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Zur Vertretung einer Kommune in einem Haftungsfall des kommunalen Eigenbetriebs
Die Berufung der Beklagten gegen das am 04.07.2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2(ohne Tatbestand gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO )
3I.
4Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht in dem mit dem erstinstanzlichen Urteil zuerkannten Umfang stattgegeben.
51.Dem Kläger steht wegen des am 00.11.2017 in der Straße O.-straße in D.-B. stattgefundenen Bruches der Frischwasserleitung gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 2 HaftPflG in Höhe von 2.180,- € zu. Dass die Beklagte für den dem Kläger infolge des Wasserleitungsbruch entstandenen Mietausfallschaden dem Grunde nach gemäß § 2 HaftPflG haftet, ist zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz ebenso unstreitig wie die Höhe des vom Kläger geltend gemachten Mietausfallschadens. Streitig ist im Berufungsverfahren zwischen den Parteien allein noch die Frage, ob der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatz bereits vor Klageerhebung verjährt gewesen ist, weil der Kläger in seinem Mahnbescheidantrag als gesetzlichen Vertreter der Beklagten den Bürgermeister und nicht den Betriebsleiter des städtischen Wasserwerks angegeben hat und dementsprechend der Mahnbescheid am 12.01.2021 nicht dem Betriebsleiter des städtischen Wasserwerks, sondern dem Bürgermeister der Beklagten förmlich zugestellt wurde.
6Nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts ist der Schadensersatzanspruch des Klägers jedoch nicht verjährt, weil die am 31.12.2020 endende Verjährungsfrist rechtzeitig durch die Zustellung des Mahnbescheids gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt worden ist.
7a)Allerdings ist der Beklagten der Mahnbescheid bereits am 12.01.2021 mit seiner förmlichen Zustellung an ihren Bürgermeister wirksam zustellt worden. Denn entgegen der Annahme des Landgerichts wird die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit nicht durch den Betriebsleiter des Wasserwerkes, sondern gemäß 63 Abs. 1 GO NRW durch ihrem Bürgermeister vertreten. Die Vertretungsregelung des § 3 Abs. 1 der Eigenbetriebsverordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16.11.2004 (EigVO NRW) ist nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall nicht einschlägig.
8Nach § 3 Abs. 1 EigVO NRW wird die Gemeinde „in den Angelegenheiten des Eigenbetriebs“ durch die Betriebsleitung vertreten, sofern die Gemeindeordnung oder EigVO NRW keine anderen Regelungen treffen. Eine die allgemeine Zuweisung der gemeindlichen Rechts- und Verwaltungsgeschäfte an den Bürgermeister einschränkende speziellere Zuständigkeit der Betriebsleitung des Eigenbetriebs ist damit nach § 3 Abs. 1 S. 1 EigVO NRW nur in den Angelegenheiten des Eigenbetriebs gegeben. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 EigVO NRW und nach § 3 Abs. 2 S. 2 der von der Beklagten auf der Grundlage von §§ 7 und 114a GO NRW erlassenen Betriebsatzung für den Eigenbetrieb Städtische Wasserwerk D. vom 20.12.2005 in der Fassung ihrer letzten Änderung vom 14.07.2010 obliegt der Betriebsleitung des Eigenbetriebs insbesondere die laufende Betriebsführung. Dazu gehören nach § 3 Abs. 2 S. 3 der Betriebssatzung alle Maßnahmen, die zur Aufrechterhaltung eines einwandfreien Betriebes laufend notwendig sind, insbesondere der innerbetriebliche Personaleinsatz, die Anordnung der notwendigen Instandhaltungsarbeiten und der laufenden Netzerweiterungen, Beschaffungen von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Investitionsgütern des laufenden Bedarfs, die Ersatzbeschaffung von Betriebsmitteln sowie der Abschluss von Werk- und Dienstleistungsverträgen und von Verträgen mit Tarif- und Sonderkunden. Mit den Begriffen der „Angelegenheiten der Eigenbetriebs“ und der „laufenden Betriebsführung“ sind danach vor allem diejenigen regelmäßig anfallenden Geschäfte gemeint, die das "Vorhalten" der als Eigenbetrieb geführten öffentlichen Einrichtung "Wasserversorgung" betreffen, wie Personaleinsatz, sonstige Organisation des Betriebs, Einkauf von Material und Bestellung von Fremdleistungen, laufende Instandhaltung und Erweiterung des Leitungsnetzes. Dazu gehören alle im täglichen Betrieb wiederkehrenden Maßnahmen, die typischerweise zur Aufrechterhaltung des Eigenbetriebs notwendig sind und zur Abwicklung des einzelnen Versorgungsverhältnisses nach vorbestimmten Mustern getroffen werden können (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.12.1988, 22 A 1013/88 – Rz. 17 f. juris; VG Aachen, Urteil vom 08.08.2007, 6 K 1444/06 – Rz. 46 juris).
9Zu diesen im täglichen Betrieb des Wasserwerks wiederkehrenden Maßnahmen gehört die Befassung mit dem vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht. Denn sie gehört weder zu den zur Aufrechterhaltung bzw. dem Vorhalten des Eigenbetriebs notwendigen Maßnahmen, noch lässt sich die Entscheidung über derartige Schadensersatzansprüche von der Betriebsleitung nach vorbestimmten Mustern treffen. Die Bearbeitung derartiger Schadensersatzansprüche hat vielmehr nach den individuellen Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu erfolgen und wird regelmäßig von den Rechtsämtern der Kommunen durchgeführt. Eine hiervon abweichende Regelung hat die Beklagte mit der dafür notwendigen Klarheit und Eindeutigkeit in ihrer Betriebssatzung nicht getroffen, weshalb es insoweit vorliegend bei der in § 63 Abs. 1 GO NRW regelten Zuständigkeit des Bürgermeisters bleibt. Entsprechend war das Rubrum vom Senat dahingehend zu berichtigen, dass die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit durch den Bürgermeister vertreten wird.
10Die hiernach am 12.01.2021 wirksam erfolgte Zustellung des Mahnbescheides an den Bürgermeister wirkt nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt des Eingangs des Mahnbescheidantrags beim AG Hagen, also den 30.12.2020, zurück, weil sie noch im Sinne von § 167 ZPO „demnächst“ erfolgt ist. Die damit am 30.12.2020 eingetretene Hemmung des Laufes der Verjährungsfrist dauerte gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB zumindest 6 Monate, also bis zum 30.06.2020. Schon vorher wurde der Beklagten bzw. dem zu ihrer Vertretung bevollmächtigten Gemeindeversicherungsverband aber am 21.05.2021 die Anspruchsbegründung des Klägers vom 11.05.2021 zugestellt.
11b).Unabhängig davon wäre der Schadensersatzanspruch des Klägers aber auch dann nicht verjährt, wenn man der vorliegend von einer gesetzlichen Vertretung der Beklagten durch den Betriebsleiter des Wasserwerkes ausginge, weil dieser – wie die Beklagte auf Nachfrage des Senats mit Schriftsatz vom 30.03.2023 mitgeteilt hat – bereits am 13.01.2021 von dem Mahnbescheid Kenntnis erlangt hat.
12Nach der bereits vom Landgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ist in Fällen, in denen der Kläger den gesetzlichen Vertreter der beklagten Partei in der Klageschrift lediglich irrtümlich fehlerhaft angibt, sich das Gemeinte aber ermitteln lässt und die Zustellung an den richtigen gesetzlichen Vertreter bewirkt wird, die Klage zulässig erhoben und entsteht das Prozessrechtsverhältnis zu dem ordnungsgemäß gesetzlich vertretenen Beklagten (BGH, Urteil vom 14.03.2017, XI ZR 442/16 – Rz. 17 juris). Dies gilt auch dann, wenn das zuzustellende Schriftstück dem richtigen gesetzlichen Vertreter nicht förmlich zugestellt wird, aber im Sinne von § 189 ZPO tatsächlich zugegangen ist. Auch in diesem Fall wirkt durch die durch Heilung nach § 189 ZPO wirksam gewordene Zustellung, wenn sie im Sinne von § 167 ZPO „demnächst“ erfolgt, auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung bzw. des Eingangs des Mahnbescheids zurück. Dass der richtige gesetzliche Vertreter in dem zuzustellenden Schriftstück nicht benannt ist, steht dabei der Heilung des Zustellungsmangels und der Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO nicht entgegen (BGH, Urteil vom 12.03.2015, III ZR 207/14 – Rz. 12 ff. juris).
13Ausgehend hiervon ist vorliegend der Beklagten der Mahnbescheid jedenfalls am 13.01.2021 wirksam zugestellt worden. Denn auf die Nachfrage des Senats in der Ladungsverfügung vom 22.03.2023 (Blatt 79 OLG-Akten), ob, und wenn ja, wann dem Leiter des Eigenbetriebs Wasserwerk der Mahnbescheid vom 07.01.2021 im Original oder als Fax, Kopie oder Scan zur Kenntnis gebracht wurde, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.03.2023 mitgeteilt, dass der Betriebsleiter des Eigenbetriebes am 13.01.2021 von dem Mahnbescheid Kenntnis erlangt hat. Aufgrund der Bezeichnung des Anspruchs in dem Mahnbescheid als „Schadensersatz aus Unfall/Vorfall gem. Wasserschaden vom 00.11.2017“ sowie des bereits vorprozessual geführten Schriftverkehrs war für diesen auch ohne weiteres erkennbar, dass der geltend gemachten Schadensersatzanspruch die Beklagte betraf. Damit ist der etwaige Zustellungsmangel jedenfalls am 13.01.2023 gemäß § 189 ZPO geheilt worden. Da auch der am 13.01.2023 erfolgte tatsächliche Zugang des Mahnbescheides an den Betriebsleiter des Wasserwerkes noch i.S.v. § 167 ZPO „demnächst“ erfolgte, wirkt die damit am 13.01.2023 wirksam gewordene Zustellung des Mahnbescheides auf den auf den Zeitpunkt des Eingangs des Mahnbescheidantrags beim AG Hagen am 30.12.2022 zurück und hat noch vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31.12.2022 zur Hemmung der Verjährungsfrist geführt.
14Der wirksamen Klageerhebung steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entgegen, dass die Beklagte aufgrund der Regelungen des § 63 Abs. 1 GO NRW und § 3 Abs. 1 EigVO NRW mehrere gesetzliche Vertreter besitzt. Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit wiederholt mit Urteilen vom 09.10.2086 (II ZR 284/85) und vom 16.02.2009 (II ZR 282/07) und ihm folgend auch der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Urteil vom 14.07.2021 (I-8 U 119/20) entschieden, dass eine Aktiengesellschaft in dem Rechtsstreit gegenüber Vorstandmitgliedern – auch Ausgeschiedenen oder deren Witwen – nicht durch den Vorstand, sondern gemäß § 112 AktG durch den Aufsichtsrat vertreten wird und deshalb eine gegen die Aktiengesellschaft erhobene Klage, wenn in ihr der Vorstand als ihr Vertreter angegeben worden ist, unzulässig erhoben ist. Diese Entscheidungen beruhen aber maßgeblich auf den Gesichtspunkt, dass § 112 AktG in diesen Fällen die unbefangene Vertretung der Aktiengesellschaft sicherstellen soll. Den genannten Entscheidungen kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht entnommen werden, dass immer dann, wenn eine juristische Person durch zwei gesetzliche Vertreter vertreten wird, die Klage allein durch die Zustellung an den richtigen gesetzlichen Vertreter wirksam erhoben werden kann und eine Heilung nach § 189 ZPO durch Zugang an den richtigen gesetzlichen Vertreter nicht möglich ist. Dies folgt bereits aus der weiteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.03.2017 (XI ZR 442/16). In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger, der nicht Organ der beklagten Genossenschaft war, in der Klageschrift als deren gesetzlichen Vertreter statt des Vorstandes den Aufsichtsratsvorsitzenden angegeben. Obgleich die Genossenschaft ebenso wie die Aktiengesellschaft mit dem Aufsichtsrat (§ 39 GenG) und dem Vorstand (§ 24 GenG) mehrere gesetzliche Vertreter besitzt, hat der Bundesgerichtshofs eine wirksame Klageerhebung bejaht, wobei er dieses damit begründet hat, dass der Kläger - anders als die Kläger in den von ihm mit Urteilen vom 09.10.1986 (II ZR 284/85) und vom 16.02.2009 (II ZR 282/07) entschiedenen Fällen – hier den gesetzlichen Vertreter nur irrtümlich falsch bezeichnet habe. Bei der Angabe des Aufsichtsratsvorsitzenden der Genossenschaft als ihren gesetzlichen Vertreters in der Klageschrift habe es sich offensichtlich um eine versehentliche Falschbezeichnung gehandelt, mit der keine positive Aussage über die gesellschaftsrechtlichen Vertretungsverhältnisse und insbesondere über die Reichweite des § 39 Abs. 1 Satz 1 GenG habe getroffen werden sollen (BGH, Urteil vom 14.03.2017, XI ZR 442/16 – Rz. 16 f. juris).
15Gleiches gilt auch für den vorliegenden Rechtsstreit. Denn mit der Angabe des Bürgermeisters im Mahnbescheidantrag hatten die Prozessbevollmächtigten des Klägers sicherlich keine positive Aussage dahingehend treffen wollen, dass die Gemeinde in jedweden Angelegenheiten vom Bürgermeister vertreten wird. Die – an dieser Stelle unterstellte - Falschangabe des gesetzlichen Vertreters hat vielmehr erkennbar darauf beruht, dass den Prozessbevollmächtigten des Klägers bei Beantragung des Mahnbescheidsantrags die Regelung des § 3 Abs. 1 EigVO NRW und die Betriebssatzung der Beklagten nicht bekannt gewesen sind und sie deshalb irrtümlich von der – den Regelfall darstellenden – Vertretung der Beklagten durch den Bürgermeister nach § 63 Abs. 1 GO NRW ausgegangen sind.
162.Aus den vorstehenden Gründen erweist sich damit auch der mit dem angefochtenen Urteil zuerkannte Zinsanspruch aus §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB als begründet.
17II.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
19Der Ausspruch zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.