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Missachtet der geschädigte Fahrzeugführer in einem Baustellenbereich den Verkehr regelnde Verkehrszeichen und Linien und gerät er deswegen in den Arbeitsbereich der Baustelle, wo er verunfallt, kommt eine Amtshaftung des für die Baustelle verkehrssicherungspflichtigen Landes nicht in Betracht, wenn sich eine evtl. unzureichende Baustellenabsicherung im Unfallgeschehen nicht ausgewirkt hat.
Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Gründe:
2Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
3Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die mit der Berufung gegenüber dem angefochtenen Urteil erhobenen Einwände rechtfertigen weder die Feststellung, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch ergeben sich daraus konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten. Die daher nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.
4Dem Kläger stehen aufgrund des Verkehrsunfalls am 00.09.2019 Schadensersatzansprüche aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG – der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - gegen das beklagte Land nicht zu.
5Der Senat teilt die Auffassung und die Begründung des Landgerichts, wonach das beklagte Land vorliegend passivlegitimiert ist.
6Davon ausgehend hat das Landgericht zutreffend den Umfang der bei dem beklagten Land verbleibenden Teils der Verkehrssicherungspflicht für die Fälle dargestellt, in denen die Verkehrssicherungspflicht im Zusammenhang mit Straßenbauarbeiten an einen privaten Bauunternehmer übertragen wird, so dass auf die diesbezüglichen Ausführungen im angegriffenen Urteil verwiesen werden kann.
7Dies zugrunde gelegt ist das Landgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die durch die Baustelle geschaffene Gefahr durch die vorhandenen Einrichtungen hinreichend erkennbar gewesen sei und der Umstand, dass der Kläger in den Schadensbereich der Baustellenbereich gelangte – auch unter Zugrundelegung der von dem Kläger behaupteten Sichtverhältnisse –, eine Haftung des beklagten Landes nicht begründet.
8Der Unfall ist, auch wenn man die Sachverhaltsdarstellung des Klägers zugrunde legt, allein von ihm zu verantworten und nicht (auch) auf eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des beklagten Landes zurückzuführen.
9Insoweit teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass der Kläger, als er vor dem Richtzeichen 430 (Pfeilwegweiser zur Autobahn, im Folgenden: Hinweisschild) nach rechts abbog, mehrere für ihn auch im Falle auftretenden Nebels erkennbare Verkehrsregeln missachtet hat, die gerade bewirken sollten, dass Verkehrsteilnehmer nicht in den schadensträchtigen Baustellenbereich gelangen. Zum einen hätte er die durchgezogene Linie (Zeichen 295) nicht überfahren dürfen; zum anderen hätte er an der Pfeilbake, vor welcher er nach rechts abgebogen sein will, auf deren linker Seite passieren müssen. Die zur Kennzeichnung von Arbeitsstellen aufgestellten Baken verbieten gerade das Befahren der durch sie abgegrenzten Straßenfläche und leiten den Verkehr an dieser Fläche vorbei (vgl. Spalte 3 zu lfd. Nr. 1-7 der Anlage 4 zu § 43 Abs. 3 StVO). Zur weiteren Begründung der durch den Kläger begangenen Verkehrsverstöße wird ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen unter Ziff. 3 Buchst. a) und b) der Entscheidungsgründe im angegriffenen Urteil Bezug genommen.
10Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich eine etwaige Verletzung von Verkehrssicherungspflichten des beklagten Landes jedenfalls nicht unfallursächlich auf den Verkehrsunfall ausgewirkt hat. So war zum einen der konkrete Abstand zwischen den Leitbaken nicht geeignet, den Anschein zu erwecken, dass im Bereich des Hinweisschildes zusätzlich zur Fahrspur eine Abbiegespur geöffnet wird. Auch war der Standort des Hinweisschildes nicht geeignet, bei einem Verkehrsteilnehmer den Eindruck zu erwecken, dass vor diesem eine Abbiegespur eröffnet wird. Zur Begründung wird auch insoweit vollumfänglich auf die Ausführungen des Landgerichts verwiesen, welche im Hinblick auf die mit der Berufung erhobenen Einwände lediglich in einzelnen Punkten zu ergänzen sind:
11Zunächst begegnet es keinen Bedenken, dass das Landgericht nicht überprüft hat, ob für den Unfallbereich ein gültiger Beschilderungsplan vorlag und ob dieser den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort entsprochen hat. Für die Beurteilung einer etwaigen Verkehrssicherungspflichtverletzung ist dies im vorliegenden Falle unerheblich. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit einer vermeintlich unzureichenden Absicherung einer Baustelle ist danach zu beurteilen, wie die Unfallstelle tatsächlich abgesichert war. Maßgeblich waren die konkreten Verhältnisse vor Ort und nicht etwaige abstrakte Planungsvorstellungen des beklagten Landes, das sich nicht darauf beruft, dass die angeordneten Absicherungen nicht oder nicht richtig vor Ort umgesetzt wurden (vgl. dazu auch: OLG München, Urteil vom 16.02.2012 – 1 U 3409/11 – BeckRS 2012, 4400).
12Ebenfalls greift der Einwand des Klägers nicht durch, wonach das Landgericht einen Verstoß gegen das Zeichen 295 StVO zu Unrecht angenommen habe, weil die durchgezogene Linie im Unfallbereich nicht vorhanden gewesen sei. Die Feststellung des Landgerichts, wonach die durchgezogene Linie in dem Bereich, in dem der Kläger nach seinem Vorbringen abgebogen sein will, als solche erkennbar gewesen sei, ist frei von Rechtsfehlern. Insbesondere konnte das Landgericht die insoweit getroffenen Feststellungen anhand der zur Gerichtsakte eingereichten Lichtbilder der Unfallstelle treffen. Auf den Lichtbildern I und II auf Bl. 207 und auf dem Lichtbild Ia auf Bl. 213 der landgerichtlichen Akte lässt sich erkennen, dass die durchgezogene Linie im Bereich des Hinweisschildes zwar etwas verdreckt oder geringfügig beschädigt sein mag, jedoch als solche weiterhin deutlich zu erkennen war. Dass eine Erkennbarkeit auch bei den klägerseits behaupteten Sichtverhältnissen gegeben war, durfte das Landgericht ebenfalls annehmen, ohne dass es sich dazu etwa eines Sachverständigen hätte bedienen müssen. Der Kläger hatte – wie jeder andere Verkehrsteilnehmer auch - seine Fahrweise den Sicht- und Witterungsverhältnissen anzupassen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 StVO). Diesem Gebot hat er nach seinem Vorbringen dadurch Rechnung getragen, dass er sich mit Schrittgeschwindigkeit vorgetastet und eben an der durchgezogenen Linie orientiert habe. Bei einer solchen Fahrweise hätte er diese jedoch erkennen können und müssen. Dass er sie auch tatsächlich wahrgenommen hat, durfte das Landgericht auch deswegen annehmen, weil der Kläger im Rahmen seiner mündlichen Anhörung angab, eben von dieser gelben Linie im Zusammenhang mit der Beschilderung irritiert gewesen zu sein.
13Soweit der Kläger mit der Berufung vorträgt, dass die durchgezogene Linie erst in Höhe des Hinweisschildes begonnen habe und demgemäß auch als Begrenzung nach links hätte verstanden werden können, vermag dem nicht gefolgt zu werden. Zum einen ergibt sich dies nicht, wie mit der Berufungsbegründung vorgetragen, aus den dem Gericht vorliegenden Lichtbildern. Auf keinem der Lichtbilder ist der Beginn der durchgezogenen Linie – und insbesondere nicht im Bereich des Hinweisschildes – zu erkennen. Vielmehr beginnt die durchgezogene Linie bereits offensichtlich deutlich vor dem Hinweisschild, an welchem der Kläger den Entschluss zum Abbiegen gefasst haben will. Zum anderen steht dieses Vorbringen im Widerspruch zur Einlassung des Klägers, wonach er sich auch bei der Fahrt bis zu dem Schild an der gelben Linie orientiert habe, welche im Bereich der Baustelle beschädigt gewesen sei (vgl. S. 3 des Verhandlungsprotokolls vom 18.01.2022, Bl. 182 LG-Akte). Auch auf den auf Veranlassung des Klägers angefertigten Skizzen ist die durchgehende Linie nicht erst ab dem Bereich des blauen Schildes, sondern im gesamten Baustellenbereich vorhanden (vgl. Bl. 205 LG-Akte).
14Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung folgt vorliegend auch nicht aus der Positionierung des Hinweisschildes. Hinsichtlich der Aufstellung von Richtzeichen ordnet § 42 Abs. 3 StVO lediglich an, dass diese dort aufzustellen seien, von wo an die Anordnung zu befolgen ist. Soweit die Zeichen aus Gründen der Leichtigkeit oder der Sicherheit des Verkehrs in einer bestimmten Entfernung zum Beginn der Befolgungspflicht stehen, ist die Entfernung zu dem maßgeblichen Ort auf einem Zusatzzeichen anzugeben. Die Regelung betrifft demnach nur Richtzeichen, welche ein Ge- oder Verbot enthalten, was bei dem Richtzeichen 430 gerade nicht der Fall ist. Es soll lediglich einen besonderen Hinweis zur Erleichterung des Verkehrs geben. Dabei ist es sogar üblich, dass solche Hinweise in einiger Entfernung zum Kreuzungsbereich erfolgen, um dem Fahrer die Möglichkeit zu geben, seine Fahrweise vorausschauend zu gestalten. Es handelt sich insbesondere nicht um ein dem Zeichen 333 (Ausfahrt) vergleichbares Richtzeichen, aufgrund dessen der Kraftfahrer den Schluss ziehen könnte, dass sich eben an dem Aufstellungsort der Beginn der Ausfahrt befindet.
15Der Aufstellort war auch vorliegend nicht – wie vom Kläger behauptet – missverständlich. Vielmehr war der Verlauf der Fahrbahn durch die aufgestellten Warnbaken und die durchgezogene Linie für den Kläger hinreichend deutlich bestimmt, so dass dieser – selbst bei Nebel – nicht davon ausgehen durfte, dass die angekündigte Auffahrt/Abzweigung zur Autobahn vor dem Schild beginnt. Dem Kläger lagen aufgrund der Warnbaken und der durchgezogenen Linie sämtliche Informationen vor, welche er benötigte, um den Verlauf der Fahrbahn nachvollziehen zu können. Daran würde auch nichts ändern, wenn zwischen der Bake an dem Hinweisschild und der davorstehenden Bake ein Abstand von 11 Metern bestanden haben sollte. Dies hätte sich jedenfalls nicht unfallursächlich ausgewirkt. Selbst diesen Abstand unterstellt war aufgrund der durchgezogenen Linie und der Bake am Hinweisschild der Fahrbahnverlauf für den Kläger deutlich erkennbar. Er hat sich auch, bis er dann wenige Meter vor dem Hinweisschild angehalten haben will, gerade an der durchgezogenen Linie orientiert und keine Veranlassung gesehen, die dadurch vorgezeichnete Fahrbahn zu verlassen. Dass er letztlich, als er vor dem Schild angehalten hat, aus den ihm vorliegenden Informationen die falschen Schlüsse gezogen hat, begründet gerade sein Verschulden an dem Verkehrsunfall und nicht eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des beklagten Landes. Dabei vermag den Kläger vorliegend auch nicht zu entlasten, dass zum Zeitpunkt des Unfalls dichter Nebel geherrscht haben soll. Denn nach seiner Einlassung will er 4-5 Meter vor dem Schild angehalten haben. Er hatte demnach genügend Zeit, sich des Fahrbahnverlaufs, welcher durch die durchgezogene Linie und die Leitbaken hinreichen erkennbar war, zu vergegenwärtigen. Die von ihm geschilderte Stresssituation ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.
16Letztlich begründet auch der Umstand, dass die Fräskante nicht gesondert gesichert war – entgegen der Annahme des Klägers – keine Verkehrssicherungspflichtverletzung des beklagten Landes. Durch die Kennzeichnung des Fahrbahnverlaufs mittels Leitbaken und durchgezogener Linie wurde hinreichend Sorge dafür getragen, dass Verkehrsteilnehmer nicht in den Baustellenbereich gelangen. Einer zusätzlichen Absicherung in dem für den allgemeinen Verkehr nicht freigegebenen Baustellenbereich bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht.
17Die Berufung ist nach alldem unbegründet und wird zurückzuweisen sein, worauf der Senat hiermit hinweist.
18Die Berufung wurde mit Beschluss vom 14.07.2023 gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.