennbar. Die Eigenart der näheren Umgebung des Umlegungsgebiets ist maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass einerseits eine einheitliche straßenrandnahe Bebauung an der C-Straße und G-Straße sowie der E-Straße besteht, die das Umlegungsgebiet von drei Seiten umschließt und aufgrund seiner geschlossenen Bauweise und seiner deutlich höheren Bebauung den fraglichen Bereich wesentlich mehr prägt als die als aufgelockerte Reihenhausbebauung ausgestaltete Bebauung mit Einfamilienhäusern am H-Weg. Andererseits wird die Eigenart der näheren Umgebung im Bereich des Umlegungsgebiets maßgeblich auch durch die sich von der Straßenrandbebauung umschlossenen und ihr zugehörigen, weitgehend als Hof- und Gartenland genutzten Freiflächen bestimmt.
96Ein Bauvorhaben in diesem Bereich ist daher zurzeit bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nicht im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen würde. Auch wenn – wie oben ausgeführt – eine Fläche zum im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB zählt, bedeutet dies nicht, dass sie damit auch uneingeschränkt bebaubar wäre. Auch im unbeplanten Innenbereich sind die Standorte der zulässigen baulichen Nutzungen auf die Bereiche beschränkt, die als überbaubare Grundstücksflächen zu werten sind. Ist das maßgebliche Gebiet durch die vorhandene Straßenrandbebauung eindeutig dahin gekennzeichnet, dass nur die straßennahen Bereiche der im Geviert gelegenen Grundstücke mit Wohngebäuden überbaubar sind, nicht hingegen der innere Gartenbereich, ist dieser nur einer Errichtung der typischen gärtnerischen Nebenanlagen in wohnbebauten Bereichen wie Lauben, Gerätehäuschen, Gewächshäusern u.ä. zugänglich (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 1999 – 7 A 1608/97, Seite 8 f. des Beschlussabdrucks, n.v.). Es handelt sich damit nicht um „vorhandenes Bauland“ im Sinne der oben zitierten Begründung des Regierungsentwurfs zu § 45 Satz 2 BauGB.
97Auch das im Innenbereich des Umlegungsgebiets in Einzellage auf dem Flurstück F6 (E-Straße 41) befindliche zweigeschossige zu Wohnzwecken dienende Gebäude (E-Straße 41a) genügt auf Grundlage des im Rahmen des Ortstermins vom 30.01.2023 gewonnenen Gesamteindrucks nicht, um die verfahrensgegenständliche Freifläche als bebaubar – und sei es auch nur in zweiter Reihe – zu prägen. Im Rahmen des Ortstermins stellte sich dieses Bauwerk als im Vergleich zur Ausgestaltung der übrigen Freifläche als Ausreißer dar. Eine entsprechende Bebauung in zweiter Reihe findet sich weder im Umlegungsgebiet noch in der näheren Umgebung.
98Soweit bereits im Rahmen der ersten Ortsbesichtigung des Senats am 21.01.2020 auf demselben Grundstück ein weiteres eingeschossiges, augenscheinlich zu Wohnzwecken dienendes Gebäude festgestellt wurde, welches nicht in den Lageplänen verzeichnet war, handelt es sich bei diesem Gebäude ausweislich des zu den Akten gereichten Auszugs aus der Bauakte des Bauaufsichtsamts der Beteiligten zu 23. (Bl. 477 ff. d.A.) um ein aufgrund einer im Jahre 1956 ausgesprochenen Verfügung vor dem Hintergrund des seinerzeitigen Wohnraummangels bis zum heutigen Tage geduldetes Gebäude. Dieses Gebäude ist nach dem durch den Senat am 30.01.2023 gewonnenen Gesamteindruck ebenfalls nicht geeignet, die verfahrensgegenständliche Freifläche als bebaubar zu prägen. Das Gebäude selbst ist von seinem Aussehen, seinen Abmessungen und seiner Lage auf dem Grundstück nicht als Wohnzwecken dienend erkennbar. Es hat vielmehr das Gepräge eines primitiv gebauten, für seine Verhältnisse größeren Gartenschuppens. Das Gebäude prägt von seinem äußeren Erscheinungsbild vielmehr die wohnakzessorische Nutzung der Gartenfläche und erscheint nicht als eigenständige Bebauung.
99Entsprechend der fehlenden Bebaubarkeit der Freifläche hat die Antragstellerin in dem parallel durchgeführten Verfahren zum Aktenzeichen 22 U 3/18 in der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2023 nachvollziehbar vorgetragen, dass die zuständige Bauaufsichtsbehörde der Beteiligten zu 23) Bauvorhaben in diesem Bereich, wie zum Beispiel die Errichtung eines Tiny Houses, für nicht genehmigungsfähig halte.
100(2)
101Soweit der angefochtene Umlegungsbeschluss vor diesem Hintergrund auf den damit auch nach Auffassung des Antragsgegners derzeit nicht überbaubaren Grundstücksflächen Wohnbebauung schaffen will, geht dies über die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten einer Baulandumlegung hinaus. Denn bei der Baulandumlegung nach § 45 Satz 2 BauGB handelt es sich nicht um ein Instrument der Bauleitplanung. Sinn und Zweck der Baulandumlegung in beplanten Bereichen ist vielmehr die Anpassung der bestehenden Eigentums- und Besitzverhältnisse an die maßgebliche Planung und die planmäßige Umgestaltung der betroffenen Grundstücke (vgl. zum Ganzen: Schriever/Linke, in Brügelmann, BauGB: § 45 Rn 13). Nichts Anderes kann für die Umlegung im Anwendungsbereich der Planersatzvorschrift des § 34 BauGB gelten.
102(3)
103Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der H-Weg erkennbar unvollendet ist und die nachvollziehbar wünschenswerte Verlängerung sowie der Abschluss des Weges mit einer Wendemöglichkeit geschaffen werden soll. Die Überlegungen zur Gestaltung des Umlegungsgebiets sind keine in der Örtlichkeit tatsächlich vorhandenen beziehungsweise ablesbaren Kriterien im Sinne des § 45 Satz 2 Nr. 2 BauGB.
104Unabhängig davon wäre die Planung des weiteren Straßenverlaufs und der Lage der Wendemöglichkeit völlig offen. So weist der bisherige Verlauf des H-Wegs aus dem D-Weg kommend eine Verschwenkung nach rechts unmittelbar hinter dem Hausgrundstück D-Weg 25 sowie eine weitere Rechtsverschwenkung in Höhe der Hausgrundstücks H-Weg 7 auf. Desweiteren knickt der H-Weg an seinem Ende auf den Wegflurstücken F20, F21 und F22 nochmals nach rechts ab. Vor diesem Hintergrund ergeben sich im Falle einer Verlängerung des H-Wegs verschiedene Möglichkeiten des Straßenverlaufs. Denkbar ist, das vorgenannte Abknicken des Weges unmittelbar angrenzend an das Wegeflurstück F22 als Verschwenkung nach rechts fortzusetzen. Denkbar ist jedoch auch, den H-Weg ab der Grenze des Wegeflurstücks F22 zur verfahrensgegenständlichen Freifläche in Fahrtrichtung links zu verschwenken oder in gerader Linie parallel zur C-Straße und zur E-Straße fortzusetzen.
105Es lassen sich aus der Umgebung zudem keine Kriterien dafür erkennen, ob die Wendemöglichkeit in nördlicher, östlicher oder südlicher Richtung angelegt werden sollte. Der Straßenverlauf und insbesondere die zu schaffende Wendemöglichkeit in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohngrundstücken wirft mit Blick auf die damit verbundene Lärmbelastung in der Nähe von schützenswerten und störempfindlichen Ruhebereichen zudem Fragen auf. Diese im Umlegungsgebiet erstmals hervorgerufenen städtebaulichen Auswirkungen belegen ein Planungserfordernis (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juni 2014 – 16 U 7/13 –, Rn. 44, juris zur Anlage von Stellplätzen).
106(4)
107Auch soweit der Antragsgegner und die Beteiligte zu 23. ausführen, dass ein Planersatzverfahren nach § 125 Abs. 2 BauGB zur Fortführung des H-Weges durchgeführt und vor Verabschiedung des Umlegungsplanbeschlusses abgeschlossen werde, führt dies nicht zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung.
108Zwar setzt die Umlegung nach § 45 Satz 2 Nr. 2 BauGB anders als § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB keine bereits gesicherte Erschließung voraus. Auch gehört zu den durch § 45 Satz 2 Nr. 2 BauGB ermöglichten Maßnahmen der Innenentwicklung (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB) auch die Erschließung bisher baulich nicht nutzbarer Flächen innerhalb eines Baublocks durch neue Erschließungsanlagen.
109Wie ausgeführt ist vorliegend jedoch entscheidend, dass es sich bei dem Umlegungsgebiet aufgrund seiner Prägung durch die Eigenart der näheren Umgebung um eine nicht überbaubare Grundstücksfläche handelt. Es ergeben sich damit nicht im Sinne des § 45 Satz 2 Nr. 2 BauGB aus der Eigenart der näheren Umgebung Kriterien für die beabsichtigte Neuordnung, sondern gegen diese.
110Diese Bewertung ist unabhängig von der Frage, ob eine Erschließung möglich ist und wie diese geplant werden müsste. Die Erschließungsumlegung als Hauptfall der Umlegung wird in einem bisher unbebauten Gebiet durchgeführt und dient dazu, dieses Land für die Erschließung und Neubebauung zu ordnen (vgl. Reidt, Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 45 Rn 4), nicht aber dazu, nicht überbaubare Grundstücksflächen erstmalig einer Bebauung zuzuführen. Die Umlegung ist nur zulässig, wenn sie das Ziel verfolgt, die Grundstücke für eine „planentsprechende“ Nutzung zweckmäßig zu gestalten (vgl. Reidt a.a.O Rn. 7). Dies kann im Anwendungsbereich der Planersatzvorschrift des § 34 BauGB ebenfalls nur bedeuten, dass eine der tatsächlich vorhandenen Eigenart der näheren Umgebung entsprechende Gestaltung durch die Umlegung zulässig ist.
1112.
112Aus den dargelegten Gründen folgt des Weiteren, dass der Umlegungsbeschluss auch ungeeignet und daher rechtswidrig ist, weil der darin angegebene Zweck der Baulanderschließung zur Befriedigung des hohen Wohnbedarfs in der Stadt A nicht erreicht werden kann. Denn die geplante Bebauung der Umlegungsfläche fügt sich auch vor dem Hintergrund hierdurch ausgelöster bodenrechtlicher Spannungen bereits jetzt absehbar nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein und ist daher nicht auf der Grundlage von § 34 Abs. 1 BauGB genehmigungsfähig.
113Ein Vorhaben fügt sich nicht im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es, bezogen auf die in dieser Vorschrift genannten Kriterien, den aus der Umgebung ableitbaren Rahmen überschreitet und geeignet ist, bodenrechtliche Spannungen zu begründen oder zu erhöhen. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet. Stiftet es in diesem Sinne Unruhe, so lassen sich die Voraussetzungen für seine Zulassung nur unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung schaffen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2022 – III ZR 46/20 –, Rn. 37, juris).
114Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die erstmals im Umlegungsgebiet vorgesehene Wohnbebauung würde – wie bereits ausgeführt – den aus der Umgebung ableitbaren Rahmen überschreiten. Dieser Bereich wird geprägt durch straßenrandnahe Wohnbebauung und große unbebaute Gartenflächen im rückwärtigen Bereich. Auf dieser bislang nicht überbaubaren Grundstücksfläche würde nunmehr erstmals Wohnbebauung zugelassen, was bodenrechtliche Spannungen begründet.
115Ein solcher Fall ist gegeben, wenn das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet. Stiftet es in diesem Sinne Unruhe, so lassen sich die Voraussetzungen für seine Zulassung nur unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung schaffen. Ein Planungsbedürfnis besteht, wenn durch das Vorhaben schutzwürdige Belange Dritter mehr als geringfügig beeinträchtigt werden. Eine nur im Wege der Planung auffangbare Beeinträchtigung kommt auch in Betracht, wenn bei einer Hinterlandbebauung eine vorhandene Ruhelage gestört wird. Wann insoweit die bauplanungsrechtliche Relevanzschwelle im Einzelnen erreicht ist, lässt sich nicht anhand von verallgemeinerungsfähigen Maßstäben feststellen, sondern hängt von den jeweiligen konkreten Gegebenheiten ab (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 1999 – 4 B 15./99 –, Rn. 5, juris; Beschluss vom 21. Juni 2007 – 4 B 807 –, Rn. 7, juris).
116So ist es hier. Die der Ruhe und Entspannung dienenden Teile der rückwärtigen Grundstücksbereiche im Umlegungsgebiet würden erstmals einer Störung ausgesetzt und die oben beschriebene Eigenart dieser Freiflächen aufgehoben. Die Nachverdichtung mit 10 Wohngebäuden wirft nicht nur hinsichtlich der Lage und Ausrichtung der Wohngebäude, des Abstandes zur vorhandenen Wohnbebauung, die durch eine erstmalige Wohnnutzung im Blockinnenbereich in diesem Bereich wegen möglicher Lärmimmissionen, Einschränkungen der Luft- und Lichtzufuhr betroffen ist, sondern auch hinsichtlich des Verlaufs einer möglichen Erschließungsstraße und der Anlage einer Wendemöglichkeit und erforderlicher Stellplätze Fragen auf, die im Rahmen einer Bauleitplanung zu beantworten sind.
117Der Antragsgegner und die Beteiligte zu 23. haben beispielsweise mit Schriftsatz vom 22.11.2022 (Bl. 470 ff. d.A.) hinsichtlich des zu erwartenden Verkehrsaufkommens ausgeführt, dass bei zehn Doppelhaushälften mit fußläufiger Nahversorgung und S-Bahn-Anschluss mit maximal 60-80 Fahrten pro 24 Stunden einschließlich Besucher- und Lieferverkehr zu rechnen sei. Sollten mehr Wohneinheiten entstehen (z.B. durch Einliegerwohnungen oder kleinere Etagenwohnungen) liege die Zahl etwas höher. Bereits die unterstellte Anzahl dieser Fahrbewegungen und die damit einhergehenden Immissionen, in einem – wovon sich der Senat im Rahmen seiner Inaugenscheinnahme des Innenbereichs im Ortstermin am 30.01.2023 überzeugen konnte – von Verkehrslärm bislang völlig unbelasteten Bereich zeigen, dass die privaten Interessen jener Grundstückseigentümer, die eine Nachverdichtung im Bereich des Plangebiets durch eine erstmalige bauliche Ausnutzung der Grundstücke wegen der damit verbundenen negativen Folgen ablehnen, gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Nachverdichtung zur Schaffung von Wohnraum in einem Bauleitplanverfahren von dem dafür zuständigen Rat abzuwägen sind.
118Dass das Amt für Straßen und Verkehrstechnik der Beteiligten zu 23. hinsichtlich der Fortführung des H-Weges parallel zum Umlegungsverfahren ein sog. Planersatzverfahren nach § 125 Abs. 2 BauGB durchzuführen beabsichtigt, das nach dem Vortrag des Antragsgegners und der Beteiligten zu 23. vor Aufstellung des Umlegungsplans abgeschlossen sein soll, vermag eine förmliche Bauleitplanung nicht zu ersetzen.
119Zwar setzt auch ein rechtmäßiger planersetzender Beschluss nach § 125 Abs. 2 BauGB eine fehlerfreie Abwägung der in § 1 Abs. 5 bis 7 BauGB genannten öffentlichen und privaten Belange voraus, zu denen gemäß § 1 Abs. 5 und 6 Nr. 7 BauGB auch die Belange des Umwelt- und Naturschutzes sowie die umweltbezogenen Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit gehören.
120Gleichwohl bedarf es vorliegend der Aufstellung eines Bebauungsplans unter Beteiligung der Öffentlichkeit im Sinne von § 3 BauGB und einer Abwägung durch den Rat der Stadt A (Beteiligte zu 23.) als zentrale Aufgabe jeder Bauleitplanung. Demgegenüber regelt § 125 Abs. 2 BauGB lediglich die Voraussetzungen für die Herstellung einer Erschließungsanlage. Der Abwägungsprozess ist ebenso wie die darauf fußende Entscheidung nach dieser Vorschrift kein Vorgang mit Außenwirkung, sondern – wie der Antragsgegner und die Beteiligte zu 23. zutreffend anführen – ein verwaltungsinternes Abwägungsverfahren, mit dem die Beteiligte zu 23. jegliche Unwägbarkeiten über die Planung und Erweiterung des H-Weges zu vermeiden sucht. Die umfassende Abwägung sämtlicher betroffener Rechte und Interessen ist aber dem Rat als das dafür zuständige Organ und in dem dafür gesetzlich vorgesehenen Verfahren vorbehalten.
121Auch soweit § 55 Abs. 2 BauGB ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 57) eine städtebaulich sinnvolle Bodenordnung im nicht beplanten Innenbereich auch dann ermöglichen soll, wenn zugleich die Änderung oder Herstellung von Erschließungsmaßnahmen erforderlich wird, kann auch insoweit aus den bereits dargelegten Gründen nur eine „planentsprechende“ oder eine der tatsächlich vorhandenen Eigenart der näheren Umgebung entsprechende Bodenordnung gemeint sein. Daran fehlt es hier wie dargelegt.
122III.
123Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 100, 708 Nr. 10, 711 ZPO i.V.m. § 221 BauGB. Die unterschiedlichen Kostenentscheidungen im erstinstanzlichen Verfahren einerseits und hinsichtlich des Berufungs- sowie des Revisionsverfahrens andererseits sind dem Umstand geschuldet, dass die Stadt A als Beteiligte sich lediglich im Berufungs- und im Revisionsverfahren durch eine Antragstellung dem Kostenrisiko unterworfen hat.