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Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Herne vom 09.05.2023 wird als unzulässig verworfen.
Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 14.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die geschiedene Erblasserin ist am 00.00.2023 im Alter von 87 Jahren in B. verstorben. Sie lebte bis zu ihrem Tod in der Einrichtung I. Haus in B., deren Trägerin die Antragstellerin ist. Die von der Erblasserin bezogene Altersrente deckte die Kosten der dortigen vollstationären Pflege nicht vollständig ab.
4Unter dem 30.03.2023 hat die Antragstellerin das Nachlassgericht um Mitteilung gebeten, ob Erben der Verstorbenen bekannt sind. Sofern keine Erben benannt werden könnten, hat die Antragstellerin zugleich um die Bestellung eines Nachlasspflegers gemäß § 1961 BGB gebeten. Zur Begründung hat sie angeführt, sie habe noch Forderungen aus der Heimbetreuung der Verstorbenen in Höhe von ca. 14.000,00 € gegen den Nachlass. Bei dem Sozialamt der Stadt C. sei zudem ein Verfahren bezüglich Sozialhilfe anhängig. Es fehlten allerdings noch Unterlagen, die sie als Trägerin der Einrichtung aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht anfordern könne.
5Mit Verfügung vom 19.04.2023 hat das Nachlassgericht der Beteiligten mitgeteilt, dass die Beschaffung von Unterlagen für Gläubiger nicht zu den Aufgaben eines Pflegers gehöre. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.05.2023 hat die Antragstellerin sodann die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft gemäß §§ 1960, 1961 BGB beantragt, da ein Sicherungsbedürfnis für den Nachlass bestehe. Zudem müssten sich auf dem Konto der Verstorbenen noch Einkünfte aus Renten befinden, die für die offenen Heimkosten einzusetzen wären.
6Das Nachlassgericht konnte sodann im Laufe des Verfahrens in Erfahrung bringen, dass die Verstorbene zwei Kinder haben solle. Auskunft über den Sterbefall hatte das Standesamt B. von H. A. P. geborene M., einer Enkelin der Erblasserin, erhalten. Eine Einwohnermeldeanfrage vom 05.06.2023 ergab, dass diese Enkelin am 00.00.1983 geboren wurde und in C. wohnt. Das Nachlassgericht hat die Enkelin unter dem 06.06.2023 angeschrieben und ihr einen Fragebogen zur Benennung möglicher Erben übersandt. Eine Reaktion der Enkelin hierauf erfolgte nicht.
7Mit Beschluss vom 09.05.2023 hat das Nachlassgericht Rechtsanwalt Q. K. in C. zum Nachlasspfleger mit dem Wirkungskreis „Vertretung der unbekannten Erben bei der gerichtlichen Geltendmachung von Forderungen, die gegen den Nachlass gerichtet sind“ bestellt. Zur Begründung hat es auf § 1961 BGB verwiesen. Ein Fürsorgebedürfnis im Sinne des § 1960 BGB sei hingegen nicht ersichtlich. Die Interessen des Gläubigers seien hierbei unbeachtlich, da eine Befriedigung der Nachlassgläubiger grundsätzlich nicht Aufgabe des Nachlasspflegers sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses vom 09.05.2023 (Bl. 14/15 GA I) Bezug genommen.
8Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde vom 11.05.2023, soweit die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft gemäß § 1960 BGB abgelehnt worden ist. Sie meint, die Bestellung liege auch im Interesse der Erben. Falls nämlich die erforderlichen Unterlagen des zu Lebzeiten bereits beantragten Kostenübernahmeverfahrens nicht fristgerecht beim Sozialamt eingereicht werden könnten, so ergehe ein entsprechender Ablehnungsbescheid mit nachteiligen Konsequenzen für den Nachlass. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz der Rechtsanwälte U. pp. in L. vom 11.05.2023 (Bl. 23/24 GA I) verwiesen.
9Vor einer Entscheidung über die Beschwerde hat das Nachlassgericht sodann u.a. um Mitteilung gebeten, ob der Antragstellerin der Kontostand auf dem Konto der Erblasserin bekannt sei. Dieser entzog sich indes der Kenntnis der Antragstellerin.
10Unter dem 02.06.2023 hat der Nachlasspfleger dem Bevollmächtigten der Antragstellerin mitgeteilt, dass er die Forderung der Beteiligten dem Grunde nach anerkennen könne. Ein Formular für einen Grundantrag auf Sozialhilfe könne er hingegen nicht ausfüllen, da ihm die dazu notwendigen Informationen nicht vorlägen und er diese aufgrund des eingeschränkten Wirkungskreises auch nicht einholen könne (Bl. 45 GA I). Der Nachlasspfleger hat aus diesem Grund vorgeschlagen, dass die Antragstellerin ihrerseits die entsprechenden Vordrucke ausfülle und ihm zur Unterschrift weiterleite. In der weiteren Korrespondenz hat der Nachlasspfleger sodann mit Email vom 07.06.2023 darauf hingewiesen, dass er keinerlei Hinweise auf Nachlassvermögen habe, weshalb sämtliche Tätigkeiten durch ihn durch die Landeskasse zu tragen seien (Bl. 48 GA I).
11Mit Verfügung vom 21.07.2023 hat das Nachlassgericht die Antragstellerin von der möglichen Erbenstellung der Enkelin in Kenntnis gesetzt. Im weiteren Verlauf hat es sodann durch Beschluss vom 31.08.2023 der Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt (Bl. 71 GA I).
12Auf eine Anfrage vom 19.09.2023 an die Antragstellerin, ob sie bereits weitere Maßnahmen gegen die potentielle Erbin unternommen habe, ist keine Rückmeldung erfolgt. Auf den Hinweis vom 11.10.2023, dass auf Grund von § 19 Abs. 6 SGB XII nicht ersichtlich sei, inwieweit eine Sicherung des Nachlasses bei der Geltendmachung von Leistungen der Sozialhilfe erforderlich sei, hat die Antragstellerin erneut mitgeteilt, dass die Bestellung erforderlich sei, da ihr ansonsten die notwendigen Unterlagen für die Antragstellung fehlten. Andere Nachlassgerichte praktizierten die Bestellung in derartigen Fällen problemlos.
13II.
14Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
15Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG bereits unzulässig.
161.
17Der Nachlassgläubigerin steht gegen die Ablehnung der Anordnung einer Nachlasspflegschaft gemäß § 1960 BGB keine Beschwerdebefugnis im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG zu.
18Bei dem Verfahren gemäß § 1960 BGB handelt es sich um ein Verfahren von Amts wegen (BeckOGK/Heinemann, 15.12.2022, BGB § 1960 Rn. 19). Insofern stellt sich das einleitende Schreiben der Antragstellerin vom 30.03.2023 (Bl. 1/2 GA I) nur als Anregung zur Einleitung des Verfahrens von Amts wegen im Sinne des § 24 Abs. 1 FamFG dar. In einem solchen Amtsverfahren (§ 24 FamFG) bestimmt sich die Beschwerdeberechtigung allein nach § 59 Abs. 1 FamFG (vgl. BeckOK FamFG/Obermann, 47. Ed. 1.8.2023, FamFG § 59 Rn. 15). Sie definiert sich allein über die durch die Entscheidung bewirkte materielle Beschwer, die bloße Beteiligung an dem erstinstanzlichen Verfahren als solche reicht nicht aus (Keidel, FamFG, 21. Auflage, § 59 Rn. 3) Danach steht die Beschwerde lediglich demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt wird.
19Für die Beschwerdeberechtigung ist ein unmittelbarer, nachteiliger Eingriff in ein dem Beschwerdeführer zustehendes subjektives Recht erforderlich. Die angefochtene Entscheidung muss daher ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren. Nicht ausreichend sind demgegenüber lediglich wirtschaftliche, rechtliche oder sonstige berechtigte Interessen (BGH, Beschluss vom 24.04.2013, IV ZB 42/12, Rn. 15 mit weiteren Nachweisen - juris).
20Eine solche materielle Beschwer im Sinne einer Beeinträchtigung von Rechten der Antragstellerin ist jedoch auch unter Berücksichtigung ihres schriftsätzlichen Vorbringens nicht ersichtlich. Der Regelungsgehalt des § 1960 BGB ist nicht auf einen unmittelbaren Schutz von subjektiven Rechten der Antragstellerin in der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation ausgerichtet.
21Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft im Sinne des § 1960 BGB erfolgt im Interesse der unbekannten Erben, soweit dafür ein Bedürfnis besteht. Anders als die Antragstellerin meint, sind vorliegend keine Interessen der unbekannten Erben berührt. Vielmehr verweist das Nachlassgericht zu Recht darauf, dass Belange von Nachlassgläubigern wie der Antragstellerin bei der Entscheidung nach § 1960 BGB nicht zu berücksichtigen sind.
22Die Regelung des § 1960 BGB dient der Sicherung des Nachlasses im Interesse der Erben. Voraussetzung ist damit neben einer Ungewissheit über die Person des Erben insbesondere ein Sicherungsbedürfnis hinsichtlich des Nachlasswertes. Gemäß § 1960 Abs. 1, Abs. 2 BGB kann das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger bestellen, wenn die Erbrechtslage aus bestimmten tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unsicher ist und kumulativ ein Fürsorgebedürfnis besteht (OLG L. BeckRS 2018, 41014; Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann beck-online Großkommentar BGB § 1960 Rn. 27). Ein Fürsorgebedürfnis besteht, wenn ohne Eingreifen des Nachlassgerichts der Bestand des Nachlasses gefährdet wäre und deshalb aufgrund dringlicher Nachlassangelegenheiten ein konkreter Sicherungsanlass begründet ist. Bei der Beurteilung, ob und in welchem Maße dies der Fall ist, hat sich das Nachlassgericht von den Belangen des endgültigen Erben an der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses leiten zu lassen (OLG Hamm, Beschluss vom 28. Oktober 2010 – I-15 W 302/10 –, juris). Ob ein Fürsorgebedürfnis besteht, ist vom Standpunkt des Nachlassgerichts aus zu beurteilen. Maßgebend ist der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Entscheidung über die Sicherungsmaßnahme (BayObLG FamRZ 1996, 308; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 222). Entsprechend müssen aus der Sicht und im Zeitpunkt der Entscheidung des Nachlassgerichts dem Nachlass Gefahren wegen seiner tatsächlichen Herrenlosigkeit drohen und keine Person vorhanden sein, die diesen Gefahren begegnet. Eine solche Gefahr für den Nachlass kann sich auch aus seiner Höhe und Zusammensetzung ergeben (OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 26.09.2019, Aktenzeichen 21 W 65/19, Rdz. 19, 20 mwN; OLG Hamm, Beschluss vom 14.06.2018, Aktenzeichen 15 W 54/18, Rdz. 19, 20 – zitiert jeweils nach juris). Die grundlegenden Voraussetzungen beurteilt das Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. OLG Rostock ZEV 2021, 122 Ls.). Ein Sicherungsbedürfnis besteht bei Gefährdung des Nachlasswertes (vgl. OLG Köln NJW-RR 2019, 1098 (1099)). So ist ein Nachlasspfleger zu bestellen, wenn für den Nachlass eine Forderung geltend gemacht werden soll (MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB § 1960 Rn. 25).
23Belange der Nachlassgläubiger sind dagegen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl. dazu OLG Hamm FGPrax 2011, 84 (85)). Aus diesem Grund etwa wurde eine Anordnung, die Bestattungskosten von einem Nachlasskonto an den Bestattungsunternehmer zu begleichen, als unzulässig angesehen (OLG Dresden ZEV 2010, 582). Auch wenn dies in der Literatur teilweise unter praktischen Gesichtspunkten als zu eng bewertet wird, insbesondere, wenn durch ein derartiges Vorgehen die Anordnung einer kostenträchtigen Nachlasspflegschaft vermieden werden kann (vgl. MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB § 1960 Rn. 25), darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den Interessen der Nachlassgläubiger durch die Nachlassverwaltung (eine Nachlasspflegschaft zum Zweck der Befriedigung der Nachlassgläubiger, § 1975 BGB) und durch die Bestellung eines Nachlasspflegers zur Ermöglichung der Rechtsverfolgung (§ 1961 BGB) Rechnung getragen werden kann. Eine derartige Bestellung ist vorliegend jedoch erfolgt, und der bestellte Pfleger hat bereits mitgeteilt, den Anspruch dem Grund nach anzuerkennen.
24Vor diesem Hintergrund vermag der Senat die rechtlichen Grundlagen für das Anliegen der Antragstellerin nicht nachzuvollziehen. Ihre Argumentation betrifft ihre eigene rechtliche und tatsächliche Ausgangsposition, nicht aber die Sicherungsinteressen des Nachlasses. Die von der Antragstellerin geltend gemachte Forderung richtet sich schon gar nicht gegen den Nachlass. Dies folgt hier aus dem gesetzlichen Forderungsübergang gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII. Danach steht der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tod demjenigen zu, der die Leistungen erbracht oder die Pflege geleistet hat. Die Norm des § 19 Abs. 6 SGB XII regelt einen Sonderfall der Rechtsnachfolge im Sinne einer „cessio legis“. Rechtsfolge ist, dass der Rechtsnachfolger vollständig die Rechtsstellung der verstorbenen Leistungsberechtigten erhält (LPK-SGB XII/Stephan Thie, SGB XII, § 19, Rn. 15, 17). Damit sollen die Einrichtungen und ihre Pflegepersonen geschützt werden, die typischerweise mit ihrer Leistungserbringung in Vorleistung treten. Durch den gesetzlichen Übergang wird zugleich verhindert, dass Ansprüche gegen den Sozialhilfeträger in den Nachlass fallen und von den Erben des Leistungsberechtigten geltend gemacht werden könnten (GK-SRB/Ehmann, SGB XII, § 19, Rn. 26).
25Im Ergebnis bedeutet dies, dass vorliegend die Antragstellerin als eine außenstehende Dritte gegen einen anderen außenstehenden Dritten (den öffentlich-rechtlichen Leistungsträger) einen Anspruch geltend machen möchte, der weder in den Nachlass fällt noch gegen den Nachlass gerichtet ist und nach der grundlegenden gesetzgeberischen Intention auch gerade nicht den Nachlass betreffen soll. Insofern ist der Regelungsbereich des § 1960 BGB nicht betroffen.
262.
27Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gemäß § 1960 BGB auch nicht erforderlich erscheint, um die - wie die Antragstellerin ausführt - "erforderlichen Unterlagen zu Einkommen und Vermögen des Verstorbenen beim Sozialhilfeträger für eine Kostenübernahme einzureichen", was aber "aus Datenschutzgründen einem Heimträger nicht möglich" sei. Der Senat kann zwar die von der Antragstellerin geschilderten tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Ermittlung grundlegender Informationen und der Beschaffung der notwendigen Unterlagen im Ansatz nachvollziehen. Insofern mag jedoch dahinstehen, ob sich hieraus möglicherweise ein Auskunftsanspruch gegen die unbekannten Erben, etwa nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, ergeben könnte. Die Möglichkeit, einen solchen geltend zu machen, wäre nämlich bereits von der angeordneten Nachlasspflegschaft gemäß § 1961 BGB erfasst. Im Übrigen hat der Nachlasspfleger der Antragstellerin in diesem Kontext auch bereits konstruktive Vorschläge für ein weiteres gemeinsames Vorgehen unterbreitet.
283.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 4 FamFG. Ein grobes Verschulden der Antragstellerin ist vorliegend nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.