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Unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde wird der angefochtene Beschluss teilweise abgeändert.
Für den Beteiligten zu 1) wird für den Zeitraum vom 2.07.2021 bis zum 2.09.2021 gegen den Nachlass eine Vergütung von 2.218,55 € inkl. Umsatzsteuer festgesetzt.
Der weitergehende Festsetzungsantrag bleibt zurückgewiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; eine Erstattung der den Beteiligten im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten wird nicht angeordnet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
2I.
3Der Beteiligte zu 1) war vom Nachlassgericht für den Nachlass der Erblasserin im Zeitraum vom 2.07.2021 bis zum 23.09.2021 zum Nachlasspfleger bestellt. Es war angeordnet, dass der Beteiligte zu 1) die Nachlasspflegschaft berufsmäßig führt.
4Die Beteiligte zu 2) ist die Alleinerbin. Der Nachlass ist werthaltig.
5Mit Schreiben vom 2.09.2021 hat der Beteiligte zu 1) für seine Tätigkeit als Nachlasspfleger im Zeitraum vom 2.07.2021 bis zum 2.09.2021 unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 70,00 € einen Zeitaufwand von 1.598 Minuten (= 26 Stunden und 38 Minuten) in Rechnung gestellt. Darüber hinaus hat der Beteiligte zu 1) Auslagen in Höhe von 71,35 € zuzüglich Umsatzsteuer geltend gemacht und die Festsetzung seiner Vergütung und der Auslagen in Höhe von insgesamt 2.303,46 € gegen den Nachlass beantragt.
6Mit Beschluss vom 30.12.2021 hat das Nachlassgericht – Rechtspflegerin – für den Zeitraum vom 2.07.2021 bis zum 23.09.2021 eine Vergütung von 1.494,44 € - einschließlich Umsatzsteuer – gegen den Nachlass festgesetzt. Den weitergehenden Antrag hat das Nachlassgericht zurückgewiesen.
7Das Nachlassgericht hat nur einen Stundensatz von 50,00 € für gerechtfertigt gehalten. Zudem hat es nur einen Zeitaufwand von 1.507 Minuten für angemessen gehalten und die Festsetzung der Auslagen gegen den Nachlass abgelehnt.
8Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er seinen Vergütungsantrag weiterverfolgt. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde teilweise abgeholfen (Berücksichtigung eines weiteren Zeitaufwands von 10 Minuten) und nunmehr eine Vergütung von 1.504,16 € festgesetzt. Der weitergehenden Beschwerde hat es nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
9II.
10Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist nach § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen gemäß den §§ 59 ff FamFG zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt.
11In der Sache ist sie überwiegend begründet.
121.
13Der Vergütungsanspruch des Nachlasspflegers bei berufsmäßig geführter Nachlasspflegschaft ergibt sich aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1 und 2, 1836 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB alte Fassung. Ist der Nachlass – wie hier - nicht mittellos, dann bestimmt sich die Höhe des Vergütungsanspruchs gemäß § 1915 Abs. 1. Satz 2 BGB a. F. abweichend von § 3 Abs. 1 bis 3 VBVG nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte.
14Die Vergütungsfestsetzung durch das Nachlassgericht erfolgt daher auf Basis eines nach den oben genannten Kriterien zu bestimmenden Stundensatzes sowie dem für die Führung der Nachlasspflegschaft angefallenen Zeitaufwand in Stunden. Der Nachlasspfleger hat hierzu mit seinem Vergütungsantrag eine Aufstellung über seinen Zeitaufwand vorzulegen, die vom Nachlassgericht auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen ist. Erforderlich, aber auch ausreichend für einen ordnungsgemäßen Vergütungsantrag ist dabei, dass die Angaben in der Tätigkeitsaufstellung die Feststellung einer ungefähren Größenordnung des Zeitaufwandes für die entfalteten Tätigkeiten ermöglichen und so zur Grundlage einer Schätzung nach § 287 ZPO gemacht werden können.
15Der von dem Beteiligten zu 1) eingereichte Vergütungsantrag enthält eine ausreichend konkrete Aufstellung des von ihm für die Führung der Nachlasspflegschaft getätigten Zeitaufwandes, die eine Plausibilitätsprüfung durch das Nachlassgericht ohne weiteres ermöglicht. Er hat in dem Vergütungsantrag chronologisch dargelegt, an welchem Tag er welche Tätigkeiten für den Nachlass mit welchem Zeitaufwand in Minuten ausgeübt hat. Die im Einzelnen dargelegten Tätigkeiten für den Nachlass sind plausibel und beziehen sich ausschließlich auf den abrechenbaren Zeitraum ab Bestellung des Nachlasspflegers durch den Beschluss vom 28.06.2021 (7 VI 471/21 AG Essen-Steele). Der Beteiligte zu 1) hat seine Tätigkeit nur bis zum 2.09.2021 abgerechnet. Von daher ist der Ansatz des Nachlassgerichts verfehlt eine Festsetzung für den Zeitraum bis zum 23.09.2021, dem Zeitpunkt der Aufhebung der Nachlasspflegschaft, vorzunehmen. Grundsätzlich wäre der Beteiligte zu 1) berechtigt, auch eine im Zeitraum vom 2.09.2021 bis zum 23.09.2021 entfaltete Tätigkeit noch abzurechnen.
16Der dargelegte Zeitaufwand von insgesamt 26 Stunden und 38 Minuten ist insgesamt plausibel. Der vom Nachlasspfleger für die einzelnen Tätigkeiten angegebene Zeitaufwand ist vom Nachlassgericht grundsätzlich zu akzeptieren. Die Kontrolle beschränkt sich darauf, völlig unangemessene Zeitansätze zu korrigieren. Anders als die Nachlassrechtspflegerin hält der Senat den vom Beteiligten zu 1) für die einzelnen Tätigkeiten angesetzten Zeitaufwand noch für angemessen.
172.
18Für die Führung der Nachlasspflegschaft durch den berufsmäßig tätigen, nicht anwaltlichen Beteiligten zu 1) hält der Senat im vorliegenden Fall einen Stundenlohn von 70,00 € für angemessen.
19Für die Bemessung des angemessenen Stundensatzes ist zunächst das Kriterium der Schwierigkeit der Pflegschaft durch eine Staffelung von einfacher, mittelschwerer und schwieriger Abwicklung zu berücksichtigen.
20Kriterien, die es rechtfertigen, von einer schwierigen Pflegschaft auszugehen, können das Auftauchen komplexer Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Abwicklung des Nachlasses bzw. der Erbenermittlung (z.B. Erben im Ausland, schwierige Urkundenlage), größere Haftungsgefahren bei großem, differenziert angelegtem Vermögen, problematische Immobilien, Gesellschaftsanteile, Auslandsvermögen, ausstehende Steuererklärungen, Verbindlichkeiten in erheblichem oder unübersichtlichem Umfang, Wertpapieranlagen, die Verwaltung nicht hinterlegungsfähigen Vermögens (Mietshaus, Handelsgeschäft) oder etwa die Beteiligung des Erblassers an einer Erbengemeinschaft (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. August 2020 – 21 W 105/20 –; OLG Jena, Beschluss vom 14. Juni 2013 - 6 W 397/12 -, zitiert jeweils nach juris) sein.
21Den Normalfall einer mittelschweren Abwicklung stellt ein Nachlass dar, der sich aus Bargeld, Bankguthaben und beweglichem Vermögen zusammensetzt und nicht in ungewöhnlichem Maße mit Verbindlichkeiten belastet ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. August 2020 – 21 W 105/20 ; OLG Jena, Beschluss vom 14. Juni 2013 - 6 W 397/12 -, zitiert jeweils nach juris).
22Von einer einfachen Pflegschaft kann nur ausnahmsweise ausgegangen werden, etwa wenn nur ein ganz geringer Nachlass vorhanden ist, der Wirkungskreis des Nachlasspflegers deutlich eingeschränkt ist oder der Nachlass vor Entfaltung einer umfangreichen Tätigkeit an die Erben herausgegeben werden kann (OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. August 2020 – 21 W 105/20 –, juris).
23Diese Grundsätze zugrunde gelegt kann im gegebenen Fall von einem Durchschnittsfall ausgegangen werden. Der Nachlass besteht, legt man die Erkenntnisse des Beteiligten zu 1) zugrunde, im Wesentlichen aus mehreren inländischen Sparkonten und Lebensversicherungen. Insgesamt belief sich der Aktivnachlass auf einen Wert von rund 117.000,00 €. Neben der Sicherung und Verwaltung des Sparvermögens, erstreckte sich die Tätigkeit des Nachlasspflegers im Bereich der Verwaltung und Sicherung des Nachlasses im Wesentlichen in der Kündigung und Abwicklung des Mietvertrages mit dem Altersheim.
24Darüber hinaus hat der Beteiligte zu 1) aber entsprechend seiner Aufgabenstellung die Erbin der Erblasserin ermittelt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass zu Lebzeiten der Erblasserin - soweit ersichtlich - kein intensiver Kontakt mit der Verwandtschaft bestand, und es sich bei der Erbin um eine Tochter einer bereits verstorbenen Schwester der Erblasserin handelte, war auch diese Tätigkeit im Bereich der mittelschweren Abwicklung.
25Neben dem Schwierigkeitsgrad kommt der Qualifikation des Nachlasspflegers für die Bemessung des angemessenen Stundensatzes Bedeutung zu. In Bezug auf die zur Führung der Pflegschaft nutzbaren Fachkenntnisse des Beteiligten zu 1) ist zu berücksichtigen, dass dieser seit mehreren Jahren hauptberuflich Betreuungen und Nachlasspflegschaften führt und insoweit umfangreiche praktische Erfahrung und nutzbare Kenntnisse hat.
26In einer Gesamtschau der vorgenannten Aspekte hält der Senat daher für den hier zu entscheidenden Fall einen Stundensatz in Höhe von 70,00 € für angemessen. Dem Beteiligten zu 1) steht somit für seine Tätigkeiten im Umfang von 26 Stunden und 38 Minuten ein Vergütungsanspruch von 1.864,33 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer (354,22 €) und somit insgesamt 2.218,55 € zu.
273.
28Zu Recht hat das Nachlassgericht die vom Beteiligten zu 1) geltend gemachten Aufwendungen nicht gegen den Nachlass festgesetzt.
29Die Festsetzung des Anspruchs auf Aufwendungsersatz durch das Nachlassgericht nach § 168 Abs. 1 und Abs. 5 FamFG alte Fassung ist nur zulässig, wenn sich der Anspruch gegen die Staatskasse richtet, also bei mittellosem Nachlass. Ist der Nachlass - wie hier - nicht mittellos, so kann der Nachlasspfleger die zur Erfüllung seiner Aufwendungsersatzansprüche erforderlichen Geldmittel dem Nachlassvermögen unmittelbar entnehmen bzw. von dem bei Beendigung der Nachlasspflegschaft nach § 1890 BGB herauszugebenden Vermögen abziehen (vgl. OLG Hamm ZEV 2020, 728; OLG München, Beschluss vom 24. April 2018 - 31 Wx 366/16 -, juris; MüKoBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, BGB § 1960 Rn. 100; BeckOGK/Heinemann, BGB § 1960 Rn. 197; Staudinger/Mešina (2017) BGB § 1960 Rn. 36 f.).
30III.
31Im Hinblick auf den überwiegenden Erfolg der Beschwerde wird von der Erhebung von Gerichtskosten abgesehen (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Die Voraussetzungen für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten liegen nicht vor.
32Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die hierfür nach § 70 Abs. 2 FamFG erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.